Doktor Faustus als Dokument deutscher Geschichte


Seminararbeit, 2001

32 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


0. Einleitung

Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich Thomas Manns Roman Doktor Faustus als Deutschlandroman untersuchen. Hierzu wird Manns eigenes Verhältnis zu Deutschland und den politischen Entwicklungen seiner Heimat ein Licht auf den Roman werfen.

Doktor Faustus ist Manns letztes umfangreicheres Erzählwerk, das ihn viel Kraft in der Fertigstellung kostete. Er benötigte fast vier Jahre, um den Roman fertigzustellen, wobei dieser ihm zeitweise gar als „Roman-Untier“ erschien.1 Aber schon zu einer Zeit als der Roman nur in Skizzen existierte, beschrieb er ihn seinen Freunden als gewagt und unheimlich und zweifelte in seinen Notizen die Fertigstellung des Romans gänzlich an. Diese Haltung zu seinem eigenen Werk läßt Rückschlüsse darauf ziehen, wie viel von Mann in den Roman mit eingeflossen ist und wie persönlich er ist.

Auch soll diese Arbeit ihren Blick auf die ungewöhnliche Technik der Montage wenden, die es Mann ermöglichte, Elemente der deutschen Geschichte so zusammenzufügen, daß sich ein sinngemäßes Bild der historischen und geistigen Entwicklung Deutschlands ergäbe. Hierbei dienen ihm sowohl Ereignisse und Fakten einer weit zurückliegenden deutschen Vergangenheit, wie auch zeitgenössische Erkenntnisse.

Wie also Thomas Mann das deutsche Verhängnis unter der Projektion eines faustschen Musikerschicksals erklärt, soll im folgenden analysiert werden.

1. Politische Hintergründe

1.1 Thomas Mann

Zunächst ist Thomas Mann eher politisch desinteressiert. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges wächst jedoch sein politisches Bewußtsein, da er sich nun als Künstler direkt von der politischen Sphäre berührt fühlt. Er begrüßt den Krieg als das Ende der Dekadenz in der deutschen Gesellschaft und erhofft sich eine Stärkung der Moral, sowie eine Umgestaltung von Richtlinien und Zielen (basierend auf der Philosophie Nietzsches). Er sieht den Krieg als ein Versprechen auf eine bessere Zukunft: „Krieg! Es war Reinigung, Befreiung ... und eine ungeheure Hoffnung“.2

Im Jahre 1914 verfaßt er den Essay Friedrich und die große Koalition, in dem er seine zeitgemäßen politischen Ansichten am Beispiel Friedrich des Großen veranschaulicht. So spricht er sich gegen den Vorwurf der deutschen Kriegsschuld des Jahres 1914 aus, wenn er Friedrichs Einfall in Sachsen schildert. Er schreibt: „Ein Angriff kann ja aus Not geschehen und ist also kein Angriff mehr, sondern eine Verteidigung.“3 Von 1915 bis 1918 verfaßt er die Betrachtungen eines Unpolitischen. Hierin spricht er sich für Deutschtum und Konservatismus aus und gegen deren Feinde Demokratie, Fortschritt und Revolution, denn er sieht die deutsche Kultur in Gefahr. Kurt Sontheimer beurteilt die Betrachtungen als letzten Ausdruck „des gehobenen deutschen Nationalbewußtseins der Wilhelminischen Epoche“, welche schließlich im nationalen Fanatismus der Hitlerjahre gipfeln sollte.4

Manns politische Entwicklung ist in seinen eigenen Worten als „sehr langsames Reifen“ zu beschreiben.5 Dennoch wird bereits ab 1919 eine Umorientierung sichtbar. So kann er dem sozialen Gedanken wie auch dem Kommunismus gewisse positive Seiten abgewinnen oder bezeichnet den Krieg in einem Brief als „riesige Donquixoterie“.6 Darüberhinaus läßt er zwar in den zwanziger Jahren die Betrachtungen nocheinmal auflegen, mildert jedoch ab und streicht sogar an einigen Stellen, sodaß schließlich einige Kritiker den Wandel von einer antidemokratischen zu einer demokratischen Schrift unterstellen.7 Als wirklicher Wendepunkt in Manns Haltung ist allerdings erst die Rede Von deutscher Republik im Jahre 1922 zu sehen. In diesem Vortrag spricht er sich für die Weimarer Republik aus, und für eine Demokratie, die für ihn gleichbedeutend ist mit dem Begriff der Humanität. Republik ist dann eine Tatsache der Erhebung und der Ehre.8

Im Laufe der nun folgenden Jahre betritt Mann immer öfter öffentlich politisches Terrain. 1925 spricht er sich gegen die Kanditatur Hindenburgs aus und ruft das Volk zur Rettung der Demokratie auf.9 Früh erkennt Mann die Gefahren des aufkommenden Nationalsozialismus. Immer wieder spricht er sich gegen den Faschismus aus. 1929 fordert er in seiner Rede zu Lessings 200. Geburtstag, „hinauszugelangen über jede Art von Fascismus“.10 Rückblickend sagt Mann in einem Tagebucheintrag von 1933: „Ich habe das Kommende früh und tief empfunden, darunter gelitten, mich gegen den gewissenlosen, um sich greifenden Unfug gesetzt und den Vorwurf dünnen Rationalismus in Kauf genommen“.11

Manns öffentliche Ablehnung des Faschismus bleibt nicht ohne Folgen. In der Berliner Nachtausgabe vom 6.2.1928 wird Thomas Mann als ein Mann beschrieben, der „für Vaterlandsverräter eintritt und sein Volk lästert“.12 Die 1930 gehaltene Deutsche Ansprache, in der Mann an die Vernunft des deutschen Bürgertums appelliert und versucht, den Wahlsieg der Nationalsozialisten zu erklären, wird von verbalen Angriffen und drohenden Tätlichkeiten von in Zivil gekleideten SA-Männern immer wieder aufs heftigste gestört. Am nächsten Tag ist zu lesen: „Der Fall Thomas Mann ist ein trauriger Fall. Ein blamabler Fall. Ein erledigter Fall“.13 Am 11. Februar 1933 verläßt Mann mit seiner Frau das Land, um eine Vortragsreihe anzutreten, von der er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird. Wie sich später herausstellt, liegt bereits zu dieser Zeit ein Haftbefehl gegen den Schriftsteller vor. 1936 verliert er die deutsche Staatsbürgerschaft, und man entzieht ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. 1938 emigriert Thomas Mann in die Vereinigten Staaten.

1.2. Der Roman Doktor Faustus und das Werk Thomas Manns

Wie bereits erläutert wurde, dokumentierte Thomas Mann seine politischen Ansichten in Ansprachen und Essays. Aber auch sein erzählerisches Werk spiegelt seine Haltung diesbezüglich wieder. So hält Sontheimer fest, daß Mann „zwei Formen der politischen Aussage [pflegt]: a) die direkte, unmißverständliche, konkrete Stellungnahme zu geistigen und politischen Vorgängen seiner Zeit, b) die indirekte, durch das Kunstmittel der Ironie geformte Aussage, im Roman oder psychologisierenden Essay.“ Er sagt weiter, daß beide Formen sehr wohl nebeneinander existieren können.14

Bereits die 1901 erschienen Buddenbrooks spielen vor dem Hintergrund der preußischen Vorherrschaft über die anderen deutschen Staaten, und auch im Tod in Venedig werden die Wirrungen europäischer Politik angedeutet.

Neben der Darstellung der an der Gesellschaft scheiternden Künstlerexistenz, wie es zum Beispiel im Tristan (1903) oder in Seine königliche Hoheit (1909) thematisiert wird, erscheint als weiteres großes Motiv in Manns Werk die Frage nach der Identität Deutschlands. Kurt Sontheimer sieht dies als historisch motivierten Rettungsversuch Manns: „Ein bedeutender Ausschnitt der Werks von Thomas Mann ist der Analyse und Deutung des Deutschtums gewidmet. Immer wieder hat es ihn gedrängt - und die Zeitereignisse unterstützen ihn dabei - , das Wesen der Nation zu ergründen, der er selbst geistig aufs tiefste verbunden war. Seit ihm im ersten Weltkrieg die ganze Brüchigkeit der europäischen Ordnung offenbar geworden war, suchte er zu erneuern und zu befestigen, was ihm allein noch Verbindlichkeit zu bieten schien: den Glauben an die Humanität.“15

In diesem Kontext ist auch Doktor Faustus zu sehen. Er ist Thomas Manns „großer dichterischer Beitrag zum deutschen Problem“.16 Mann selbst nannte den Roman ein „Buch vom Deutschtum“ ja einen „Deutschland-Roman“.17 Darüberhinaus kann der Roman auch als Künstler- und Gesellschaftsroman gesehen werden.

2. Die Montagetechnik

Die Montage erlaubt dem Schriftsteller, fremde Texte und Erkenntnisse unterschiedlichster Quellen zusammenzufügen. Mann verwendet Vorlagen aus Musik, Medizin, Literatur, Philosphie etc. Er läßt historische Persönlichkeiten sprechen, benutzt aber auch Material aus seinem persönlichen Bereich. So nimmt Clarissa Roddes mit den gleichen Worten Abschied von der Welt wie Manns Schwester Clara in deren Abschiedsbrief.

Durch die Monagetechnik erreicht Mann, daß sein Roman zu einem glaubwürdigen kulturellen Zeitdokument wird. Er erklärt aber nicht nur die Verhältnisse der deutschen Gegenwart, sondern nutzt die Technik auch, um die Hintergründe zu klären, die von jeher das Wesen der Deutschen bestimmten und schlußendlich im dritten Reich enden.

