August Hermann Francke


Seminararbeit, 2000

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der Weg zu den ersten Schulgründungen
Situation in Glaucha
Erste Maßnahmen gegen Unglaube
Erste Armenschule
Anwachsen der Schule
Freitisch für Studenten

Die einzelnen Schultypen
Armen- und Bürgerschule
Die Lateinische Schule
Das Pädagogium Regium
Das Gynäceum

Die Lehrerausbildung
Das Seminarium Praeceptorum
Das Seminarium selectum Praeceptorum
Probleme mit den Lehrern

Christliche Erziehung bei Francke
Menschenbild Franckes
Wahre Gottseligkeit
Wahre Christliche Klugheit
Gott als letzter Erzieher

Die Unterrichtsmethoden Franckes
Erziehung durch Abschirmung
Erziehung durch Vorbilder
Erziehung durch das Kurssystem
Erziehung durch Praktischen Unterricht (Realien)
Erziehung durch katechetische Unterweisung
Erziehung zur Arbeit
Erziehung zu Gesundheit und Hygiene

Nachwort

Vorwort

„Weltverwandelung durch Menschenverwandlung“1 war August

Hermann Franckes Motto. Wie keinem anderen zu seiner Zeit lag im die Bildung und insbesondere die christliche Bildung der Jugend am Herzen. Dabei ging es ihm nicht nur um die Bildung der männlichen Jugend, sondern auch, und das ist für seine Zeit besonders bemerkenswert, um die Bildung der Mädchen. Die meisten seiner Schulen hatten auch Klassen für Mädchen. Insgesamt waren 40%2 der Schüler Mädchen. Viele seiner Erziehungsmethoden sind auch heute noch aktuell. Nicht zuletzt ist nach seinem Vorbild der Realienerziehung später die Realschule entstanden. In dieser Arbeit möchte ich versuchen die Pädagogischen Bemühungen Franckes in Glaucha zumindest in Ansätzen dazustellen. Sein Lebenswerk, eine wahre Schulstadt3 in Halle ist so weitumfassend, dass an dieser Stelle nicht alles und manches nur in Ansätzen erwähnt werden kann. Trotzdem hoffe ich, dass diese Arbeit zumindest eine grobe Übersicht bieten kann.

Der Weg zu den ersten Schulgründungen

August Hermann Francke wurde am 22. Dezember 1691 als Pastor nach Glaucha in der Nähe von Halle gerufen und trat am 7. Januar sein Amt dort an. Einen Monat später, am 7. Februar4 hielt er seine Antrittspredigt.

Situation in Glaucha

Francke trat kein leichtes Amt an. „Franckes Amtsvorgänger, der 48jährige Johannes Richter, war ´in allen Kneipen zu Hause`“.5 Die Armut in Glaucha nach dem 30-jährigen Krieg war groß. „1697 gab es in Glaucha 160 Feuerstellen, davon waren 100 `elende Lehmhütten´. Man kann damit ca. 1600 Einwohner zugrundelegen, davon ca. 1300 Personen, die als besitzlose Lohnarbeiter und arbeitsunfähige Arme zu bezeichnen sind“.6 Daher war Franckes Wirken in Glaucha von Anfang an ein sozialpädagogischer Schwerpunkt gegeben.

Erste Maßnahmen gegen Unglaube

Als Erstes führte Francke die Sonntagsordnung7 wieder ein.

Schnapsbrennen, Trinken und Tanzen war damit Sonntags verboten. Donnerstags war es in Glaucha Brauch, dass die Armen der Stadt an den Haustüren der reicheren Bewohner um Almosen bettelten. Natürlich kamen die Armen dabei auch zum Pfarrhaus. Anfangs gab Francke bereitwillig Brot. Bald aber nutzte er die Gelegenheit den Armen im Haus Katechismusunterricht zu erteilen. In seinen „Fußstapfen“ schreibt er: „Daher ließ ich sie einmal ins Haus kommen. Auf die eine Seite hieß ich die Alten, auf die andere das junge Volk treten und fing sofort an, die Jüngeren freundlich zu fragen aus dem Katechismus Luthers, von dem Grunde ihres Christentums. Die Alten ließ ich zuhören und brachte mit solcher Katechisation nur etwa eine Viertelstunde zu, schloss mit einem Gebet und teilte darauf nach Gewohnheit die Gaben aus...“8.

Dabei stellte Francke eine solche Unwissenheit unter der armen Gemeindegliedern fest, dass er sich Sorgen um die Erziehung der Kinder machte. Wie sollten Eltern, die selber so gut wie nichts über das Christentum wussten, ihre Kinder zu frommen Menschen erziehen? So begann Francke den Kindern das wöchentliche Schulgeld zu geben.

Diese Maßnahme half aber nur wenig. Die meisten Kinder nahmen das Geld und gingen trotzdem nicht zur Schule. Selbst die wenigen, die die Schule besuchten, zeigten in Franckes Augen keine Besserung. Daher stellte Francke diesen Versuch wieder ein.

Erste Armenschule

In seinem Pfarrhaus hatte Francke aber eine Spendendose aufgehängt. In dieser Dose fand er 1695 vier Taler und sechzehn Groschen. In seinen „Fußstapfen“ schreibt er über dieses entscheidende Ereignis sehr pathetisch: „Als ich dieses (das Geld) in die Hände nahm, sagte ich mit Glaubensfreudigkeit: Das ist ein ehrlich Kapital, davon muss man etwas Rechtes stiften. Ich will eine Armenschule damit anfangen“.9

Francke kaufte für zwei Taler Bücher und stellte einen mittellosen Studenten ein, der für sechs Groschen die Woche die Kinder täglich zwei Stunden unterrichten sollte. Auch dieser Versuch scheiterte. Statt zu lernen, verkauften die Kinder ihre Bücher. Von 27 ausgeteilten Büchern erhielt Francke nur vier zurück. Dennoch ließ er sich nicht entmutigen. Erneut kaufte er Bücher. Diesmal mussten die Kinder die Bücher am Ende der Schule wieder abgeben. Darüber hinaus erhielten die armen Kinder zwei bis dreimal die Woche Almosen um den Schulbesuch gegenüber der Bettelei attraktiver zu machen.

