Kognitive Entwicklungstheorie von Robbie Case


Seminararbeit, 2000

13 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Die Theorie von Case ist eine rein kognitive Theorie , denn sie bezieht sich nur auf die Entwicklung intellektueller Leistungen, z. B. Spracherwerb, Begriffsbildung, Kommunikation, mathematisches Problemlösen und soziale Wahrnehmung. Jeder Mensch hat seiner Meinung nach Bedürfnisse oder Ziele, die er in einer bestimmten Situation anstrebt , und es ist nicht von Bedeutung, ob man sich dessen bewußt ist. Case beschreibt mit seiner Theorie einen Zeitabschnitt, der bei einem Lebensmonat beginnt, da Säuglinge vor diesem Zeitpunkt den aktuellen Zustand noch nicht von einem angestrebten Zustand unterscheiden können, und sie endet beim 18. Lebensjahr, auch wenn Case einräumt, daß er bei einigen Menschen auch länger dauern kann. Robbie Case geht vom Kind als Problemlöser aus. Er benennt eine formale Struktur des Problemlösens, die er als Exekutive Kontrollstruktur bezeichnet und die auf allen Entwicklungsebenen funktioniert. Die exekutive Kontrollstruktur besteht aus den Teilen: Ausgangssituation, Ziel oder mehreren Zielen und Strategie/n zur Zielerreichung.

Robbie Case unterteilt in vier Entwicklungstufen, die nur nacheinander ablaufen können.

I. Sensumotorische Kontrollstrukturen (Kleinkindheit)
Operationale Konsolidierung (1-4 Monate), Operationale Koordination (4-8 Monate), Bifokale Koordination (8-12 Monate), Elaborierte Koordination (1-1½ Jahre ).

II. Relationale Kontrollstrukturen (Frühe Kindheit)
Operationale Konsolidierung (1-1½ Jahre), Operationale Koordination (1½-2 Jahre), Bifokale Koordination (2-3 ½ Jahre), Elaborierte Koordination (3 ½-5 Jahre).

III. Dimensionale Kontrollstrukturen (Mittlere Kindheit)
Operationale Konsolidierung (3 ½-5 Jahre), Operationale Koordination (5-7 Jahre), Bifokale Koordination (7-9 Jahre), Elaborierte Koordination (9-11 Jahre).

IV. Abstrakte oder vektoriellen Kontrollstrukturen (Adoleszenz)
Operationale Konsolidierung (9-11 Jahre), Operationale Koordination (11-13 Jahre), Bifokale Koordination (13-15 Jahre), Elaborierte Koordination (15-18 Jahre).

2. Sensumotorische Kontrollstrukturen

2.1. Operationale Konsolidierung

Um die exekutiven Kontrollstrukturen in diesem Alter zu untersuchen, verwendete Case eine Balkenwaage, die von Inhelder und Piaget erstmals erwähnt wurde. Siehe Anhang Fig. 1. Der Balken war rot und die Klötzchen hellgrün gefärbt, unter der Waage hatte man Federn angebracht.

Die Kinder saßen auf dem Schoß ihrer Mutter, direkt vor einem der Balkenarme. Der Abstand zur Apparatur in Fig. 1. betrug 45 cm. Wenn sie sich eingewöhnt hatten, wurde ein Klötzchen auf den Balkenarm vor ihnen plaziert und man bewegte den Balken leicht auf und ab. Dann wurde dies am anderen Balkenarm wiederholt. Es wurde beobachtet, daß die meisten Babys im Alter von zwei Monaten das sich bewegende Klötzchen mit den Augen verfolgten und dabei den Kopf bewegten. Einige hatten jedoch Schwierigkeiten damit und sahen auf den Punkt, den das Klötzchen gerade verlassen hatte und warteten, bis es dahin wieder zurückkehrte. Ab einem Lebensalter von vier Monaten konnten jedoch alle Babys dem Klötzchen mit den Augen folgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Durch Nutzung der ursprünglichen visuellen Eingabe als Anhaltspunkt den Arm von momentaner Position (Y) nach X bewegen.