Die unterschiedlichen Ebenen der Montage sind dabei so komplex miteinander und mit der Erzählung verknüpft, daß sich ein Gebilde von engen Zusammenhängen ergibt. Indem er immer wieder historische Vorgänge verarbeitet, gelingt es ihm, Deutschland in seiner Entwicklung nachzuzeichnen. Bereits in der Rede Deutschland und die Deutschen hatte Mann Erklärungsversuche für das deutsche Schicksal angeboten. Er sah es als Konsequenz der seit Luther gescheiterten Revolutionen. Hilscher schreibt Mann die Erkenntnis zu, „daß gewisse mittelalterlich-feudale Elemente infolge der Niederwerfung des Bauernkrieges niemals überwunden wurden und darum bis in die spätbürgerliche Endphase hineinragen. Im Roman übertrug [Mann] diese Sicht ins künstlerische und ließ viele Vorgänge und Gestalten in dem entscheidungsreichen Reformationszeitalter wurzeln“.18

Martin Luther findet immer wieder Erwähnung im Roman. In seiner Rede bezeichnet Mann ihn als „eine riesenhafte Inkarnation des deutschen Wesens“.19 Die Worte „ich hasse die Revolution wie die Sünde“ beurteilt Mann als „echt lutherisch, echt deutsch“.20 Direkt weist der Dichter Martin Luther die Schuld an einer Entwicklung der Geschichte zu, die in dem grausamen Krieg gipfeln. „Es ist ja wohl kein Zweifel, daß der Menschheit unendliches Blutvergießen und die entsetzlichste Selbstzerfleischung erspart geblieben wäre, wenn Martin Luther die Kirche nicht wiederhergestellt hätte“, läßt er Zeitblom sagen.21

Die beiden Berichte, die der Roman in den Worten Adrian Leverkühns berichtet, sind im Sprachstil der lutherischen Bibel, beziehungsweise auch des Urfausts gehalten. Leverkühn übernimmt diese Art zu sprechen zum Schluß gänzlich. Mann greift hier unter anderem auf Briefe Luthers zurück. Dürer, dessen Kunst sich in der deutschen Spätgotik gründet und den Regeln des mittelalterlichen Handwerks getreu ist, hat vom Humanismus inspirierte mythologisch-allegorische Stoffe vor allem in Kupferstichen behandelt.22 Die Melencolia, die 1514 entstand, befand sich im Eigentum Friedrich Nietzsches. Das auf dem Kupferstich zu sehende „magische Quadrat“ hängt nicht nur im Studierzimmer Goethes Faust, sondern auch in Leverkühns Studentenzimmer in Halle. Ergänzend bemerkt Beddow, daß der ganze Roman als magisches Quadrat, nämlich in mehrere Richtungen gleichzeitig, gelesen werden muß.23 Aber auch von seinen Zeitgenossen übernimmt Mann Material. Theodor W. Adorno ist nicht nur Ratgeber und Begleiter während der Entstehung des Romans, auch wird er teilweise über Passagen hinweg unmarkiert wörtlich zitiert, unter anderem zu Arnold Schönbergs Zwölftonmusik, die im Roman als Erfindung Leverkühns ausgegeben wird. Auch stellt Mann durch die verwendeten Ziate eine besondere Beziehung von Wirklichkeit und Erdachtem her. Sie lassen „eine eigentümlich träumerische und reizvolle Vermischung der Sphären“ entstehen.24 Daß die Technik der Montage nicht nur als positiver Effekt, als Beitrag zur Authentizität des Werkes, angesehen wird, sondern auch als Plagiatismus abgelehnt wird, sehen wir an der Reaktion Schönbergs, der den Dichter daraufhin scharf verurteilte.

Desweiteren verwendet Mann die Montagetechnik, um die Zeitebenen miteinander zu verschränken, d.h. erzählte Zeit und Erzählzeit stehen in enger Verbindung. Darüberhinaus spielt der reale Autor eine Rolle. Wenn Thomas Mann im Mai 1943 seine Geschichte über Deutschland anfängt, beginnt Zeitblom zeitgleich seine Erzählung über seinen Freund Leverkühn. Fiktiver und realer Schreibbeginn stimmen also überein. Während Zeitblom seine Aufzeichnung 1945 beendet, schließt Mann den Roman erst im Januar 1947 ab. Zeitbloms Erzählung beginnt mit der Geburt Leverkühns 1875 und endet mit dessen Tod 1940. Durch diese Zwischenschaltung Zeitbloms als Erzähler wird die Zeit, in der Mann tatsächlich am Roman schreibt, verschränkt mit der Lebenszeit Adrian Leverkühns, eines deutschen Schicksals. Fiktion und Realität werden auf diese Weise miteinander verwoben.25

Mann versieht außerdem den Erzähler mit einem Bewußtsein dieser Verschränkung und erweitert sie noch um eine weitere Ebene: „Ich weiß nicht, warum diese doppelte Zeitrechnung meine Aufmerksamkeit fesselt, und weshalb es mich drängt, auf sie hinzuweisen: die persönliche und die sachliche Zeit, in der der Erzähler sich fortbewegt, und die, in welcher das Erzählte sich abspielt. Es ist diese ganz eigentümliche Verschränkung der Zeitläufe, dazu bestimmt übrigens, sich noch mit einem Dritten zu verbinden: nämlich der Zeit, die eines Tages der Leser sich zur geneigten Rezeption des Mitgeteilten nehmen wird, sodaß dieser es also mit einer dreifachen Zeitordnung zu tun hat: seiner eigenen, derjenigen des Chronisten und der historischen“.26 Mann sieht seinen Roman nicht nur als Dokument deutscher Vergangenheit und Gegenwart, sondern sagt ihm auch Gültigkeit in der Zukunft voraus.

Schließlich verknüpft Zeitblom das Schicksal Adrian Leverkühns so sehr mit den Geschehnissen seines Landes, daß er bei zitternder Hand nicht weiß, ob dies vom Schicksal seines Freundes oder den Ereignissen der Gegenwart herrührt. Gegen Ende seiner Erzählung verbindet er dann auch noch einmal den Preis, den Leverkühn für seine Genialität zahlen muß, mit „dem Heraufsteigen und Umsichgreifen dessen [...], was sich dann des Landes bemächtigte und nun in Blut und Flammen untergeht“.27 Die Idee des Teufelsbündnisses Deutschlands kommt hier zum Tragen.

3. Doktor Faustus als Deutschlandroman

Wie bereits erwähnt, sieht Thomas Mann im Doktor Faustus einen Deutschlandroman, in dem er Tendenzen und Ereignisse deutscher Geschichte und Gesellschaft darstellt. Der naive Egoismus Deutschlands und das Fehlen einer revolutionären Tradition in Form eines Bürgerkrieges nennt er als Hauptursachen des deutschen Verlangens nach Durchbruch. Dieser Durchbruch „zu einer höheren Form des Gemeinschaftslebens“ muß sich folglich als Krieg manifestieren.28 Da die neue Großmacht sich aber nicht vollends in ihrem Glanz erkannt fühlt, wird abermals ein Krieg bemüht, um nun auch den Durchbruch zu einer „dominierenden Weltmacht“ zu erreichen.29

Als Legitimation werden das Schicksal und „die heilige Not“angestrengt30, die vorgeben, daß es nun an Deutschland sei, „der Welt unseren Stempel aufzudrücken“.31 Wie Hitler sich diese Haltung zunutze macht, beschreibt Mann, wenn er die münchener Intellektuellen den Thesen Sorels zustimmen läßt, nach denen das Volk politisch unmündig gehalten werden soll, indem „mythische Fiktionen“ als „Mittel politischer Willensbildung“ eingesetzt werden.32

Bereits im Frühjahr 1943 formuliert Mann die Bedeutung des deutschen Geschicks im Roman, denn es sei die „Idee des Rausches überhaupt und der Anti-Vernunft damit verquickt, dadurch auch das Politische, Faschistische, und damit das traurige Schicksal Deutschlands“.33 Auf welche Weise er dies im Roman darstellt, sei im folgenden an den Personen Zeitblom und Adrian analysiert.

2.1. Zeitblom

Zunächst einmal sei zu erwähnen, daß Thomas Mann Serenus Zeitblom mit autobiographischen Zügen versehen hat. Er sagt, „Zeitblom ist die Parodie meiner selbst“.34 Zeitblom wird in einen Stand hineingeboren, den er selbst als „die mäßige Höhe eines halbgelehrten Mittelstandes“ bezeichnet, also dem Manns entspricht.35 Er steht stellvertretend für den bürgerlichen Humanismus. Zu Beginn der Erzählung erscheint Zeitblom als unpolitische Figur. Dies ändert sich 1914. Zeitblom ist voller Euphorie in Anbetracht des anbrechenden ersten Weltkrieges, so wie auch Mann diesen Krieg begrüßte. Im Roman wird die Wirkung auf Deutschland „als Erhebung, historisches Hochgefühl [...] als Zukunftsbegeisterung“ beschrieben.36 Zeitblom leugnet seine Hochstimmung nicht; er kennzeichnet sie jedoch als „volkstümlich“, d.h. als nieder, als nicht intellektuell reflektiert.37 Er empfindet den Krieg als ein Paradox des unheimlichen Rausches. Diesen Rausch charakterisiert er weiter: „Eine solche ‘Mobilisierung’ zum Kriege, wie grimmig-eisern und allerfassend-pflichthaft sie sich geben möge, hat immer etwas vom Anbruch wilder Ferien, vom Hinwerfen des eigentlich Pflichtgemäßen, von einem Hinter-die-Schule-laufen [...].“ Diese Erklärung für das kindliche Hingerissensein der Deutschen in Anbetracht des Krieges, findet sich in Teilen in einem Tagebucheintrag Manns vom 2.5.1933 zur Machtergreifung Hitlers. Hier heißt es: „Eine verlorene Sache, [...] ein großes Ablenkungsmanöver, eine Riesen-Ungezogenheit gegen den Willen des Weltgeistes, ein kindisches Hinter die Schule laufen“.38 Den wachsenden Faschismus erkennt Zeitblom zunächst nicht. Schließlich bezieht er eine passive Opposition gegen den Nationalsozialismus. Sein Verhalten entspricht einer inneren Emigration. Er vollzieht einen Rückzug von der öffentlich gesellschaftlichen Bühne, als seine Gesinnung sich nicht mehr „mit dem Geiste und den Ansprüchen [der] geschichtlichen Entwicklungen [...] vereinbaren ließ“ und resigniert als Konsequenz seiner Ablehnung des Regimes vom Lehrerfach.39 Als Gründe dafür nennt er zum Beispiel die Lösung der Judenfrage. Seine Kinder schickt er jedoch in die Hitlerjugend. Sein widersprüchliches Verhältnis zu Deutschland wird versinnbildlicht an seiner Beziehung zu Adrian Leverkühn. Er begleitet den „dämonischen Charakter“ liebevoll dessen ganzes Leben und findet keine Möglichkeit einen humanistischen Einfluß auf ihn zu nehmen. Das Fehlen der Gegenliebe jedoch impliziert, daß Zeitblom von dem dämonischen Einfluß, also einer faschistischen Grundhaltung, verschont bleibt.40

Der zweite Weltkrieg ist, so Zeitblom, das Gefängnis, in dem sich Deutschland befindet. Der Erzähler ist hin- und hergerissen zwischen der bangen Erwartung eines Sieges und der furchtvollen Hoffnung auf eine deutsche Niederlage und beschreibt so sein Dilemma. Dieser Zwiespalt ist Mann wohl bekannt, er entscheidet sich moralisch für die deutsche Niederlage. So stellt er in der Radiosendung Deutsche Hörer! am 24 Dezember 1941 fest, „daß kein Sieg- Friede steht am Ende eures Krieges, denn Deutschlands Sieg wäre kein Friede, und die Menschheit muß und wird den Frieden verhindern, den eure Führer planen“.41

