Die Regenbogenschlange Australiens


Hausarbeit, 1998

25 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Die Regenbogenschlange

Darstellungen und Bedeutungen bei den Ureinwohnern Australiens

A. Einleitung

Thema der Arbeit ist die Regenbogenschlange, ihre Darstellungen und ihre Bedeutung bei den Aborigines. Ausgehend von dem Zitat Kenneth Maddock`s zur Bedeutung der Regenbogenschlange: "The nature of the belief remains an open question" möchte ich zunächst die verschiedenen Forschungsprobleme ansprechen, mit denen man sich bei der Untersuchung der Kultur der Australier im Allgemeinen und der Regenbogenschlange im Speziellen auseinander zusetzen hat. Im Folgenden werde ich auf die Bildwerke der Schlange und den damit verknüpften Mythenschatz eingehen. Und zum Abschluss werde ich die verschiedenen Aspekte der Schlange bei den Aborigines noch einmal zusammenfassen und einige mögliche Interpretationen anführen.

B. Forschungsprobleme

1. Lesen von fremden Bildern

Es stellt sich einem zunächst die Frage wie man kulturfremde Bilder lesen kann.

Man wird bald feststellen, dass sich einem vom alleinigen Betrachten der Bildwerke kein Sinn erschließt, sondern dass man höchstens ein Urteil darüber abgeben kann, ob es einem gefällt oder nicht. Es ist also unabdingbar, den mythologischen Zusammenhang, in dem das jeweilige Bild entstand, zu kennen, um eine Aussage treffen zu können. Die Australier schaffen ihre Bilder ja nicht aus ästhetischen Gründen, sondern die Bilder sind Teil ihres Lebens, ihrer Weltsicht, genauso wie Tänze, Zeremonien und Lieder.1(Abbildung 1)2

Angenommen, man hat sich also einen Mythos zu einem bestimmten Bild erzählen lassen, so muss das jedoch noch lange nicht heißen, dass man jetzt deren Sinn versteht. Denn es gibt in traditionellen Gesellschaften je nach Grad der Initiation unterschiedliche Stufen des Wissens. Das heißt im Denken der Australier gibt es Worte, die sowohl in narrativem, wie auch in metaphysischem Zusammenhang verwendet werden. Was wir an Geschichten von Aborigines hören, sind für Nichtinitiierte einfach nur Geschichten. Erst mit Erklärungen können wir vielleicht erahnen, welche tiefere Bedeutung diese für das Leben der Aborigines haben. Auch die Stammesmitglieder kennen nur jeweils den Gehalt der Geschichte, der ihrer Initiationsstufe entspricht. Das heißt, man hat es bei den Erklärungen zu den einzelnen Motiven mit verschiedenen Interpretationsebenen zu tun.3Dies erschwert natürlich das Ziel, einen möglichst kompakten, gut strukturierten Überblick über die Regenbogenschlangen-Mythen Australiens zu geben, da diese zum einen von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich sind und zum anderen, weil wir es mit den oben erwähnten unterschiedlichen Interpretationsebenen zu tun haben.

Das Referat wird also mit Sicherheit nicht damit enden, dass ich sagen kann: "Die Regenbogenschlangen-Mythen in Australien dienen erstens der Schöpfung des Kosmos und zweitens der Initiation!", sondern es wird darauf hinauslaufen, dass die vielen verschiedenen Mythen, die zwar in gewissen Punkten in ganz Australien übereinstimmen, doch andererseits wieder so vielschichtig sind, uns die Komplexität dieser Kultur vor Augen führen. So verwirrend diese Mythen auch auf uns wirken mögen, so geben sie alle zusammengenommen das ganze Weltbild der Aborigines wieder. Genauso wie die Welt, so bestehen auch die Mythen aus vielen Einzelelementen, die, wenn man sie richtig zusammensetzt, ein großes Ganzes ergeben.

Fassen wir noch einmal zusammen: Zu jedem Bild gibt es mehrere Mythen und da es nicht nur ein Bild sondern sehr viele Bilder gibt, gibt es noch mehr Mythen, die alle zusammen das WIE und WARUM des Kosmos beschreiben und somit den Menschen einen ordnenden Rahmen für ihre Lebensweise bieten.

In meinem Referat greife ich demnach einen Teilaspekt des Weltbildes der Aborigines heraus, wenn ich auf die Regenbogenschlangen-Darstellungen und ihre Mythen eingehe.

-Erklärung zum Begriff des Mythos

Fragt man heute jemanden aus unserem Kulturkreis, was er unter Mythos versteht, so wird er antworten, dass alles, was im Gegensatz zur Wirklichkeit steht, unter diesen Begriff fällt. Eine Erklärung, die sich aus der christlichen Religion ergibt, denn alles, was nicht im Alten und Neuen Testament seine Bestätigung fand, war schlicht und einfach falsch.

Bei traditionellen Gesellschaftsformen dagegen handelt es sich beim Mythos um den Ausdruck einer absoluten Wahrheit, da das Ursprungsgeschehen erzählt wird. Er ist ein Schöpfungsbericht, in dem die Frage nach dem wie und warum die Dinge ins Dasein gerückt wurden, geklärt wird. Durch die Schöpfung fließt auch etwas von der göttlichen Energie in die Welt mit ein, die im Mythos ihren Ausdruck findet und so als Vorbild für Riten und andere menschliche Tätigkeiten dient und diese gleichsam festsetzt.4

2. Schöpfungsmythen

Inhalt der Schöpfungsmythen ist überall auf der Welt die Umwandlung des Chaos, in dem sich die Erde befindet, in eine Ordnung. Ist diese Ordnung einmal geschaffen, so versucht man diese mit aller Kraft aufrecht zu erhalten, da ein Leben im Chaos für die Menschen den Untergang bedeuten würde. Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen bis heute schrittweise immer mehr Land vom Chaos in einen organisierten Raum verwandeln wollen. Dort wo diese Ordnung nicht erhalten werden kann, herrschen Chaos und damit einhergehend der Tod.

Ein Beispiel aus Australien: Ritual der Achilpa (diesem liegt ein Ursprungsmythos zugrunde) : "Am Anfang der Zeiten hat ein göttliches Wesen, Numbakula, das Gebiet der späteren Achilpa 'kosmisiert', es hat ihren Stammvater erschaffen und ihre Einrichtungen gegründet. Aus dem Strunk eines Gummibaumes hat Numbakula einen heiligen Pfahl, Kauwa-auwa, geformt, und nachdem er ihn mit Blut bestrichen hat, ist er an ihm hinaufgeklettert und im Himmel verschwunden. Dieser Pfahl stellt die kosmische Achse dar, denn um ihn herum wird das Gelände bewohnbar und wandelt sich zu einer Welt um." Solange die Achilpa diesen Pfahl auf ihren Wanderungen mit sich führen befinden sie sich in ihrer Welt und stehen gleichzeitig in Verbindung mit dem Himmel. Würde man ihnen den Pfahl wegnehmen oder zerstören, so käme dies dem Ende der Welt gleich, einem Rückfall ins Chaos, den sie nicht überleben würden, da man ihnen jegliche Orientierung genommen hätte.5

Schöpfungsmythen dienen also dazu, den Kosmos umfassend zu beschreiben, zu erklären und zu ordnen. Interessant wäre zu erfahren, wie solche Schöpfungsmythen im Einzelnen entstanden, denn was wir heute erfahren, sind Mythen, die über viele tausend Jahre tradiert wurden und mit Sicherheit nicht von Anfang an in ihrer Komplexität bestanden haben. Für die Regenbogenschlange könnte man den Regenbogen als verbindendes Glied zwischen Himmel und Erde anführen, also als Bindeglied zwischen der lebbaren und der metaphysischen Welt. Es gibt, wie wir später noch sehen werden, auch Mythen in denen der Initiant über die Regenbogenschlange in den Himmel gelangt, wo er dann neues Wissen bekommt.

