Die Auswirkungen von Sperrklauseln in Verhältniswahlsystemen am Beispiel Deutschlands und Schwedens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

I.) Mehrheitswahl und Verhältniswahl

II.) Die Wirkung von Wahlsystemen

III.) Zum Begriff der Sperrklausel

IV.) Die Wirkung der Wahlkreisgröße

V.) Zur Diskussion um die Sperrklausel

VI.) Die Bundesrepublik Deutschland
VI.1) Das Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland
Tabelle 1: Bundestagswahlen von 1949 bis 1998
VI.2) Zur Disproportionalität von Stimmen und Mandaten
VI.3) Die Frage der Parteienoligarchie

VII.) Das Königreich Schweden
VII.1) Das Wahlsystem Schwedens
Tabelle 2: Reichstagwahlen von 1911 bis 1998
VII.2) Zur Disproportionalität von Stimmen und Mandaten
VII.3) Die Frage der Parteienoligarchie

Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Auswirkungen der Sperrklausel als technisches Instrument des Wahlsystems auf das Parteiensystem. Betrachtet werden zwei Verhältniswahlsysteme, zum einen die Bundesrepublik Deutschland mit einer festgesetzten Hürde von 5% und zum anderen das Königreich Schweden, wo eine 4%-Hürde gilt.

Bei führenden Autoren der Parteienforschung wird Wahlsystemen eine bedeutende Rolle bei der Bildung der Parteiensysteme zugesprochen. Arend Lijphart, Giovanni Sartori und andere sehen im Wahlsystem die Grundlage zur Schaffung eines stabilen Parteiensystems. Lijphart formuliert: „Among the most important - and, arguably, the most important - of all constitutional choices that have to be made in democracies is the choice of the electoral system.“[1] Sartori schreibt vom Wahlsystem als dem „most essential part of the workings of a political system.“[2]

Das Element der Sperrklausel ist insofern interessant, da es innerhalb der beiden betrachteten Verhältniswahlsysteme ihrem Repräsentationsprinzip entgegenwirkt. Dem Repräsentationsprinzip des Verhältniswahlsystems ist zum Ziel gesetzt, eine möglichst genau dem Wählerwillen entsprechende Sitzverteilung in der Volksvertretung zu generieren.[3] Aufgrund der Sperrklauseln wird eine bestimmte Anzahl von Stimmen bei der Mandatsvergabe nicht berücksichtigt und damit die Proportionalität von abgegeben Stimmen und erhaltenen Mandaten eingeschränkt. Aus diesem Grund bezeichnet Giovanni Sartori Sperrklauseln sogar als „strongly non-propotional“ und sieht sie als sehr bedenklich in Verhältniswahlsystemen an, nicht nur weil ein bestimmter Stimmenanteil bei der Mandatsvergabe nicht berücksichtigt wird, sondern auch weil durch die Umverteilung der Mandate auf die Parteien, die die Sperrhürde übersprungen haben, weitere Disproportionalitäten entstehen nach Meinung Sartoris.[4] Inwieweit die Sperrhürden tatsächlich die Proportionalität von Stimmen und Mandaten in den beiden zu betrachtenden Verhältniswahlsystemen einschränken ist Gegenstand der folgenden Analyse.

Ein weiterer oft vorgebrachter Kritikpunkt an der Sperrklausel bezieht sich auf die Einschränkung der Chancen kleiner Parteien und damit der Einfrierung des Parteiensystems als Effekt der Sperrklausel. So sieht Alf Mintzel das Entstehen einer „Parteienoligarchie“ als logisches Resultat einer Sperrklausel.[5] Ob diese Schlußfolgerung auf die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Schweden zutrifft, gilt es als zweiten Hauptpunkt dieser Arbeit zu klären.

Vor allem auf der Grundlage dieser beiden Kritikpunkte wird noch immer eine heftige Diskussion um das Element der Sperrklausel in Verhältniswahlsystemen geführt auf die in einem gesonderten Abschnitt ebenfalls einzugehen ist.