Dieses Beispiel beinhaltet drei gleichrangige Komponente: Erstens die Verarbeitung der räumlichen Information aus der Umgebung, zweitens sozusagen das Herstellen der gedanklichen Verbindung zwischen dem Objekt und einem selbst und drittens die Bewegung des Armes zum anvisierten Punkt.

2.2. Operationale Koordination

Case beobachtete in seinen Experimenten, daß Babys in dieser Phase schon in der Lage waren Bewegungen von Augen und Händen zu koordinieren. Die Kinder saßen auf dem Schoß ihrer Mütter in Armweite zur Balkenwaage. Die Versuchsleiterin setzte sich ans andere Balkenwaagenende. Sobald die Kinder aufmerksam waren, setzte die Versuchsleiterin die Balkenwaage in Bewegung und animierte das Kind, sie nachzuahmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3. Bifokale Koordination

In dieser Phase drückte die Versuchsleiterin den vorderen Balkenarm nach unten, um den hinteren Balkenarm nach oben zu bewegen, damit dieser eine Glocke erklingen läßt. Kinder bis zu acht Monaten konnten die geistige Verbindung zwischen Balken und Glocke noch nicht aufstellen, und schlugen nur schwach auf den Balken oder nicht stark genug, um die Glocke zum Klingen zu bringen. Doch Kinder in der Altersstufe zwischen acht und zwölf Monaten beobachteten während ihrer Betätigung am vorderen Balken die Reaktion der Glocke. Wenn sie das gewünschte Ziel erreicht hatten, wiederholten sie den Vorgang mit zunehmender Freude.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4. Elaborierte Koordination

In dem eben erwähnten Versuchsaufbau wurde nur ein Detail geändert, die Glocke befand sich unterhalb des Balkenarmes. Die Kinder mußten nun den einen Balkenarm aufwärts bewegen und die Glocke zum Klingen zu bringen. Kinder innerhalb der Bifokalen Koordinations-Phase wiederholten die Abwärtsbewegung des Balkenarmes mit zunehmender Frustration und Verärgerung, da sie die Glocke nicht zum Klingen brachten. Kinder im Alter von 1 und 1 ½ Jahren konnten jedoch den Zusammenhang zwischen Handlung auf der einen Seite und Reaktion auf der anderen erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

STRATEGIE

1. Arm von momentaner Position (Y) nach X bewegen, dabei den Vorgang kontrollieren.

2a. Wenn die Hand den Waagebalken berührt, Kopf drehen und das andere Ende beobachten.

2b. Wenn die Hand den Waagebalken berührt, Waagebalken mit der Hand hochheben.

3. Richtung des Balkens kontrollieren (wenn er nicht in die gewünschte Richtung geht, umgekehrt vorgehen).

4. Beobachten ob Kontakt des Balkens mit Glocke entsteht; klingelt sie nicht, 2 b mit mehr Schwung wiederholen.

3. Relationale Kontrollstrukturen

3.1. Operationale Konsolidierung

Vereinfacht ist es dieser Ablauf der von Kindern im Alter von 1 und 1 ½ Jahren erfaßt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

STRATEGIE

1. Das näherliegnde Ende berühren und schnell abwärts bewegen, dabei die Reaktion am anderen Ende beobachten.

3.2. Operationale Koordination

Die Kinder sollten nun die eben erwähnte Handlung noch einmal ausführen. Mußten jedoch, um dies tun zu können, erst den Klotz unter dem richtigen Balkenarm entfernen. Bei diesem Versuchsaufbau verwendete Case die von Liu entwickelte Balkenwaage. Siehe Anhang Fig. 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

STRATEGIE

1. Klotz wegbewegen.

2a. Näheren Waagebalken hochschieben.