3. Regenbogenschlange und die Traumzeit

Über die Traumzeit selbst hatten wir ja auch schon ein Referat und so will ich nur kurz noch auf die Rolle der Regenbogenschlange in der Traumzeit eingehen.

Der Begriff "Traumzeit" kann als mythisches Zeitalter betrachtet werden und steht für eine Epoche, in der die Erde, die Lebewesen und Pflanzen ihre gegenwärtige Erscheinungsform angenommen haben. Es handelt sich aber nicht um eine anfanglose Urzeit, denn an sich gab es alles schon - nur eben in anderer, ungeordneter Form.

In der Traumzeit waren neben der Regenbogenschlange noch zahlreiche Kulturheroen tätig, wie die Wondjinas, die große Mutter und Baiame und Pundjel, die wie die Bezeichnung schon sagt, den Menschen ihre Kultur vermittelten. Dass die Epoche der Traumzeit aber nicht vorbei ist, wird uns anhand der Medizinmänner deutlich, die ja innerhalb der Zeremonien mit dieser Traumzeit in Kontakt treten können. Man kann also davon ausgehen, dass es sich nicht um ein starres unveränderbares Gefüge handelt, sondern dass durch diesen Kontakt auch wechselseitige Beeinflussungen und somit Veränderungen zustande kommen.

Man kann festhalten, dass die Regenbogenschlange als reales Wesen in der Traumzeit tätig war. Heute zeigt sie sich in ihrer Schattenform als Regenbogen, Milchstraße oder als Stern. Als Prinzip ist sie unsterblich, als Individuum kann sie jedoch getötet werden.6

4. Quellenlage

Ausgangslage für die Untersuchung der Mythen bieten die Quellen der Feldforscher zu Beginn unseres Jahrhunderts, als die Aborigines noch mehr nach ihren alten Gewohnheiten lebten als dies heute der Fall ist. Doch auch zu dieser Zeit müssen wir einen Einfluss von außen annehmen, da die ersten Siedler a seit Ende des 18. Jh. Australien für sich in Anspruch nahmen und mit der Ausrottung der Urbevölkerung begannen, oder diesen durch Umsiedlungen ihre Territorien nahmen, ohne die die traditionelle Lebensweise ihren Sinn verlor, wie wir in dem Referat von Uschi ja auch gehört haben. Die Annahme, es handle sich bei den Berichten von Forschern wie Radcliffe-Brown (Südostaustralien), McConnel (Nord-Queensland), Elkin (Nordwestaustralien), um nur einige zu nennen, um die Berichte von unberührten Menschen, wird nur in den seltensten Fällen zutreffen. Aber wie dem auch sei, uns bleibt nichts anderes übrig, als mit diesen Quellen zu arbeiten, wenn wir etwas über die Geschichte und die Lebensweise der ursprünglichen Bevölkerung Australiens erfahren wollen. Heute sind diese Traditionen längst abgebrochen, auch wenn es Revivalbewegungen aus Tourismusgründen gibt, die jedoch witzigerweise auf den Quellen alter Forscher basieren und nicht auf den alten Traditionen. Australien bietet demnach ein weiteres eindrucksvolles Beispiel wie eine überlegene Kultur (im Sinne Darwins) eine andere auslöscht - oder weniger krass ausgedrückt - assimiliert, wie es in der Menschheitsgeschichte ständig der Fall ist.

-Exkurs

Woher kommt aber dieser ständige Drang der Menschen in unerforschte Gebiete vorzudringen und dabei die ansässige Bevölkerung sich einzuverleiben???

Geht man von der Aussage Eliades, die ich oben zitiert habe aus, so kann man dies möglicherweise verstehen. Jeder Mensch folgt einem Ordnungsprinzip, und steht demnach unter dem Zwang, alles, was für ihn im Chaoszustand befindlich ist, in eine Ordnung zu bringen. Dies ist ein Phänomen, das sich in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit immer mehr ausgeweitet hat, und zwar direkt proportional zu den verbesserten technischen Hilfsmitteln. Waren es am Anfang Stämme, die ihr Territorium vergrößern wollten, so versuchen inzwischen Staaten sogar die Weltherrschaft an sich zu reissen. Natürlich spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle, was ich damit aber sagen will ist folgendes: Es gibt etwas im Menschen, das sich über die ganze Entwicklungsgeschichte erhalten hat, und zwar die Frage nach dem Wie und Warum des Kosmos. Und genau diese Fragen sind der Motor für das menschliche Handeln. Ich denke, sobald dieser Schritt vollzogen war, kann man überhaupt erst vom Menschen, wie wir ihn uns vorstellen, sprechen und von diesem Punkt an glaube ich entstanden auch die Schöpfungsmythen, die uns heute in tradierter Form aus allen Teilen der Welt noch erhalten geblieben sind und in den heutigen Religionen fortleben.

Welchen Beitrag die Regenbogenschlange in Australien zu den Schöpfungsmythen leistet, will ich nun darstellen.

C. Bilder und Mythen der Regenbogenschlange

1. Beschreibung der Regenbogenschlange allgemein

Unabhängig von Zeit und Rasse stoßen wir überall auf der Welt auf den Glauben an schlangenähnliche Wesen, die in Wasserlöchern leben und die mit dem Regenbogen in Verbindung stehen. Der Schlange werden dort neben Verbindungen zur Unterwelt auch magische Kräfte, Orakelweisheit und Fruchtbarkeitssymbolik zugeschrieben. (Abbildung 2 und 3)7

Auch die Australier glauben an Wesen von riesiger Länge und Ausmaß, die in tiefen Wasserlöchern leben. Für gewöhnlich sind sie vielfarbig wie der Regenbogen, tragen eine Mähne und einen Bart und zusätzlich noch lange vorstehende Zähne, mit denen sie ihre Opfer töten. (Abbildung 4)8

Diese oder ähnliche Wesen tauchen nun in den verschiedenen Mythen auf. Sie sind sowohl biologisch als auch in ihrer Bedeutung zweigeteilt. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Zugang zu den Wasserlöchern, des in diesem Lande so wichtigen Wassers zu regeln. Dabei kommen sowohl ihr bedrohlicher als auch ihr menschenfreundlicher Aspekt zum Ausdruck, der sich darin äußert, dass immer nur die Personen eines dem Wasserloch zugeordneten Totemtieres von der Schlange Zugang zum Wasserloch erhalten, Fremde hingegen nur unter bestimmten Bedingungen zum Wasser gelassen werden. Bevor die Schlange jedoch das Wasserloch bewachen konnte, musste sie es in der Traumzeit erst einmal schaffen. Dies geschah indem sie auf die Erde spuckte. Außerdem gehen die Aborigines davon aus, dass die Schlange Regen macht wenn sie spuckt oder uriniert.