Anwachsen der Schule

Ostern 1695 hatte die Armenschule begonnen und bereits Pfingsten fragten einige Bürger an, ob nicht auch ihre Kinder von dem Studenten unterricht werden könnten für einen Groschen die Woche pro Kind. Trotzdem war Francke selbst mit den Ergebnissen seiner Mühen nicht zufrieden. Er sah, dass alles was er den Kindern an Frömmigkeit und Tugenden in der Schule beibrachte, durch das häusliche Umfeld wieder zunichte gemacht wurde. Daher beschloss Francke mit der Hilfe einer erneuten Spende von 500 Talern Waisen ganz in aufzunehmen.

Anfangs wurden die Kinder zu Familien in Pflege gegeben. Pfingsten 1699 konnten die Kinder dann in das für sie gekaufte und renovierte „Reichenbachsche Haus“ ziehen. Die Leitung des Waisenhauses übernahm der Theologiestudent Georg Heinrich Neubauer.

Aber nicht nur Bürgerskinder wollten von der guten Schulbildung profitieren, die von Francke ausgesuchte Studenten anboten, sondern auch Adelige. Immer häufiger wurde Francke um die Vermittlung von Privatlehrern gebeten. Da aber die Studenten durch ihr Studium an alle gebunden waren, konnte Francke dieser Bitte nicht nachkommen. Er schlug aber vor, die Kinder nach Halle zu schicken und dort unterrichten zu lassen. Pfingsten 1695 trafen die ersten drei Schüler geschickt von einer Frau von Geusau aus Gandersheim ein, das Pädagogium war gegründet.

Im September 1697 wurde die Lateinschule gegründet. In ihr sollten begabte Waise und Bürgerskinder auf die Universität und besonders auf den Lehr- und Pfarrberuf vorbereitet werden. Unterrichtet wurde unter anderen Latein, Griechisch, Hebräisch, Historie, Geographie, Geometrie, Musik und Botanik. Der Grundstock für den Schulkomplex der Franckeschen Stiftungen in Halle war damit gelegt worden.

Freitisch für Studenten

Im gleichen Jahr in dem das Pädagogium gegründet wurde, im Sommer 1695, erhielt Francke wiederum eine Spende von 500 Talern, mit der Bitte diese armen Studenten zugute kommen zu lassen. Anfangs zahlte er davon wöchentlich einen kleinen Betrag an Studenten aus. Schon bald ging Francke aber dazu über für das Geld sogenannte Freitische einzurichten, an denen mittelose Studenten umsonst essen konnten.

Die einzelnen Schultypen

Armen- und Bürgerschule

Zwar war der Lehrplan für die Armen- und Bürgerschulen gleich, dennoch wurden die Armen getrennt von den Bürgerskindern unterrichtet, „(...)weil sie wegen ihrer Verwahrlosung einer intensiven und geduldigen Betreuung bedurften“.10 Der Besuch der Schulen war für die Armen frei, reichere Eltern zahlten Schulgeld. Unterrichtet wurde sieben Tagen in der Woche, sowohl vormittags als auch nachmittags.

Wichtigster Bestandteil eines Schultages war die christliche Unterweisung. Die Kinder der so genannten „Deutschen Schule“ sollten vor allem Glauben und Beten „lernen“ und fromme Christen werden. „ In der Deutschen Schule wird Lesen gelernt an der Bibel, im Katechismus, im Gesangbuch. Beten, Singen und Bibellesung eröffnet den Tag; Gebet ´mit eigenen Worten`, Lese- und Schreibeübung am Vormittag, nachmittags an vier Tagen Arithmetik, an den beiden anderen Musik, womit natürlich das Singen von kirchlichen Liedern gemeint ist. (...) Dann folgt Lesen und zuletzt Katechisation - täglicher Schluss mit Gebet und Gesang“.11 Als Francke am 8. Juni 1727 starb besuchten 172512 Kinder die Deutsche Schule.

Die Lateinische Schule

Die Lateinische Schule sollte Bürgerkinder und begabte Waisenkinder auf die Universität vorbereiten. Gleiches Ziel hatte auch das Pädagogium Regium in Franckes Schulsystem. Allerdings stand letzteres nur Adeligen und wohlhabenden Bürgern offen und war auch mit mehr Personal ausgestattet als die Lateinische Schule.

Nicht alle Schüler der Lateinischen Schule waren auch Internatsschüler. Einige wohnten bei ihren Eltern in Halle. Grund dafür war meisten zu wenig Geld um für die Unterbringungskosten aufkommen zu können, die zwischen 50 und 70 Talern13 jährlich für Unterbringung und Verpflegung betrugen.

Der Schwerpunkt des Lehrplans lag auf den klassischen Sprachen, Griechisch, Latein und Hebräisch. Daran wird auch sichtbar, dass die Schule überwiegen zukünftige Theologen auf das Universitätsstudium vorbereiten wollte. Darüber hinaus wurde noch Geschichte, Geographie, Physik, Mathematik, Botanik und Musik gelehrt.

Das Pädagogium Regium

Das Pädagogium Regium hatte im Prinzip den gleichen Zweck wie die Lateinische Schule, es sollte auf die Universität vorbereiten. Allerdings war es für Adelige und wohlhabende Bürger gedacht und vermittelte auch eine weitgefächerte Bildung, die nicht zwangsläufig auf das Studium der Theologie hinzielen musste.