2b. Die Handbewegung der Balkenbewegung anpassen.

Um diese Kontrollstruktur umzusetzen, müssen die Kinder zwei Sachverhalte verstanden haben: Erstens die Beziehung zwischen ihren Handlungen an einem Ende des Balkens und den Reaktionen am anderen und zweitens, daß das Hindernis die von ihnen gewünschte Bewegung behindert.

3.3. Bifokale Koordination

Auf der nächsten Entwicklungsstufe wurde der Versuchsaufbau wieder um ein Element erweitert. Die Versuchsleiterin stellte die durch zwei Stützen festgestellte Balkenwaage vor dem Kind auf. Sie nahm einen Pflock und legte ihn an dem der Glocke gegenüberliegenden Arm. Nach dem Entfernen der Stütze darunter bewegte sich dieser Balkenarm schnell herab und brachte die Glocke zum klingen. Bei mehreren Versuchen hintereinander veränderte die Versuchsleiterin die Position der Glocke, und so mußte das Kind das dahinterliegende System verstehen, um erfolgreich zu sein. Folgende exekutive Kontrollstruktur mußte beherrscht werden.

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STRATEGIE

1. Plaziere den Pflock auf dem näherliegenden Arm.

2. Entferne die Stützen.

3. Kontrolliere die Reaktion am entfernteren Ende.

Es wurden noch weitere Pflockaufgaben durchgeführt. Die Kinder konnten unterschiedlich schwere Pflöcke plazieren und schienen auch intuitiv zu wissen, daß schwere Pflöcke eine schnellere Bewegung des Balkens auslösen und leichte Pflöcke eine normale oder gar keine. Allerdings konnten sie noch nicht den Zusammenhang zwischen den Gewichten der Pflöcke und der zu erwartenden Bewegung der Balkenarme nach Entfernen der Klötze erkennen.

3.4. Elaborierte Koordination

Dies war erst in dieser Phase möglich. Hierbei gab die Versuchleiterin dem Kind das leichte Gewicht in die Hand und bat es die Glocke zu läuten, in dem sie die Gewichte auf den Balken

plazierte. Das Kind mußte nun durch die Verteilung der Gewichte das Klingeln erreichen. Nach der Meinung von Case entspricht diese Struktur dem bisherigen Höhepunkt an rationalem Denken. Im Alter von fünf Jahren können Kinder ihre relationalen Strukturen zu höherrangigen Strukturen aufbauen, die in sich selbst komplex sind und in denen die Wirkung einer Interrelation durch eine andere kompensiert oder umgekehrt werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

STRATEGIE

1. Leichtes Gewicht auf der linken Seite plazieren.

2. Schweres Gewicht auf der rechten Seite plazieren.

3. Entferne die Stützen.

4. Kontrolliere die Bewegung des Armes zur Klingel.

4. Dimensionale Kontrollstrukturen

4.1. Operationale Konsolidierung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

STRATEGIE

1. Beide Seiten ansehen. Vorhersagen, daß jene mit schwerem Gegenstand sich senken und andere sich heben wird.

Diese Kontrollstruktur erfordert von Seiten des Kindes nur eine Aufgabe und zwar die Vorstellung der Gewichtsdimension. Sie sind nun in der Lage polare Dimensionen wie lang - kurz, groß - klein oder mehr - weniger zu verstehen. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei für sie die Zahl. Es ist für sie möglich zu zählen und verschiedene Mengen von Objekten zu unterscheiden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Details

Titel
Kognitive Entwicklungstheorie von Robbie Case
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Seminar
Autor
Jahr
2000
Seiten
13
Katalognummer
V103819
ISBN (eBook)
9783640021956
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kognitive, Entwicklungstheorie, Robbie, Case, Seminar
Arbeit zitieren
Julia Chrapa (Autor:in), 2000, Kognitive Entwicklungstheorie von Robbie Case, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103819

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