Ausarbeitung zur Methodik der Soziologie


Skript, 2001

15 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1.DEFINITION

2.KONSTRUKTION VON FRAGEN UND ANTWORTVORGABEN
2.1 Bezug von Fragen und erwarteten Informationen
2.1.1 Einstellungs-/Meinungsfragen
2.1.2 Überzeugungsfragen
2.1.3 Verhaltensfragen
2.1.4 Fragen nach Befragteneigenschaften
2.2 Problem der analytischen bzw. prognostischen Kraft der gegebenen Antworten
2.3 Struktur von Antwort- und Fragevorgaben
2.4 Hinweise zur Frage- und Antwortformulierung
2.5 Randomized Response Technique (RRT)

3. FRAGEBOGENKONSTRUKTION
3.1 Konstruktionskriterien
3.2 Design, Format und Layout eines Fragebogens

4. VORARBEITEN ZUM INTERVIEW
4.1 Interviewerschulung
4.2 Pretests

5. METHODISCHE PROBLEME DES INTERVIEWS
5.1 Formen der Antwortverzerrung im Interview
5.2 Zustimmungstendenz
5.3 Soziale Erwünschtheit
5.4 Ansätze zu einer Theorie der Befragung
5.5 Konsequenzen

1.Definition

Das standardisierte Interview ist eine Befragung in einer stark strukturierten I nterviewsituation. Es grenzt sich somit ab von wenig strukturierten Interviewsituationen, wie dem narrativen Interview sowie teilstrukturierten Interviewsituationen, wie dem Leitfadengespräch.

Das Ziel des standardisierten Interviews ist, unterschiedliche Interviewsituationen miteinander vergleichbar zu machen.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen einige Kriterien und Hinweise beachtet werden, die nun näher betrachtet werden sollen.

2.Konstruktion von Fragen und Antwortvorgaben

Im folgenden werden Hinweise zur Konstruktion von Fragen und Antwortvor- gaben gegeben, deren Verletzung zu Verwirrung, Unverständnis oder auch „verzerrten Antworten“ führen kann. Es sollte aber klar sein, dass es keine all- gemeingültigen Regeln gibt, deren Befolgung automatisch zu einem guten Fragebogen führen.

Bei der Konstruktion von Fragen und Antwortvorgaben muss als erstes geklärt werden, welche formale und inhaltliche Struktur die Fragen und Antwortvorgaben haben sollen.

2.1 Bezug von Fragen und erwarteten Informationen

Vor der Fragebogenkonstruktion, muss außerdem geklärt sein, welche Art von Informationen man vom Befragten erhalten will. Dabei wird unterschieden zwi- schen Einstellungs-/Meinungsfragen, Überzeugungsfragen, Verhaltensfragen und Fragen nach Befragteneigenschaften. Sie werden im folgenden erläutert.

2.1.1 Einstellungs-/Meinungsfragen

Einstellungs- bzw. Meinungsfragen zielen auf das Urteil eines Befragten über ein bestimmtes Thema. Das Urteil kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Charakteristische Wendungen, die in diesem Fragetyp als Antwortalternativen vorkommen sind: „erwünscht/unerwünscht“, „gut/schlecht“ und „sollte/sollte nicht“.

Beispiel:

Sollten Ausländer, die länger als 10 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland leben, das allgemeine Wahlrecht erhalten?

JA ( )

NEIN ( )

2.1.2 Überzeugungsfragen

Überzeugungsfragen sollen die Überzeugung des Befragten zu bestimmten Sachverhalten herausfinden, d.h. sie sollen feststellen, ob der Befragte die in der Frage vorgegebenen Sachverhalte für wahr oder falsch hält. Überzeu- gungsfragen zielen auf die wahrgenommene Realität des Befragten ab. Die Frage kann sich auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft beziehen.

Beispiel:

Ist die folgende Aussage richtig oder falsch?