Francke war die Trennung von Pädagogium und Lateinische Schule sehr wichtig. „Hierbei ist aber zu wissen, dass diese Schulen und Classen (Lateinische Schulen und Klassen), obwohl die Knaben derselben in Linguis und andren Scientiis informieret werden, doch nicht etwa zu dem sogenannten Paedagogio gehören. Denn eine andere Anstalt ist das Paedagogium, darinnen solche Knaben informieret werden, welche die Information bezahlen können, und also zum Waisenhaus ganz nicht gehöret, eine andere aber diese drei Klassen, so eigentlich um der größeren Waisenknaben willen, die studieren sollen, angestellet und eingerichtet sind, wiewohl anietzo fast über die Hälfte auch Bürgerskinder darunter sind“.14

Alle Schüler des Pädagogium waren Internatsschüler. Für ihre Unterkunft und Verpflegung zahlten die Eltern jährlich zwischen 70 und 150 Talern15. Die Schüler des Pädagogiums sollten die zukünftigen Träger von Macht und Einfluss sein.

Auf dem Stundenplan des Pädagogiums standen sowohl die alten Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch, als auch moderne Sprachen, wie Englisch, Französisch und Italienisch. Dazu Geschichte, Genealogie, Geographie, Mathematik, Geometrie, Mechanik, Rechnen, Naturrecht, öffentliches und privates Recht, Volkswirtschaftslehre, Religion, Astronomie und Botanik16.

Dazu kamen als Besonderheit noch sogenannte Rekreationsübungen. Dies waren Tätigkeiten, die der Entspannung dienen sollten. Darunter fiel zum Beispiel handwerkliche Tätigkeiten, wie Holzsägen, Drechseln, Glas schleifen, malen, Papierherstellung und Instrumentalmusik17. Während der Rekreationsstunden sollten die Schüler die Möglichkeit haben, frei zu arbeiten. Lehrer waren zwar anwesend, sollten aber möglichst im Hintergrund bleiben. Zusätzlich zu den praktischen Tätigkeiten, sollten die Kinder auch Einblick in die Theorie bekommen. Es wurden Besuche bei Handwerkern gemacht und die Jungen sollten die deutschen und lateinischen Bezeichnungen für die einzelnen Werkzeuge lernen.

Der Stundenplan des Pädagogiums sah etwa wie folgt aus:

„6 - 8 Uhr: Schwere Studien

8 -9 Uhr: Freistunden

9 - 11 Uhr: Schwere Studien

11 - 12 Uhr: Rekreationsübungen

12 - 14 Uhr: Mittagsmahlzeit, Freistunde

14 - 15 Uhr: Leichte Studien

15 - 18 Uhr: Schwere Studien

18 - 19 Uhr: Freistunde vor der Abendmahlzeit“.18

Freistunde hieß dabei selbstverständlich nicht Freizeit, sondern war viel mehr die für die oben genannten Rekreationsübungen eingeräumte Stunden. Nur durch diesen Wechsel von harter Kopfarbeit zu freieren handwerklichen Tätigkeiten, die den Schülern dennoch keine Zeit zum Müßiggang erlaubte, war ein solch langer Unterrichtstag überhaupt möglich. Die Jungen flossen sozusagen von einer Stunde in die nächste durch den Tag und hatten buchstäblich keine Minute um müde zu werden.19

Das Gynäceum

Pfingsten 1698 eröffnete Francke das Gynäceum. Es war dafür gedacht, adelige Mädchen oder reiche Bürgerstöchter im Alter zwischen sechs und fünfzehn zu erziehen. Einer der wichtigsten Förderinnen dieser Schule wurde Henriette Katharina von Gersdorf. Leiterin der Anstalt wurde die bis dahin in Riga lebende Französin Louise Charbonnet. Diese war eine im Exil lebende Hugenottin, die unter dem Einfluss Philipp Jakob Speners zum lutherischen Bekenntnis übergetreten war.

Wie bei den anderen Schulen auch stand die christliche Unterweisung im Mittelpunkt. Außerdem wurden alle Mädchen im Lesen und Schreiben und Latein unterrichtet. Daneben bestand für die Mädchen die Möglichkeit Griechisch, Hebräisch und Französisch zu lernen. Ebenso wurden Stunden in Arithmetik und Instrumentalmusik gegeben. Neben den klassischen Schulfächern wurden die Mädchen noch in die so genannten „weiblichen Arbeiten“ eingeführt. Sie lernten Sticken, Nähen, Spitzen wirken, Stricken und Spinnen. Auch Hauswirtschaft stand auf dem Programm, allerdings konnten sich adelige Mädchen auf Wunsch davon befreien lassen.

Ein Tag im Gynäceum sah wie folgt aus:

„6 - 8 Uhr Aufstehen, Waschen, Morgengebet, Hausaufgaben, Erbauung, Frühstück

8 - 9 Uhr Unterricht im Christentum

9 - 10 Uhr Französischunterricht

10-11 Uhr Unterricht in ´allerley dem Frauenzimmer nöthig und wohlanständige Arbeit`

11 - 11.30 Schreibunterricht

11.30 - 12 Klavierspielen bzw. freie Zeit 12-13 Uhr Mittagessen

13-14 Uhr Musikunterricht

14-15 Uhr Griechischunterricht

15-16 Uhr Unterweisung in ´feiner weiblicher Arbeit` 16-17 Uhr Rechnen und Schreiben

17-18 Uhr Teilnahme an der öffentlichen Betstunde 18-19 Uhr Unterricht im Christentum

19-20 Uhr Abendessen

20-21 Uhr freie Zeit

21.00 Uhr Abendgebet, Schlafengehen“.20

Viele Mädchen ertrugen die strenge Zucht im Gynäceum nicht. Sie liefen weg, beschwerten sich bei ihren Eltern oder störten den Unterricht. Manche wurden von ihren Eltern wieder von der Schule genommen, meistens auf Grund ihrer Beschwerden, aber auch um zuhause den Haushalt zu führen. Andere wurden von Francke aufgefordert zu gehen, um die religiöse und sittliche Erziehung der anderen Mädchen nicht zu behindern. Hinzu kam, dass es nicht möglich war Lehrstellen dauerhaft zu besetzen. Viele Lehrerinnen starben nach kurzer Zeit im Dienst. Im Sommer 1702 besuchten nur noch drei Schülerinnen das Gynäceum. 1703 wurde die Schule daher wieder geschlossen.

