Regulierte Deregulierung - Der deutsche Telekommunikationsmarkt und die Regulierungsbehörde - Eine Bewertung aus nationaler und internationaler Perspektive


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

17 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der Weg zur Liberalisierung
2.1 Vorgaben auf europäischer Ebene
2.2 Die deutsche Umsetzung

3 Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
3.1 Aufgaben der Regulierungsbehörde
3.2 Struktur der Regulierungsbehörde

4 Liberalisierung des Telekommunikationsbereichs im internationalen 10 Vergleich
4.1 USA
4.2 Australien
4.3 Japan

5 Schluss

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich eine bedeutende Entwicklung vollzogen, welche im allgemeinen als Übergang von der Industrie- zur Kommunikationsgesellschaft beschrieben wird. In deren Zuge haben Unternehmen, die im Kommunikationsbereich tätig sind, stark an Bedeutung gewonnen. Ein Großteil dieses Zuwachses fällt den Anbietern von Telekommunikationsdiensten zu, durch welche eine Revolution der Kommunikation in allen Bereichen der Gesellschaft stattgefunden hat. Klassische Anbieter, wie etwa die Briefpost, müssen mit stagnierenden Umsatzzahlen auskommen, während Anbieter von Telephonie, Mobiltelefonie und Internet in einem starken Wachstumsmarkt agieren. Der Anteil des Telekommunikationssektors wird um die Jahrtausendwende auf 6% des europäischen Bruttoinlandsproduktes geschätzt. (Scheuerle 1997: 203)

In diesem Bereich der Wirtschaft bestand im Prinzip seit der Reichsverfassung von 1871 eine besondere Staatsnähe, welche sich zuerst auf den Postbereich erstreckte und dann mehr als 100 Jahre Bestand hatte und sämtliche neuen Medien einschloss. Diese Idee der staatlichen Monopolisierung findet sich durchaus auch bei liberalen Denkern. So forderte auch John Stuart Mill (1981: 130-148) staatliche Intervention in ein ansonsten wenig oder nicht reguliertes Gesellschaftssystem in Bereichen, die zum allgemeinen Funktionieren des Staates bedeutsam seien. Zu diesen zählte er unter anderem infrastrukturelle Bereiche, welche auch die Existenz von Kommunikationseinrichtungen umfassen.

Im Zuge der Entwicklung des Kommunikationssektors weg von einem notwendigen Mittel zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Zusammenspiels hin zu einem eigenständigen lukrativen Wirtschaftszweig, stießen die staatlichen Monopolunternehmen aber zunehmend an ihre strukturellen Grenzen. Weitestgehend Konsens besteht zur Zeit über eine höhere Leistungsfähigkeit privatwirtschaftlich operierender Unternehmen in einem deregulierten Markt gegenüber einem staatsnahen Monopolisten. Ein liberalisierter Markt würde also einerseits eine Kostenreduzierung für die Kunden bedeuten und andererseits mehr Innovationspotential auf Seiten der Anbieter freisetzen, also die wirtschaftliche und technische Entwicklung beschleunigen und somit aufgrund des entstehenden Wettbewerbs die wirtschaftliche Kraft des gesamten Gemeinwesens stärken. Trotzdem bleibt ein flächendeckender Erhalt infrastruktureller Grundversorgung auch in Bereichen mit wenig Gewinnaussichten unverzichtbar. (Scholl 1998: 9-11, Sommer 2000:7-16)

Unter diesen Aspekten begann in den 80er Jahren in fast allen westlichen Ländern ein Prozess der Liberalisierung der Kommunikationsmärkte, welcher im Bereich Westeuropas seinen Anfang in der Europäischen Union (damals noch Europäische Gemeinschaft) nahm.

In der Bundesrepublik, deren Telekommunikationsmarkt mit einem Volumen von 24 Mrd. Euro den größten im Bereich der europäischen Union darstellt (Drüke 1999: 3), wurde diese Liberalisierung durch das Bundesministerium für Telekommunikation und Post eingeleitet, das dann im Verlauf der Entmonopolisierung seiner eigenen Auflösung entgegenging, und fortan von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post weitergeführt. Dieser Behörde kommt die herausragende Rolle im neu entstanden Markt der Kommunikationsanbieter zu, so dass man von einer ‚regulierten Deregulierung’ sprechen kann.