„Im letzten Jahr wurden in der Bundesrepublik Deutschland mehr ausländische als deutsche Kinder geboren.“

RICHTIG ( )

FALSCH ( )

2.1.3 Verhaltensfragen

Verhaltensfragen zielen auf das Verhalten bzw. die Handlungen des Befragten ab. Man kann auch sagen, sie beziehen sich auf die Überzeugungen des Befragten bzgl. seines eigenen Verhaltens.

Beispiel:

Werden Sie sich im Laufe dieses Jahres einen Neuwagen mit einem Katalysatorsystem kaufen?

JA ( )

WAHRSCHEINLICH JA ( )

WAHRSCHEINLICH NEIN ( )

NEIN ( )

2.1.4 Fragen nach Befragteneigenschaften

Fragen nach Befragteneigenschaften bezwecken die personalen und demographischen Kennzeichen des Befragten zu erfassen, wie z.B. Alter, Ausbildung, Beruf, Einkommen, ethnische Zugehörigkeit usw.

Sie werden meist routinemäßig erhoben. Jedoch sollten sie in Zusammenhang mit anderen Fragen stehen. Von einer reinen routinemäßigen Abfrage von demographischen/personalen Eigenschaften wird abgeraten. (siehe 3.1)

2.2 Problem der analytischen bzw. prognostischen Kraft der gegebenen Antworten

Bei der Beurteilung der gegebenen Antworten ergibt sich das Problem, inwie- weit die gegebenen Antworten dem wirklichen Verhalten und den wirklichen Einstellungen entsprechen. In Bezug auf die Verhaltensfragen ergibt sich das Problem, ob das in der Interviewsituation angegebene zukünftige Verhalten mit dem tatsächlichen Verhalten des Befragten übereinstimmt. In Bezug auf die Einstellungs-/Meinungsfragen herrscht ein ähnliches Problem vor.

Deshalb gibt es eine Reihe von Annahmen, die beachtet werden sollten, wenn nach Verhaltensabsichten, Meinungen und Einstellungen gefragt wird:

- Die Befragten sollten das benannte Problem sowohl in seinen einzelnen As- pekten wie auch in seiner Gesamtheit betrachten können und dies auch tat- sächlich tun
- die Befragten sollten in der Lage sein, darüber zu sprechen und auch bereit sein dies zu tun
- die Befragten sollten sich hypothetische Situationen vorstellen und ihre mög- lichen Gefühle in solchen Situationen beschreiben können.
- die Befragten sollten sich zukünftige andere Verhaltensweisen für sich v orstellen können
- die Befragten sollten sich die Konsequenzen anderer Verhaltensweisen für sich vorstellen können

Dies sind sehr viele Anforderungen an den Befragten, und es ist auch nicht leicht zu überprüfen, ob der Befragte ihnen gerecht wird. Deshalb empfiehlt es sich, Fragen zu hypothetischem Verhalten und Handlungsabsichten zu vermei- den. Stattdessen sollte man sich mehr auf die Abfrage von wirklichem Verhal- ten konzentrieren.

2.3 Struktur von Antwort- und Fragevorgaben

Im standardisierten Interview kann man grob zwischen offenen und geschlossenen Fragen unterscheiden.

Bei offenen Fragen soll die Antwort des Befragten in eigenen Worten erfolgen, d.h. sie soll von ihm selber formuliert werden.

Beispiel:

Was könnte Ihrer Meinung nach getan werden, um die Lebenssituation ausländischer Familien in Deutschland zu verbessern?

Bei geschlossenen Fragen (auch „multiple-choice-questions“) muss der Befragte unter verschiedenen Antwortalternativen auswählen.

Beispiel:

Haben sich Ihre Erwartungen bezüglich des Studiums erfüllt?

JA ( )

NEIN ( )

Die unterschiedlichen Antwortalternativen können auch durch eine Rangordnung gegliedert sein.

Beispiel:

Haben sich Ihre Erwartungen bezüglich des Studiums erfüllt?