Ferner gilt die Schlange als göttliches Wesen, das eine wichtige Rolle bei der Initiation der Männer spielt, die von ihr Zeremonien erlernen usw.

Neben ihrer Bedeutung für die sozialen Belange der Bewohner hat die Regenbogenschlange aber noch eine metaphysische Komponente, die weitaus schwieriger zu erklären ist. Beispielsweise könnte die Zweigeschlechtlichkeit der Schlange ein Zeichen dafür sein, dass sie den Urzustand der Erde verkörpert, bevor diese in Himmel und Erde geteilt wurde, als Urmeer sozusagen, was auch seine Bestätigung in der Annahme findet, dass beim Kochen der Schlange eine riesige Überschwemmung verursacht wird, da sie voller Wasser ist.

2. Einteilung in vier Hauptregionen und deren klimatische Bedingungen Mountford hat in dem Buch "The Rainbow Serpent" die Mythen über die Regenbogenschlange in vier verschiedenen Regionen Australiens unterschieden. (Abbildung 5)9

-1. Süd- bis Westaustralien (6-21-15)

Es handelt sich hier um ein Gebiet, das außer in den Küstengebieten ständig regenarm ist. Vergleicht man die Orte, an denen es Regenbogenschlangen-Mythen gab, mit der Niederschlagskarte, so wird man feststellen, dass in den Küstenregionen vereinzelt Mythen auftauchen, wie z.B. in der Gegend um Perth, oder bei Adelade. Besonders zahlreich sind die Mythen aber auf dem Gebiet des Northern Territory im Macdonnellgebirge, also einem Gebiet, das nach der Niederschlagskarte besonders ungünstig im immer regenarmen Gebiet liegt. Landschaftlich sollte man erwähnen, dass hier der Amadeussee zu finden ist und der Djamantinja Fluss hier sein Quellgebiet hat. Woran es liegt, dass die Mythen in so unterschiedlicher Dichte auftreten und ob klimatische und landschaftliche Gegebenheiten Einfluss auf die von hier bekannten Mythen hatten, wird sich zeigen.

-2. Victoria bis Cape York (8-39)

Das hier umrissene Gebiet wird auch australisches Bergland genannt und hat das ganze Jahr über zum Teil bis zu 3000 mm Niederschlag im Jahr, liegt also in einer sehr regenreichen Zone. (Sommerregen bei Brisbane und Frühlingsregen in der Gegend um Sydney). Entlang dieses Regenbandes finden sich auch wieder viele Schlangenmythen.

-3. Arnhemland (49-61)

-In diesem kleinen Gebiet des Arnhemlandes herrscht tropisches Klima mit ausgesprochen hohen Niederschlagsmengen während zwei Monaten des Jahres vor. Möglicherweise ist es unter anderem dieser starke Gegensatz zwischen Regen und Trockenzeit, der zu einer derartigen Vielfalt der Schlangenmythen geführt hat.

-4. Nordwestaustralien (62)

-In den Kimberleys verändert sich die Niederschlagsmenge zu den zwei vorher genannten Gebieten kaum und trotzdem findet man hier keine Regenbogenschlangen-Mythen. Diese sind möglicherweise durch Fremdeinflüsse von Mythen über Wondjinas verdrängt worden. Im Prinzip behandeln beide Arten von Mythen das gleiche Thema, nur dass die Akteure hier nicht von Schlangen, sondern von Wondjinas verkörpert werden.

-In den folgenden Punkten möchte ich jeweils Beispiele aus jeder Region vorstellen und versuchen die verschiedenen Aspekte, die der Schlange zugeschrieben werden, herauszustellen. Da zu jedem Mythos auch Bilder gehören, werde ich diese - soweit vorhanden - ergänzend dazu zeigen.

-a) Süd-Westaustralien

-Südaustralien

-Wie wir bereits in einem früheren Referat erfahren haben, gibt es in Australien viele verschiedene Stammessprachen und somit auch viele Bezeichnungen für die Regenbogenschlange. So findet man in Südaustralien im Gebiet des Rocky River und Broughton River den Begriff BUNYIP (1-2). AKARU nennt man die Regenbogenschlange in Wilpena Pound, Gammon Ranges und Coward Springs (3-5).

-BUNYIP:

Bunyip ist ein Oberbegriff für ein monsterähnliches Wesen, das dafür sorgt, dass keiner sein Heimatland verlässt. Somit haben wir auch eine Erklärung dafür, warum die verschiedenen Stämme nie ihr Gebiet verlassen, denn sie würden ja von BUNYIP heimgesucht, der immer dann zuschlägt, wenn sie irgendeine Regel übertreten, die die kosmische Ordnung aus dem Gleichgewicht bringt.

Das Wesen kann entweder Schlangengestalt, Emu- oder Dingogestalt annehmen. (Abbildung 6 und 7)10Die für uns interessante Schlange nennt man MYNDIE. (Abbildung 8)11Sie steht unter der Herrschaft von PUNDEL und hat bei Tabuverletzungen lediglich Exekutivfunktion. Myndie hat die Fähigkeit, ausgehend von ihrem Wasserloch jeden Stamm erreichen zu können, wobei sie von kleinen Wesen, d.h. kleinen Schlangen begleitet wird, die auch Krankheiten und Plagen bringen.12

AKARU:

Die Regenbogenschlange AKARU gilt als Wächter über das Wasser. Sie bewohnt die Wasserlöcher und nur mit ihrer Erlaubnis ist es möglich, Wasser zu schöpfen. Hat man diese nicht, so wird man in die Tiefe hinabgezogen und von ihr verschlungen.

Beispiel:In den Gammon Ranges lebt AKARU (4) in einem Wasserloch, sie ist aber mit ihrer Wohnung unzufrieden und deshalb das Wasserloch von Zeit zu Zeit über die Ufer treten lässt, um es sich bequemer zu machen. Sie macht man auch für unterirdische Donnergeräusche verantwortlich. Bevor man aus ihrem Wasserloch trinken kann, muss man sie warnen, um nicht verschlungen zu werden.13

Geschichten dieser Art sind das Resultat von strengen Gesetzen und Tabus für den Wasserverbrauch. Um den Wasserbestand möglichst gut zu regulieren, gibt es also Gesetze in Form von Schlangenmythen, die allen bekannt sind. Wer sich nicht daran hält, wird aufgefressen, oder auf eine andere Weise bestraft.

Zum Beispielin Coward Springs (5), wo Fremde nur in Begleitung Einheimischer einer bestimmten Totemgruppe zur Quelle dürfen, die als Mund der Riesenschlange gilt und deren Kopf im dahinterliegenden Hügel gesehen wird. Ansonsten kann es sein, dass die Schlange den Geist des Eindringlings verletzt und dieser daran stirbt.

Das heißt, die Regenbogenschlange kann Menschen sowohl psychisch als auch durch körperliche Gewalt töten. (Tabuvorschriften)

In einem anderen Beispiel nehmen zwei Akaru Schlangen Einfluss auf die erste Beschneidungszeremonie in Wilpena Pound (3). Nachdem die Beschneidung vollzogen war verursachten die Schlangen einen Wirbelwind, der alle Teilnehmer in ihre Münder sog, bis auf den Initiierten und noch zwei andere Medizinmänner. Somit war klar, dass in Zukunft nur noch Eingeweihte an derartigen Zeremonien teilnehmen würden.