Für die Notwendigkeit einer solchen zentraler Regelungsinstanz gibt es neben anderen zwei herausragende Gründe: Zum einen muss der Bestand eines leistungsfähigen und bezahlbaren Kommunikationssystems auch unabhängig von ausschließlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesichert sein, und zum anderen soll den neuen Wettbewerbern der Zugang in den Markt erleichtert werden, da ansonsten der Exmonopolist dauerhaft bevorteilt bleiben könnte.

Im ersten Teil der Arbeit soll der Prozess der Liberalisierung der Kommunikationsmarktes in Deutschland von den Anfängen in den achtziger Jahren auf europäischer Ebene bis zu seiner Öffnung am 1. Januar 1998 dargestellt werden. Im zweiten Teil wird die zentrale Institution dieses Prozesses, die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post untersucht, wobei ihre Aufgaben sowie ihre Struktur gesondert dargestellt werden. In einem dritten Teil erfolgt eine kurze Darstellung anderer Regulierungssysteme, welche international zur Anwendung kommen. Im Schlussteil wird das deutsche Modell eingeordnet und bewertet werden.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird auf dem Bereich der Telekommunikation liegen, da dieser im Vergleich zur klassischen ‚Gelben Post’ einem wesentlich bedeutenderen wirtschaftlichen Interesse unterliegt und somit zurecht in den Fokus des Interesses rücken sollte.

2 Der Weg zur Liberalisierung

In den 80er Jahren wurden erstmals Gedanken zu einer Privatisierung des Medienbereichs aktuell. Vorreiter wurde hierbei der Fernsehbereich, in welchem Sendelizenzen für private Betreiber erteilt wurden. Im Telekommunikationsbereich kann das Jahr 1987 als Startpunkt der Privatisierung und Liberalisierung des Marktes gelten. Am 18. März dieses Jahres kündigte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl in einer Regierungserklärung die Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens an. (Baresel 1997: 19) Am 30. Juni desselben Jahres gab die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein wegweisendes Grünbuch zur Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte heraus.

2.1 Vorgaben auf europäischer Ebene

Dieses Grünbuch beinhaltete die Maßgabe, die Telekommunikationsmärkte vollständig zu liberalisieren. Dabei sollte in drei Schritten vorgegangen werden. So wurde eine konsekutive Liberalisierung der Bereiche Endgeräte, Dienste und Netze angestrebt. (Büchner u. a. 1997: 61) Diese Vorgaben wurden in der Folgezeit durch entsprechende Richtlinien der europäischen Kommission umgesetzt. So wurde bereits ein Jahr später am 27. Mai 1988 durch die Richtlinie 88/ 301/ EWG der Endgerätemarkt liberalisiert. Damit wurde ein erstes Monopol aufgebrochen. Endgeräte waren von da an frei erhältlich.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist in der Richtlinie 90/ 388/ EWG (Diensterichtlinie) vom 28. Juni 1990 zu sehen. Durch diese Richtlinie wurde der freie Zugang privater Anbieter zu bestehenden Netzen festgeschrieben sowie der Lizenzierungsprozess in seinen Grundzügen umrissen. Der Monopolbereich blieb auf den Sprachtelefondienst beschränkt. Dessen Ende wurde für den 1. Januar 1998 festgeschrieben. (Art. 2, Abs. 2, Satz 2)

Der dritte Schritt wurde schließlich zeitgleich mit der Richtlinie 90/ 387/ EWG über den vollständigen offenen Netzzugang vollzogen, welche auch das Ende des Sprachtelefoniemonopols beinhaltete. Dieser Richtlinie zufolge sollten alle Netzbetreiber anderen Anbietern Zugang zu ihren Netzen gewähren. Zu diesem Zweck erfolgte auch eine technische Normierung von Schnittstellen. Eine Einschränkung des Netzzugangs sollte nur noch aus funktionalen Gründen möglich sein. (Ress/ Stein 1998: 247-260, 351-372, 393-402) In dieser letztgenannten Richtlinie werden auch die nationalen Regulierungsbehörden genannt und ihre grundsätzlichen Eigenschaften definiert (Art. 5a)

