Das Berufsbild der Krankenschwester/des Krankenpflegers in der DDR


Ausarbeitung, 2001

3 Seiten


Leseprobe


Udo Höltge

Das Berufsbild der Krankenschwester / des Krankenpflegers in der DDR

Das Berufsbild der Krankenschwester/ des Krankenpflegers in der DDR war im wesentlichen geprägt durch ihre Position im sozialistischen Gesellschaftsgefüge des Staates. Hier unterscheidet sich das Berufsbild der Krankenschwester grundlegend von dem ihrer Kollegen in den westlichen Ländern.

Politisches Engagement, Aktivitäten in den verschiedenen politischen Organisationen wie FDJ, FDGB und Sportverbänden verschafften der Krankenschwester - wie jedem anderen „Werktätigen“ in der DDR - erhebliche berufliche Vorteile.

Im Unterschied zu den Berufskollegen im Westen trugen also nicht allein Ausbildung und Fach- und Weiterbildung zum Berufsbild bei.

Vielmehr gehörte es zum, staatlich verordneten, beruflichem Selbstverständnis, sich mit den politischen Idealen des sozialistischen Staates zu identifizieren.

Auch hieraus resultierten mitunter qualitative Unterschiede im Ausbildungsniveau der Krankenschwester, verglichen mit dem Ausbildungsniveau hierzulande: der Staat, in Person des Ministerium für Gesundheitswesen, legte größten Wert auf positive Außendarstellung. So wurde die Ausbildung der Krankenschwester begrifflich einem Studium gleichgestellt, die Auszubildenden durften sich Studierende nennen und die Ausbildungsstätten hießen Medizinische Fachschulen.

Analog verfuhr der Staat in einer Vielzahl anderer Berufsgruppierungen.

Wer sein Fachstudium zur Krankenschwester absolviert hatte, sollte nicht auf seine Funktion als medizinische Fachkraft „Krankenschwester“ reduziert bleiben. Vielmehr wurde ihm noch ein hohes Maß an ethisch-moralischer, an den Grundfesten der marxistisch-leninistischen Lehren orientierter Edukation verabreicht.„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nachseinen Bedürfnissen“, dieser von Karl Marx geprägte höchste Anspruch an die sozialistische Gesellschaft sollte von der Krankenschwester in der DDR auf beiden Seiten des Kommas zu 100 Prozent erfüllt werden.

Dieses Prinzip gesellschaftlich normierter Erziehung begann in der DDR freilich schon im Kindesalter: in Kombination mit deutscher Gründlichkeit wurde der kleine DDR-Bürger vom Kindergarten über die Schule bis in die Berufsausbildung hinein für sein Leben in der sozialistischen Gemeinschaft nach marxistisch- leninistis chen Grundregeln konfiguriert. Hatte man mit der sozialistischen Erziehung in der Kindergarten- und der Schulphase noch relativ leichtes Spiel, so änderte sich dies zum Zeitpunkt der Berufsausbildung entscheidend: Die Ausbildung fällt in die post-pubertäre Lebensphase eines Menschen, eine Entwicklungsstufe, in der auch der marxistisch-leninistisch voreingestellte Bürger der DDR hormonellen Schwankungen unterworfen war, die nicht selten in Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des politischen Systems oder zumindest Gleichgültigkeit gegenüber der sozialistischen Gemeinschaft mündeten.

Hier sah sich der Staat in besonderem Maße aufgefordert, einzugreifen. Der in der Regel sechzehn, siebzehnjährige Auszubildende wurde in ein perfekt organisiertes System aus Erziehung und Disziplinierung gepresst, um ihn auf dem Weg sozialistischer Tugenden zu halten und eventuelle, pubertätsbedingte Abweichungen zu korrigieren. Verglichen mit anderen Berufszweigen hatte es der Staat im Fall der Berufe des Gesundheitswesens eher leicht, an ethisch- moralische Grundwerte zu appellieren. Ethik und Moral sind seit jeher als politisch unabhängige Größen immanente Bestandteile des Berufbildes der Krankenschwester, egal ob in Ost-Berlin oder Hamburg. Aber getreu dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, wurde, was den Anteil der sozialistischen Ethik und Moral anbetrifft, von staatlicher Seite nichts dem Zufall überlassen.

So wurden „Allgemeine Prinzipien der Einstellungen und Verhaltensweisen (der

Krankenschwester) in der Krankenpfle ge“ generiert und der Krankenschwester mit auf den Weg in Stationskollektiv gegeben.1

Diese - fünf - Prinzipien

- Einfühlungsvermögen

- Akzeptieren der Persönlichkeit · Emotionale Zuwendung

- Kooperation und Zielorientierung · Eigenaktivität und Individualität

sollen schlussendlich zu einerübergreifenden Grundhaltungführen, die für das Berufsbild der Krankenschwester in der DDR elementare und richtungsweisende Bedeutung erlangt: Die Krankenschwester der DDR hat sich „ mit den humanistischen Zielen des sozialistischen Gesundheitswesens zu identifizieren.“

Sie ist „in allen ihren Handlungen deren Vertreter und Vermittler. Ihr Handeln und ihr Verhalten entscheiden in hohem Maße darüber, ob der Patient die Vorzüge des Gesundheitswesens verspürt oder ob er trotz großzügiger materieller und personeller Mittel und Möglichkeiten mit der Behandlung unzufrieden ist.“.