*Westaustralien

WOGAL

In der Gegend um Perth nennt man die Schlange WOGAL (11). Diese Schlange ist so gefährlich, dass nur der Medizinmann in die Nähe eines Wasserlochs darf. Dafür erhält er von ihr magische Kräfte, die es ihm erlauben, Regen zu machen. Wichtig bei solchen Zeremonien sind auch Kristalle und Perlmutt (schillern, glänzen), da sie magische Kräfte besitzen. Man geht davon aus, dass es sich um die Exkremente, oder das Erbrochene der Regenbogenschlange handelt.

BULAIN (15)

Beim Karadjeri-Stamm kennt man die Riesenschlange unter dem Namen BULAIN. Obwohl aus den Geschichten kein direkter Bezug zum Regenbogen abgeleitet werden kann, spielt sie dennoch in den Mythen eine große Rolle. So glaubt man, dass, wenn man sie isst, das Wasser aus ihrem Körperinneren das ganze Land überschwemmt und gilt somit als Erklärung für große Überschwemmungen.14

JARUWARI

(Abbildung 9)15Diese Abbildung zeigt Medizinmänner, die auf einer Regenbogenschlange reiten und zwar stammt diese aus der Gegend um Tanami. Jaruwari verließ dieses Gebiet um dem Ruf einer anderen Schlange zu folgen, dabei nahm sie einige Medizinmänner mit. Aber als sie in Galibina ankamen war die andere Schlange weg und so setzten sie ihre Reise zum Munggadura Wasserloch fort, wo sie ihr neues Heim einrichtete. Das sichelförmige Zeichen unter der Regenbogenschlange entspricht dem Regenbogen, von dem die Medizinmänner ihre Macht erhalten, Kranke zu heilen und Feinde zu bestrafen.

Wir haben es hier möglicherweise mit der Abbildung einer Initiation zu tun, in der die Initianten mit der Schlange auf Reisen gehen und dabei magische Kräfte erhalten.

-Zentralaustralien

In Zentralaustralien trifft man fast ausschließlich auf Schlangen, deren Funktion auf das Bewachen von Wasserlöchern beschränkt ist, was zur Annahme geführt hat, dass die Mythen um die Regenbogenschlange nicht ursprünglich hier vorhanden waren, da ihnen bei weitem nicht die wichtige Position zukommt wie in anderen Gebieten. Cordes schreibt in ihrer Magisterarbeit z.B. dass für Zentralaustralien eine Schöpfungstätigkeit der Regenbogenschlange nicht belegt ist.16Diese Aussage hat mich erstaunt, da Mountford in seinem Aufsatz über die Regenbogenschlangen-Mythen das Beispiel der Schlange Wollunqua anführt, die sehr wohl als Schöpfer tätig war.

WOLLUNQUA (17)

In Zentralaustralien nennt man die Regenbogenschlange WOLLUNQUA (17). Sie wird als so groß beschrieben, dass sie auf dem Schwanz stehend bis in den Himmel hinaufreicht. Es war ihr möglich, sich ausgehend vom Thapauerlu Wasserloch, über ein weites Gebiet hinweg auszudehnen und auf dortige Zeremonien Einfluss zu nehmen.

Wie die anderen totemistischen Wesen wurde Wollunqua auch in der Traumzeit geschaffen, aber im Gegensatz zu diesen starb sie nicht und ist immer noch unter den Menschen, entweder freundlich oder angsteinflößend. So kann es passieren, dass sie getötet oder aus Versehen gegessen wird, oder auch von einem fremden Medizinmann gestohlen wird, um einem anderen Stamm mehr Wasser zu verschaffen. Auf ihren Wanderungen während der Traumzeit hat sie viele Geistkinder an bestimmten totemistischen Plätzen zurückgelassen, die entweder schon Aborigines geworden sind oder es noch werden. Auch hier haben wir wieder einen neuen Aspekt der Regenbogenschlange vor uns und zwar den des Schöpferwesens. (Abbildung 10)17Dazu gibt es eine Darstellung zweier Rituale in dem einmal der Körper einer Schlange mit Erde nachgeformt wurde und zum anderen eine Bodenmalerei.

Vielleicht liegt die unterschiedliche Interpretation aber auch an der Lage des beschriebenen Falles, denn der Punkt 17 auf der Karte liegt schon sehr nahe an den nördlichen Gebieten und so kann ein Einfluss in Bezug auf die Geistkindaktivitäten angenommen werden.

KALAIA (19)

Ferner wird aus Zentralaustralien berichtet, dass zu Beginn der Welt eine kleine grüne Schlange (Kalatita) in eine riesige Regenbogenschlange (KALAIA) verwandelt wurde, die jetzt in den westlichen Macdonnell Bergen in einem Wasserloch lebt. Sie wird in schillernden Farben beschrieben, was den Zusammenhang mit der Bedeutung von Perlmutt und Kristallen nahelegt. Es fehlt jedoch der Bezug zum Regenbogen. Es handelt sich um eine Schlange mit Bart und Zähnen, die derart gefährlich ist, dass sich keiner an das Wasserloch herantraut. Sonst entsteht ein fürchterlicher Wirbelwind der alle aufsaugt. Sie ist der Schlange der Wüstenleute (Wanambi) sehr ähnlich.

WANAMBI (23)

Nur in Zentralaustralien ist es möglich sich vor der Schlange zu schützen. Die Regenbogenschlange WANAMBI beispielsweise, gilt als gefährlichste Schlange in diesem Gebiet. Sie ist sehr lang, mit riesigem Kopf, langen Zähnen, einem Bart und regenbogenfarbener Haut. (Abbildung 11)18Doch man kann sich mit Feuer oder Feuerholz vor ihr schützen, indem man am Wasserloch ein Feuer entfacht oder Fackeln mit sich trägt. (Abbildung 12)19

Es gibt aber auch ungefährliche Wanambis, z.B. in Aneri Springs, wie eine Fingerzeichnung zeigt. (Abbildung 13)20Es wird die Reise der Schlange von den nördlichen Musgrave Ranges nach Aneri Springs dargestellt. Wanambis erster Halt war in Atila, der Punkt in der Mitte der Zeichnung. Dort gefiel es ihr nicht und sie reiste weiter nach Aneri Springs, dargestellt durch die drei Kreise am unteren Bildrand. Gelegentlich verließ Wanambi ihr neues Zuhause um lange Reisen um den Mount Conner zu unternehmen, zu sehen in den großen konzentrischen Kreisen. Am Ende der Traumzeit wurden diese Wanderwege zu den Sandhügeln und Outkrops, die den Mount Conner heute umgeben. Es heißt auch, dass die Schlange auf ihren Reisen oft die Sterne der Pleiaden und des Orion gesehen habe, deren "Lager" in Form von 5 kleinen Kreisen in der oberen Bildhälfte zu sehen sind.21

Zusammenfassend kann man bis jetzt festhalten, dass es von Süd- bis Westaustralien wichtige Tabuvorstellungen gibt, die in den Schlangenmythen zum Ausdruck kommen. So unterliegt das Baden in Wasserlöchern genauso wie der Wasserverbrauch strengen Regeln. Daneben gibt es Regeln die Gebietsüberschreitungen verhindern sollen und das Verbot Schlangen zu essen. Neben diesen Tabuvorstellungen spielt die Initiation eine wichtige Rolle.