Zeitblom steht für die Ohnmacht des bourgeoisen Humanismus in Anbetracht von Irrationalismus und Faschismus, wie Hilscher erklärt.42 Dies wird deutlich an Zeitbloms Stellung innerhalb des münchener Intellektuellenzirkels. Seine Opposition gegen die „heraufziehende Barbarei“ Nationalsozialismus wird dem Leser gegenüber klar geäußert.43 Innerhalb des Zirkels jedoch wagt er nicht, seine Ansichten nachdrücklich zu äußern. Er läßt sogar wider besseren Wissens die Annahme zu, die Anwesenden erfreuten sich nur ihrer Erkenntnisse, nicht aber der Lage selbst. Wenn er seine Meinung äußert, daß der Wahrheit ein höhere Stellenwert zuzurechnen sei, denn der ideologischen Rechtfertigung, so bleibt dies lediglich eine Bemerkung, die von den Anwesenden rigoros ignoriert wird. Schließlich schließt er sich seinen opportunistischen Redeschwingern an, dem alles enorm wichtig erscheinenden Kridwiß und dem ewig zustimmenden Daniel Zur Höhe, wenn er mit hochrotem Kopf das Ausreißen infektiöser Fremdkörper mit der Wurzel belacht. Hilscher merkt an, daß Mann wohl schon zu Beginn der dreißiger Jahre ahnte, daß das Bürgertum sich nicht gegen die faschistischen Tendenzen würde auflehnen können, wie er in Mario und der Zauberer vorzeichnet.44

Während Leverkühn sich seines Ausbruchs aus der künstlerischen Beengung bereits sicher ist, philosophiert Zeitblom über den deutschen Durchbruch. Auf diese Weise werden die beiden Schicksale Deutschland und Leverkühn erzählerisch miteinander verknüpft. Zeitblom sieht die Seele als vorherrschende Motivation der Deutschen. Das Politische ist hierbei nur Instrument. Der Durchbruch zur Weltmacht, also das Streben nach Macht im allgemeinen, ist nur das Verlangen aus der Einsamkeit zur Welt vorzudringen. Daß dabei aus dem „Durst nach Vereinigung“ eine kriegerische Aktion wird, ist das Tragische des deutschen Charakters.45

Erst gegen Ende des Romas festigt sich Zeitbloms antifaschistische Haltung. Er erkennt schließlich die schrecklichen Ausmaße des Krieges als das Ende einer Höllenfahrt. Die deutschen Städte, die Ideale der Menschen und das kulturelle Erbe liegen inTrümmern.

2.2 Adrian Leverkühn

Adrian Leverkühn steht stellvetretend für das tragische Schicksal der deutschen Nation. So erliegt er just zu der Zeit dem Wahnsinn, als die Euphorie für Hitler mit über sechs Millionen Anhängern ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.46 Hilscher erkennt außerdem in Leverkühns Hybris, seinem Bündnis mit dem Teufel, sowie in seinen rauschhaften Momenten das Schicksal Deutschlands.47 Auch Käthe Hamburger sieht in Leverkühn die Repräsentation der „deutschen Seele“.48 Für Kurt Sontheimer steht Leverkühn nicht etwa für den Nationalsozialismus, aber doch „für die Größe wie die tragische Vereinseitigung des deutschen Wesens, als deren barbarische Konsequenz der Nationalsozialismus gedeutet werden kann“. Er sagt weiter: „Leverkühn versinnbildlicht, an Nietzsche angelehnt, den Hang zur Tiefe, die deutsche Neigung zum Tode, gekoppelt an das gewaltige Bedürfnis nach dem Durchbruch aus der Enge“.49 Diese Tiefe besteht nach Mann „in der Musikalität der deutschen Seele“.50 In seiner Rede „Deuschland und die Deutschen“ erklärt er, warum eine Faust-Figur als Musiker dargestellt werden sollte. Musik hat dämonischen Charakter, sie ist abstrakt und mystisch und beleuchtet dergestalt „das Verhältnis der Deutschen zur Welt“.51 Leverkühn verbindet in sich die verschiedenartigsten Elemente der deutschen Seele: geistige Tiefe, dämonisches Gemüt, Innerlichkeit und schlußendlich Selbstzerstörung.

4. Doktor Faustus als Teufelsroman

Mann wählt das Teufelspaktmotiv, um die Verschreibung der deutschen Seele an den Teufel zu verdeutlichen. Außerdem empfindet er den lutherischen und den faustischen Teufel als ausgesprochen deutsche Erscheinung. Das Verlangen Leverkühns nach Genialität ,die im Wahnsinn endet, entspricht Deuschlands „Verlangen nach Weltgenuß und Weltherrschaft“.52 Auch sieht Mann den Nationalsozialismus als Produkt der Unterwelt. Insbesondere betont er aber auch das urdeutsche des Fauststoffes und dem damit verbundenen Teufelspakt. So schreibt er 1945 an Walter von Molo: „Der Teufelspakt ist eine tiefe altdeutsche Versuchung, und ein deutscher Roman, der eingegeben wäre von den Leiden der letzten Jahre, vom Leiden Deutschlands, müßte wohl eben dies grause Versprechen zum Gegenstand haben“.53

4.1. Adrians Infizierung

Zu Beginn seiner Studienzeit in Leipzig läßt sich Leverkühn von einem eigenartigen Fremdenführer die Stadt zeigen. Als der junge Student nach einem gastlichen aber nicht zu kostspieligen Restaurant fragt, bringt ihn der Führer vor die Pforten eines Freudenhauses. Beim Anblick der Frauen ist Leverkühn paralysiert und kann sich nur noch durch ein nahestehendes Piano retten, auf dem er augenblicklich einige Akkorde des Freischütz zum klingen bringt. Eine der Prostituierten berührt ihn dabei an seinem Arm, woraufhin er sich schnell aus dem Etablissement zurückzieht. Ein Jahr später begibt er sich auf die Suche nach jener Frau und infiziert sich trotz ihrer Warnung mit Syphilis. Die zwei Ärzte, die er bei seiner Rückkehr nach Leipzig nacheinander aufsucht, werden auf misteriöse Weise nach drei Behandlungstagen von der Ausübung ihrer Tätigkeit abgehalten. Der eine verstirbt unerwartet, der andere wird in Gestapomanier abgeführt. Daraufhin sieht Leverkühn von einer Behandlung der Krankheit ab. Die normalerweise üblichen äußeren Merkmale der Krankheit treten bei ihm nicht auf.

Diese Beschreibung der Infizierung Adrian Leverkühns ist fast identisch in der Biographie Friedrich Nietzsches wiederzufinden. Auch hier der Fremdenführer, der unaufgefordet ein zwielichtiges Etablissement präsentiert. Nietzsche steuert sogleich haltesuchend auf das Klavier zu, flieht und besucht ein Jahr später erneut ein Bordell, um sich unwissentlich mit der Syphilis zu infizieren. Nietzsche durchlebt eine vierundzwanzig Jahre währende, rauschhafte Schaffenszeit und verfällt schließlich, zehn Jahre vor seinem Tod, dem Wahnsinn. Die Infizierung Leverkühns ist durch die Parallele zu Nietzsche nicht nur Verweis auf Deutschland, sondern auch auf Manns Annahme, daß Krankheit und Todesnähe die Fähigkeit zu kreativem, genialen Erschaffen fördern. So folgert auch der Teufel in dem Gespräch mit Leverkühn: „Was auf dem Todes-, dem Krankheitswege entstanden, danach hat das Leben schon manches Mal mit Freuden gegriffen und sich davon weiter und höher führen lassen.“54 Später greift der Teufel dieses Thema noch einmal auf. Krankheit beschreibt er hier direkt als „schöpferische[n], Genie spendende[n]“ Zustand.55

Zeitblom weist ebenfalls eine scharfe Trennung von Krankheit und Gesundheit von sich. Er sieht die beiden Zustände vielmehr als gegenseitig bereichernde Beziehung und folgert, daß das Genie in der Krankheit wurzelt und aus ihr Lebenskraft gewinnt. Mann hatte die Passage über die zweite Begegnung mit Esmeralda geschrieben, während er selbst krank war. Agnes E. Meyer gegenüber beschrieb er sie als „etwas Gutes“ und als „packend und geheimnisvoll“.56 Die Krankheit ist Vorraussetzung für Leverkühns späteres geniales musikalisches Schaffen, dessen Höhepunkt „Doktor Fausti Weheklag“ jedoch kein begeistertes Publikum mehr finden wird. Noch während Leverkühns Vorrede verlassen die meisten der Geladenen den Raum, und bei den ersten Akkorden bricht der Musiker zusammen. Die Krone seines Schaffens beschert ihm Einsamkeit und Wahnsinn, seine Seele geht zum Teufel.

Der Teufel spielt schon für die Versuchung und Infizierung Adrians eine große Rolle. Schließlich ist er es, der dem Musiker der Fremdenführer war, wie Leverkühn selbst bemerkt: „Hat mich der Kerl, der Gose-Schleppfuß in eine Schlupfbude geführt!“57 Darüberhinaus bezeichnet der Teufel sich selbst als Esmeraldas „Freund und Zuhalt“.58 Der Teufel also als der Zuhälter der Prostituierten. Auch hat der Teufel maßgeblich an der Verhinderung der Ärzte Schuld: „Beseitigt, beseitigt. Oh die Stümper haben wir doch natürlich in deinem Interesse beseitigt“.59 Welch große Begierde Leverkühn nach genialem Schaffen hat, da er bereit ist, dafür den Teufelspakt einzugehen, zeigt sich, wenn er die Warnung Esmeraldas vor ihrem Körper mißachtet. Es ist das „Verlangen nach dämonischer Empfängnis“, das an dieser Stelle die Infizierung unausweichlich macht.60 Entschädigt wird er mit der „Süßigkeit ihres Weibtums“.61 Von nun an geistert ihr Name in der Notenfolge heae es durch sein Werk: Heteara esmeralda- Gefährtin Esmeralda.

Betrachtet man die Infizierung unter dem Gesichtspunkt der geistigen Beflügelung, so erscheint der Geschlechtsakt mit Esmeralda als der eigentliche Händeschlag im Pakt mit dem Teufel. Der Teufel erscheint später nur noch einmal, um die Vetragsfeinheiten klarzustellen. Eingewilligt hatte er bereits, als er Esmeraldas Warnung mißachtete. Leverkühn setzt also bewußt seine Gesundheit aufs Spiel, um sich einer genialen Künstlerexistenz zu nähern, beziehungsweise geht symbolhaft den Pakt mit dem Teufel ein, um dieses Ziel zu erreichen. Bereits 1904 hatte Mann diese Idee in seinem Tagebuch vermerkt: „Das Gift wirkt als Rausch, Stimulans, Inspiration; er [Leverkühn] darf in entzückter Begeisterung geniale wunderbare Werke schaffen, der Teufel führt ihm die Hand.“62 Daß diese Infizierung auch für Deutschland gilt, erklärt noch einmal Eberhard Hilscher: „Demnach wäre der Teufel als Bazillus aufzufassen, der gemäß einer schon im „Zauberberg“ anklingenden Theorie die schöpferischen Kräfte eines disponierten Menschen ins Geniale zu steigern vermag. Doch zugleich verkörpert der Teufel alles Negative, Widersprüchliche, Unhumane in Leverkühn selbst, wodurch der Pakt in symbolischer Weise den Charakter einer Verschreibung an das Irrationale, [...] ja den Präfaschismus annimmt.“63

4.2. Der Teufel

Im Teufelsgespräch erinnert der Teufel Leverkühn daran, daß dieser sich ihm schon längst verschrieben hat, und daß er alles andere als ein „ungebetener Gast“ sei.64 Der Teufel sieht sich nicht als Initiator sondern als Aufdecker dämonischer Neigungen: „Wir schaffen nichts Neues- das ist andrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei. Wir lassen die Lahm- und Schüchternheit, die keuschen Skrupel zum Teufel gehen.“65 Im Kontext der deutschen Geschichte gesehen bedeutet diese Stelle auch, daß Hitler nicht etwa den Faschismus oder Antisemitismus für Deutschland erfunden hat, sondern daß er nur die vorhandenen Strukturen freigelegt, genutzt und legitimiert hat.