JA, VOLLSTÄNDIG ERFÜLLT ( )

TEILWEISE ERFÜLLT ( )

NEIN, GAR NICHT ERFÜLLT ( )

Ein Vorteil von offenen Fragen liegt darin, dass der Befragte durch die Angabe von Antworten nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt wird, an die er möglicherweise vorher nicht gedacht hat.

Jedoch überwiegen insgesamt die Nachteile bei den offenen Fragen. Da die Befragten nicht alle die gleiche Artikulationsfähigkeit besitzen, könnten die Unterschiede in den Antworten fälschlicherweise als Einstellungsunterschiede interpretiert werden.

Auch ist die Gefahr der Antwortverzerrung durch Interviewereffekte bei offe- nen Fragestellungen größer. Interviewereffekte entstehen durch das Weglas- sen von bestimmten Informationen, die der Interviewer für unwichtig hält, oder auch durch die individuelle Art jedes Interviewers die Antworten zu notieren. Außerdem ist der Auswertungsaufwand bei offenen Fragen weit höher als bei geschlossenen Fragen.

2.4 Hinweise zur Frage- und Antwortformulierung

Im folgenden werden ein paar Hinweise aufgezählt, die sich auf den Satzbau und die Wortwahl in Fragen und Antwortvorgaben beziehen. Es gibt für die Formulierung von Fragen folgende Faustregeln:

- Fragen sollten verständlich formuliert sein, d.h. sie sollten kurz sein und mög- lichst einfache Worte enthalten. Es sollten keine Fachausdrücke, Fremdwör- ter und Slangausdrücke vorkommen. Um die Verständlichkeit zu gewährleis- ten, sollten doppelten Negationen vermieden werden.
- Suggestivfragen sollten vermieden werden, d.h. die Fragestellung sollte kei- ne bestimmte Antwort provozieren
- Fragen sollten neutral sein
- die Frage sollte eher konkret als abstrakt formuliert sein; z.B. sollte die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?“ vermieden werden, stattdessen könnte gefragt werden „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeitssituati- on/Wohnsituation?“
- Die Frage sollte nicht hypothetisch formuliert sein, also keine Fragen wie „An- genommen Sie würden im Lotto gewinnen “
- Die Frage sollte den Befragten auch nicht überfordern, d.h. keine Fragen, wie „Wie viel Prozent Ihres Einkommens geben Sie für Ihre Freizeit aus?“
- In der Frage sollten alle positiven und negativen Antwortformulierungen ent- halten sein.

Außerdem sollte man die Befragten nicht auffordern eine Begründung für ihre Antwort zu geben. Die anschließende Fragebogenanalyse soll helfen, die Gründe für die verschiedenen Antworten zu liefern. Jedoch wird teilweise auch behauptet, dass die Begründung der Antwort durch den Befragten notwendig sei, um eine richtige Analyse durchzuführen. In diesem Punkt sind sich die Experten also nicht einig.

Es ist außerdem sehr wichtig eine eigene „weiß-nicht“ Kategorie unter den ver- schiedenen Antwortalternativen anzubieten. Dadurch wird gewährleistet, dass der Befragte nicht gezwungen wird, auf eine Frage zu antworten, zu der er selbst keine Meinung hat. Die Beantwortung einer Frage mit der „weiß-nicht“ Kategorie wird als „non-attitude“ bezeichnet. „Non-attitudes“ sollten sich also unter den Antwortkategorien befinden und damit als gültige und interpretier- bare Werte akzeptiert werden.

Ein weiterer Aspekt, der bei der Erstellung von Frage- und Antwortformulierun- gen beachtet werden sollte, ist das Auftreten der Zustimmungstendenz bei „stimme zu/lehne ab“ -Fragen. Es wurde festgestellt, dass bei Fragen, die als Antwortkategorien nur „stimme zu“ bzw. „lehne ab“ anbieten, die Befragten dazu tendieren die „stimme zu“ Kategorie zu wählen. Dies geschieht unabhän- gig vom Inhalt der gestellten Frage und sogar teilweise entgegen der eigentli- chen Meinung des Befragten. Deshalb wird empfohlen solche Fragestellungen zu vermeiden.