2.2 Die deutsche Umsetzung

Die Umsetzung der ersten beiden Richtlinien erfolgte in Deutschland 1989 mit der Postreform I durch welche erste Bereiche des Telekommunikationsmarktes für den Wettbewerb geöffnet wurden. Gerade die Öffnung des Endgerätemarktes kam dem Kunden in Form von Preissenkungen und einer Verbreiterung des Angebots zugute. Aber es entstanden auch neue Tätigkeitsfelder für kleine und mittelständische Unternehmen. Ein weiterer marktöffnender Bestandteil der Postreform I bestand in der Lizenzvergabe an ein privates Konsortium für den Aufbau eines zweiten Mobiltelefonienetzes. (Bötsch 1998: 19-20)

Der zweite große Teil der Postreform I bestand in der Trennung der politisch- hoheitlichen Aufgaben im Bereich Telekommunikation und Post von den betrieblichen. Während erstere dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation zugeteilt wurden, fielen die letzteren an die neugegründeten öffentlichen Unternehmen Deutsche Bundespost Telekom, Deutsche Bundespost Postdienst und Deutsche Bundespost Postbank. Damit wurde das Ziel verfolgt gerade die Telekom stärker als marktorientiertes Unternehmen auszurichten und auf diesem Wege für die abzusehende Liberalisierung vorzubereiten. (Bötsch 1996: 11)

Im Zuge der Postreform II wurde die Deutsche Telekom in ein Aktienunternehmen umgewandelt und am 1. Januar 1996 an die Börse gebracht. Zum einen sollte durch diesen Schritt die Eigenkapitalquote erhöht werden, welche sich durch die enormen Aufbauleistungen in Ostdeutschland erheblich reduziert hatte. Zum anderen stellte dieser Schritt eine weitere Bewegung in Richtung privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen dar. Entscheidungen werden nun zunehmend ausschließlich aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus getroffen; die politische Einflussnahme reduzierte sich. Auch hier heraus sollten sich vor allem Vorteile für den Kunden ergeben. (Jäger 1993: 294-296; Bötsch 1996: 11-12)

Die Postreform II machte eine Grundgesetzänderung nötig, welche am 30. August 1994 die Artikel 87f und 143b einfügte. Artikel 87f schreibt die Erbringung von Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich als privatwirtschaftliche Tätigkeiten vor, welche durch das Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und von Privatanbietern geleistet werden sollen. Hoheitliche Aufgaben, wie zum Beispiel Lizenzierung und Frequenzvergabe, sollen aber in „bundeseigener Verwaltung“ ausgeführt werden. (Hesselberger 1996: 295) Artikel 143b regelt hingegen die Privatisierung der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost an sich. (Hesselberger 1996: 375)

Die Inkraftsetzung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zum 1. Januar 1998 wird teilweise als Postreform III bezeichnet und stellt als vollständige Umsetzung, der aus dem Grünbuch der Europäischen Kommission entstandenen Richtlinien den Abschluss der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes dar. Nach §1 dient das Gesetz drei Zielen: Es soll durch Regulierung den Wettbewerb fördern, flächendeckend ausreichend Dienstleistungsangebote sicherstellen und die Frequenzvergabe regeln. Diesen Anspruch aufrechtzuerhalten und die Markteilnehmer zu steuern, ist Aufgabe der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP).

3 Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post

3.1 Aufgaben der Regulierungsbehörde

Nachdem nun zum 1. Januar 1998 die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen wurden, im Bereich der Telekommunikation einen frei zugänglichen Markt zu etablieren, in dem Wettbewerber um den Kunden konkurrieren, ist dieses Ziel noch nicht sofort Realität. Der Exmonopolist verfügt weiterhin über eine stark marktbeherrschende Stellung. Er hat am Stichtag den gesamten Markt als Kunden und verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur. Selbst ohne die gesetzliche Rückendeckung als Monopolist würde er lange oder gar für immer den Markt dominieren. Dies zu verhindern, ist eine Aufgabe der Regulierungsbehörde. Sie soll den Wettbewerb fördern und das wettbewerbswidrige Verhalten marktbeherrschender Unternehmen unterbinden. Sie ist also eine Art politischer Schiedsrichter mit einer weitreichenden Sanktionsgewalt.