Teufel und Leverkühn betreiben in ihrer Konversation ein Spiel mit Namen, wie Lucie Pfaff erklärt. Auch hier kommt wieder die Montagetechnik zum Tragen. Ehrenfried Kumpf, ein Theologieprofessor Leverkühns, der die unterschiedlichsten Namen des Teufels kannte, sprach besonders häufig vom Teufel als schwartzer Kesperlin. In dem Spiel um die Namen des Teufels sagt Leverkühn: „Nach eurer Behauptung konversier ich mit dem schwartzen Kesperlin, - Kesperlin, das ist Kaspar, und so sind Kaspar und Samiel ein und derselbe.“66 Diese Stelle nun verweist auf den Freischütz, den Leverkühn bei seinem ersten Bordellbesuch anspielt. In dieser Oper heißen die beiden Bösewichte Kaspar und Samiel.67 Diese Verschränkung von Begebenheiten weist ein weiteres Mal auf die Vielzahl von Ebenen hin, durch die Mann dem Roman seine Komplexität und Tiefe verleiht.

In der wissenschaftlichen Literatur wird das Auftreten des Teufels in dieser Szene häufig als Halluzination Leverkühns gedeutet. So heißt es zum Beispiel bei Uta Ilse Landwehr, das Teufelsgespräch sei ein psychotisches Erlebnis, bei dem Leverkühn in das „teuflische Angesicht“ seines eigenen Ichs blickt.68 Der Teufel muß aber ohnehin auf symbolischer Ebene gesehen werden. Es ist also völlig unerheblich, ob der Teufel als „realer“ Gesprächspartner Leverkühn gegenübersitzt, oder ob er bloß eine Projektion Leverkühns kranken Geistes ist. Aber auch dies läßt sich ausschließen, da der Teufel duch den ganzen Roman hinweg als Figur auftaucht. Neben dem leipziger Fremdenführer wäre noch der Theologiedozent Eberhard Schleppfuß zu nennen, dessen Name allein ja schon aussagekräftig ist. Darüberhinaus lehrt er eine Dämonologie, der er wissenschaftlichen Charkter verleihen kann. Er verwendet Begriffe wie Freiheit und Humanität in einem Kontext von sündhafter Notwendigkeit. So preist er die Humanität gewisser mitteralterlicher Foltermethoden, und auch die Liebe wird von ihm auf eine teuflische Sexualität reduziert. Freiheit aber ist für Schleppfuß die Freiheit, das Böse zu tun. In ähnlicher Weise beschreibt Mann im Dezember 1941 den Freiheitsbegriff Hitlers: „unter Freiheit versteht er die ehrloseste Sklaverei als Mittel, die ganze Welt in ehrlose Sklaverei zu stürzen“.69 Zeitblom schließt den Bogen zur deutschen Geschichte: „Ich liebe es nicht, wenn einer alles haben will, dem Gegner das Wort aus dem Munde nimmt, es umdreht und Begriffsverwirrung damit treibt. Das geschieht heute mit größter Kühnheit, und es ist die Hauptursache meiner Zurückgezogenheit. Gewisse Leute sollten nicht von Freiheit, Vernunft, Humanität sprechen, aus Reinlichkeitsgründen sollten sie es unterlassen.“70

5. Doktor Faustus als Gesellschaftsroman

Thomas Mann beschränkt seine Beschreibung der deutschen Gesellschaft auf verschiedene Gruppen des Kultur- und Bildungsbürgertums. Als Vorlage der Charaktere dienen ihm zeitgenössische aber auch historische Persönlichkeiten wie die Schriftstellerin Anette Kolb (im Roman Jeanette Scheurl) oder der Künstler Paul Ehrenberg (den wir als Rüdiger Schildknapp wiederfinden), als historische Vorlage wäre Martin Luther als Vorbild für Ehrenfried Kumpf zu nennen. Die beschriebene Gesellschaft weist sich zum Beispiel durch stereotype Äußerungen wie im Falle Daniels Zur Höhe, als konform und engstirnig aus.

Der Roman zeichnet mit den künstlerischen Mitteln eines Schriftstellers die Entstehungsgeschichte des deutschen Faschismus, indem er eine Analyse der bürgerlichen Kultur liefert. Er zeigt die Enthumanisierung der Gesellschaft an den Beispeilen Schleppfuß, Winfried oder den münchener Intellektuellen. Für Mann bildet diese Gesellschaft die Grundlage des aufkeimenden Faschismus.71

5.1. Die Studentenverbindung Winfried

In den Gesprächen der Studentenverbindung Winfried wird die deutsche Jugend als „Vorrecht und Vorzug unseres Volkes, des deutschen“ gesehen und darüberhinaus als Repräsentant des deutschen Geistes.72 Die Deutschen sehen sie als „ewig Strebende unter den Völkern“.73 Hilscher faßt die Attitüde der Studenten noch einmal zusammen und erklärt die reale Quelle der Darstellung: „Die jungen Leute pochen selbstgefällig auf ihre deutsche „Tiefe“ und Innerlichkeit , sehen im Freiheitsbegriff nur noch eine Phrase und fühlen sich dazu berufen, in „gewaltiger Unreife“ und mit „dämonischen Kräften“ auf neue Bindungen loszusteuern und „völkische“ Taten zu vollbringen.“74 Als Vorlage benutzte Mann ein Rundschreiben der „Freideutschen Position“aus dem Jahr 1931, sowie die Religion betreffende Informationen, die Mann von Paul Tillich erhalten hatte. Nationalsozialistische Ideologie spiegelt sich dann auch in der Winfried-Runde in Bekenntnissen zu einem „neue[n] Volkstum“ wieder.75

5.2. Die münchener Intellektuellen

Die münchener Gesellschaft, die sich im Hause Schlaginhaufen kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges zusammenfindet, wird als Beispiel der konservativen Revolution von Thomas Mann eingeführt. Ihre musikalischen Interessen werden dadurch charakterisiert, daß hier „viel Wagner produziert“ wurde.76 Diese Anmerkung ist unter dem Gesichtspunkt interessant, daß die Familie Wagner als starke Hitlersymphatisanten gelten.

Zunächst wird aus der Runde Exzellenz von Riedesel anskizziert, der sich mit militärischer Sprechweise und durch einen in Haltung und Aussehen niedergeschlagenen Konservatismus nicht der Symphatie Leverkühns und Zeitbloms erfreut. Dieser ist allerdings wieder nicht in der Lage, zu der Meinung der Anderen eine standhafte Position zu vetreten. Der beschriebene Konservatismus des Offiziers wird genutzt, um eine weitere Figur des Kreises einzuführen und, wie Arnold Busch es formuliert, „das Panorama der Positionen der Intelligenz, das Thomas Mann gibt,“ fortzuführen.77

Die Rede ist von Dr. Chaim Breisacher, der die Gelegenheit des Zeitgeistes opportunistisch ergreift, um sich konservativ „gegen bürgerlich-liberale Wertsetzungen“ auszusprechen.78 In seinen Reden beschäftigt er sich mit Musik und perspektivischer Malerei und kommt zu dem Schluß, daß diese gerade gut genug für die unteren Schichten der Gesellschaft sein könne, und daß jene mit ihrem harmonischen Ansinnen bloß eine Barbarei sei. Mit seinen Worten drückt er also seine Verachtung gegen Harmonie, Wirklichkeitstreue und Rationalismus aus. Alles in allem wendet er sich gegen jegliche Art von Kultur. Dem Fortschritt steht er mit „konservative[m] Hohn“ gegenüber.79 Und nicht etwa seine konservative Haltung, sondern eben jener Hohn gilt als seine Berechtigung, sich in dieser Gesellschaft zu bewegen. Wenn dann seine Thesen noch mit Zustimmung bedacht werden, so avanciert er zum tongebenden Repräsentanten der Gruppe. Auch Busch hält fest, daß im Gegensatz zu der Studentenverbindung Winfried, die Gefallen an kontroversen Diskussionen zeigt, keiner der Besucher im Hause Schlaginhaufen in der Lage ist, eine kritische Opposition zu Breisacher auszuführen.80 Während jener zu den primitiven Wurzeln von Kultur und Religion zurückführen will, wirbt er für „Volk und Blut und religiöse Wirklichkeit“.81 Mit seinen nationalsozialistischen Ansichten vetritt er „die neue Welt der Anti- Humanität“.82

Breisacher, der Jude, der sich der zeitgemäßen Ideologie anpaßt, erscheint selbst Mann „fatal, aber den jüdischen Faschisten gibt es“.83 Als reale Vorlage der Romanfigur diente der Mythologe Oskar Goldberg (Die Wirklichkeit der Hebräer). Den eigentümlichen Opportunismus Breisachers veranschaulicht Mann im Kapitel XXX mit der folgenden Stelle: „Die Stadt gor in ernstem Fest, auch in Anfällen von Panik und Angstwut, wenn etwa das wilde Gerücht aufsprang, die Wasserleitung sei vergiftet, oder wenn man einen serbischen Spion in der Menge glaubte entdeckt zu haben. Um nicht für einen solchen gehalten zu werden und irrtümlich erschlagen zu werden, hatte Dr. Breisacher, den ich auf der Ludwigstraße traf, seine Brust mit zahlreichen schwarz-rot- weißen Kokarden und Fähnchen besteckt.“84 Dieses Zitat ist auch Barometer für die Stimmung in der deutschen Bevölkerung. Das Verb „gor“ drückt einen allmählichen, unterschwelligen Veränderungsprozeß aus, der sich in dem Gegensatz „ernstem Fest“ manifestiert. Es ist immer noch die kindhafte Vorfreude, die, nun eine seriöse Maske tragend, ausgelebt wird. Die Angst, die die Menschen in ihrem Inneren spüren, wird zur Wut, die sich in hysterischen Ausbrüchen entlädt. Die Stimmung im Volk ist voller willkürlicher und konträrer Emotionen, die sich in Anbetracht des Krieges und der politischen Kräfteverschiebung „mit vertraulichem Gruseln“ einstellen.85

