Wer bin ich? Das Advaita-Konzept


Seminararbeit, 2001

13 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

„Wer bin ich?“ oder das „Erwachen“

Bewusstsein ist alles, was es gibt

Befreiung

Unsere wahre Natur

Der Suchende

Identifikation mit dem Körper

Das Leben ist bereits geschrieben

Nachwort: Leben und Tod

Literaturverzeichnis

Vorwort

„Die ganze Welt ist ein einziger Geist“ (Zen-Meister Fa Yen). Dass dem ganzen Universum eine Einheit zugrunde liegt, scheint der grundlegende Konsens der östlichen spirituellen Schulen zu sein. Das indische Advaita lehrt uns, dass es nichts außer Bewusstsein gibt. Alle Dinge des Lebens, ganz gleich wie verschiedenartig sie sein mögen, haben gemeinsam, dass sie in unserem Bewusstsein erscheinen. Im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der heutigen Zeit wird deutlich, dass Objekte nur innerhalb der Wahrnehmung existieren und außerhalb davon keine eigenständige Existenz besitzen. Das bedeutet, dass das Universum bzw. unser ganzes Leben lediglich als eine Erscheinung innerhalb unseres Bewusstseins besteht. Was wir als unsere Person, definieren, ist Teil der Erscheinung. Wir sind nicht die Person, für die wir uns halten, sondern das Bewusstsein, das wahrnehmende Element, in dem unser Leben, das heißt das ganze Universum einschließlich unserer eigene Person erscheint. Die tiefstmögliche Erkenntnis dieser Tatsache ist das, was mit dem Wort

„Erleuchtung“ oder „Erwachen“ ausgedrückt werden soll.

„Wer bin ich?“ oder das „Erwachen“

Stellt man sich die Frage: „Wer bin ich?“, so scheint diese aus der Perspektive des Alltagsbewusstseins recht leicht zu beantworten sein. So könnte sich die Antwort aus Aspekten wie Körpergröße, Körpergewicht, Körperform, Haar- und Augenfarbe und verschiedenen psychischen Merkmalen zusammensetzen. Das scheint auf den ersten Blick eine akzeptable Antwort zu sein, doch ist sie bei näherem Hinsehen höchst unvollständig. Erstens können die angeführten Merkmale den Menschen nie in seiner Komplexität erfassen, und zweitens befinden sich alle Merkmale, die man anführen kann, in einem ständigen Wandelprozess. Körperform, Haarfarbe und sogar die Augenfarbe verändern sich im Älterwerden. In der Tat ist mittlerweile allgemein bekannt, dass sich innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren, der Körper all seine Zellen vollständig erneuert hat. Was die Psyche eines Menschen angeht, so gibt es auch hier kein einziges Merkmal, das einen Menschen von seiner Geburt bis zu seinem Tod begleitet.

Aus der Perspektive des Alltagsbewusstseins kann man auf die Frage

„Wer bin ich?“ also nur mit einem Konzept antworten, das erstens den Menschen auf einige Merkmale reduziert und zweitens im nächsten Augenblick, aufgrund der ständigen Veränderung, nicht mehr aktuell ist.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob – wenn alles, was eine Person ausmacht, sich in einem ständigen Prozess der Wandlung befindet – es irgendeine Konstante gibt, die den Mensch von seiner Geburt bis zu seinem Tod begleitet. Bei näherem Hinsehen ist „Bewusstsein“ die einzige Konstante, die sowohl dem neugeborenen Baby, als auch dem alten Greis innewohnt, obwohl uns Bewusstsein aufgrund der unendlichen Mannigfaltigkeit der Bewusstseinsinhalte am allerwenigsten als konstant erscheint.

Bewusstsein ist alles, was es gibt

Sowohl das neugeborene Baby als auch der alte Greis nehmen die Welt durch das Bewusstsein wahr. Bewusstsein ist das einzige Mittel, durch das wir sie wahrnehmen können. Tatsächlich ist Bewusstsein das, was das Leben überhaupt ausmacht. Ohne Bewusstsein gäbe es das Leben nicht, da sich das Leben durch Bewusstsein definiert, das heißt, Leben ist Bewusstsein. Geht man noch einen Schritt weiter, so gibt es ohne Leben, also ohne Bewusstsein, gar keine Welt, da es in dem Fall niemanden gibt, in dessen Bewusstsein die Welt erscheinen könnte. Wie die Erkenntnisse der heutigen Wissenschaft zeigen, sind Objekte davon abhängig, dass sie wahrgenommen werden. Die Welt, wie wir sie kennen, bestehend aus Himmel und Erde, Bergen und Flüssen … ist davon abhängig, dass sie in der Wahrnehmung erscheint. Führt man sich das vor Augen, so ergibt sich ein Weltbild, das von dem unseres Alltagsbewusstseins abweicht. Geht man in seinem Alltag davon aus, dass die Welt unabhängig von uns als feste Materie existiert und auch nach unserem Tod weiter existieren wird, so bedeutet das, dass die Welt, so wie wir sie kennen, lediglich als eine Erscheinung in unserer Wahrnehmung existiert (und mit unserem Tod verschwindet, wobei sie in dem Bewusstsein lebendiger Wesen weiterhin existiert). Nehmen wir an, es gäbe nur ein einziges Lebewesen auf dieser Erde, so würde die gesamte Welt mit dem Tod dieses Lebewesens verschwinden, da es niemanden mehr gäbe, in dessen Bewusstsein die Welt erscheinen würde. Kurz gesagt: Die Welt existiert nicht außerhalb von uns, sondern in uns.