Es kommt häufig auch zu einem Problem, wenn sich die Frage auf unangeneh- me bzw. sensitive Sachverhalte bezieht. Dazu gehören u.a. Alkohol-, Drogen- missbrauch, eheliche Gewaltanwendung und spezielle Sexualpraktiken. Bezieht sich die Frage auf eines dieser Themen tritt eine hohe Zahl von Antwortverweigerungen auf und falls trotzdem Antworten gegeben werden, sind diese oft unzuverlässig. Der Grund dafür ist, dass der Befragte befürchtet, dass eine wahrheitsgemäße Antwort zum Verlust seiner sozialen Anerkennung D as Problem wird noch verschärft, wenn sich die Frage auf strafrechtlich rele- vante Themen bezieht. Der Befragte fürchtet sich häufig vor strafrechtlichen Konsequenzen. Indem man die besondere Vertraulichkeit der Daten zusichert und auch die Konsequenzenlosigkeit garantiert kann man den Befragten zu einer wahrheitsgemäßen Antwort bringen.

Darüber hinaus kann versucht werden den anstößigen Sachverhalt in harmlose Zusammenhänge einzubauen oder auch einen bestimmten Sachverhalt ein- fach zu unterstellen, wie z.B. „Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal Marihuana rauchten?“

Beide Verfahren sind allerdings kaum geeignet die Bedenken des Befragten v öllig zu zerstreuen, wenn er sehr starke Konsequenzen befürchtet. Eine mögliche Lösung wird im folgenden beschrieben.

2.5 Randomized Response Technique (RRT)

Mit Hilfe der RRT lässt sich die Zuordnung der Antworten zu den jeweiligen Befragten verhindern. Dies kann sehr wichtig sein, in Fragen, bei denen die Be- fragten mit starken Konsequenzen, z.B. Strafverfolgung, rechnen. Durch die RRT kann dem Befragten die Konsequenzenlosigkeit seiner Antworten garantiert werden.

Das Verfahren lässt sich am besten anhand eines Beispiels erläutern. Angenommen man will die Anzahl von Heroinnutzern in einer bestimmten Gruppe herausfinden, wird folgendermaßen vorgegangen.

Beim Interview soll der Befragte eine zufällig gewählte Kugel aus einer Urne mit insgesamt 10 Kugeln herausnehmen. Es gibt 2 blaue und 8 grüne Kugeln. Der Interviewer kennt die Farbe der gezogenen Kugel nicht. Zieht der Befragte ei- ne blaue Kugel, so muss er die Frage „Ich nehme Heroin“ wahrheitsgemäß mit „JA“ oder „NEIN“ beantworten. Zieht er eine grüne Kugel, so muss er die Frage „Ich bin im Mai geboren“ wahrheitsgemäß mit „JA“ oder „NEIN“ beantworten. Der Interviewer kann die einzelnen Antworten nicht mehr den unterschiedli- chen Befragten zuordnen, da er nicht weiß, auf welche Frage der Befragte geantwortet hat.

Der Anteil der Personen, die Heroin nehmen, kann jedoch mit Hilfe der Stochastik ungefähr ermittelt werden.

Ein großes Problem bei dieser Methode besteht darin den Befragten das

Verfahren zu erläutern und transparent zu machen. Zweifeln die Befragten an der Ernsthaftigkeit dieser Methode, und halten sie diese Technik für „alberne Spielerei“ oder „undurchschaubare Magie“, so werden die Ergebnisse sogar noch unzuverlässiger als bei traditionellen Methoden.

3. Fragebogenkonstruktion

3.1 Konstruktionskriterien

Bei der Fragebogenkonstruktion muss zum einen die inhaltliche Gestaltung des Fragebogens beachtet werden, wie auch der optische Aufbau des Fragebo- gens.

Dazu gibt es bestimmte Konstruktionskriterien, die im folgenden erläutert wer- den.