So greift sie direkt in die Preispolitik ein, verwirft Preisvorstellungen, zumeist der Deutschen Telekom AG, und schreibt eigene Entgelte vor. Eine wichtige Entscheidung hierbei war, dass der Kunde der Telekom AG sich kostenfrei durch Vorwahl für einen anderen Anbieter entscheiden kann und diese Kosten ebenfalls kostenfrei von der Telekom in Rechnung gestellt werden (Call-by-Call Gespräche). In diesem Bereich liegt eine Hauptaufgabe der Regulierungsbehörde, da sie in einem derart preisdynamischen Markt, wie es der Sprachtelefonie in Deutschland derzeit darstellt, ständig mit Anträgen und Vorschlägen der Wettbewerber konfrontiert wird und sie hierbei verpflichtet ist, eine Regelung zu finden, durch welche der Wettbewerb optimal gefördert wird. (Scheuerle 1998: 27-29)

Neben diesen wirtschaftlichen, wettbewerbsfördernden Zielen verfolgt die Regulierungsbehörde Ziele in zwei weiteren Bereichen. Diesen liegen zum einen im gesellschaftspolitischen Bereich. Hierbei soll der Bürger in seinen Rechten geschützt werden, wobei vor allem das Fernmeldegeheimnis eine Rolle spielt. Auch sollen Kommunikationssysteme in Katastrophenfällen reibungslos funktionieren und der Bürger vor Kriminalität geschützt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt stellt in diesem Bereich die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung dar, welche gerade in einem rein auf Gewinn ausgerichteten Marktgeschehen einer Sanktionierung von außen bedarf.

Der zweite weitere Regulierungsbereich liegt im technischen Gebiet. Hierbei werden vor allem knappe Güter wie Frequenzen und Rufnummern vergeben sowie die Verträglichkeit von verschiedenen Telekommunikationsnetzen untereinander sichergestellt. Auch die Vergabe von Lizenzen für Endeinrichtungen und Sendeanlagen fällt in diesen Bereich. (Meierhofer 1997: 211)

3.2 Struktur der Regulierungsbehörde

Die Regulierungsbehörde ist eine Bundesoberbehörde im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft mit Sitz in Bonn. Hierbei kommt die Vorgabe des Grundgesetzartikels 87f zur Geltung, dass die hoheitlichen Rechte beim Bund verbleiben sollen.

Die Behörde wird von einem Präsidenten geleitet, dessen Vorgesetzter der Bundesminister für Wirtschaft ist. Der Präsident wird von der Bundesregierung ernannt, wobei dem Beirat ein Vorschlagsrecht zukommt, das aber nicht bindend ist.

Der Beirat besteht aus jeweils neun Mitgliedern des Deutschen Bundestages und des Deutschen Bundesrates. Er ist selbst kein Bestandteil der Behörde. Er stellt vielmehr eine Art Bindeglied zwischen der Behörde und der Politik dar. Die Regulierungsbehörde ist gegenüber dem Beirat auskunftspflichtig und der Beirat wirkt bei Entscheidungen mit. Desweiteren ist der Beirat verpflichtet, bei den 2- jährlichen Tätigkeitsberichten mitzuwirken.

Unterhalb des Präsidenten und seiner zwei Stellvertreter gibt es fünf Beschlusskammern, welchen verschiedene Bereiche zugeordnet sind (Netzzusammenschaltung, besonderer Netzzugang, Entgeltregulierung auf Netzebene, Entgeltregulierung auf Sprachtelefondienstebene, Vergabe knapper Frequenzen und Lizenzen sowie Universaldienstleistungen). In diesen Beschlusskammern werden die Entscheidungen getroffen, welche dann als Verwaltungsakt ergehen. Die Beschlusskammern bestehen aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern und entsprechen somit den Beschlussabteilungen im Bundeskartellamt.