Die Lehrerausbildung

Der erste Lehrer in Halle war der21 Anfangs erwähnte mittelose Studenten, den Francke zur Unterweisung der Armen eingestellt hatte. Innerhalb weniger Monate wurde die Schülerzahl, nicht zuletzt auch wegen des neugegründeten Pädagogium Regiums, zu groß für einen Lehrer. Ebenso wuchsen die Anforderungen an die Fähigkeiten der Lehrer. Eine extra Ausbildung der Studenten zu Lehrern wurde notwendig

Das Seminarium Praeceptorum

Francke rekrutierte die Studenten, die er zu Lehrern ausbildete aus den Studenten der Freitische. Zur Erinnerung, am 13. September 1699 wurde mit der Unterstützung durch eine Spende von 500 Talern Freitische für mittelose Studenten eingerichtet. Studenten die regelmäßig an diesen essen wollten mussten dafür leichte Arbeiten verrichten. So zum Beispiel Franckes Predigen mit- bzw. abschreiben oder eben die Kinder in den Franckschen Schulen unterrichten. Für zwei Stunden unterrichten täglich bekamen die Studenten zwei Mahlzeiten am Tag. Mehrarbeit wurde mit Geld entlohnt.

Trotz der harten Arbeit war der Andrang von Studenten, die Lehrer werden wollten groß. Nicht zuletzt wegen der guten Ausbildung, die Francke seinen Studenten zukommen ließ. Bald waren von Francke ausgebildete Lehrer überall gefragt.

Aber nicht jeder Student konnte Lehrer werden. Als Grund- voraussetzung musste jeder eine gute Erziehung, Talent zum Unterrichten und natürlich Frömmigkeit mitbringen. Ebenso wurde eine gute Handschrift, Rechen- und Rechtschreibekenntnisse verlangt. Von jedem Studenten wurde gefordert, seine Fähigkeiten in diesen Bereichen beständig zu verbessern. Darüber hinaus wurde jeder angehende Lehrer ausgebildet. Für einen zukünftigen Lehrer an der Armen- und Bürgerschule sah die Ausbildung wie folgt aus:

„Montag und Dienstag: Exercitium grammatico-analyticum in Latein. Mittwoch: Exercitium disputatorium, in dem lateinisches Reden geübt wurde.

Donnerstag: Grammatikalische Übungen in Griechisch am Text des Neuen Testaments.

Freitag: Analysis Ebraea, in der ein Vers nach dem anderen aus der Genesis erklärt wurde.

Sonnabend: Lateinische Memorierübungen22 “.

Auch die Studenten, die schon unterrichteten mussten noch einige Stunden in der Woche an Fortbildungen teilnehmen.

Das Seminarium selectum Praeceptorum

Am 17. Januar 1707 wurde das Seminarium selectum Praeceptorum gegründet. Nur die besten Studenten sollten dort als Lehrer für das Pädagogium Regium und die Lateinische Schule ausgebildet werden. Genommen wurden lediglich Studenten, die ohnehin Lehramt studierten. Diese mussten sich auf 5 Jahre verpflichten. Zwei Jahre dauerte die Ausbildung, schon währenddessen unterrichteten die Studenten in den oberen Klassen der Armen- und Bürgerschule. Weitere der Jahre waren sie nach Abschluss der Ausbildung verpflichtet in der Lateinischen Schule und dem Pädagogium Regium zu unterrichten. Danach konnten sie entweder bleiben, oder sich wo anders eine Stelle suchen. 1714 wurde die Ausbildung für Lehrer für die Lateinische Schule getrennt von der für Lehrer für das Pädagogium Regium durchgeführt.

Am Ende der Ausbildung sollten die Lehrer zwischen 28 und 32 Jahre alt, christlich und pädagogisch gebildet, verständig und wohlgesittet sein. Er sollte den Kindern ein Vorbild sein, bereit sein jedes von ihnen als Individuum zu betrachten, Geduld und Liebe haben und fähig sein, beim Strafen ganz emotionslos immer das richtige Maß zu finden.

Probleme mit den Lehrern

Gerade wegen der vorbildlichen Lehrerausbildung besuchten immer mehr Schüler die Lateinische Schule und das Pädagogium. Überall waren die Absolventen der Franckschen Schulen beliebt. Bei ihm ausgebildete Lehrer waren weit über die Landesgrenzen hinaus gefragt. Trotzdem soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es auch Probleme mit den Lehrern gab.

Die größten Probleme traten bei der Bestrafung der Kinder auf. Francke war es sehr wichtig, dass Kinder nur geschlagen wurden, wenn Erklärungen und Ermahnungen nicht halfen. Dann aber auch nur der schwere des Vergehens angemessen und nach der Bestrafung musste dann alles auch wieder vorbei sein. Trotzdem neigten einige Lehrer dazu die Kinder regelrecht zu verprügeln, wie es allerdings zur Zeit Franckes in vielen anderen Schulen gang und gebe war.

Ein anderes Problem war eine zu große Nähe zwischen einzelnen Schülern und Lehrern. Francke war gegen jede Form von Zärtlichkeit in der Erziehung. Zum einen, weil so leicht manche Kinder bevorzugt werden konnten, zum anderen aber auch, weil er die Gefahr sah, dass Schüler dann zu eitel würden und ihre Fehlerhaftigkeit gegenüber Gott nicht mehr erkennen könnten.