Auch um den Graphiker Sixtus Kridwiß versammelt sich ein Kreis Intellektueller. Hier beherrscht auf der Ebene der „symbolische[n] Poesie“ die Aussicht auf „die Plünderung der Welt“ die Gesinnung der Gelehrten. Auf soziologischer Ebene beurteilen sie den Werteverlust, den das Individuum durch den Krieg erfahren hat. Sie bedenken die Werte der bürgerlichen Tradition Bildung, Aufklärung und Humanität mit „selbstgefällig- geistesfrohem Gelächter“.86 Die Freiheit einer demokratischen Republik Weimar degradieren sie als „ein[en] schlechte[n] Spaß“.87 Die gewaltsame Diktatur über eine undefinierte Masse Volk sehen sie nicht nur als unausweichliche Zukunftsrealität, sondern sie versäumen es auch, diese „aufziehende Barbarei“ in einem kritischen Licht zu sehen.88

Als Grundlage ihrer Diskussionen dient Sorels Réflexions sur la violence, dessen Thesen die Gelehrten begeistert aufnehmen. So heißt es, „daß im Zeitalter der Massen die parlamentarische Diskussion sich als gänzlich ungeeignet erweisen müsse; daß an ihre Stelle in Zukunft die Versorgung der Massen mit mythischen Fiktionen zu treten habe.“89 Die Ideen der Aufklärung sollen demnach abgeschafft werden. Diese Stellungnahme erinnert an das Vorgehen der Nationalsozialisten in Deutschland. Anstelle von politischer Mitbestimmung trat eine mythologisierte Vorstellung auf den Plan, die Deutschland unter anderem in der Tradition eines tausendjährigen Reiches sah und solch greuliche Ableger trug wie die Vernichtung der Juden und anderer Minderheiten. Eben jener Entwicklung greift Dr. Breisacher voraus, wenn er die „Tötung Lebensunfähiger und Schwachsinniger“ als rasse-hygienische Reinigung im Zuge der Ausrottung aller menschlichen „Verweichlichung“ vorausdeutet.90

Als Höhepunkt inszenieren die Gelehrten einen Gerichtsprozeß, der durchgehend manipulativ und irrational gestaltet ist, und somit einem realen Prozeß der Nazizeit gleicht. Nicht Gerechtigkeit sondern ideologische Treue werden als Maßstab angelegt, und zu diesem Zwecke gerne auch die Erkenntnisse der Wissenschaft verfälscht. Nach den großen Worten folgen jedoch keine Taten. Von dem Zirkel leistet nur Zeitblom seinen Kriegsdienst, alle anderen (Knöterich, Zink, Spengler) finden eine Ausrede.

6. Abschließende Betrachtungen

Die Tragik, die für Thomas Mann im deutschen Schicksal liegt, ist, daß die einzelnen Elemente des deutschen Charakters achtbare Eigenschaften wie Tiefe, Mystik oder geistige Größe sind. Nur diese zusammengenommen und mit einer Fehlleitung in der Geschichte kombiniert ergeben die fatalen Umstände Hitlerdeutschlands. So betont er in „Deutschland und die Deutschen“, daß es nicht etwa ein böses und ein gutes Deutschland gibt, „sondern nur eines, dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug. Das böse Deutschland, das ist das fehlgegangene Gute, das Gute in Unglück, in Schuld und Untergang“.91

Thomas Mann verbleibt jedoch nicht ohne Hoffnung. Über das Radio vermittelt er 1945 seinen Glauben an die „Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit“ und überträgt diese Zuversicht auch auf den Roman.92 Am 17.12.46 schreibt er: „Ich stehe im Endkampf um den Roman, dieses mir so nahe gehende, ganz aus der Spannung dieser Zeit geborene, tief traurige Buch, das im Grunde Deutschland gewidmet ist. Die letzte Verzweiflung, die in Hoffnung transzendiert,- das möge sein Endklang sein.“93 Und so beschließt er denn den Romas mit den Worten Zeitbloms, der ein letztes Mal das Schicksal Adrian Leverkühns und Deutschlands in ihrem Untergang vereinigt und in Ehrfurcht spricht: „Deutschland, die Wangen hektisch gerötet, taumelte dazumal auf der Höhe wüster Triumphe, im Begriff, die Welt zu gewinnen kraft eines Vertrages, den es zu halten gesonnen war, und den es mit seinem Blute gezeichnet hatte. Heute stürzt es, von Dämonen umschlungen, über einem Auge die Hand und mit dem anderen ins Grauen starrend, hinab von Verzweiflung zu Verzweiflung. Wann wird es des Schlundes Grund erreichen? Wann wird aus letzter Hoffnungslosigkeit, ein Wunder, das über den Glauben geht, das Licht der Hoffnung tragen? Ein einsamer Mann faltet seine Hände und spricht: Gott sei euerer Seele gnädig, mein Freund, mein Vaterland.“94

Bibliographie der benutzten und zitierten Literatur

Primärtexte

Mann, Thomas: Deutschland und die Deutschen, Stockholm 1947

Ders.: Deutsche Hörer! Europäische Hörer! Radiosendungen nach Deutschland 1940- 1945, Darmstadt 1986

Ders.: Doktor Faustus, Fischer: Frankfurt am Main 1999

Ders.: Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans, Amsterdam 1949

Ders.: Ein Appell an die Vernunft. Essays 1926- 33 (Bd.3). Hg. v. Hermann Kurzke und Stephan Stachovski, Frankfurt am Main 1994

Ders.: Selbstkommentare: „Doktor Faustus“. „Die Entstehung des Doktor Faustus“. Hg. v. Hans Wysling unter Mitwirkung von Marianne Eich- Fischer, Frankfurt am Main 1992

Ders.: Tagebücher 1933- 34. Hg. v. Peter de Medelsohn, Frankfurt am Main 1977

Sekundärliteratur

Beddow, Michael: Thomas Mann, Doctor Faustus, Cambridge 1994

Busch, Arnold: Faust und Faschismus. Th. Manns ‘Doktor Faustus’ und A. Döblins ‘November 1918’ als exilliterarische Auseinandersetzung mit Deutschland, Frankfurt am Main, Bern, New York und Nancy 1984 [Inauguraldiss.]

[Brockhaus] : Der Brockhaus in zwei Bänden, Wiesbaden 1984

Hamburger, Käte: Anachronistische Symbolik: Fragen an Thomas Manns Faustus-Roman. In: Helmut Koopmann (Hg.): Thomas Mann, Darmstadt 1975

Hilscher, Eberhard: Thomas Mann. Leben und Werk, Berlin 1965

Kinzel, Ulrich; Zweideutigkeit als System. Zur Geschichte der Beziehung zwischen Vernunft und dem Anderen in Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“, Frankfurt am Main, Bern, New York und Paris 1987 [Phil. Diss.] Krüll, Marianne: Im Netz der Zauberer, Frankfurt am Main 1993 Lahmann, Claas: Hetaera esmeralda. Die Bedeutung der Krankheit für die Kunst in Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“, Frankfurt am Main 1995

Landwehr, Uta Ilse: Die Darstellung der Syphilis in Thomas Manns Roman: „Doktor Faustus- das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde“, Lübeck 1982 [Inauguraldiss.] Mundt, Hannelore: „Doktor Faustus“ und die Folgen. Kunstkritik als Gesellschaftskritik im deutschen Roman seit 1947, Bonn 1989 Pfaff, Lucie: The Devil in Thomas Mann’s „Doktor Faustus“ and Paul Valéry’s „Mon Faust“, Bern und Peter Lang: Frankfurt am Main 1976 Scherliess, Volker: Zur Musik im Doktor Faustus. In: Hans Wißkirchen und Thomas Sprecher (Hg.): und was werden die Deutschen sagen??. Thomas Manns’ Doktor Faustus’, Lübeck 1998

Stresau, Hermann: Thomas Mann und sein Werk, Frankfurt am Main

Sontheimer, Kurt: Thomas Mann als politischer Schriftsteller. In: Helmut Koopmann (Hg.): Thomas Mann, Darmstadt 1975

Wißkirchen, Hans: Zeitgeschichte im Roman: zu Thomas Manns Zauberberg u. Doktor Faustus, Bern 1986

Kathrin Kiesele·Miriam Mittler·Andrea Weinmann

HS: Los Angeles als Zentrum der deutschen Literatur 1933-1952

Thema: Goethe in Hollywood. Thomas Mann und die Entstehung des „Doktor Faustus“ Dozent: Prof.E.Osterkamp

Eckdaten im Leben Thomas Manns

1875 06.06. geboren als Sohn des Speditionskaufmanns und späteren Senators Heinrich Mann und dessen Frau Julia (geb. Bruns) in Lübeck.

1896-98 Gemeinsam mit Heinrich Mann nach Italien

1901 Veröffentlichung der „Buddenbrooks“

1905 Heirat mir Katja Pringsheim

1918 erste Erscheinung „Betrachtungen eines Unpolitischen“

1929 Nobelpreis für Literatur („Buddenbrooks“)

1930 Aufgrund des Strimmenzuwachses der NSDAP am 17.10. „Deutsche Ansprache, ein Apell an die Vernunft“

1933 11.02. Antritt seiner Europareise, von der er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird.

1936 Absage an das nationalsozialistische Deutschland. Im Dezember Aberkennung der deutschen Staatsbürgerstadt und Entzug des im 1919 verliehenen Ehrendoktorates.

1938 Emigration nach Princeton (USA)

1941 Umzug nach Pacific Palisades bei L.A.

1945 Manns offener Brief „Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre“ stößt auf Widerstand

bei den Autoren der inneren Immigration.

1947 Veröffentlichung „Doktor Faustus“

1949 Veröffentlichung „Doktor Faustus- Eine Entstehungsgeschichte“ Erster Deutschlandbesuch (Rede in der Paulskirche)

1952 Mann wird als „fellow traveller“ angeklagt. Er verläßt die USA und zieht nach Erlbach (CH)

1955 12.08. Tod in Zürich

Zum Diskurs der „inneren Emigration“

Walter von Molo an Thomas Mann

„[...]Bitte, kommen Sie bald und geben Sie den zertretenen Herzen Trost durch Menschlichkeit und den aufrichtenden Glauben zurück, daß es Gerechtigkeit gibt, man nicht pauschal die Menschheit zertrennen darf, wie es so grauenvoll hier geschah. Dieser Anschauungsunterricht entsetzlicher Art darf für die ganze Menschheit nicht verlorengehen, die nach Glauben und Wissen in einer dämonischen und höchst unvolkommenen Welt zu existieren versucht, mit dem in unserer Epoche die Blutrache beenden, nach fester Ordnung suchenden Flehen: „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Erlöse uns von dem Übel.“

Wir nennen dies Humanität.