Und zu guter Letzt tritt die Schlange auch als Schöpferwesen in Erscheinung, wenn auch nicht nachweislich in allen Gebieten.

Dies mag auch die Reihenfolge gewesen sein, in der man die Aufgaben der Schlange im Verlauf der Initiation gelernt hat und wenn dies stimmt, dann kann man von jeder Mythe auf die Initiationsstufe des Erzählers rückschließen. Dies würde dann die anfangs aufgestellte These bezüglich der verschiedenen Interpretationsebenen in den Mythen bestätigen.

Neben dem Gesichtspunkt der verschiedenen Interpretationsebenen sollte man aber trotzdem nicht außer Acht lassen, dass der Schlange offensichtlich je nach Gebiet unterschiedliche Positionen zukommen. So stellt man für Zentralaustralien fest, dass die Schlange hier eine weniger starke Position einnimmt, als in den anderen noch zu beschreibenden Gebieten. Solche Unterschiede könnte man auf zweierlei Weise deuten: Man könnte einmal von unvollständigem Material ausgehen. Es könnte aber auch sein, dass sich, je nach Fremdeinflüssen, in den einzelnen Gebieten unterschiedliche Mythen ausgebildet haben.

b)Victoria bis Cape York

Noch deutlicher wird die Rolle der Schlange als Initiator aber in den Mythen der Ostküste, wo die Regenbogenschlange (KARIA) eine sehr wichtige Position im magischen und philosophischen Leben der Aborigines einnimmt.

Es liegt der Glaube an eine Riesenschlange zugrunde, die in tiefen Wasserlöchern lebt und für die Bevölkerung das lebenswichtige Wasser repräsentiert. In Form des Regenbogens wird sie für die Menschen sichtbar. Nach Ansicht Radcliffe-Browns besitzt sie die Position der bedeutendsten Naturgottheit. Sehr starke Bezüge bestehen zwischen der Schlange und dem Medizinmann, der von ihr alle Lieder und Zeremonien erfährt. Dies geschieht in einer Phase des rituellen Todes, in der er sich am Grunde des Wasserloches befindet und von der Schlange unterrichtet wird. Mythen um die Regenbogenschlange sind auch Hauptbestandteil der Bora- Zeremonien für die Initiation junger Männer.22In diesem Gebiet misst man Quarzkristallen auch eine sehr große Bedeutung bei, da sie angeblich die magischen Kräfte erhöhen und es dem Medizinmann erlauben, Regen zu machen.

Neben der Schlange kennt man in dieser Region Wesen, die einem federlosen Emu ähneln (GOUAGE) und dingoähnliche MIRIWULA.23

WAWI

In Wentworth (34) kennt man die Regenbogenschlange als WAWI. Will ein Medizinmann WAWI treffen, so bemalt er sich mit rotem Ocker und wartet auf ein Gewitter. Er folgt dann dem Regenbogen bis an dessen Ende, an dem sich ein Wasserloch befindet. Dort nimmt ihn die Schlange mit auf den Grund und lehrt ihn neue Gesänge, die er solange wiederholen muß, bis er sie auswendig kennt, dann darf er zu seinem Stamm zurückkehren. Dort weiß jeder, dass wenn er bemalt zurückkommt, dass er neue Zeremonien kennt.24

TAKKAN

Beim Kabi Stamm treffen wir auf TAKKAN (42), eine Kombination aus Fisch und Schlange, die als Regenbogen in tiefen Wasserlöchern lebt, die sie durchwandern kann. Takkan hat auch magische Macht, denn sie kann den Männern, die viele Kristalle im Körper besitzen, diese Macht in Form eines magischen Seils (BUKKAR) übergeben. Auch dies geschieht wieder unter Wasser.25

In beiden Beispielen kommt der Schlange also eine sehr wichtige Rolle bei der Initiation zu.

KURREA

Ein anderes Beispiel vom Barwon River (35) zeigt wiederum den gefährlichen Aspekt der Schlange. Sie heißt hier KURREA und da sie nicht auf dem Trockenen reisen kann, bildet sie ständig neue Nebenarme des Flusses, der dadurch unberechenbar ist. Es ist verboten, auch nur auf dem Fluss zu fahren, geschweige denn zu fischen oder gar zu schwimmen, andernfalls wird man verschlungen.26

Die Mythen um die Schlange dienen also auch dazu, sich Naturphänomene zu erklären.

YERO

Frau McConnel beschreibt noch eine weitere Gestalt aus dem nördlichen Queensland in der Gegend des Daintree und des Bloomfield Flusses (39), nämlich eine schlangenähnliche Gestalt namens YERO. Auch diese steht mit tiefen Wasserlöchern, Gewitterstürmen und auch mit Wasserfällen in Verbindung. Hier kommt neben ihrem gefährlichen Aspekt auch ein heilender zum tragen, da das Baden in den Wasserlöchern eine heilende Wirkung ausüben soll.27

Wir haben hier gegenüber den Mythen Süd- und Westaustraliens neben Gemeinsamkeiten wie den Tabuvorstellungen und der Bedeutung bei der Initiation eine Neuerung, nämlich die, dass der Regenbogenschlange heilende Wirkung zugesprochen wird.

c)Arnhemland

Im tropischen Klima des Arnhemlandes entwickelten sich die wohl komplexesten Regenbogenschlangen-Mythen ganz Australiens, ausgelöst durch die extremen Gegensätze zwischen Regen- und Trockenzeit und zum anderen durch die Auseinandersetzung mit dem Konzept einer weiblichen Schöpfergottheit, die erst relativ spät eingeführt worden sein soll.28

BILUMBIRA

Die Regenbogenschlangen hier sind vielfarbige, sehr gefährliche Wesen mit langen vorstehenden Zähnen. Es heißt, dass die BILUMBIRA genannte Schlange während der Trockenzeit in einer Gruppe untergetauchter Felsen am Meeresboden (49) lebt und jeden, der mit dem Kanu auch nur in die Nähe kommt, vernichtet.29Sobald die Regenzeit beginnt, verlassen sie ihre Wohnung und verursachen riesige Gewitterwolken, in denen sie reisen. (Abbildung 14)30Donner ist ihre Stimme und der Blitz ihre Zunge. Wieder ein Beispiel, wie man sich die Naturerscheinungen, die in diesem Gebiet ja gewaltig sein müssen, erklärt.

*Liverpool River

Es gibt auch Blitzschlangen, die WUNUNGA genannt werden (50), die man während der Regenzeit oft von Wolke zu Wolke wandern sieht. (Abbildung 15)31Eine weitere Blitzschlange ist WALA-UNDAJUA (Abbildung 16)32(51). Auch sie durchwandert in der Regenzeit den Gewitterhimmel, wobei sie mit ihren langen Armen, den Blitzen, allen möglichen Schaden auf der Erde anrichtet: Bäume werden gespalten, das Gras in Feuer gelegt und manchmal auch Menschen getötet.