Wenn nun ein Antrag bei der Regulierungsbehörde eingeht, so wird er an die entsprechende Beschlusskammer verwiesen. Am Verfahren nehmen dann die Mitglieder der Kammer, der Antragsteller, derjenige, gegen den sich der Antrag richtet, und diejenigen, beziehungsweise deren Vertreter, deren Interessen berührt sind teil. (TKG § 66-84; Büchner u. a. 1997: 753-917)

Entscheidungen werden bei der Regulierungsbehörde also auf streng verregeltem Wege relativ transparent herbeigeführt und den Betroffenen verbleibt immer die Möglichkeit weitere Rechtsmittel gegen getroffene Entscheidungen einzulegen. Auch der Kontakt zur Politik bleibt aufgrund des Beirates gesichert, welcher auch in die Entscheidungen der Beschlusskammern einbezogen ist.

4 Liberalisierung des Telekommunikationsbereichs im internationalen Vergleich

Um das deutsche Regulierungsmodell nunmehr anderen internationalen Beispielen gegenüberzustellen, wird ein theoretisches Modell nötig, um die verschiedenen Regulierungssysteme klassifizieren zu können. Zu diesem Zweck wird an dieser Stelle auf Helmut Drüke (1999: 14-15, 20-26) zurückgegriffen. Er unterscheidet vier Typen von Regulierungssystemen: Der (1) marktliche Typ zeichnet sich durch eine autonome Regulierung durch die betroffenen Unternehmen aus und verzichtet auf branchenspezifische Regelungen. Es gilt lediglich das übliche Wettbewerbsrecht. Der (2) marktlich-regulatorische Typ vertraut ebenfalls auf Regelungen, die zwischen den Wettbewerbern gefunden werden und greift lediglich im Fall eines Scheiterns behördlich ein, während der (3) regulatorisch-marktliche Typ durch eine weitreichende Rahmensetzung auf Gesetzes- oder Auflagenbasis vorgibt, welche dann durch die Wettbewerber modifiziert werden kann. Der (4) regulatorisch- hoheitlich-hierarchische Typ schließlich, zeichnet sich durch eine Regelungsinstanz aus, welche a priori für alle denkbaren Fälle Regelungen schafft, die nicht Gegenstand einer Verhandlung sind.

Während Deutschland in die dritte Gruppe fällt, da eine zentrale Regelungsinstanz in Form der Regulierungsbehörde besteht, welche in einem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen ihre Aufgaben wahrnimmt, aber hierzu in einen Dialog mit den Marktteilnehmern tritt, gelten die USA als Vertreter des vierten Typus. In Australien und Japan hingegen ist eine Regulierung entsprechend des ersten beziehungsweise zweiten Typus festzustellen. Diese vier Länder sollen an dieser Stelle exemplarisch erläutert werden, um die Unterschiede zum deutschen Modell deutlich zu machen.

4.1 USA

Die gegenwärtige Telekommunikationslandschaft in den Vereinigten Staaten ist geprägt durch den Telecommunications Act (Telco Act) von 1996. In diesem Gesetz werden Probleme in diesem Sektor sehr detailliert verregelt. So werden zum Beispiel alle denkbaren Probleme in der Frage des Netzzugangs auf über 700 Seiten geregelt. (Drüke 1999: 35) Das Modell stellt somit eine Kombination aus dem Ziel der Förderung der Marktkräfte und der Umsetzung sozial- sowie bildungspolitischer Zielsetzungen dar. Expansionen von lokalen Monopolisten dürfen nur erfolgen, wenn sie im Gegenzug ihren eigenen Markt für andere Wettbewerber öffnen. Auch bei der Tarifgestaltung findet eine asymmetrische Belastung marktdominierender Anbieter statt.