Außerdem war auch die Disziplinlosigkeit einzelner Lehrer ein Problem. Zum Beispiel redeten sie untereinander schlecht über andere Lehrer oder sogar dem Leiter der Schule, blieben den Gottesdiensten oder den Lehrerfortbildungen fern, oder kleideten sich nicht richtig. „Es ist erinnert worden, dass die Informatores sich hüten möchten, dass nicht soviel Puder von der Peruque auf den Kleidern liege, als wodurch die Scholaren und auch andere Leute geärgert werden können...“23

Christliche Erziehung bei Francke

Oberster Grundsatz bei Francke ist die christliche Erziehung. In jeder seiner Schulen war es das Ziel, die Kinder zu guten Christen zu erziehen. „...dahin sollte bey aller Erziehung die größte Sorge gerichtet werden, dass der Mensch aus den Schrancken seines verderbten und zu allem Guten ohnmächtigen, natürlichen Wesens herausgerücket und in einen gantz anderen und bessern Stand gesetzet werden möchte. Dieses wäre eine recht adeliche Erziehung, da der Mensch...zu einer göttlichen Gemeinschaft gezogen, und in derselbigen allerley göttlicher Kraft, was zu Leben und göttlichen Wandel dienet, theilhaftig gemachet würde“.24

Menschenbild Franckes

Durch Abschirmung sollten die Kinder vor schlechten äußeren Einflüssen geschützt werden. Francke glaubte daran, dass das Böse zwar auf Grund der Erbsünde aus dem Herzen der Menschen kommt, dass aber eine schlechte Erziehung erst ermöglicht, dass sich das Böse entfalten kann. Jede Versuchung zum Bösen sollte von den Kindern fern gehalten werden, damit sie leichter zum Glauben finden. Der Glaube sollte dann gefestigt werden und erst dann sollten die Kinder nach und nach wieder Kontakt mit der „bösen Welt“ bekommen.

Damit Kinder aber den Weg zu Gott finden, ist es nötig, dass sie eine Bekehrung erfahren durch die ihr altes Wesen des Sünders von Gott zum neuen Menschen umgestaltet wird. An die Stelle der Eigenliebe sollte die Liebe zu Gott treten. Damit dies gelingt, sollten die Kinder zur wahren Gottseligkeit25 und zur wahren Christlichen Klugheit26 geführt werden.

Wahre Gottseligkeit

Unter „wahrer Gottseligkeit“ versteht Francke einen lebendigen Glauben, der sich nicht darauf beschränkt dogmatische Lehrsätze auswendig aufsagen zu können, sondern der tief im Herzen sitzt und bereit ist ganz nach dem Willen Gottes zu Leben. Der „natürliche Eigen Willen“27 der Kinder musste dazu gebrochen werden. Das heißt, die Kinder sollten lernen, nicht mehr ihren eigenen Willen zu folgen und ihrer eigenen Eitelkeit Befriedigung beschaffen, sondern sie sollten sich ganz dem Willen Gottes unterordnen und alles, was sie tun zur Ehre Gottes tun.

Wahre Christliche Klugheit

Erziehung zur wahren Christlichen Klugheit bedeutet die Verstandeskraft der Kinder auszubilden. Dabei sollte den Kindern nicht lediglich Wissen vermittelt werden, sondern nur Wissen, dass sich dann im Sinne Gottes anwenden lässt. Die Kinder sollten lernen, Erkenntnis und Erfahrung richtig zu gebrauchen. Zum Beispiel sollten sie aus Liebe zu Gott ihren Mitmenschen helfen. Richtiges Helfen war aber meist nur möglich, wenn man das nötige Wissen hat. Francke setzte sich dafür ein, dass die Kinder nur lernen sollten, was sie auch im Leben gebrauchen konnten. Auch sollten sie in der Schule auch gleich die Möglichkeiten der Anwendung von Wissen im Sinne Gottes vermittelt bekommen.

Gott als letzter Erzieher

Letztendlich war es aber nicht Werk des Erziehers, wenn ein Kind zum Glauben findet, sondern Gottes Werk. Erziehern blieb nur ihr bestes zu tun, ohne sich allerdings darauf etwas einzubilden und dann zu beten, dass sich Gott der Zöglinge annimmt.28

Die Unterrichtsmethoden Franckes

Erziehung durch Abschirmung

Wie schon bereits erwähnt war Ziel jeder guten Erziehung, die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlichen Klugheit zu führen. Für die wahre Gottseligkeit war es nötig den Willen der Kinder zu brechen und sie dazu zu bringen, immer Gottes Willen zu tun. Dazu war es aber nötig, sie von jeder Versuchung durch die Welt fernzuhalten, bis Gottes Wille in ihnen so fest verankert war, dass sie nicht in Gefahr standen wieder in Eigenwillen zurückzufallen. Dies ging nur in dem man die Kinder unter völliger und lückenloser Aufsicht erzog.

Bei seinen ersten Versuchen die Armen zu erziehen, hatte Francke festgestellt, dass alle guten Ansätze und Erfolge, die in der Schule gemacht wurden, zuhause wieder zerstört wurden. Daher war es nur Konsequent, dass Franckes Schulen Internatsschulen waren. Außerdem hielt er seine ausgebildeten Lehrer für geeigneter die Kinder zu Erziehen, als die Eltern. Zum einen, weil für die Eltern die Erziehung der Kinder nicht ihr Beruf ist und sie auch noch etwas anderes tun. Zum anderen, weil Eltern ihren Kindern häufig schlechte Beispiele geben.

Die Aufsicht in den Internaten Franckes wurde sehr streng und in fast jedem Aspekt des Lebens der Kinder geführt. Briefe der Kinder wurden zensiert, Besuche bei Verwandten oder Bekannten in Halle waren ihnen verboten und Geld von zuhause durften sie nicht geschickt bekommen. Lehrbücher wurden entweder von Francke und anderen Lehrern selbst verfasst, oder vorher sehr genau auf eventuelle bedenkliche Inhalte durchgesehen. So sollte sichergestellt werden, dass nichts die Kinder in ihrem Weg zum wahren Christentum behinderte.