*Western Arnhem Land

Im westlichen Arnhem Land stoßen wir auf die Umwandlung eines Emus in eine Regenbogenschlange GURUGUDJI. Diese wurde als Emu von Jägern verfolgt, konnte diesen aber entkommen, verwandelte sich daraufhin in eine Regenbogenschlange und verschlang die beiden Jäger. Daraus lassen sich möglicherweise Jagdvorschriften in diesem Gebiet ablesen und jedesmal, wenn man ein falsches Tier jagt wird man verschlungen.

NGALJOD

Diese Regenbogenschlange (Abbildung 17)33lebt während der Trockenzeit im Gudjamandi Wasserloch. Sie ist sehr farbenprächtig und hat sehr lange Barthaare und Zähne. Während der Monsunregen steigt sie als Regenbogen zum Himmel auf. Die Schlangen in dieser Gegend reagieren allergisch auf jegliche Art von Geschrei, besonders auf das von Kindern. Dazu die Geschichte von Ngaljiod und den hungernden Kindern:

Eine Familie mit vielen Kindern lebte in der Nähe des Wasserlochs von Ngaljod. Eines Tages starben die Eltern und die Kinder wurden einem Mann zugesprochen, der sich nicht besonders viel Mühe gab, die Kinder zu ernähren und groß zu ziehen. Da die Kinder ständig hungerten, schrien sie auch immer nach etwas zu essen. Die Schlange war so verärgert über das ständige Geschrei, dass sie aus ihrem Wasserloch emporstieg und das ganze Land überflutete. Der Mann konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, die Kinder aber konnte nicht einmal mehr das Erklimmen eines Baumstumpfes vor dem Ertrinken bewahren.

In diesem Mythos kommt eindeutig der krasse Widerspruch von Regen- und Trockenzeit zum Ausdruck, wobei es in diesem Gebiet ja so ist, dass die Regenzeit die Zeit der Entbehrung ist und deshalb als Strafe empfunden wird.

*Nordöstliches Arnhem Land

YURLUNGUR

Auf ein sehr kleines Gebiet im Norden Australiens ist der Murngin Mythos von den beiden Wawilak Schwestern und der Regenbogenschlange beschränkt, die ich kurz erzählen will. (Mythen der Dua und Jiritja Moieties)

Die zwei Wawilak Schwestern und ihre Kinder verließen in der Zeit von Bamun ihr Land und wanderten zum Meer. Auf ihrem Weg dorthin gaben sie den Pflanzen und Tieren, die sie aßen, ihren Totemnamen. Auch den Clanterritorien gaben sie ihre Namen. Aber bevor sie ihr Ziel erreichten, hatten sie Inzestbeziehungen zu ihren Clansmännern (Duaclan). Die jüngere Schwester wurde schwanger und gebar ihr Kind, als sie am Wasserloch von YURLUNGUR dem Pythontotem der Dua Moeity Halt gemacht hatten. Dabei floss etwas Menstruationsblut in das Wasserloch. Die Schlange roch die Verunreinigung und kroch aus ihrem Loch, spuckte in den Himmel, woraufhin eine dunkle Wolke am Himmel erschien und bald heftige Wolkenbrüche und eine Flut die Schwestern und ihre Kinder überschütteten. Sie wussten bald, dass dies ein Werk von Yurlunggur war und versuchten ihn durch Gesänge zurückzudrängen. Letztendlich sangen sie auch Männergesänge, die für sie tabu waren und erreichten damit aber nur, dass sie alle verschlungen wurden. (Abbildung 18)34Als die Schlange sich zum Himmel erhob, stieg die Flut mit ihr und überschwemmte die ganze Erde samt Vegetation. Als sie wieder herunterkam, ging auch die Flut zurück. Die Schlange spie schließlich die Frauen und die Kinder wieder aus. Sie verschlang sie aber nocheinmal, bevor sie die Frauen allein wieder ausspuckte. Die Söhne aber behielt sie und deshalb müssen alle Kinder heute beschnitten werden, weil die Wawilak Schwestern ihre Söhne nicht mehr beschneiden konnten. Als die beiden Wongar Männer ihre Frauen suchten, erfuhren sie was schreckliches passiert war. Als sie an der Stelle ankamen, wurden sie von den beiden Wawilak Schwestern in allen Zeremonien und Liedern unterrichtet, die bis heute von deren Nachfahren getanzt werden.35

Einen fast identischen Mythos gibt es von der Jiritja Moietie mit den Djunkgao Schwestern und der Schlange Jurlungur.

Interessant ist in diesem Fall, dass es sich bei den Wawilak Schwestern um die Töchter der beiden Schöpfergöttinnen Djanggawul handelt, die vom Arafurasee stammen. Die Schöpfung und alle damit verbundenen Dinge wurden also von Frauen erledigt, diese lehrten die Männer sogar all ihre Zeremonien und Tänze. Es handelt sich also nicht um die Regenbogenschlange, die den Initianten Wissen vermittelt, sondern um Frauen, die noch vor den Männern verschlungen und wieder ausgespuckt, also initiiert wurden. Nebenbei kommt dem Mythos auch noch die Aufgabe zu, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten, indem gewisse Tabuvorstellungen angesprochen werden, wie Inzest oder "Frauen singen Männergesänge". Mir wurde dabei jedoch nicht ganz klar, weshalb die Frauen, die den Männern ja offensichtlich erst die Lieder beibrachten, diese nicht singen durften?!

*Daly River Gebiet

KUNMANGGUR

(61) Im Gebiet des Murinbata Stammes gibt es die Mythe von der Regenbogenschlange KUNMANGGUR, in der man wieder viele der typischen Charakteristika der Schlange wiederfindet. Sie erscheint als Wächtergeist und wird mit Wasservorkommen in Verbindung gebracht. Zusammen mit ihrem Gefährten KANAMGEK soll sie die mythische Quelle der Geistkinder, Tiere, Fische, Regen, Wasserlöcher und überhaupt für das natürliche Wachstum sein.

Man erzählt, dass Kunmanggur früher ein riesiger Mann mit übermenschlichen Kräften war, der aber auch eine sanfte, wohlwollende Seite hatte. Eines Tages wurde er jedoch von seinem Sohn Tjiminin so schwer verwundet, dass er die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte und Selbstmord begehen wollte. Er wollte aber den Menschen noch Schaden zufügen, indem er alles Feuerholz zusammensuchte um dieses mit in das Wasserloch zu nehmen. Zum Glück für die Menschen konnte aber ein anderes Stammesmitglied das Feuerholz retten. Nach diesem Zwischenfall verwandelte sich Kunmanggur in eine gefährliche Regenbogenschlange (Abbildung 19)36

Alle Feststellungen die man zum Regenbogen machen kann, sind in Kunmanggur vereinigt und es sollen sogar Geistkinder und Fledermäuse in seinem Wasser enthalten sein. So teilen die Aborigines das Regenbogenspektrum in drei Bänder. Das dunkelste (Blau-violett) wird mit Kunmanggur gleichgesetzt. Das mittlere (Grün-gelb) gilt als sein schlauchähnlicher Fortsatz. Und das letzte Band (orange-rot) stellt Kanamgek dar. Die Abbildungen fünf verschiedener Höhlenzeichnungen von Kunmanggur zeigen schon den Einfluss der Kimberley Ranges in Nordwest Australien, auf die ich gleich noch zu sprechen komme. Denn die Figuren erinnern deutlich mehr an die Wondjinadarstellungen, als an die bisher gesehenen Regenbogenschlangen-Darstellungen.37

d)Kimberley Ranges

WONDJINA / UNGUD

(62) Typisch für diese Region im Nordwesten Australiens sind Felszeichnungen in Form von menschlichen Gestalten ohne Mund und mit kreisrunder Haartracht.