Hierzu gehört zum einen die Berücksichtigung des sogenannten „Ausstrah- lungseffekts“. Das bedeutet, dass jede Frage die Beantwortung der folgenden Fragen beeinflussen kann. Somit kann der Befragte seine Beantwortung der Folgefragen nach den bereits gegebenen Antworten ausrichten. Der Grund dafür liegt darin, dass Fragen durch andere Fragen in einen Sinnzusammenhang gestellt werden. Der Befragte versucht deshalb die Antworten zusammenhän- gend zu gestalten. Es ist sogar möglich, dass ganze Fragegruppen andere Fra- gegruppen „überstrahlen“.

Beispiel: Die Antworten auf einen Fragekomplex über „sexuelle Praktiken“ ü- berstrahlen einen nachfolgenden Fragekomplex über „Kenntnisse über Schutzmaßnahmen zur Aids-Infektion“

Dieser Ausstrahlungseffekt findet aber auch eine gezielte Anwendung. Mit sei- ner Hilfe kann eine Präzisierung des Themas erfolgen. Dies geschieht dadurch, dass man Fragen in einen bestimmten Kontext stellt, die dann immer näher auf ein bestimmtes Thema eingehen. Das wird auch „Trichterung“ genannt.

Großer Wert wird auch auf die Gestaltung der „Einleitungsfragen“ gelegt. Die- se sind die ersten Fragen eines Interviews und sie entscheiden darüber, ob der Befragte Interesse an dem Interview zeigt, und ob er ein Engagement diesbezüglich entwickelt. Sie sollen deshalb interessant gestellt sein und in das Thema einführen.

Man sollte auch darauf achten, dass keine Fragen gestellt werden, die nur von einem Teil der Befragten beantwortet werden kann. Denn muss der Befragte gleich zu Beginn mehrere „trifft nicht zu“ - Antworten geben, so kann das dazu führen, dass er sich vom Zweck des Interviews nicht betroffen fühlt und damit sein Interesse schwindet. Um dies zu verhindern werden „Filterfragen“ einge- setzt. Durch Filterfragen kann festgestellt werden, ob ein bestimmtes Merkmal beim Befragten vorliegt oder nicht. Dabei wird sichergestellt, dass die nachfol- genden Fragen nur noch von Befragten beantwortet werden, auf die das Merkmal zutrifft.

Beispiel:

19. Ist das Studienfach, das Sie jetzt studieren, das Studienfach, mit dem Sie ursprünglich Ihr Studium begonnen haben?

JA ( ) weiter mit Frage 22

NEIN ( ) weiter mit Frage 20

20. Welches Studium haben Sie ursprünglich begonnen?

ERSTSTUDIUM WAR

21. Wie lange haben Sie dieses Fach studiert?

SEMESTER

22. Ist das Studium, das Sie begonnen haben, Ihr „Wunschstudium“ gewesen?

JA ( )

NEIN ( )

Außerdem sollte keine reine routinemäßige Abfrage von demographischen Daten am Anfang des Interviews erfolgen. Der Befragte wird dadurch zu lange über Sinn und Zweck des Interviews im Unklaren gelassen.

Eine weitere Konstruktionsanweisung bezieht sich auf das Verwenden von sogenannten „sensiblen“ oder „schwierigen“ Fragen. Dem Befragten ist es oft unangenehm auf solche Fragen zu antworten. Trotzdem sollten sie nicht am En- de eines Fragebogens stehen. Dadurch würden sie ohne Zusammenhang ste- hen und aus dem Kontext gerissen werden, was zu Verwirrung auf Seiten des Befragten führen kann. Es wird empfohlen solche Fragen an das Ende des je- weiligen Fragekomplexes zu stellen. Jedoch ist es schwierig festzulegen, wel- che Fragen für die einzelnen Befragten „schwierig“ oder „sensibel“ sind.

Der letzte Schritt der Fragebogenkonstruktion sollte die Überprüfung der Fragen auf Themenbezug sein. Dadurch soll gesichert werden, dass keine Fragen gestellt werden, die lediglich „irgendwie interessant“ sind, jedoch ohne Bezug zu Thema und Hypothese der Untersuchung.