Gerade das Problem der flächendeckenden Versorgung spielt in den sehr unterschiedlich besiedelten USA eine herausragende Rolle. So ist die tarifgleiche Versorgung der Stadt- und Landbevölkerung detailliert durch die Einrichtung von Fonds geregelt. Diese Fonds, werden aus Überschussgebieten gefüllt und stellen die Kostendeckung in gering besiedelten Bereichen des Landes sicher. Ebenfalls aus diesen Fonds wird eine deutliche Rabattierung der Zugangskosten ins Internet für Schulen und Bibliotheken gewährleistet. Hierbei wird der Anspruch breite Bevölkerungsschichten an die Neuen Medien heranzuführen umgesetzt, der explizit im Gesetz formuliert ist.

Die Regulierungsbehörde, die Federal Communication Commission (FCC), ist vollkommen weisungsunabhängig und lediglich der Kontrolle der Berufungsgerichte unterworfen. Um diese Machtposition zu kontrollieren sind die Entscheidungswege sehr transparent. Jeder Nutzer von Telekommunikationseinrichtungen hat das Recht sich vollständig an den Verfahren zu beteiligen und wird dann auch umfassend einbezogen. Das höchste Gremium besteht aus dem Präsidenten und fünf Kommissaren, die vom Präsidenten ernannt und vom Senat für fünf Jahre bestätigt werden. Eine indirekte Einflussnahme ist lediglich durch die Legislative auf dem Wege der Veränderung der Höhe der Haushaltszuwendungen möglich.

Das amerikanische Modell kann also zu recht als stark verregeltes Regulierungsmodell gelten, in dem alle Konfliktfälle a priori in einem umfangreichen Gesetzestext geregelt sind und diese Regelungen eine Implementierung durch eine starke und unabhängige Behörde erfahren. Auf diesem Wege sollen neben wettbewerblichen auch sehr genau benannte sozial- und bildungspolitische Vorstellungen umgesetzt werden. (Drüke 1999: 34-38)

4.2 Australien

Das australische Modell gehört zusammen mit dem neuseeländischen zu den marktlich orientierten Regulierungssystemen. Es wurde mit dem Telecommunications Act von 1991 begründet und führte nach einer Übergangsphase zum völlig freien Wettbewerb ab 1997. In diesem Konzept wird nahezu vollständig auf die Abstimmung zwischen den Marktteilnehmern gesetzt. Bis 1999 gab es noch die Behörde Austel, welche die Einhaltung gewisser Normen überwachte und bei einer nicht zustande kommenden Einigung der Wettbewerber moderierend eingriff. Allerdings soll diese Behörde schrittweise aufgelöst und der gesamte Telekommunikationssektor ausschließlich dem Wettbewerbsrecht untergeordnet werden.

Ein Hauptregulierungsinstrument stellt das Lizenzierungsverfahren dar. Im Gegenzug für die Erteilung einer Lizenz muss der Anbieter die Einhaltung von Normen garantieren, welche die Verträglichkeit der Netze untereinander sicherstellen. (Horton 1996: 55-63)

4.3 Japan

Japans Deregulierung begann im Jahr 1985 als das staatliche Monopolunternehmen NTT (Nippon Telegraph and Telecommunication) privatisiert wurde und der Markt formell liberalisiert wurde. Allerdings hält der Staat bis heute einen nicht unbedeutenden Anteil an NTT und dieser Konzern verfügt nach wie vor über eine stark marktbeherrschende Stellung, obwohl sich zahlreiche neue Wettbewerber gebildet haben. Eine Initiative zur Teilung des Konzerns um den Wettbewerb zu fördern wurde mehrfach aufgeschoben und harrt nach wie vor ihrer Implementierung.

Die Verregelung im Markt zum Beispiel hinsichtlich der Netzkompatibilität ist marktlich geregelt. Lediglich im Falle eines Scheiterns greift der Staat, in Gestalt des Ministeriums für Telekommunikation und Post, mit dem Verweis auf das öffentliche Interesse regulierend ein.