Betrachtet Lebewesen X einen Stuhl und fragt sich, ob der Stuhl existiere, so lautet die Antwort demgemäß: „Ja, aber nur innerhalb der Wahrnehmung.“ Der Stuhl besitzt in diesem Sinne nur eine relative Existenz, so wie die Wiese auch nur bei Tageslicht grün ist. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so kommt man zu dem Schluss, dass nicht nur die Welt, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, sondern auch unsere Gedanken und Gefühle, das heißt absolut alles, woraus unser Leben besteht, ausschließlich im Bewusstsein existiert. Das Leben besteht ausschließlich aus Bewusstsein, in dem die ganze Mannigfaltigkeit (so wie wir das Leben kennen) erscheint. Aus dieser Perspektive unterscheidet sich das Leben in keiner Weise von einem Traum. Genauso wie es in unseren Träumen alte Berge und Flüsse gibt – doch nichts von dem, was da geträumt wird, eine eigenständige Existenz besitzt, das heißt, alles lediglich eine Erscheinung innerhalb des Traumes ist –, ist alles, was wir in unserem Leben wahrnehmen, lediglich eine Erscheinung innerhalb unseres Bewusstseins.

Befreiung

Als Menschen streben wir nach Glück. Wenn materielle Dinge oder gesellschaftlicher Erfolg etc. uns nicht mehr zufriedenstellen, begeben wir uns auf die spirituelle Suche. Uns wird bewusst, dass es mehr geben muss, als durch die Erfüllung materieller und gesellschaftlicher Wünsche erlangt werden kann. Im Rahmen der Suche gelangen wir zu der Erkenntnis, dass das Glück, wonach wir streben, nicht in abhängigkeit von äußeren Umständen irgendwo in der Zukunft zu finden ist, sondern bereits jetzt vorhanden sein muss. Dass, was uns davon hindert, unser gegenwärtiges Glück zu erkennen und zu genießen, sind die Beschränkungen, die wir uns durch unsere Weltsicht selbst auferlegen. In Folge dessen suchen wir nach der Befreiung von diesen selbst auferlegten Beschränkungen, in manchen spirituellen Schulen auch „Erwachen“ oder „Erleuchtung“ genannt.

Um ein tieferes Verständnis dieser Begriffe zu erntwickeln, soll unsere Aufmerksamkeit auf unsere wahre Natur, jenseits unserer Persönlichkeit gerichtet werden.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wer bin ich? Das Advaita-Konzept
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Zen-Buddhismus
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V103983
ISBN (eBook)
9783640023592
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Advaita-Konzept, Zen-Buddhismus
Arbeit zitieren
Nicolas Alschibaja (Autor:in), 2001, Wer bin ich? Das Advaita-Konzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103983

Kommentare

  • Gast am 4.8.2006

    Auf den Punkt gebracht .

    Einfach! Gut!

  • Gast am 26.5.2006

    WEr bin ich? Das Adavaita - Konzept.

    Wunderbar, wie sich hier mit wenig Worten eine klare Aussage des Advaita präsentiert. Ich bin begeistert. Habe ich doch jahrelang Nisargadatte Maharash und Ramesh Balkesar studiert - und nun kommt hiermit eine Zusammenfassung von allem daher! Besser kann es nicht ausgedrückt werden.

    Danke und schön wäre ein Kontakt mit Ihnen.

    herzlichen Gruss, Barbara Bossart (Schweiz)

  • Gast am 20.1.2004

    Ich glaube, dass das Wort "Noumen" eigentlich "Noumenon" (siehe Balsekar The Ultimate Understanding und andere Werke) heißen muesste.

  • Gast am 12.3.2002

    Eine selten schöne Arbeit!.

    Eine sehr schöne, klare und in ihrer Kürze erstaunlich komplexe und informative Arbeit. Besonders angenehm die sachlich-schlichte Sprache, die die Nähe und Sympathie des Autors zur Sache nicht verbirgt, dennoch eine seriöse Distanz wahrt und sich in ihrem ruhigen Erzählton grundlegend vom akademischen Duktus ähnlicher Texte unterscheidet (ebenso wie von den Erkenntnissen und Erfahrungsberichten manch aufgeregter Sucher). Wunderbar zu wissen aber auch, dass in einem philosophischen Seminar der LMU solche Themen überhaupt diskutiert werden, dass sie sich in die Wirbel des www wagen und da nicht untergehen, sondern kleine kluge helle Leuchtfeuer setzen. Vielen Dank dafür und allen an diesem Ergebnis Beteiligten herzliche Grüsse und alle guten Wünsche...

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Titel: Wer bin ich? Das Advaita-Konzept



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