Bitte, kommen Sie bald und zeigen Sie, daß der Mensch die Pflicht hat, an die Menschheit zu glauben, immer wieder zu glauben, weil sonst die Menschlichkeit aus der Welt verschwinden müßte. Es gab so viele Schlagworte, so viele Gewissensbedrückungen und so viele haben alles vor und in diesem Krieg verloren, schlechthin alles, bis auf eines: Sie sind vernünftige Menschen geblieben, ohne Übersteigerungen und ohne Anmaßungen, deutsche Menschen, die sich nach der Rückkehr dessen sehnten und sehnen, was uns einst im Rate der Völker Achtung gab.[...]“

Frank Thieß „Die innere Emigration“

„[...]Auch bin ich oft gefragt worden, warum ich nicht emigriert sei, und konnte immer nur dasselbe antworten: Falls es mir gelänge, diese schauerliclhe Epoche (über deren Dauer wir uns freilich alle getäuscht hatten) lebendig zu überstehen, würde ich dadurch derart viel für meine geistige und menschliche Entwicklung gewonnen habe, daß ich reicher an Wissen und Erleben daraus hervorginge, als wenn ich aus den Logen und Paterreplätzen des Auslands der deutschen Tragödie zuschaute. Es ist nun einmal zweierlei, ob ich den Brand meines Hauses selbst erlebe oder ihn in der Wochenschau sehe, ob ich selber hungere oder vom Hunger in den Zeitungen lese, ob ich den Bombenhagel auf deutsche Städte lebend überstehe oder mir davon berichten lasse, ob ich den beispiellosen Absturz eines verwirrten Volkes unmittelbar an hunder Einzelfällen feststellen oder nur als historische Tatsache registrieren kann.[...]“

Thomas Mann „Warum ich nicht zurückkehre“

„[...]Zuweilen empörte ich mich gegen die Vorteile, deren ihr genossen. Ich sah darin eine Verleumdung der Solidarität. Wenn damals die deutsche Intelligenz, alles, was Namen und Weltnamen hatte ,[...] sich wie ein Mann gegen die Schande erhoben, den Generalstreik erklärt, das Land verlassen hätten -das hätte Eindruck gemacht, draußen und drinnen, manches hätte ander kommen können, als es kam.

[...] Nie werde ich aufhören mich als deutscher Schriftsteller zu fühlen, ich bin [..]der deutschen Sprache treu geblieben.

[...]ich habe ‘mit Euch gelitten’ und es war keine Übertreibung, als ich in dem Brief nach Bonn von einer Sorge und Qual, einer Seelen- und Gedankennot sprach, von der seit vierJahren nicht eine Stunde meines Lebens frei gewesen ist, .[..]“

Zum Doktor Faustus als politischer Roman

Zeitblom

-war 1914 kriegseuphorisch

-seine Opposition ist die innere Emigration

-Th. Mann: „Zeitblom ist die Parodie meiner selbst“

-Z. verkörpert die Wehrlosigkeit des bürgerlichen Humanismus gegenüber Irrationalismus und Faschismus. Mann ahnte wohl schon 1930, daß das Bürgertum der Auflehnung nicht fähig dein würde.

Leverkühn

-verkörpert die „dt. Seele“

-versinnbildlicht den dt. Hang zur Tiefe, die dt. Neigung zum Tode, gekoppelt an das gewaltige Bedürfnis nach dem Durchbruch aus der Enge (siehe Faustus S.410)

-im Schlußsatz wird Leverkühn gänzlich mit D vereinigt Leverkühns Infizierung

-er hat Verlangen nach dämonischer Empfängnis

-heae es: Hetaera Esmeralde (Gefährtin) -der Teufel wiederum ist ihr „Freund und Zuhalt“ (S.313)

-Verknüpfung mit Nietzsche- Biographie

„Was auf dem Krankheits-, dem Krankheitswege entstanden, danach hat das Leben schon manches mal mit Freuden gegriffen...“ (S. 316)

Infizierung ist eigentlicher Pakt mit dem Teufel Teufel

(Eberhard Hilscher) Er entschloß sich dazu, die Idee der Teufelsbündnerschaft mit der Idee der Nation zu verschmelzen und die deutsche Tragödie gleichnishaft mitzugestalten. Damit beschritt er den Weg aus der Welt der historischen Menschheitssymbole in die heimatliche Spähre einer verdüsterten Gegenwart. Roman und Geschichte

(EH) Der Dichter ging bis zum Reformationszeitalter zurück, um zu den Wurzeln des bürgerlichen Humanismus vorzustoßen und einige bewegende Kräfte der dt. Geistesgeschichte aufzuspüren. Ihm schien, als seinen einige Elemente eines nicht bewältigten MA an der nationalen Katastrphe des 20. Jhd. mitbeteiligt. Indem er die realen Ursachen erforschte, zerstörte er den Wahnbegriff des dt. Schicksalsmythos.

-Roman und Zeitgeschichte werden u.a. durch Zeiblom verbunden: Z. verknüpft Leverhühn so sehr mit den Geschehnissen seines Landes, daß er bei ziternder Hand nicht weiß, ob dies von Verganem seines Freundes oder der geschichtlichen Gegenwart herrührt

(EH) Sichtlich ging es dem Dichter nicht nur um eine bezeihungsreiche Künstlergeschichte, vielmehr betonte er schon im Frühjahr 1943, es sei die „Idee des Rausches überhaupt und die Anti-Vernunft damit verquickt, dadurch auch das Politische, Faschistische, und damit das traurige Schicksal Deutschlands.“

__________________________________________________________________________ Eberhard Hilscher: Thomas Mann. Leben und Werk, Berlin 1965

Thomas Mann: Doktor Faustus, Frankfurt 1999

Kurze Inhaltsangabe

(MB 15) Serenus Zeitblom, ein Studienrat in seinen 60ern, der von seinem Amt nach Hitlers Machtübernahme abtrat, erzählt die Geschichte seines Freundes Leverkühn, ein Komponist, der 2 Jahre vor Beginn dieser Niederschrift nach einer Zeit der geistigen Verwirrtheit verstorben ist.Die Niederschrift beginnt Zeitblom im Mai 1943, nachdem Stalingrad und die dt. Rückzüge in Nordafrika verdeutlicht haben, das sich der Krieg gegen Hitler gewendet hat. Kurz nach der dt. Kapitulation 2 Jahre später beendet er seine Schrift. Der fiktive und reale Schreibbeginn stimmen somit überein, Mann beendet den Roman jedoch erst im Januar 1947. Die Geschichte, die Z. erzählt, beginnt mit Leverkühns Geburt 1875 und endet mit dessen Tod 1940.Die thematischen Belange des Romas umfassen hingegen mehrere Jahrhunderte europ. Kultur.

Zeitblom beschreibt seine Kindheits und Jugendjahre, die er mit Leverkühn verbracht hat. L. beginnt ein Theologiestudium in Halle (1904-04), das er schließlich abbricht um in Leipzig ab 1905 Musik zu studieren.

Mbs Liste

Er ist zwar ein Musiker aus Leidenschaft (obgleich Leidenschaft hier etwas zu überschwenglich ist), aber Musik ist zunächst nur ein Handwerk, das er von den ersten Klavierstunden bis zum Studium erlernt. Der Teufelpakt, der in Italien im Jahr xxx abgeschlossen wird, soll dies ändern. Im Tausch gegen Genialität gibt Leverkühn sein Recht auf Liebe ab.So schreibt er nun tolle Stücke, muß aber zusehen wie sich einer sein bester Freund xxxx und seine Geliebte xxx aus seinem Leben gehen. Insbesondere schwer trifft ihn der Tod seines Neffen Echo, der während einer Krankheit seiner Mutter (also L’s Schwester Ursel) die Zeit auf dem Hof der Schweigestills verbringen soll. Vom ersten Moment an fassen alle den kleinen Menschen in ihr Herz, so auch L. wenngleich auf eigentümliche Weise. Dies bedeutet den Tod Echos, worüber L. stark verzweifelt.

193o beruft L. alle seine Bekannten, um ihnen sein großes Werk Dr. Fausti Weheklag vorzuspielen. Das Treffen beginnt er aber mit einer Vorrede, die besagt, daß L. einen Pakt mit dem Teufel einging, bezeichnet sich gar als Mörder. Als er schließlich anhebt, in die Tasten zu schlagen, bricht er zusammen. Es folgt eine Nervenheilanstalt, schließlich stirbt er im Hause seiner Mutter.

Michael Beddiw

(MB2) Bis 1914 der Krieg ausbrach ,zeigte Mann wenig Interesse für polit. Dinge. (Nur am Rande: Buddenbrooks is set against the background of Prussia) Die Ereignisse betrachtet er allerdings nicht ablehnend, sondern er sieht in ihnen die Beendigung der Dekadenz wie sie seit der Jahrhundertwende vorherrscht. Hier finden wir eine Parallele zu Zeitblom (MB83)summer of 1914, Zeitblom was full of the euphoria of war. pg. 400(HW168) TB vom 2.5.33 zur Machtergreifung Hitlers: „Eine verlorene Sache, [...] ein großes Ablenkungsmanöver, eine Riesen-Ungezogenheit gegen den Willen des Weltgeistes, ein kindisches Hinter die Schule laufen“

(MB83) The German ‘Volk’ are described by Zeitblom as ‘a kind of people rather too fond of living on theory’ Zs eigentümliche Opposition. Er schreibt nicht (wie TM) Schriften, die sich gegen den Faschismus wenden, er hält keine Reden. (EH 138) innere Emigration = Zeitblom läßt sich pensionieren (Dr.Faustus 12)

(EH138) aber auch Zeitblom unterliegt neg. Einflüssen: er bekreuzigt sich vor der „riten Flut“, berauscht sich an „unseres Führers“. Er in den letzten Kapiteln des Romans festigt sich ein eindeutige ablehnende Haltung

(EH 139f) Parallen zwischen Mann und Zeitblom. „Zeitblom ist die Parodie meiner selbst“ “In Adrians Lebensstimmungist mehr von meiner eigenen als man glauben sollte. 140f Parallen Mann/Leverkühn (EH138) Wehrlosigkeit des bürgerlichen Humanismus gegenüber Irrationalismus und Faschismus = Zeitbloms „recht eigentlich langweilige Opposition“ im münchner Kreis. 67: Mann ahnte wohl schon 1930, daß das Bürgertum nicht fähig sein würde, sich selbst zu befreien

(KH 408) Zeitblom in der Gewissheit der Niederlage: ein Riesenrausch, der bezahlt sein muß

(HW167) Während der Erzähler Zeitblom ausdrücklich betont, daß er zwar den Einfluß des Dämonischen auf das Leben des Menschen nicht leugnen wolle, es aber „jederzeit als entschieden wesensfremd empfunden“ habe, sieht dies Bei AL anders aus.

Adrian

(EH123f)Adrian Leverkühn..., fünfundfünfzig, in dem Augenblick dem Wahnsinn verfällt, da in D der Hitlerwahn zum „Durchbruch“ kam und schlagartig über 6 Mio. Bekenner fand.