In einem einführenden Teil scheint es sinnvoll, vorweg den Begriff des „Wahlsystems“ im allgemeinen und im spezifischen den Begriff der „Sperrklausel“ und ihre Funktion in Verhältniswahlsystemen zu erläutern; kurz wird hier auch auf den Faktor Wahlkreisgröße eingegangen, da dieser einen ähnlich konzentrierenden Effekt auf das Parteiensystem wie die Sperrklausel ausüben kann. Die grundlegende Literatur dieses Abschnitts liefert Dieter Nohlen mit seinem Werk: „Wahlrecht und Parteiensystem“, auf das der Autor aber auch in der sich anschließenden Analyse immer wieder zurückgreifen wird.

I.) Mehrheitswahl- und Verhältniswahlsystem

Dieter Nohlen definiert den Begriff Wahlsystem als „den Modus, nach welchem die Wähler ihre Partei- und/oder Kandidatenpräferenz in Stimmen ausdrücken und diese (bei Parlamentswahlen) in Mandate übertragen werden.“[6]

Es werden generell zwei Grundtypen von Wahlsystemen unterschieden: die Mehrheitswahl und die Verhältniswahl; hierunter lassen sich insgesamt mehr als 300 Subtypen einteilen[7]. Als Mittel der Klassikation dieser einzelnen Typen in die zwei Grundtypen bedient sich Nohlen den einzelnen Wahlsystemen zugrundeliegenden Repräsentationsprinzipien. So intendiert die Mehrheitswahl, so Nohlen, die Mehrheitsbildung und nimmt die Disproportion von Stimmen und Mandaten bewußt in Kauf, während die Verhältniswahl auf eine parlamentarische Vertretung der Parteien entsprechend ihrem Anteil an den abgegebenen Wählerstimmen abzielt.[8] In einem idealtypisch angelegten Verhältniswahlsystem würde also jede Partei genau so viele Mandate erhalten, wie dies ihrem prozentualen Anteil an den Wählerstimmen entspricht, also z.B. bei 35 % der Stimmen auch 35 % der Parlamentssitze.

II.) Die Wirkung von Wahlsystemen

Ebenso interessant wie umstritten ist die Frage, in welche Richtung die verschiedenen Typen von Wahlsystemen wirken, d.h., was sind die konkreten Folgen des Wahlsystems auf das Parteiensystem?

Systeme der Verhältniswahl werden in der Literatur oft mit politischen Folgen wie Parteienzersplitterung und politischer Instabilität verbunden, während den Mehrheitswahlsystemen der Effekt der Parteienkonzentration zugeschrieben wird.[9]

Aber auch innerhalb von Verhältniswahlsystemen gibt es Elemente, die der Parteienzersplitterung entgegenwirken und nach Meinung einiger Wissenschaftler einen starken konzentrierenden Effekt auf das Parteiensystem ausüben. Zu nennen sind hier v.a. die Sperrklauseln, welche nach Meinung Alf Mintzels zu einer Parteienkonzentration im Sinne einer „Parteienoligarchie“ führen.[10]

III.) Zum Begriff der „Sperrklausel“

Sperrklauseln machen die Teilnahme der Parteien an der Mandatsvergabe von der Auflage abhängig, eine bestimmte Anzahl von Stimmen in Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen zu erreichen. Die Stimmen, die eine Partei erhält, welche nicht die durch die Sperrklausel festgesetzte Prozenthürde überspringt, fallen in der Regel unter den Tisch.[11] Wichtig ist nun, ob sich die Sperrklausel auf das gesamte Wahlgebiet bezieht oder nur auf den Wahlkreis und natürlich die Höhe der Sperrklausel, da dies Faktoren sind, von denen die Auswirkung der Sperrklausel abhängen.[12] Auf diese spezifischen Elemente der Sperrklausel ist in der Analyse der Auswirkungen der Sperrklausel in den genannten Ländern einzugehen.

IV.) Die Wirkung der Wahlkreisgröße

Bei der Überprüfung des konzentrierenden Effekts der Sperrklausel auf das Parteiensystem besteht die Gefahr, andere konzentrierend wirkende Faktoren außer acht zu lassen, und den Sperrklauseln damit eine ihnen nicht zukommende Wirkung zuzuschreiben.