Erziehung durch Vorbilder

„Vom Lehrer wird erwartet, dass er selbst in allem, was er den Kindern lehrt, ihnen auch ein Vorbild ist. Vor allem aber sollen die Kinder an ihm konkret sehen, wie lebendiger Glaube im Alltag aussieht“.29 Francke legte großen Wert darauf, dass seine Studenten ihren Schülern sowohl in der Schule, als auch in ihrer Freizeit ein Vorbild waren. Wurde ein Student bei einer größeren Verfehlung erwischt, wurde er sofort der Schule und damit auch des Freitisches verwiesen.30

Erziehung durch das Kurssystem

Sowohl in der Lateinischen Schule als auch im Pädagogium schaffte Francke das Klassensystem ab. Jedes Kind besuchte nur drei Fächer auf einmal. Alle sechzehn Wochen fand eine Prüfung statt. Bestand der Schüler konnte er in den nächst höheren Kurs wechseln. Hatte er das oberste Level eines Faches erreicht, durfte er dieses Fach ablegen und ein Neues beginnen. Abgelegte Fächer wurden Mittwochs und Samstags wiederholt.31

Erziehung durch Praktischen Unterricht (Realien)

Francke war stets darauf bedacht, den Kindern nicht nur „totes“ Wissen zu vermitteln, sondern ihnen jeden Lernstoff an praktischen Beispielen beizubringen.

Lesen brachte er den Kindern bei, in dem er einen Buchstaben an die Tafel malte und die Kinder mussten in dann in der Bibel suchen. In Lateinischen Sprachübungen wurde über Bilder und Gebäude geredet. Vokabeln lernten die Kinder über ein Spiel. Jedes Kind musste sechs Vokabeln aufsagen, danach war ein anderes dran, das aber schon gesagte Vokabeln nicht wiederholen durfte. Texte korrigierten die Schüler sich oft gegenseitig. Auch wurde im Rahmen des Sprachenunterrichts lateinische Zeitungen gelesen. Beim Übersetzen musste oft mitten in Satz ein anderes Kind übernehmen, damit die Schüler auch aufmerksam blieben, wenn sie nicht dran waren. In Griechisch suchten die Schüler selber Beispiele für bestimmte Deklinationen im griechischen Neuen Testaments.

Francke verfügte auch über ein Naturalienkabinett für seine Schulen. Die meisten Stücke dafür waren Doppelstücke aus der kurfürstlichen Raritätenkammer die der Landesherr Friedrich III Francke gestiftet hatte. In der Naturalienkammer gab es ausgestopfte Tiere, Astronomische Modelle, Gemälde und Kupferstiche, Kultgegenständer verschiedener Religionen, Steine und vieles andere mehr. Im Unterricht konnten die Kinder so anschaulicher den jeweiligen Stoff lernen.

Auch die erste Schulsternwarte Deutschlands entstand in Halle unter Francke. Die Schüler sollten nicht nur über Sterne lernen, sondern sie auch selber beobachten können.

Ökonomie lernten ältere Schüler, in dem sie wöchentlich über eine kleine Menge Taschengeld verfügen durften, über die sie dann genau Buch führen mussten. Taten sie das nicht, oder gaben sie ihr Geld verschwenderisch aus, dann wurde es ihnen wieder abgenommen.

In Anatomie wurden Sektionen von Tieren durchgeführt. So wurde zum Beispiel der verstorbene Waisenhaushund32 seziert. Ebenso stand für den Unterricht ein vollständiges Skelett zur Verfügung.

In der Botanik wurden die Kinder im Sommer Mittwochs und Samstags im Freien von einem Medizinstudenten über das Aussehen und die Wirkungsweise verschiedener Heilkräuter unterrichtet. Manche Kräuter wurden gepresst und in ein Bestimmungsbuch geklebt, das die Kinder selber beschriften durften.

Erziehung durch katechetische Unterweisung

In der religiösen Erziehung legte Francke ganz besonderen Wert darauf, das die Kinder Texte und Bibelverse nicht nur auswendig lernten, sondern auch verstanden. Durch Fragen des Lehrers sollte dieses Verstehen gefördert werden. Folgendes Beispiel soll diese Methode verdeutlichen:

„Also hat Gott die Welt gebliebet, dass er seinen eingebornen Sohn gab usw.

Wer hat die Welt geliebet ? Resp. Gott Wen hat Gott geliebet? Resp. Die Welt

Was hat Gott der Welt gethan? Resp. Er hat sie geliebet.

Wie hat er sie denn geliebet? Resp. Daß er seinen eingebornen Sohn gab usw.“33

Oft behandelte Francke mit den Kindern auch eine Woche den Text, über den er am Sonntag predigen wollte. Nach der Predigt stellte er ihnen dann Fragen, auf die sie in ganzen Sätzen antworten sollten. Der Unterricht wurde immer auf deutscher Sprache gehalten, um das Verständnis der so wichtigen Themen nicht noch zu erschweren.

Außerdem wurde auch versucht, den Kindern zu jedem Bibelvers Beispiele zu geben, wie dieser im täglichen Leben angewendet werden konnte.

Erziehung zur Arbeit

Francke war wichtig alle Kinder, egal welchen Stand sie angehörten zur Arbeit zu erziehen, denn er glaubte daran, dass es Gottes Wille war, dass jeder Mensch sein Brot selber erarbeite. Dabei bezog er sich auf Paulus 2 Thess 3,10. Daher sollten alle Schüler mindestens eine Stunde täglich Holzsägen oder andere Tätigkeiten verrichten.