(EH 136) Ohne Zweifel spiegeln sich also in Leverkühns Hochmut, Satansbündnis, Rausch und Geistesnacht das Schicksal Ds, und TM nannte den Dr. F denn auch direkt ein „Buch vom Deutschtum“ ja einen „Deutschland-Roman“

(KS211) Der Doktor Faustus ist Tms großer dichterischer Beitrag zum dt. Problem. Leverkühn steht gewiß nicht für den Nationalsozialismus, aber er ist Symbol für die Größe wie die tragische Vereinseitigung des dt. Wesens, als deren barbarische Konsequenz der Nationalsozialismus gedeutet werden kann. Leverkühn versinnbildlicht, an Nietzsche angelehnt, den Hang zur Tiefe, die dt. Neigung zum Tode, gekoppelt an das gewaltige Bedürfnis nach dem Durchbruch aus der Enge. siehe S. 410 (KH406) Leverkühn repräsentiert die „die dt. Seele“

(KH410) Daß der Roman als solcher Leverkühn als eine Repräsentanz des dt. Schicksal meint, wird ja, , durch seine Struktur selbst pointiert. In den Untergangsjahren des Dritten Reichs erzählt nicht zufällig

Zeitblom das Leben des dt. Tonsetzer...Und es braucht nicht erst auf die berühnten Schlußworte des Romans hingewiesen zu werden, das Gebet, in dem Zeitblom in der Stunde der dt. Katastrophe, am Grabe des Freundes ihn und D vereinigt./Die Parallele zwischen Leverks und Ds Untergang liegt im Wahnsinn/ (HW176f) Sowohl bei Adrian, als auch in der faschist. Epoche der dt. Geschichte, schlägt dann das Irrationale, Gemütsvolle des Wesens im Augenblick der unbegrenzten Freisetzung in das radikal Schlechte und Böse um.

Adrians Infizierung Zitat 207

Esmeralda warnt ihn noch, doch AL ist ihr zu sehr verfallen. Es ist das Verlangen nach dämonischer Empfängnis, was an dieser Stelle die Infizierung unausweichlich macht. Hat nicht der Teufel selbst AL in das Bordell geführt?( siehe 191) Entschädigt wird er mit der „Süßigkeit ihres Weibtums“ (208). Von nun an geistert ihr Name runenhaft durch sein Werk. heae es: Heteara esmeralda. Gefährtin. Später, als der Teufel zu AL kommt, bezeichnet dieser sich als Esmeraldas „Freund und Zuhalt“ (313) Als Versuche einen Arzt aufzusuchen werden auf mysteriöse Weise verhindert. (einer stirbt, der andere wird abgeführt...GESTAPO?) Der Teufel hat hier wieder seine Finger im Spiel. (S. 314: „Beseitigt, beseitigt. Oh die Stümper haben wir doch natürlich in deinem Interesse beseitigt.“) Hier kommen wir jetzt auch nicht umhin, Nietzsche mit ins Spiel zu bringen: (Eh127) So betritt Leverkühn während eines Ausflugs, genau wie Nietzsche, auf Empfehlung eines Fremdenführers ahnungslos ein Bordell, geht dort haltsuchend auf Klavier zu, schlägt ein paar Akkorde (im Roman Freischütz) flieht, besucht ein Jahr später wieder ein Hurenhaus, infiziert sich, erlebt eine 24jährige, rauschhafte Schaffenszeit und verdämmert am Ende in 10 Wahnsinnsjahren. ((Krankheit und Todennähe fördern die Fähigkeit zum Schaffen, wilder Geist, krank---316: „Was auf dem Todes-, dem Krankheitsweg entstanden, danach hat das Leben schon manches Mal mit Freuden gegriffen und sich davon weiter und höher führen lassen.“)) Eigentlich, so finde ich, ist die Infizierung der eigentliche Händeschlag im Pakt mit dem Teufel. Auch unter dem Gesichtspunkt (( )) Der Teufel kommt später ja nur noch einmal um die Vetragsfeinheiten klarzustellen und Leverkühn daran zu erinnern, daß er sich ihm schon längst verschrieben hat. Ja hat er gesagt, als er Esmeraldas Warnung mißachtete.

Teufelspakt

313f

Teufel

(EH123)Er entschloß sich dazu, die Idee der Teufelsbündnerschaft mit der Idee der Nation zu verschmelzen und die deutsche Tragödie gleichnishaft mitzugestalten. Damit beschritt er den Weg aus der Welt der historischen Menschheitssymbole in die heimatliche Spähre einer verdüsterten Gegenwart.

(EH 124) Weiterhin lädt ihn der Impressario Fittelberg an Teufels Stelle (...) dazu ein, die Welt in Besitz zu nehmen

(EH126) Demnach wäre der Teufel als Bazillus aufzufassen. der gemäß einer schon im „Zauberberg“ anklingenden Theorie die schöpferischen Kräfte eines disponierten Menschen ins Geniale zu steigern vermag. Doch zugleich verkörpert der Teufel alles Negative, Widersprüchliche, Unhumane in Leverkühn selbst, wodurch der Pakt in symbolischer Weise der Charakter einer Verschreibung an das Irrationale, Isosierende, js den Präfaschismus annimmt.

(EH 136) ein Deutschland, das buchstäblich der Teufel holt

(KH407) D verschreibt seine Seele dem Teufel „aus Verlangen nach Weltgenuß und Weltherrschaft“

(KH409) „das Versinken des Nationalsozialismus, dieses schamlosen Volksbetruges, dorthin, wo er immer gehörte, in den Untergrund, die /nterwelt- denn Unterwelt, Hefe, Abhub war er von je, das Unterste war mit ihm nach oben gekommen“

Schleppfuß

Ist der Teufel. Er belegt hohe Begriffe wie Freiheit und Humanität für seine Dämonologie.So preist er die Humanität der Foltermethoden der Inquisition und verankert die Liebe in einer diabolischen Sexualspäre. Freiheit aber ist für Schleppfuß, die Freiheit das Böse zu tun. siehe Seite 138!

Winfried:

(EH137) Die jungen Leute pochen selbstgefällig auf ihre dt. „Tiefe“ und Innerlichkeit , sehen im Freiheitsbegriff nur noch eine Phrase und fühlen sich dazu berufen, in „gewaltiger Unreife“ und mit „dämonischen Kräften“ auf neue Bindungen loszusteuern und „völkische“ Taten zu vollbringen. Als Vorlage für dies diente Mann ein Rundschreiben der „Freideitschen Position“aus dem Jahr 1931, in dem die unreifen Ideen jugendlicher Volkheit einen dokumentarischen Niederschlag fanden. (siehe S.157f)

Die münchener Intellektuellen

371: „Nun wurde freilich bei Schlaginhaufens viel Wagner produziert.“

(EH137) Es enthält eine künstlerische Darstellung der Entstehungsgeschichte des dt. Faschismus und einenAnalyse der bürgerlichen Kultur (137) Er zeigt Enthumanisierung der Gesellschaft. : Schleppfuß, Winfried (XIV), Münchner Intellektuellen (XXVIII + XXXIV) fiMit fröhlichen Fußtritten verabschieden die Gelehrten Freiheit, Wahrheit, Aufklärung, Ethik und Humanität, verlachen die demokratische Republik von Weimar als „schlechten Spaß“ und konstatieren mit „heiterer Genugtuung“ die Verfallssymptome in Geschichte und Zeitgeschehen, den „schicksalshaft“ bevorstehendenUntergang des Abendlandes. [...] bekennen sich amüsiert zu einer mythenverbrämten Gewalt der „Zukunft“, zu Krieg, Terror, Diktatur und Barbarei.

Dr. Chaim Braisacher: Kultur ist Verfallsprozeß

-„die verächtlichste Vokabel in seinem Munde war das Wort ‘Fortschritt’“(373)

-„Irgendwie fühlte die Salonbesatzung der geborenen von Plausig sich von diesen Ansichten angeheimelt, und eher noch, glaube ich, hatte sie ein Gefühl dafür, daß Breisacher nicht ganz der Rechte war, sie zu vertreten, als dafür, daß sie nicht die rechten Leute sein möchten, ihnen zu applaudieren.“ (374)

-Jude der gegen das Judentum spricht: opportunist (380) ---404: Die Stadt gor in ernstem Fest, auch in Anfällen vonPanik und Angstwut, wenn etwa das wilde Gerücht aufsprang die Wasserleitung sei vergiftet, oder wenn man einen serbischen Spion in der Menge glaubte entdeckt zu haben. Um nicht für einen solchen gehalten zu werden und irrtümlich erschlagen zu werden, hatte Dr. Breisacher, den ich auf der Ludwigstraße traf, seine Brust mit zahlreichen schwarz-rot-weißen Kokarden und Fähnchen besteckt.“

-repräsentiert für Zeitblom „die neue Welr der Anti-Humanität“ (380)

-Als reale Figur: Oskar Goldberg-Die Wirklichkeit der Hebräer

Von dem Zirkel leistet nur Zeitblom seinen Dienst, alle anderen (Knöterich, Zink, Spengler) finden eine ‘Ausrede’.

xxxiv:Zeitbloms Meinung zu den programatischen Reden seiner Bekannten Außerdem werden mythische Fiktionen genannt, genau das Mitel nit dem Hitler das dt. Volk überzeugte.486 Bezug zur Geschichte als Erklärung für das 3.Reich

(MB35) die 2 Erzählungen in ALs eigener Stimme sind im 16.Jhd Sprachstil des Urfausts und Luthers Bibel gehalten. So redet Leverkühn zum Schluß ja gänzlich.

(EH124) In seiner D-Rede nat Tm den Irrweg der Nationen weitgehend unter dem Aspekt der gescheiterten Revolutionen seit 1525 betrachtet und die ebenso verhängnisvolle wie wertschaffende Geschichte der dt. Innerlichkeit bis an die „Grenzscheide von MA und Humanismus“ zurückverfolgt. Dabei gelangt er zu der Erkenntnis, daß gewiise ma-feudale Elemente infolge der Niederwerfung des Bauerkrieges niemals überwunden wurden und darum bis in die spätbürgerliche Endphase hineinragen. Im Roman übertug er diese Sicht ins künstlerische und ließ viele Vorgänge und Gestalten in dem entscheidungsreichen Reformationszeitalter wurzeln, zu dessen Repräsentanten neben Luther auch Doktor Faustus gehörte.

(EH128) Der Dichter ging bis zum Reformationszeitalter zurück, um zu den Wurzeln des bürgerluichen Humanismus vorzustoßen und einige bewegende Kräfte der dt. Geistesgeschichte aufzuspüren. Ihm schien, als seinen einige Elemente eines nicht bewältigten MA an der nationalen Katastrphe des20. Jhd. mitbeteiligt. Indem er die realen Ursachen erforschte, zerstörte er den Wahnbegriff des dt. Schicksalsmythos.

(EH126)Luther/Ehrenfried Kumpf (KH409) Luther...

Sehr wichtig Zitat Seite 402!!!