Ein zu nennender Faktor ist hier die Wahlkreiseinteilung. Sie bezieht sich auf den Prozeß der Festlegung von Anzahl und Größe der Wahlkreise. Wahlkreisgröße meint hierbei nicht die territoriale Ausdehnung des Wahlkreises, sondern die Anzahl der im Wahlkreis zu vergebenen Mandate. Nohlen unterscheidet zwischen Einerwahlkreisen und Mehrpersonenwahlkreisen. Letztere unterteilt er ihrerseits in kleine (2-5 Mandate), mittlere (6-9 Mandate) und große (10 und mehr Mandate) Mehrpersonenwahlkreise.[13]

Nohlen sieht in der Wahlkreisgröße eine entscheidene Bedeutung für die Auswirkung des Wahlsystems, zum einen für das Stimmen-Mandate Verhältnis und zum anderen für die Wahlchancen der politischen Parteien. Er formuliert folgende Regel: „ Je kleiner der Wahlkreis, desto geringer ist der Proportionalitätseffekt des Wahlsystems - und desto geringer sind gewöhnlich auch die Chancen kleiner Parteien ins Parlament zu gelangen.“[14] Er begründet diese Regel mathematisch: „ Der prozentuale Stimmenanteil, den eine Partei benötigt, um ein Mandat zu erhalten, ist rein mathematisch umso größer, je weniger Mandate in einem Wahlkreis zu vergeben sind.“[15] Damit ist der Wahlkreisgröße ebenso wie den Sperrklauseln ein konzentrierender Effekt auf das Parteiensystem zuzuschreiben, da eine kleine Wahlkreisgröße kleine Parteien an der Mandatsvergabe tendenziell ausschließt.

Politische und gesellschaftliche Faktoren, die ebenfalls auf das Parteiensystem einwirken, werden zumindest am Rand der Analyse betrachtet.

V.) Zur Diskussion um die Sperrklausel

Aufgrund einer sehr dürftigen Literaturlage zur Diskussion um die Sperrklausel in Schweden beschränkt sich der Autor in diesem Abschnitt auf die Diskussion um die Sperrklausel in der Bundesrepublik Deutschland.

Die 1949 im Wahlgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgetzte 5% - Klausel wird von manchen Gegnern sarkastisch die „Fünfprozent-Gouillotine“ genannt. Sie durchbreche das Prinzip der Chancengleichheit und schränke auf einem Umweg - so lautet die Kritik - das allgemeine und gleiche Wahlrecht wieder ein.[16]

[...]


[1] Lijphart, Arend: Democratization and Constituional Choices in Czechoslovakia, Hungary and Poland, in: Journal of Theoretical Politics, 1992, Vol. 4, S. 207-223, S. 207.

[2] Sartori, Giovanni: Comparative Constitutinal Engineering. An Inquiry into Structures, Incentives and Outcomes, Houndsmill / London 1994, S. 9.

[3] vgl. Nohlen, Dieter: Wahlrecht und Parteiensystem, Opladen, 1989, S. 106.

[4] vgl. Sartori, Giovanni: The Theory of Democratic Participation, Chatham, 1987, S.54.

[5] vgl. Mintzel, Alf: Das Phänomen der Volkspartei, in der Zeitschrift Wahlen, H.3 1975, S. 23-27, S. 26.

[6] Nohlen, Dieter (Hrsg.): Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998, S. 860.

[7] vgl. Woyke, Wichard: Stichwort: Wahlen, Opladen 1994, S.29.

[8] vgl. Nohlen: Wörterbuch Staat und Politik, S. 861.

[9] vgl. Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem, S. 45-46.

[10] vgl. Mintzel, Alf: Das Phänomen der Volkspartei, S. 26.

[11] vgl. Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem, S. 76.

[12] vgl. ebda. S. 76.

[13] vgl. Nohlen, Dieter / Kasapovic, Mirjana: Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, Opladen 1996, S. 23.

[14] ebda. S. 23.

[15] ebda. S. 23.

[16] vgl. Backes, Uwe / Jesse Eckhard: Parteien, Wahlrecht und Wahlen, in Informationen zu politischen Bildung, H. 207, S. 37-40, S. 38.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen von Sperrklauseln in Verhältniswahlsystemen am Beispiel Deutschlands und Schwedens
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Seminar für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Parteiensysteme in Europa
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V10416
ISBN (eBook)
9783638168441
ISBN (Buch)
9783638806091
Dateigröße
407 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahlsystem, Verhältniswahl, Sperrklausel, Deutschland, Schweden
Arbeit zitieren
Andree Martens (Autor:in), 2002, Die Auswirkungen von Sperrklauseln in Verhältniswahlsystemen am Beispiel Deutschlands und Schwedens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10416

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