Weitere Aspekte, die beachtet werden sollten:

- zu einem Themenbereich sollten mehrere Fragen gestellt werden
- Fragen nach dem gleichen Aspekt eines Themas sollten nacheinander und zusammenhängend abgerufen werden
- neue Fragenkomplexe sollten mit „Überleitungsfragen“ eingeleitet werden

3.2 Design, Format und Layout eines Fragebogens

Design und Layout eines Fragebogens sollten so angelegt sein, dass keine formalen Schwierigkeiten auf Seiten des Interviewers auftreten. Dazu ist notwendig, dass der Interviewer die Fragen leicht von den Anweisungen unterscheiden kann. Dies kann mit Hilfe von unterschiedlichen Schriftfarben, -arten und Groß-, Kleinschreibung geschehen.

Außerdem sollten auftretende Filterfragen so gestaltet sein, dass der Filterfüh- rung leicht zu folgen ist. Deshalb empfiehlt es sich stets die gleiche Art der Filter- führung zu verwenden, um den Interviewer nicht zu überfordern.

Die Texte, die der Interviewer sprechen muss, sollten vollständig niederge- schrieben sein. Dazu gehören neben den Fragen und Antwortvorgaben z.B. auch Überleitungen und Definitionen, falls sie vorkommen.

Eine zeitliche Begrenzung der Befragung scheint nicht notwendig, da im Rah- men universitärer Untersuchungen eineinhalbstündige Interviews ohne Prob- leme durchgeführt wurden. Es empfiehlt sich jedoch eine großzügige Gestal- tung des Fragebogens. Das schnelle Abarbeiten vieler Seiten suggeriert dem Befragten, dass das Interview schnell vorangeht und erhöht seine Kooperati- onsbereitschaft.

4. Vorarbeiten zum Interview

4.1 Interviewerschulung

Zur Vorbereitung einer Erhebung durch Interviews gehört eine gute Intervie- werschulung. Sie ist besonders wichtig, wenn unerfahrene freiwillige Intervie- wer zum Einsatz kommen. Die Schulung besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der Theorieteil sollte folgende Punkte beinhalten.

1. Er sollte die geplante Untersuchung, wie auch den Fragebogen erläutern. Dazu gehört, dass alle Fragen durchgegangen werden und auch die Filterführung erklärt wird.
2. Es sollte den Interviewern verschiedene Möglichkeiten gezeigt werden, um mit den Befragten Kontakt aufzunehmen.
3. Die „Vorstellungsformel“ (=Begrüßungsformel, mit der sich der Interviewer dem potentiellen Befragten vorstellt) sollte eingeübt werden, da der erste Eindruck mitentscheidet, ob ein möglicher Befragter bereit ist, sich intervie- wen zu lassen.
4. Die wichtigsten Verhaltensregeln bei Interviews sollten besprochen werden. Dazu gehört z.B. die Neutralität des Interviewers, sowie das nonverbale Ver- halten, das großen Einfluss auf den Befragten hat.
5. Es muss ein Verweis auf die Konsequenzen erfolgen, falls der Interviewer versucht falsche oder erfundene Interviewdaten herzustellen oder Inter- viewdaten fälscht.

Im Praxisteil sollen die theoretischen Kenntnisse angewendet und erprobt wer- den. Dies kann mit Hilfe von Rollenspielen und Übungsinterviews geschehen.