Mythen dieser Gegend beschreiben, wie eine Reihe von Wondjinas, die ersten Männer, aus dem Norden kamen und über die Erde wanderten, wobei sie diese in die heutige Form brachten. Nachdem sie ihren Schöpfungsakt beendet hatten, hinterließ jeder Wondjina sein Abbild und das von anderen Pflanzen und Tieren auf den Höhlenwänden, bevor sie sich in tiefe Wasserlöcher zurückzogen.38

Was aber haben diese Wesen mit der Regenbogenschlange gemein?

Zunächst kann man feststellen, dass auch die Wondjinas mit Donner, Blitz und Regen in Verbindung gebracht werden. Außerdem bestrafen auch sie alle fremden Eindringlinge, die sich ihrem Wasserloch nähern. Und sie sichern nochdazu den Vorrat an Geistkindern. Daneben gibt es aber gewisse Unterschiede, so schreibt z.B. Mountford, dass die Regenbogenschlange im allgemeinen nicht dafür bekannt war, die Topographie des Landes geschaffen zu haben.39Aber auch hier gibt es Ausnahmen an der Nordküste, was die Vermutung zulässt, dass es sich hier um eine Variante handelt, die sich speziell im Norden ausgebildet hat. Es könnte daher leicht sein, dass es überhaupt keinen Unterschied in dieser Form gegeben hat und dass wir nur auf Grund von Forschungslücken von einem solchen ausgehen. Es wären demnach im Norden alle Darstellungen, ob nun als Schlange, als Wondjina oder als Echse Ausdruck ein und derselben Konzeption. Auslöser für diese sehr variantenreiche Darstellungsart denke ich sind im Klima und in einem Fremdeinfluss zu suchen.

-Forest River District

BRIMURER (56)

Auch hier gilt die Regenbogenschlange als Quelle für die Macht der Medizinmänner. Ich möchte hier kurz einen Initiationsritus erzählen, der Elkin im Forest River Distrikt erzählt wurde. Die Regenbogenschlange nennt man hier BRIMURER oder UNGUR.

Alles beginnt mit einem Flug in den Himmel. Der Meister in Gestalt eines Skelettes hängt sich einen Beutel um, in den er den geschrumpften Initianten steckt, setzt sich auf den Rücken der Regenbogenschlange und zieht sich wie an einem Seil nach oben. Fast am Ende angekommen wirft er den Initianten in den Himmel um ihn zu "töten". Am Himmel angekommen legt er kleine Regenbogenschlangen und Quarzkristalle in den Initianten. (Der Medizinmann selbst erhält diese Gegenstände in dem Wasserloch.) Dann kommen beide wieder herunter, der junge Mann erreicht wieder seine normale Größe. Dieser Ritus wird an den folgenden Tagen wiederholt.

-Walcot Inlet District

UNGUD

In diesem Gebiet siedelt der Stamm der Ungarinyin, von denen wir in einem früheren Referat schon erfahren haben. Die Regenbogenschlange heisst hier Wondjina oder UNGUD. Dieses Wesen repräsentiert im Glauben der Menschen die Traumzeit, in der sich die Gesetzmäßigkeiten für heutige Riten und Gebräuche begründen. Sie wird auch hier mit dem Regen, dem Wachstum und der Beständigkeit der Menschheit assoziiert.

-La Grange District

MAIANGARA

Beim Stamm der Karadjeri kennt man die Regenbogenschlange unter dem Namen MAIANGARA. Sie ist von rötlicher Farbe trinkt Unmengen an Wasser während der Regenzeit, verursacht dann einen heftigen Wind, der es ihr ermöglicht, den Regen zu stoppen und gleichzeitig einen Regenbogen zu formen.40

BULAIN

Piddington hat auch Untersuchungen zur Regenbogenschlange beim Karadjeri Stamm durchgeführt und berichtet von BULAIN, einer riesigen Wasserschlange mit großen Augen und langen Ohren, die nicht in Verbindung zum Regenbogen zu stehen scheint. Das Töten dieser Schlange ist sehr gefährlich, da sie, wenn sie platzt, eine riesige Überschwemmung verursacht. Es heißt, dass sie entstand, als die beiden Kulturheroen BAGADJUMBIRI starben, die alle Naturerscheinungen und soziale Einrichtungen geschaffen haben. Deren Geist BILYUR wurde zu Magellanwolken und ihr Körper zeigte sich in Form von Bulain.

In einem Mythos kommt auch eine Verbindung der Schlange mit den Sternen zum Ausdruck: Zwei Frauen, Wolabun und Yerinyeri gingen immer zusammen Nahrung sammeln. Als Yerinyeri die andere immer erschreckte, indem sie von einer Schlange erzählte, die ganz in Wolabuns Nähe sei, wurde diese wütend und trug in einem unbeobachteten Moment eine tote Bulain in ein Wasserloch, wodurch diese wieder zum Leben erweckt wurde. Erst wurde Yeriyeri erschreckt, dann verschwanden aber beide Frauen im Wasserloch. Es heisst, dass die Sterne Canopus und Sirius die beiden Frauen verkörpern, während die Schlange die Kette aus Sternen zwischen diesen beiden sein könnte.41

Interessant ist dabei, dass diese Sterne genau zu der Zeit sichtbar sind, wenn im Dezember die Trockenzeit von der Regenzeit abgelöst wird und eine starke Veränderung für alle Lebewesen verursacht.

3.Zusammenfassung des Motivschatzes in den Regenbogenschlangenmythen ganz Australiens Aus Zeitgründen konnte ich nicht alle Mythen darstellen und deshalb will ich nocheinmal alle wichtigen Aspekte der Schlange kurz zusammenfassen. Es kann also durchaus sein, dass auch Kennzeichen auftauchen, die vorher noch nicht besprochen wurden.

-Regenbogen

Es gibt drei verschiedene Arten die die Schlange in Verbindung mit dem Regenbogen zeigen:

a) Die Schlange macht den Regenbogen, oder sie ist identisch mit ihm, oder sie kann seine Gestalt annehmen, um zu wandern oder um den Regen zu beenden.

b) Die Schlange ist die Personifizierung einer schlangenähnlichen Naturerscheinung wie der Milchstraße, einem Strudel oder dem Blitz.

c) Der Regenbogen kann auch als Widersacher der Schlange auftreten.