Ein hoher Anspruch und zugleich ein schweres Los für die Krankenschwester in der DDR: neben der von sich aus schon schweren pflegerischen Tätigkeit als Krankenschwester war sie noch gehalten, dem mitunter ob der großzügigen materiellen und personellen Mittel ungläubig dreinblickenden Patienten zu vermitteln, dass er sich, was das Gesundheitswesen der DDR anbelangt, in paradiesischen Gefilden bewegt. Und sie sollte sich immer vergegenwärtigen, dass allein ihr Verhalten darüber entscheidet, ob die Behandlung für den Patienten dem Himmel oder der Hölle auf Erden gleichkommt. Die Bedürfnisbefriedigung des Patienten nach sozialistischen Maßstäben hatte höchste Prio rität.

Die fünf Prinzipien im einzelnen

Einfühlungsvermögen

Sich in die Lage des Patienten versetzen können ist reine Einstellungssache. Die Schwester muss fähig sein, „ein möglichst realistisches Bild der verschiedenen Bereiche der (sozialistischen) Gesellschaft , insbesondere der zwischenmenschlichen Beziehungen aber auch der Leistungsanforderungen zu haben“.

Akzeptieren der Persönlichkeit

Der Patient ist „gleichberechtigter Mitbürger (der sozialistischen Gesellschaft). Er hat Anspruch auf Achtung seiner persönlichen Würde. Die Achtung der Persönlichkeit(...) ist (...) eine Frage der Einstellung , zu der die junge Schwester erzogen werden (...) muss.“

Emotionale Zuwendung

„Jeder Patient bedarf des Kontaktes und der Geborgenheit. Die Zuwendung der Krankenschwester kann vom Patienten nur angenommen werden, wenn sie der Situation und der Persönlichkeit des Kranken angemessen ist.

Kooperation und Zielorientierung

„Die Zusammenarbeit mit dem Patienten (...) stellt jeweils andere Anforderungen. Dabei muss die Zusammenarbeit auf derAufgaben-Sachebeneund deremotional- kommunikativenEbene gleichzeitig gewährleistet sein. Von der Krankenschwester wird ebenso wie von anderen Berufen einWetteifer um hohe Leistungenerwartet. Dabei dürfen aber keine für den Patienten nachteilig spürbaren Rivalitäten erwachsen.“

Eigenaktivität und Individualität Die Krankenschwester„muss bereit sein, sich für Patienten zu engagieren und deren Interessen im Kollektiv zu vertreten.(...) Dann muss sie als Mittler zwischen Patient und Kollektiv wirken und bei den anderen Verständnis für die besondere Lage des Patienten wecken. (...) Sie entwickelt damit ihre Persönlichkeit und findet ihren eigenen Stil im Umgang mit dem Patienten.“

Diese„in fünf Punkten gefassten Prinzipien sind im Alltag der Krankenpflege eng miteinander verknüpft und in ihrer Verwirklichung voneinander abhängig.“Sie finden auch ihren Niederschlag in dem zu Beginn zitierten Teil desAbsolventengelöbnisses:

„alle Vorzüge der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit zum Wohle der Patienten bewusst zu nutzen und die vertauensvolle Beziehung zwischen den Mitarbeitern des Gesundheitswesens und den Bürgern zu vertiefen.“

Zusammenfassend lässt sich zum Berufsbild der Krankenschwester sagen:

- Das Berufsbild der Krankenschwester begründete sich nicht allein aus einem mehr oder weniger autonomen Prozess innerhalb einer oder mehrerer zusammenwirkender Berufsgruppen (Ärzte, Schwestern, Therapeuten). Vielmehr war es geprägt von einem Überbau staatlich verordneter Leitbilder und Prinzipien, der gesellschaftliche, sprich marxistisch-leninistische Ethik- und Moralvorstellungen in den Vordergrund rückte.

- Individualität und Verantwortungsbewusstsein einer Krankenschwester in der DDR sind weniger das Ergebnis freier Persönlichkeitsreifung als vielmehr staatlich gesteuerter Erziehung.

- Die Krankenschwester in der DDR war in hohem Maße mitverantwortlich dafür, das das dem DDR-Bürger bestimmende Bedürfnis nach Arbeit am Ende eines Genesungsprozesses wieder in den Vordergrund rücken konnte. Der DDR-Bürger als quasi Keimzelle des „Arbeiter- und Bauernstaates“ war von der Krankenschwester als eine Art „Edelware“ zu behandeln, die schnellstmöglich wieder in den Arbeitsprozess zurückzuführen war.

- Da im Gesundheitswesen der DDR alle materiellen und personellen Mittel großzügig verfügbar waren, war die Krankenschwester der DDR im Falle eines Scheiterns dieser Rückführung in den Arbeitsprozess in hohem Maße mitverantwortlich zu machen.