Besonders die Kinder des Waisenhauses die die Lateinische Schule besuchten, wurden zu Arbeiten herangezogen auch um Geld für den Unterhalt des Waisenhauses zu verdienen. So mussten sie zum Beispiel in der Waisenhausapotheke oder in der Druckerei des Waisenhauses aushelfen. Kurzzeitig versuchte Francke auch von Juni 1701 bis Juni 170634 eine Strumpfmanufaktur aufzubauen, die aber wegen Unrentabilität wieder geschlossen wurde.35

Erziehung zu Gesundheit und Hygiene

Vorbildlich für seine Zeit war Francke auch im Bereich Gesundheit und Hygiene. Auslöser für die Bemühungen auf diesen Gebiet war eine große Fleckfieberepidemie 1699 im Waisenhaus und in den Internaten, an der so viele Lehrer und Kinder verstarben, dass Francke sein ganzes Werk gefährdet sah. Um ein solches Unglück in Zukunft zu vermeiden zog Francke bei verschiedenen Ärzten Erkundigungen ein, wie solche Seuchen in Zukunft vermieden werden könnten.

Schon von Anfang an hatte Francke darauf bestanden, dass jedes Kind sein eigenes Bett haben sollte. Jetzt begann er ein neues größeres Haus zur Unterbringung der Kinder zu bauen. In den Bau flossen alle neueren Erkenntnisse über Gesundheitsvorsorge jener Zeit ein. Seine Lager war auf freien Feld zwischen Glaucha und Halle. Es war ringsum von Wiesen und Feldern umgeben. Die Räume waren besonders hoch und geräumig und hatten große Fenster, die das Licht gut durchließen. Dafür musste er sich von der Bevölkerung viele Anfeindungen gefallen lassen. Niemand verstand, warum man für Waisenkinder so gut baute. Hohe Räume galten als Zeichen für Häuser von vornehmern und reichen Leuten. Francke sagte dazu: „Was nun solche nicht um deßwillen, sondern der Gesundheit wegen mit guten Bedacht erwehlet worden, nachdem die Erfahrung bisher gelehret, dass in den niedrigen Stuben die Kinder kranck und ungesund worden, welches man bey Anlegung eines neuen Gebäudes gerne hat verhüten wollen“.36

Jedes Kind wurde dazu erzogen wöchentlich die Wäsche zu wechseln und regelmäßig zu baden. Bedienstete wurden angestellt um den Kindern die Haare zu bürsten und ihre Körperpflege zu überwachen.

Auch auf einfaches, aber doch gesundes Essen wurde geachtet. „Die Waisen erhielten z.B. zum Frühstück Brot, mittags eine Gemüsesuppe in der wöchentlich zweimal Fleisch zu finden war, zur Vesper wieder Brot und abends Suppe oder Salat, Kaltschale oder Milch. Butter gab es viermal in der Woche“.37

Auch um frisches und gesundes Trinkwasser bemühte man sich. Statt Wasser aus der verschmutzten Saale oder von dem nicht ganz reinen städtischen Wassernetz zu nehmen, versuchte man Quellen zu erschließen und zu nutzen. Eine Wasserleitung von einer Quelle direkt in den Speisesaal der Schule war zum Beispiel 5375,336m lang. 1871 allerdings wurden die Quellen des Waisenhauses durch Industrieabwässer so stark verschmutzt das eine Typhusepidemie ausbrach an der 18 Menschen starben. Von da an musste man wieder das städtische Wassernetz benutzen.

Auf den Rat des Waisenhausarztes Johann Juncker 1716 wurde die Kinder zu Bewegung an der frischen Luft angehalten. Allerdings gestattete Francke den Kindern kein freies Spiel, sondern die „Bewegung“ blieb immer gelenkt und beaufsichtigt. So durften die Kinder Holzsägen, in der Saale schwimmen, Gartenarbeit leisten, Heilkräuter sammeln und ähnliches. Juncker forderte täglich: „10 Stunden für den Unterricht, die Studien und Gebete, 2 Stunden für die Mahlzeiten, 2 Stunden für Briefschreiben, An- und Auskleiden, 2 Stunden für körperliche Übungen als Ausgleich für die geistigen Anstrengungen und schließlich sieben bis acht Stunden Schlaf“.38

Im Unterricht wurden den Kindern auch der richtige Gebrauch von Heilpflanzen beigebracht. Sie lernten über verschiedene Krankheiten und die Maßnahmen dagegen und nicht zuletzt über Hygiene. Damit trugen Franckes Schüler und Studenten Gesundheits- und Hygienevorschriften in alle Welt.

Nachwort

August Hermann Francke wird unter die ganz großen Helfer der Menschheit gerechnet. Mit ihm in einem Atemzug werden Namen wie Albert Schweitzer und Mutter Theresa genannt. Was er in Glaucha geschaffen, ist für seine Zeit einzigartig.

Begonnen hat er das große Werk mit lediglich vier Talern und sechzehn Groschen. Jede Spende, die er erhalten hat, hat er völlig für die Armen ausgegeben und nicht nur die Zinsen des Geldes, wie es zu seiner Zeit oft üblich war. Mut und Kraft schöpfte er aus seinem Glauben. Mag man auch den Pietismus und seine Frömmigkeit stark kritisieren, vor dem Lebenswerk Franckes muss man unzweifelhaft den Hut ziehen. Ich hoffe, dass dies meine Arbeit zeigen konnte.

[...]


1 Wallmann, Johannes, Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, Tübingen 3 1988, S. 146.

2 Oschlies, Wolf, Die Arbeits- und Berufspädagogik August Hermann Franckes (1663 - 1727). Schule und Leben im Menschenbild des Hauptvertreters des Halleschen Pietismus, Witten 1969 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, Band 6), S. 40.

3 Häufig bezieht sich die Literatur nur auf das Waisenhaus. Allerdings gelten Maßnahmen, die Francke für das Waisenhaus eingeführt hat fast ohne Ausnahme auch für die ganze „Schulstadt“. Daher wurde der Term Waisenhaus in dieser Arbeit in solchen Fällen durch den Term Schulen oder Internate ersetzt.

4 Jahreszahlen aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 14.

5 Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 14.

6 Dittrich-Jacobi, Juliane, Pietismus und Pädagogik im Konstitutionsprozess der bürgerlichen Gesellschaft. Historischsystematische Untersuchung der Pädagogik August Hermann Franckes (1663 - 1727), Bielefeld 1976, S. 170.