4.2 Pretests

Die Aufgabe eines Pretests ist die Brauchbarkeit und Gültigkeit von entworfenen Fragebögen zu überprüfen. Aufgrund eines Pretests werden bestimmte Fragen und sogar ganze Fragenkomplexe geändert oder ganz aus dem Fragebogen genommen. Damit ein Pretest brauchbare Informationen liefert, muss er unter den Bedingungen ablaufen unter dem auch ein normales Interview ablaufen würde, d.h. bei einem Pretest sollten Ernstbedingungen simuliert werden. Ein Pretest hat folgende Aufgaben:

1. Er sollte klären, ob die Fragen vom Befragten richtig verstanden worden sind, und ob die Beantwortung der Fragen Schwierigkeiten hervorgerufen hat.
2. Er sollte feststellen, welche Fragen den Befragten interessiert haben, und bei welchen er sehr aufmerksam war.
3. Es muss eine Analyse erfolgen, die feststellt, ob die verschiedenen Befragten auch unterschiedliche Antworten gegeben haben. Falls alle die gleiche Antwortkategorie einer Frage gewählt haben, so kann die Erhebung keine Erkenntnisse daraus gewinnen.
4. Es sollte überprüft werden, ob das Interview relativ flüssig abläuft.
5. Der Einfluss v on Ausstrahlungseffekten muss erfasst werden.
6. Es muss eine Überprüfung der Dauer des Interviews, sowie der Filterführung erfolgen.

Es empfiehlt sich auch, einen Interviewerfragebogen zu verwenden, in dem geklärt wird, welche Fragen dem Befragten Schwierigkeiten bereiteten, ob Fragen wiederholt werden mussten, welche Fragen der Befragte falsch interpretierte, welche Fragen für den Interviewer schwer zu stellen waren und bei welchen Fragen oder Fragekomplexen der Befragte gern mehr gesagt hätte. Um erste Rückschlüsse auf Häufigkeitsverteilungen zu machen, sollte der Pretest ungefähr 150-200 Probeinterviews umfassen. Bei dieser Anzahl können auch unterschiedliche Frageformulierungen und -platzierungen getestet wer- den.

5. Methodische Probleme des Interviews

5.1 Formen der Antwortverzerrung im Interview

Die Probleme, die im Laufe eines Interviews auftreten und die Antworten des Befragten beeinflussen bezeichnet man als Antwortverzerrung. Im folgenden werden die wichtigsten Formen der Antwortverzerrung aufgeführt:

- der Befragte verweigert die Antwort
- der Befragte gibt eine „weiß-nicht“-Antwort
- der Befragte gibt eine inhaltliche Antwort zum behandelten Themenbereich ab, obwohl er in Wirklichkeit keine Meinung dazu hat
- der Befragte reagiert auf formale Aspekte von Fragen („Frageeffekte“)
- der Befragte reagiert auf Eigenschaften des Interviewers („Intervieweref- fekte“)
- der Befragte reagiert auf die Abfolge von Fragen („Positionseffekte)
- der Befragte reagiert auf die Anwesenheit Dritter beim Interview („Anw e- senheitseffekte“)

Die meisten dieser Formen der Antwortverzerrung können durch das Phänomen der Zustimmungstendenz und der sozialen Erwünschtheit erklärt werden. Die beiden Begriffe werden im folgenden erläutert.

5.2 Zustimmungstendenz

Unter Zustimmungstendenz versteht man das Zustimmen eines Befragten zu ei- ner Frage, unabhängig vom Inhalt der Frage, d.h. er gibt eine „trifft zu“- Antwort. Die Zustimmungstendenz tritt beispielsweise auf, wenn ein Befragter auf zwei semantisch gedrehte Fragen beides mal zustimmend antwortet.

Beispiel:

„Der Besitz von Marihuana sollte erlaubt werden.“

„Der Besitz von Marihuana sollte verboten werden.“

Beide Aussagen werden vom Befragten zustimmend beantwortet, wenn die Zustimmungstendenz auftritt.

Dieses Phänomen lässt sich unterschiedlich erklären. Ein Erklärungsversuch besagt z.B. dass die Zustimmungstendenz ein Persönlichkeitsmerkmal von Personen mit geringer Ich-Stärke ist. Sie dient als Strategie zur Minimierung unüberschaubarer Konsequenzen.

Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass die Zustimmungstendenz eine erlernte Behauptungsstrategie von unterprivilegierten Personen im Alltag ist. Sie versuchen damit bestimmte Situationen im Alltag zu bewältigen.