So stellt der Telekommunikationssektor in Japan formell einen marktlich orientierten liberalisierten Markt dar, der aber de facto noch von einem staatsnahen Exmonopolisten dominiert wird und gegen ausländische Investitionen komplett abgeschottet ist. (Hasegawa 1996: 23-34)

5 Schluss

Telekommunikationsmärkte wurden also ab Mitte der achtziger Jahre in allen westlichen Industrieländern (und auch in Osteuropa; vgl. hierzu: Hirschhausen 1996) liberalisiert, mit dem Ziel, durch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern die technologische Entwicklung zu forcieren und die Produkte zu günstigeren Preisen anzubieten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurde oder vielmehr wird versucht diese Zielsetzung durch eine mehr oder weniger intensive zentrale Regulierung zu erreichen. Von einer Liberalisierung kann daher im engen Sinne keine Rede sein. Es wurde nicht angestrebt einen freien Markt zu etablieren und auf die marktlichen Selbstregulierungskräfte zu vertrauen. Stattdessen findet eher eine „Transformation institutioneller Regelungsstrukturen“ (Schneider 1997: 261) statt.

Der Kerngedanke der neuen Regelungsstrukturen in Deutschland ist explizit im Grundgesetzartikel 87f festgeschrieben. So sollen die privatwirtschaftlichen Tätigkeiten von privaten Anbietern ausgeführt werden, zu denen auch die Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Bundespost gehören. Die hoheitlichen Aufgaben hingegen verbleiben in bundeseigener Verwaltung.

Der Staat verfolgt hierdurch eine Strategie des ‚lean managment’, die im privatwirt- schaftlichen Bereich in den letzten Jahren zu bedeutenden strukturellen Umbrüchen, aber auch zu einer deutlichen Effizienzsteigerung geführt hat. Im staatlichen Bereich wurde diese Entwicklung insbesondere durch den Prozess der Globalisierung ausgelöst, durch welchen wirtschaftliche Märkte zunehmend global orientiert sind. Gerade im immer bedeutenderen Telekommunikationssektor waren die staatlichen oder staatsnahen Monopolisten aus strukturellem Gründen immer seltener in der Lage dem Innovationsdruck zu genügen und eine ausreichende Versorgung preislich günstiger Telekommunikationsinfrastruktur sicherzustellen. Dadurch entstand die Gefahr eines Wettbewerbshindernisses für den gesamten Bereich der Wirtschaft und damit für den finanziellen (Steuern- und Abgaben-) Input des Staates. (Pursche, Reiter 2000: 14)

Dieser Entwicklung entgegenzuwirken aber gleichzeitig eine von reinen Gewinnfaktoren unabhängige flächendeckende Versorgung sicherzustellen, war das Kernanliegen des Deregulierungskonzepts, das Ende der 80er Jahre in der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurde. Dieser supranationale Liberalisierungssansatz, welcher zu ähnliche Regulierungsmodellen in den EU- Ländern führte, scheint auch der geeignete Weg zu sein, um mit den staatlichen Steuerungsinstrumenten eine zunehmende transnationale wirtschaftliche Verflechtung wieder ‚einzuholen’; dem Staat also ein gewisses Maßan Steuerungskompetenz trotz eines umfassenden globalen Wandels zu erhalten.

Dieses Konzept scheint in Deutschland zumindest im Kern aufzugehen. Nachdem unmittelbar nach der Liberalisierung im Ferngesprächsbereich ein erheblicher Preisrutsch stattgefunden hat, nicht zuletzt durch Entscheidungen der Regulierungsbehörde forciert, wird gegenwärtig versucht den privaten Anbietern den Einstieg in das noch fest von der Deutschen Telekom AG beherrschte Ortsnetz zu ermöglichen. Dazu verfügte die Regulierungsbehörde am 30. März dieses Jahres eine Senkung des Mietpreises für die Endleitungen zum Kunden (die sogenannte letzte Meile). Dadurch liegt dieser jetzt um beinahe zehn DM unter der ursprünglich von der Deutschen Telekom AG geforderten Summe. (Wendel 2001: 33)

Trotz dieses zunehmende Wettbewerbes verbleiben grundlegende Rechte wie die Frequenzvergabe und Lizenzierung beim Bund. Zudem kommt ein weitgehendes Eingriffsrecht in jegliche Bereiche des Marktes hinzu, sowie ein umfassendes Informations-recht der Regulierungsbehörde, das sogar Grundrechte der Mitbewerber einschränkt.

