Magie - Schnittpunkt kultureller Linien

Gaukler, Henker, Scharlatane - Formen performativen Verhaltens in der frühen Neuzeit


Hausarbeit, 1998

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Klassisches Erbe
2.1. Geschichte eines Diskurses: die Dämonologie
2.2. Magische Praktiken der Antike

3. Magie und Religion
3.1. Wunder der Bibel
3.2. Kriminalisierung der Magie
3.3. Der Manichäismus und die Lehre des Augustinus

4. Magie und Wissenschaft
4.1. Wissenschaft im Mittelalter
4.2. Einzug arabischer Gelehrsamkeit: Astrologie und Alchimie
4.3. Trennung von „Weißer“ und „Schwarzer Magie“

5. Schlussbemerkung: Zur alltäglichen Magie des 20. Jahrhunderts

6. Literatur

1. Einführung

Schon der Titel lässt ahnen, dass jede Auswahl aus einem solchen Komplex zwangsläufig rudimentär und subjektiv bleiben muss. Magie ist ein Phänomen, das sich durch sämtliche Bereiche des mittelalterlichen Lebens zieht und als solches in seiner Komplexität kaum zu erfassen ist. Als Schnittpunkt kultureller Linien von Religion und Wissenschaft, einfachem Volk und gelehrter, antiker und mittelalterlicher Welt, europäischer, arabischer, jüdischer, keltischer und germanischer Traditionen ist sie jedoch zentrale Kategorie für das Verständnis des mittelalterlichen Weltbildes sowie grundlegender sozialpolitischer und geistesgeschichtlicher Strömungen und Entwicklungen dieser Epoche.

So unerschöpflich das Material, so notwendig erscheint mir die Beschränkung auf einige wenige, nichtsdestoweniger zentrale Kategorien mittelalterlicher Magie: ihr Verhältnis zu Einflüssen klassischer Traditionen der griechisch-römischen Welt, zur Entwicklung des Christentums und der damit verbundenen Verfolgung von Nichtchristen unter dem Vorwurf der Häresie sowie dem Einzug arabischer Gelehrsamkeit ins geistige Leben und der daraus resultierenden Umgestaltung desselben hin zu einem grundlegenden Neuverständnis der Wissenschaft in der Renaissance. Bei meiner Darstellung bewege ich mich vorwiegend auf dem Feld des geistesgeschichtlichen Diskurses. Vernachlässigt habe ich u.a. die Praxis der Magie in der Volkstradition, Formen des Aberglaubens, die Protagonisten magischer Praktiken sowie kulturelle Einflüsse jüdischer, keltischer und germanischer Traditionen.

Als magisch definieren Menschen häufig Phänomene, die sie für unerklärlich halten. Dies dürfte im Mittelalter kaum anders gewesen sein als in unserer heutigen Zeit. Im Mittelalter spielte aber die wissenschaftliche Überprüfung von Aussagen, wie wir sie in der modernen Welt kennen, keine Rolle. Dies macht einerseits die zentrale Bedeutung der Magie im mittelalterlichen Leben erklärbar. Anderseits waren Dinge, die uns heute womöglich als abergläubisch, zumindest einer empirischen Überprüfung nicht standhaltend erscheinen, für den mittelalterlichen Menschen Teil eines durch Traditionen überliefertes, jahrhunderte- oder jahrtausendealten Konstruktes selbstverständlicher Erklärungen und nicht anzweifelbarer Theorien über die Welt. In der Wahrnehmung der Menschen waren alltägliche Erfahrung und Theorie, Realität und Fiktion Teil derselben Wirklichkeitsebene. Die Grenzen zwischen Magie und Wissenschaft auf der einen, Magie und Religion auf der anderen Seite waren fließend. Dies ist insbesondere für das Verständnis des mittelalterlichen Weltbildes von Bedeutung und wird deshalb in meiner Arbeit eine zentrale Rolle spielen.[1]

2. Klassisches Erbe

2.1. Geschichte eines Diskurses: die Dämonologie

[2] Betrachtet man die Geschichte der Magie, so steht sie in engem Zusammenhang mit derjenigen des Verhältnisses zwischen Menschen und Dämonen. Der Renaissance-Theologe Heinrich Cornelius Agrippa von Nettersheim (1486-1535) formuliert folgende dreiteilige Klassifikation von Dämonen:

- übersinnliche, von jeder Körperlichkeit befreite Geister
- himmlische Intelligenzen, die den Weltsphären zugeordnet werden
- eine neunteilige Skala böser Dämonen, von solchen, die falsche Götter sind bis hin zu bösen Genien, deren Fürst Mammon heißt und die sinnliche Lust vertritt.

Vorausgegangen war in der Diskursgeschichte der Dämonologie eine jahrtausendelange Evolution der Entgöttlichung. Noch Homer verwendet die Begriffe „daímon“ und „theós“ synonym für „Gott“ und „Gottheit“. Schon Empidokles von Agigent (5. Jh. v. Chr.) nimmt eine Trennung vor zwischen guten und bösen Dämonen. Demokritos von Aldera (4./5. Jh. v. Chr.) spricht von einer Vermittlerrolle der Dämonen zwischen Menschen und Göttern und davon, dass diese sowohl an der materiellen wie an der immateriellen Welt teilhätten, eine Vorstellung, die Grundlage wird für den mittelalterlichen Diskurs über die Körperlichkeit Satans. Hesiod (2. Jh. v. Chr.) verknüpft die Dämonologie mit der Seelenlehre: Menschen würden nach ihrem Tod zu Wächtern der Sterblichen. Er nimmt vier Gattungen vernunftbegabter Wesen an: Götter, Dämonen, Heroen, Menschen. Zudem finde nicht nur eine Wandlung der Seelen statt, sondern auch die Körper der Menschen bewegten sich nach ihrem irdischen Leben durch die Sphären des Himmels:

„Denn wie man aus Erde Wasser, aus Wasser Luft, aus Luft Feuer entstehen sieht, wenn die Substanz sich nach oben bewegt, so vollziehen die besseren Seelen die Wandlung aus Menschen in Heroen, aus Heroen in Dämonen, und aus dem Dämonenstand haben sich einige wenige in langer Zeit durch ihre Vollkommenheit gereinigt und sind ganz der Göttlichkeit teilhaftig geworden. Einigen aber geschieht es, dass sie sich nicht beherrschen, sondern absinken, wieder in sterbliche Körper eingehen und ein glanzloses, schwaches Leben wie einen Dunst führen.“[3]

[...]


[1] s. Graphik: Weltbild des Ptolemäus

[2] Daxelmüller: S. 54ff.

[3] Daxelmüller: S. 57f., s. Graphik: Seelenwanderung durch die Weltsphären

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Magie - Schnittpunkt kultureller Linien
Untertitel
Gaukler, Henker, Scharlatane - Formen performativen Verhaltens in der frühen Neuzeit
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Theaterwissenschaft und Kulturelle Kommunikation)
Veranstaltung
Gaukler, Henker, Scharlatane - Formen performativen Verhaltens in der frühen Neuzeit
Note
1,3
Autor
Jahr
1998
Seiten
21
Katalognummer
V10382
ISBN (eBook)
9783638168236
ISBN (Buch)
9783656074137
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Magie, Religion, Geschichte, Naturwissenschaft, Renaissance
Arbeit zitieren
Clemens Grün (Autor:in), 1998, Magie - Schnittpunkt kultureller Linien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10382

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