5.3 Soziale Erwünschtheit

Die Antwortverzerrung kann auch dadurch ausgelöst werden, dass der Befrag- te Antworten gibt, die seiner Meinung nach der sozialen Erwünschtheit ent- sprechen. Ein Beispiel dafür wäre das bewusste Untertreiben des tatsächlichen Alkoholkonsums.

Dieses Phänomen kann auf zwei Arten erklärt werden:

Zum einen kann die soziale Erwünschtheit eine Charaktereigenschaft sein, die sich in einem starken Bedürfnis nach sozialer Anerkennung äußert.

Zum anderen kann es eine Reaktion auf die nicht alltägliche Interviewsituation sein. Der Befragte befürchtet mögliche Konsequenzen bei Angabe von sozial unerwünschten Eigenschaften/Meinungen/Freizeitbeschäftigungen etc. Des- halb verschweigt er bestimmte Angaben oder macht falsche Angaben.

Das Phänomen tritt oft bei Personen mit geringem Selbstbewusstsein auf. Sie versuchen sich mit Ihren Antworten den Erwartungen des Interviewers oder der Gesellschaft anzupassen.

Der Effekt ist noch größer beim Auftreten von unangenehmen Fragen zu Tabuthemen, z.B. Sexualpraktiken, Gewaltanwendung in der Familie usw. Hier ist der Grad der Antwortverzerrung auch davon abhängig, inwieweit die Vertraulichkeit der Angaben dem Befragten gewährleistet scheint.

5.4 Ansätze zu einer Theorie der Befragung

Für die Entstehung von Antwortverzerrungen gibt es keine einheitliche Theorie. Es gibt jedoch Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen Erklärungsansätzen. Man geht davon aus, dass der Befragte sein Verhalten danach richtet, welche Nutzen und welche Kosten er durch eine bestimmte Antwort erzeugt. So wird nach dieser Abwägung eine entsprechende Antwortkategorie auswählt.

Jedoch kann das nicht die einzige Erklärung für das Handeln des Befragten sein, da mit dieser Theorie andere Aspekte nicht berücksichtigt werden, wie z.B. die Absicht des Befragten und die Abhängigkeit der Antwortauswahl von der sozialen Herkunft oder dem Bildungsstand.

Mit Hilfe der „Nutzen-Kosten-Theorie“ kann aber belegt werden, dass z.B. das Phänomen der Zustimmungstendenz nur unter bestimmten Voraussetzungen stattfindet. Durch empirische Forschung wurde belegt, dass nur 0%-7% der Va- rianz in den Antwortkategorien durch Methodeneffekte verursacht werden. Bei stabilen Meinungen und Einstellungen sind kaum Methodeneffekte zu er- warten.

5.5 Konsequenzen

Man versucht Antwortverzerrungen, die durch den besonderen Einfluss der Situation hervorgerufen werden (Reaktivitätseffekte) mit Hilfe von methodi- schen Tricks zu verhindern oder zumindest zu verringern. Man kann aber den Einfluss der Situation weder vollständig ausschalten noch völlig kontrollieren. Untersuchungen der Verzerrungseffekte zeigen aber, dass bedeutsame Ver- änderungen der Antw orten nur unter besonderen Bedingungen auftreten.

Die erwähnten Probleme sollten deutlich gemacht haben, dass man das standardisierte Interviews nicht einfach naiv akzeptieren sollte. Um zu verlässlichen Daten zu kommen, sollte diese Interviewform gut vorbereitet werden.

Der Inhalt dieser Ausarbeitung basiert auf folgender Literatur:

Schnell/Hill/Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung; 19923 Oldenburg; S.328-367

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ausarbeitung zur Methodik der Soziologie
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V103916
ISBN (eBook)
9783640022922
Dateigröße
368 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausarbeitung, Methodik, Soziologie
Arbeit zitieren
Ralph Himmer (Autor:in), 2001, Ausarbeitung zur Methodik der Soziologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103916

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