Roman und Zeitgeschichte

(EH 136) Sichtlich ging es dem Dichter nicht nur um eine beziehungsreicheKünstlergeschichte, vielmehr betonte er schon im Frühjahr 1943, es sei die „Idee des Rausches überhaupt und der Anti-Vernunft damit verquickt, dadurch auch das Politische, Faschistische, und damit das traurige Schicksal Deutschlands“. (MB16) Zeitblom verknüpft AL so sehr mit den Geschehnissen seines Landes, daß er bei zitternder Hand nicht weiß, ob dies von Vergangenen seines Freindes oder der geschichtl. Gegenwart herrührt. S.337: „die persönliche und die sachliche Zeit, die Zeit, in der der Erzähler sich fortbewegt, und die, in welcher das Erzählte sich fortbewegt. Es ist diese eine ganz eigentümliche Verschränkung der Zeitläufe...“ 338

((HW168) Deutschland und die Deutschen: „Eines mag diese Geschichte uns zu Gemüte führen: daß es nicht 2 Deutschland gibt, ein böses und ein gutes, sondern nur eines, dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug. Das böse Deutschland, das ist das fehlgegangene Gute, das Gute in Unglück, in Schuld und Untergang“.)

402!!!!Erklärung für der Deutschen Verhalten. naiver Egoismus, niemals Bürgerkrieg...!!!

Zeitblom: „Hier waltet nun freilich, wie immer bei uns, eine eigentümliche Selbstbefangenheit, ein völlig naiver Egoismus, dem es nicht darauf ankommt, ja, der es für ganz selbstverständlich ansieht, daß für die deutschen Werde-Prozesse (und wir werden ja immer) eine ganze, schon fertigere und keineswegs auf Katastrophendynamik versessene Welt mit uns ihr Blut zu vergießen hat. Man nimmt uns das übel, und nicht ganz mit Unecht; denn moralisch betrachtet sollte das Mittel eines Volkes, zu einer höheren Form seines Gemeinschaftslebens durchzubrechen -wenn es denn blutig dabei zugehen soll-, nicht der Krieg nach außen, sondern der Bürgerkrieg sein. Dieser jedoch wiederstrebt uns außerordentlich...usw,usw. Seite 402!

( mythische Fiktionen treten im Zeitalter der Massen an die Stelle von parlamentarischen Diskusionen 486!)

(HW170) Brief vom 17.12.46: „ich stehe im Endkampf um den Roman, dieses mir so nahe gehende, ganz aus der Spannung dieser Zeit geborene, tief traurige Buch, das im Grunde D gewidmet ist. Die letzte Verzweiflung, die in Hoffnung transzendiert,- das möge sein Endklang sein.

Deutschland, die Wangen hektisch gerötet, taumelte dazumal auf der Höhe wüster Triumphe, im Begriff, die Welt zu gewinnen kraft eines Vertrages, den es zu halten gesonnen war, und den es mit seinem Blute gezeichnet hatte. Heute stürzt es, von Dämonen umschlungen, über einem Auge die Hand und mit dem anderen ins Grauen starrend, hinab von Verzweiflung zu Verzweiflung. Wann wird es des Schlundes Grund erreichen? Wann wird aus letzter Hoffnungslosigkeit, ein Wunder, das über den Glauben geht, das Licht der Hoffnung tragen? Ein einsamer Mann faltet seine Hände und spricht: Gott sei euerer Seele gnädig, mein Freund, mein Vaterland.

usw.

(EH136) Im Deutschlandsymbol laufen alle Personifikationen ALs und die Entwicklungslinien der Dichtung zusammen. Das Buch beschwört die ma Dämonologie und Faustus-Welt, Nietzsches problematisches Denken und Dasein wie auch Tendenzen der Dekadenzkunst im wesentlichen deshalb herauf, um einige Ursachen der dt. Tragödie aufzudecken. Es enthält eine künstlerische Darstellung der Entstehungsgeschichte des dt. Faschismus und einenAnalyse der bürgerlichen Kultur (137) Er zeigt Enthumanisierung der Gesellschaft. : Schleppfuß, Winfried (XIV), Münchner Intellektuellen (XXVIII + XXXIV) fiMit fröhlichen Fußtritten verabschieden die Gelehrten Freiheit, Wahrheit, Aufklärung, Ethik und Humanität bekennen sich amüsiert zu einer mythenverbrämten Gewalt der „Zukunft“, zu Krieg, Terror, Diktatur und Barbarei.

(HW167) Das Moment des Rückzugs (aus dem Interesse für seine Heimat), des sich aus der geschichtlichen Welt Hinausbewegensn prägt dann auch entscheidend die ästethische Struktur des Dr. Faustus

(HW168f) Daß aber auch eine Affinität zw. Romanfigur und Autor besteht, dies scheint nach dem, was die TB von 33 über TMs eigentliches Verhältnis zur faschistischen Wirklichkeit enthüllt haben, nicht bestreitbar. Dieser geheime Winkel der Existenz sein Lebensbuch, sein Geheimwerk.Mann: AD ist „nicht nur ein Symbol [...] für das Verbrechen Deutschlands, sondern auch eine [...] Wiedergabe und Bloßstellung meines eigenen Lebens“

(HW169-170) nicht gewollt, aber wollen müssen: Geschichte ist für Mann nach 45 nicht mehr sinnvoll rezipierbar. Zwischen 33 und 45 war sie nur über den Faschismus möglich, der ja trotz aller Negativität als schicksalshafter Vollzug des dt. Wesens interpretiert wurde. Deshalb hat er die Parallelität AdrianFaschismuswollen müssen, obwohl er das Dritte Reich selbst nicht wollte.

[...]


1 Thomas Mann: Selbstkommentare: „Doktor Faustus“. „Die Entstehung des Doktor Faustus“, Frankfurt am Main 1992

2 Marianne Krüll:Im Netz der Zauberer, Frankfurt am Main 1993, S. 237.

3 Kurt Sontheimer: Thomas Mann als politischer Schriftsteller, Darmstadt 1975, S. 170.

4 Ebd.: S. 174.

5 Eberhard Hilscher: Thomas Mann. Leben und Werk, Berlin 1965, S. 40.

6 Ebd.

7 Sontheimer, S. 183.

8 Vgl. ebd., S. 186.

9 Vgl. Hilscher, S. 62.

10 Thomas Mann: Rede über Lessing, Frankfurt am Main 1994, S. 121

11 Sontheimer, S. 185.

12 Hilscher, S. 62.

13 Ebd., S. 68.

14 Sontheimer, S. 168.

15 Ebd., S. 166.

16 Ebd., S.211

17 Hilscher, S. 136.

18 Hilscher, S. 124.

19 Thomas Mann: Deutschland und die Deutschen, Stockholm 1947, S. 17.

20 Ebd., S. 19.

21 Thomas Mann: Doktor Faustus, Frankfurt am Main 1999, S. 121.

22 Vgl. Der Brockhaus in zwei Bänden, Wiesbaden 1984, S. 277f.

23 Vgl. Michael Beddow: Thomas Mann, Doctor Faustus, Cambridge 1994, S. 17.

24 Thomas Mann: Die Entstehung des Doktor Faustus, Amsterdam 1949, S. 34.

25 Deswegen ist es auch wichtig, den Roman als Exilliteraturwek zu sehen. Spezifische Erfahrungen und die besondere Perspektive Manns auf Deutschland sind in den Romas verstrickt.

26 Faustus, S. 337.

27 Ebd., S. 636.

28 Ebd., S. 402.

29 Ebd.

30 Ebd., S. 403.

31 Ebd., S. 402.

32 Ebd., S. 486.

33 Thomas Mann: Briefe (Bd. 2), Frankfurt am Main 1963, S. 309.

34 Hilscher, S. 139

35 Faustus, S. 12.

36 Ebd., S. 400.

37 Ebd.

38 Thomas Mann: Tagebuch 1933-34, S. 68.

39 Faustus, S. 8.

40 Vgl. Hilscher, S. 138f.

41 Thomas Mann: Deutsche Hörer! Europäische Hörer!, Darmstadt 1986, S. 50.

42 Vgl. Hilscher, S. 138.

43 Faustus, S. 486.

44 Hilscher, S. 67.

45 Faustus, S. 410.

46 Vgl. Hilscher, S. 123f.

47 Vgl. ebd., S. 136.

48 Käte Hamburger: Anachronistische Symbolik: Fragen an Thomas Manns Faustus-Roman, Darmstadt 1975, S. 406.

49 Sontheimer, S. 211.

50 Mann: Deutschland und die Deutschen, S. 15.

51 Ebd.

52 Hamburger, S. 407.

53 Thomas Mann: Selbstkommenare, S. 64.

54 Faustus, S. 316f

55 Ebd., S. 326.

56 Volker Scherliess: Zur Musik im Doktor Faustus, Lübeck 1998, S. 115.

57 Faustus, S. 191.

58 Ebd., S. 313.

59 Ebd., S. 314.

60 Ebd., S. 207.

61 Ebd., S. 208.

62 Landwehr, S. 111.

63 Hilscher, S. 126.

64 Faustus, S. 313.

65 Ebd., S. 318.

66 Ebd., S. 306.

67 Vgl. Lucie Pfaff: The Devil in Thomas Manns „Doktor Faustus“ and Paul Valéry’s „Mon Faust“, Frankfurt am Main 1976, S. 25.

68 Uta Ilse Landwehr: Die Darstellung der Syphilis in Thomas Manns Romas: „Doktor Faustus- [...]“, Lübeck 1982, S. 75.

69 Mann: Deutsche Hörer!, S. 52.

70 Faustus, S. 139.

71 Vgl. Hilscher, S. 137.

72 Faustus, S. 159.

73 Ebd., S. 160.

74 Hilscher, S. 137.

75 Faustus, 164

76 Ebd., S. 371.

77 Arnold Busch: Faust und Faschismus, Frankfurt am Main 1983, S. 110.

78 Faustus, S. 372.

79 Ebd., S. 373.

80 Vgl. Busch, S. 110.

81 Faustus, S. 377.

82 Ebd., S. 380.

83 Busch, S. 387.

84 Faustus, S. 403f.

85 Ebd., S. 404.

86 Ebd., S. 485.

87 Ebd.

88 Ebd., S. 486.

89 Ebd.

90 Ebd., S. 492.

91 Mann: Deutschland und die Deutschen, S. 7.

92 Mann: Deutsche Hörer!, S. 155.

93 Mann: Selbstkommentare, S. 95

94 Faustus, S. 672.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Doktor Faustus als Dokument deutscher Geschichte
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
2,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
32
Katalognummer
V103752
ISBN (eBook)
9783640021291
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Unmöglich die Komplexität dieses Werks auf 20 Seiten begreiflich zu machen!
Schlagworte
Doktor, Faustus, Dokument, Geschichte
Arbeit zitieren
Andrea Weinmann (Autor:in), 2001, Doktor Faustus als Dokument deutscher Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103752

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