Zu hoffen bleibt nur für den Alltag einer Krankenschwester in der DDR, das sie in einem Kollektiv arbeiten durfte, in dem auch nur mit sozialistischem Wasser gekocht wurde.

[...]


1 Nachfolgende Zitate zu den fünf Prinzipien aus "Psychologie für Krankenpflege" Seiten 142- 145

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Das Berufsbild der Krankenschwester/des Krankenpflegers in der DDR
Veranstaltung
PDL-Kurs A 29
Autor
Jahr
2001
Seiten
3
Katalognummer
V103997
ISBN (eBook)
9783640023738
Dateigröße
337 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dies ist ein Kurzreferat im Rahmen einer Gesamtpräsentation mit dem Titel " Die geschichtliche Entwicklung der psychiatrischen Krankenpflege in der ehemaligen DDR ab 1945" Verhältnismäßig schwierig zu recherchierender Stoff.
Schlagworte
Kurzreferat im Rahmen eines Gesamtprojekts
Arbeit zitieren
Udo Höltge (Autor:in), 2001, Das Berufsbild der Krankenschwester/des Krankenpflegers in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103997

Kommentare

  • Gast am 25.1.2013

    Eine Frage habe ich zu der Ausbildung als Kinderkrankenschwester zu Zeiten der DDR in den 60er Jahren:konnte man zu der Zeit ohne Mittlere Reife die Ausbildung nach 2 Jahren beenden?

  • Gast am 11.11.2008

    Antwort.

    Nicht die Ausbildung wird verunglimpft. Die Ausbildung war in Ordnung und qualitativ sicher besser als die im Westen, gar keine Frage.
    Es sollen auch nicht die Menschen abgewertet werden, die in der Pflege tätig waren.
    Es geht um das Bild, das der Staat von seinen Krankenschwestern vermittelt hat: der Staat hat hier sehr viele Eingriffe in die Persönlichkeitsentwicklung vorgenommen, und dies war sehr wohl beabsichtigt.

  • Gast am 29.4.2008

    lächerlich.

    Es gehörte in der ehemaligen DDR allgemein dazu, dass politische Erziehung in Ausbildungen und Studien ertragen werden mußte... es oblag jeder Persönlichkeit selbst, in wieweit sie sich beeinflussen ließ. Man kam eben beruflich nicht wirklich weiter, wenn man nicht mit den Wölfen heulte. Da ich persönlich zu denen gehöre die dieses Land damals lieber heute als morgen verlassen hätten, hätte ich dort beruflich nie Karriere machen können. Jede Führungskraft in der ehemaligen mußte linentreu sein. ABER was ich unglaublich finde ist, dass hier die Ausbildung, die damals einem Fachschulstudium glich, verunglimpft wird. Eine Krankenschwester in der ehemaligen DDR hatte weit mehr Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen, als es eine Krankenschwester in Deutschland heute hat. Die Berufsgruppe ist doch zur reinen Pflegekraft degradiert worden... An dieser Stelle von einer schlechten Ausbildung zu reden ist eine Frechheit. Die Ausbildung nach westlichen Richtlinien reicht bei weitem nicht an die hohe Qualität von damals heran.

  • Gast am 24.2.2002

    Kritik.

    Ich habe den Bericht gelesen und war sehr enttäuscht das man so über mich und meine Kollegen denkt. 1988 habe ich meine Ausbildung begonnen, war 16 Jahre alt und wurde in meinem Lehrnverhalten, meinen Umgang mit Patienten und auch sonst im Umgang mit Lehrern und Mitschülern keineswegs von hormonellen Schwankungen beinflusst. Während der Ausbildungszeit war ich in einem Internat untergebracht, zu siebent in einer sog. 3-Raumwohnung bei Selbstverpflegung und monatl. Miete verlebte ich eine schöne Zeit . Wir halfen uns gegenseitig beim lernen und hatten viel Spass. Wir hatten alle eine gute Kinderstube und niemand mußte uns in ein organisiertes System aus Erziehung und Disziplinierung pressen. Meine Individualität und auch mein Verantwortungsbewußtsein sind sowohl das Ergebnis freier Persönlichkeitsreifung als auch der guten Erziehung meiner Eltern und Familie. Wir genossen eine hohe, umfangreiche fachliche Ausbildung, was ich von den vielen nachfolgenden Auszubildenden welche nach westlichen Richtlinien ausgebildet wurden nicht sagen kann. Ich könnte noch vieles mehr zufügen und möchte auch noch sagen das ich nur für mich allein sprechen kann. Insgesammt empfinde ich das Referat als sehr abwertent gegenüber dem Pflegepersonal der ehemaligen DDR. Ich gebe zu das ich vielleicht etwas jung bin doch ich habe viele ältere Kollegen die häufig aus der alten Zeit ( ca. 30 Jahre), solange besteht unsrere ITS erzählen, sowohl Gutes und Schlechtes. In diesem Referat jedoch fühlt man persönlich abgewertet.

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