Auf diesem Wege scheint ein neues Steuerungsmodell für einen wichtigen Wirtschaftssektor entstanden zu sein, welches staatliches, also demokratisches, Steuerungshandeln zum Wohle des Gemeinwohls verbindet mit den Effizienzsteigerungen infolge eines liberalisierten Marktes.

Der policy output der Regulierungsbehörde ist natürlicherweise einer breiten Diskussion und teilweise harscher Kritik ausgesetzt und unterscheidet sich insofern nicht von anderen staatlichen Regelsetzungen. Diese Kritik bezieht sich aber zum überwiegend großen Teil auf die einzelnen Entscheidungen und nicht auf das Regulierungskonzept als solches.

6 Literaturverzeichnis

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Bötsch, Wolfgang (1996): Grundsatzreferat, in: Witte, Eberhard (Hg.):Regulierung und Wettbewerb in der Telekommunikation: Ein internationaler Vergleich, Heidelberg, 9-16.

Bötsch, Wolfgang (1998): Der Weg zum liberalisierten Markt, in: Bötsch, Wolfgang/ Kohlhammer, Hans-Peter/ Scheurle, Klaus-Dieter/ Scholl, Mechthild: Telekommunikation zwischen Regulierung und Deregulierung, Sankt Augustin, 17- 22.

Büchner, Wolfgang u. a. (1997): Beck’scher TKG-Kommentar, München.

Drüke, Helmut (1999): Regulierungssysteme in der internationalen Telekommunikation - Deregulierung und Regulierung in Zeiten der technologischen Konvergenz, Berlin (Arbeitspapier des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung).

Hasegawa, Norimasa (1996): Japanese Telecommunications - Regulations and Competition, in: : Witte, Eberhard (Hg.):Regulierung und Wettbewerb in der Telekommunikation: Ein internationaler Vergleich, Heidelberg, 23-34.

Hesselberger, Dieter (1996): Das Grundgesetz - Kommentar für die politische Bildung, Bonn.

Hirschhausen, Christian von (1996): Deregulation and Enterprization in Central and Eastern Telecommunication - A Benchmark for the West, Berlin (Discussion Paper No. 145 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Berlin)

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Pursche, Stefan/ Reiter, Renate (2000): The Retreat of the State, in: Segbers, Klaus/ Briegert, Fritz (Hg.): E-scapes. Dissolving concepts in the wonderland of polisci, Berlin (Arbeitspapier des Osteuropa-Instituts), 13-16.

Ress, Georg/ Stein, Torsten (Hg.) (1998): Europäisches Medien- und Telekommunikations-recht - Textsammlung, Baden-Baden.

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Scholl, Mechthild (1998): Telekommunikation zwischen Regulierung und Deregulierung - einige ordnungspolitische Aspekte -, in: Bötsch, Wolfgang/ Kohlhammer, Hans-Peter/ Scheurle, Klaus-Dieter/ Scholl, Mechthild: Telekommunikation zwischen Regulierung und Deregulierung, Sankt Augustin, 9- 16.

Sommer, Stephan (2000): Staatliche Gewährleistung im Verkehrs-, Post- und Telekommunikationsbereich - Zur Interpretation der Gewährleistungsnormen der Art. 87e IV und 87f I GG im System verfassungsrechtlicher Leistungspflichten, Berlin

Wendel, Thomas H. (2001): Regulierer auf riskantem Weg, in: Berliner Zeitung, Nr. 77, 57. Jg., 31. März/ 1. April 2001, S. 33.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Regulierte Deregulierung - Der deutsche Telekommunikationsmarkt und die Regulierungsbehörde - Eine Bewertung aus nationaler und internationaler Perspektive
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
HS Nomosmatische Telekommunikationsgesellschaft
Note
1,3
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V103728
ISBN (eBook)
9783640021062
Dateigröße
375 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regulierte, Deregulierung, Telekommunikationsmarkt, Regulierungsbehörde, Eine, Bewertung, Perspektive, Nomosmatische, Telekommunikationsgesellschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2000, Regulierte Deregulierung - Der deutsche Telekommunikationsmarkt und die Regulierungsbehörde - Eine Bewertung aus nationaler und internationaler Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103728

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