7 Aus Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 15.

8 Francke, August Hermann, Die Fußstapfen des noch lebenden und waltenden, liebreichen und getreuen Gottes zur Beschämung des Unglaubens und zur Stärkung des Glaubens durch den ausführlichen Bericht vom Waisen-Hause, ArmenSchulen und übrigen Armen-Verpflegung zu Glaucha an Halle, in: Beyreuther, Erich (Hg.), Selbstzeugnisse August Hermann Franckes, Marburg 1963, S. 72.

9 Francke, August Hermann, Fußstapfen, S. 74.

10 Velten, Dieter, August Hermann Francke, in: Velten Dieter (Hg.), Glauben - Lehren - Erziehen. Pädagogen und pädagogische Konzepte im Pietismus, Dillenburg 1988, S. 59.

11 Blättner, Fritz, Geschichte der Pädagogik, Heidelberg 13 1968, S. 77.

12 Zahl aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 41.

13 Zahl aus: Francke, August Hermann, Ordnung und Lehrart, wie selbige in dem Paedagogio zu Glaucha an Halle eingeführet ist: worinnen vornehmlich zu befinden, wie die Jugend, nebst der Anweisung zum Christentum, in Sprachen und Wissenschaften, als in der lateinischen, griechischen, ebräischen und französischen Sprache, wie auch in Calligraphia, Geographia, Historia, Arithmetica, Geometria, Oratoria, Theologia und in Fundamentia astronomicis, botanicis, anatomicis etc. auf eine kurze und leichte Methode zu unterrichten und zu denen Studiis Academicis zu präparieren sei, in: Francke, August Hermann, Pädagogische Schriften, Kramer, Gustav (Hg.), Langensalza 1885, S. 284f.

14 Francke, August Hermann, Ordnung und Lehrart, wie selbige in denen zum Waisenhause gehörigen Schulen eingeführet ist, worinnen vornehmlich zu befinden, wie die Kinder in und außer der Schul in christlicher Zucht zu halten und zum Lesen, zierlichen Schreiben, Rechnen, wie auch zur Musik und anderen nützlichen Dingen anzuführen sind, in: Francke, August Hermann, Pädagogische Schriften, Kramer, Gustav (Hg.), Langensalza 1885, S. 118.

15 Francke, August Hermann, Ordnung und Lehrart, wie selbige in dem Paedagogio zu Glaucha an Halle eingeführet ist, S. 284f.

16 Fächerkanon aus: Blätter, Fritz, Geschichte der Pädagogik, S. 77. Velten, Dieter, Glauben - Lehren - Erziehen, S. 60.

17 Recreationsfächer aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 73.

18 Francke, August Hermann, Fußstapfen, S. 16ff.

19 Alle Informationen, die in diesem Artikel über das Gynäceum verwendet wurden, sind nachzulesen in: Witt, Ulrike, Bekehrung, Bildung und Biographie. Frauen im Umkreis des Halleschen Pietismus, Tübingen 1996, S. 101- 127.

20 Witt, Ulrike, Bekehrung, Bildung und Biographie, S. 117f..

21 Alle verwendeten Informationen zu diesem Kapitel, so weit nicht anders angegeben, sind nachzulesen in: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 146 - 160.

22 Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 150.

23 Anonymus, Conferenzprotokolle Pädagogiums. Verzeichnis der merkwürdigsten Dinge welche ordentlicher und gesegneter Fortsetzung der Information, Education und übrigen Arbeit im Paedagogio Regio zu Glaucha vor Halle in wöchentlicher Conferentz vorgebracht, abgeredet und beschlossen worden, allen sich an diesem Werck befindlichen Mitarbeitern zu guten und deutlichen Nachricht angefangen d. 27. Junii 1708, in: Dittrich-Jacobi, Juliane, Pietismus und Pädagogik, S. 251.

24 Francke, August Hermann, Sonn- Fest- und Apostel-Tags-Predigten/ Darinnen Die zum wahren Christenthum gehörige nöthigste und vornehmste Materien abgehandelt sind; Nebst den dazu nützlichen Registern. Teile I-III, Halle 5 1715, S. 464.

25 Nachzulesen in: Francke, August Hermann, Kurzer und einfältiger Unterricht, wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlichen Klugheit anzuführen sind, 1702, in: Francke, August Hermann, Werke in Auswahl, Peschke, Erhard (Hg.), Berlin 1968, S. 126 - 147.

26 Nachzulesen in: Francke, August Hermann, Kurzer und einfältiger Unterricht, S. 147 - 150.

27 Francke, August Hermann, Kurzer und einfältiger Unterricht, S. 126.

28 Informationen zu diesem Kapitel aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 106 - 130. 16

29 Velten, Dieter, Glauben - Lehren - Erziehen, S. 57.

30 Informationen zu diesem Kapitel aus: Velten, Dieter, Glauben - Lehren - Erziehen, S. 61.

31 Informationen zu diesem Kapitel aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 70 - 85.

32 Angabe aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S. 77.

33 Velten, Dieter, Glauben - Lehren - Erziehen, S. 49

34 Daten aus: Oschlies, Wolf, Arbeits- und Berufspädagogik, S.65f..

35 Informationen zu diesem Kapitel sind aus: Piechocki, Werner, August Hermann Franckes sozial- und schulhygienischen An- und Einsichten, in: Anonymus (Hg.), August Hermann Francke. Das humanistische Erbe des großen Erziehers, S. 45 - 52.

36 Piechocki, Werner, August Hermann Francke, S. 46.

37 Piechocki, Werner, August Hermann Francke, S. 47.

38 Piechocki, Werner, August Hermann Francke, S. 49.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
August Hermann Francke
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Proseminar
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V103787
ISBN (eBook)
9783640021642
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die theologische Seite müßte besser betrachtet werden.
Schlagworte
August, Hermann, Francke, Proseminar
Arbeit zitieren
Höhne Silke (Autor:in), 2000, August Hermann Francke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103787

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