-Traumzeit und Schöpfung

a) Die Schlange gilt als Schöpferin aller Lebewesen, Gestirne, des Wassers und der Landschaft während der Traumzeit.

b) Die Schlange hat zumindest einen Teil der Lebewesen, der Landschaft und der Erde erschaffen, möglicherweise auch das Blut.

c) Die Schlange wurde entweder von zwei Kulturheroen geschaffen oder war selbst vor ihrer Verwandlung ein Heros.

d) Der Name der Schlange bezeichnet die Traumzeit, das Wasser und die Erdoberfläche.

e) Die Schlange hatte in der Traumzeit die Aufgabe der Kulturbringerin, so verteilte sie Keime der Geistkinder, gab den Menschen die Perlmuscheln und lehrte sie Regen zu machen.

f) Bestimmte Sterne oder Sternbilder verkörpern die Schlange oder Teile von ihr.

g) Vogel oder Fledermaus treten als Widersacher der Schlange auf.

h) Die Schlange ist ein Totem und hat in der Traumzeit die Heiratsgruppen eingeteilt.

k) Die Schlange ist die Ahnherrin der Menschen und tote Tiere werden in ihrer Nähe wiederbelebt.

-Medizinmann

a) Der Medizinmann wird von der Schlange berufen und erst durch ihre Unterweisungen erhält er magische Fähigkeiten.

b) Die Schlange übergibt dem Medizinmann Perlmuscheln und Quarzkristalle und andere magische Objekte.

-Wohnort

a) Die Schlange lebt im Innern der Erde.

b) Die Schlange lebt im Wasser oder Sumpf oder in einem tiefen Wasserloch.

c) Die Schlange lebt in einem hohlen Baum oder in einem Stein.

d) Die Schlange lebt im Himmel.

*Aussehen

a) Die Schlange hat nur ein Auge, da ihr das andere während der Traumzeit von einem Heros herausgestochen wurde.

b) Die Schlange hat die Farbe des roten Ocker.

c) Die Schlange ist riesig groß und oder kann ihre Größe beliebig ausdehnen.

d) Die Schlange ist bunt.

e) Die Schlange hat einen Bart und lange Haare oder eine Mähne und große vorstehende Zähne.

-Aktivitäten und Eigenschaften

a) Die Schlange als Urheberin für Wachstum und Vermehrung der Natur oder Ursache für einzelne Naturphänomene, die in Beziehung zu Wasser und Regen stehen, wie Gezeiten, Strudel, Wind...

b) Die Schlange ertränkt oder frisst Angreifer, sowie Menschen die sie in ihrer Ruhe stören, oder gegen ein Tabu verstoßen haben.

c) Tote Schlangen werden durch Wasserkontakt wiederbelebt.

d) Die Schlange hat sehr guten Geruchssinn für Blut.

e) Die Schlange als Wächterin über Wasserloch und läßt nur Einheimische ans Wasser ran.

f) Eine Berührung mit der Schlange führt dazu, dass Wasser von dieser auf die Person übergeht, das dann wieder ausgeschwitzt werden muss (Fieber).

g) Die Schlange hat Angst vor Feuer.

h) Die Schlange tötet und frisst die Geister von Verstorbenen.

k) Die Schlange wird für die Menschen sichtbar, die von ihrem Wasserloch getrunken haben.

-Weitere Aspekte der Schlange:

Sie legt Eier.

Die Schlange ist zweigeschlechtlich.

Die Schlange tritt als Gatte der großen Mutter auf.

Die Schlange kann auch durch andere Tierarten ersetzt werden, wie Eidechse Krokodil, Hai, Aal oder als Mischwesen in Kombination mit diesen auftreten.

Ferner haben auch die Schuppen der Schlange besondere Zauberkraft (Schillern).

Die Schlange hat Kinder, die auch in Wasserlöchern leben, aber nicht-mythischen Tieren gleichen.

Die Schlange wird in manchen Gebieten auch nur auf Befehl eines Heros aktiv.

D.Interpretation

1.Verbreitung der Schlangenmythen

Man geht ja davon aus, dass sich die Mythen mit den Menschen ausgehend von der Cape York Halbinsel über ganz Australien verbreitet haben. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, sich auch die Mythen über die Regenbogenschlange unter diesem Aspekt anzusehen, die aus den Einwanderungsgebieten Melanesien bekannt sind. Hier müsste man ja dann auf die den australischen Mythen zugrundeliegenden Mythen stoßen. Die Mythen Australiens haben sich dann je nach klimatischen Voraussetzungen an die Lebensbedingungen angepasst. So erklärt sich schließlich auch, warum in Zentralaustralien der Schwerpunkt eher auf der Regulierung des Wassers liegt. Ich bezweifle jedoch, dass eine Einteilung der Mythen in vier klar zu trennende Regionen gerechtfertigt ist.

Meiner Meinung nach kann diese Einteilung der Schlangenmythen lediglich einer besseren Struktur für den Aussenstehenden dienen, vom Inhalt der Mythen her jedoch denke ich ist es nahezu unmöglich, diese streng regional abzugrenzen, da doch meist ähnliche Themen beschrieben werden.

Wenn man eine Einteilung vornehmen will, so wäre eine Zweiteilung eine Möglichkeit und zwar einmal in die nördlichen Gebiete, in denen die Mythen einem starken Fremdeinfluss unterliegen und sehr variantenreich und differenziert sind und zum anderen in den südlichen Bereich, in dem sich vielleicht noch eher die ursprünglichen Mythen erkennen lassen, wie sie bei der Einwanderung mitgebracht wurden. Abweichungen von Gebiet zu Gebiet lassen sich also auf Fremdeinflüsse, klimatische Unterschiede und auf die schon erwähnten verschiedenen

Interpretationsstufen zurückführen. Der Kerngedanke - oder besser die Kerngedanken - bleiben trotz verschiedener Varianten meiner Meinung nach überregional die gleichen.

2.Fremdeinflüsse

Vorallem im Norden lassen sich verschiedene Fremdeinflüsse nachweisen, die zu einem komplizierten Bild der Regenbogenschlangenmythen führen. So mussten sich die Mythen der Regenbogenschlange im Arnhemland beispielsweise mit dem Konzept einer weiblichen Schöpfergottheit auseinandersetzen, von dem man annimmt, dass es erst ziemlich spät nach Australien kam.42

Cordes unterscheidet drei verschiedene Integrationsschemata:

Zum einen wird die Regenbogenschlange teilweise verdrängt, indem sie ihre Traumzeitaktivitäten an die große Mutter abgibt, gewinnt aber gleichzeitig an Bedeutung in ihrer Funktion als Wächterin über die Wasserlöcher.

Zum anderen wird die Regenbogenschlange auch in den Kult der großen Mutter integriert, in dem sie die Position des Gatten einnimmt. Sie erscheint in diesem Fall als menschengestaltiger Heros, also einer Person, die sie vor ihrer Metamorphose in eine Schlange verkörperte. Deshalb treten auch die Eigenschaften der Regenbogenschlange bei ihr nicht auf. Drittens gibt es auch eine Verschmelzung der beiden Kulte, wobei die Regenbogenschlange bestimmte Merkmale der großen Mutter annimmt. Mit Hilfe eines Vogels, der ihr eine Wunde zufügt, kann sie Tiere, Pflanzen und Menschen aus ihrem Leib entlassen. Diese Beispiele zeigen die Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit der Schlange, ohne die sie die verschiedenen Positionen nicht hätte annehmen können.

Mit einem weiteren Fremdeinfluss müssen wir in der Kimberley Region rechnen, wo wir es mit den Wondjinas zu tun haben. Hier sind es jedoch weniger die Mythen, die von denen der Regenbogenschlange abweichen, als vielmehr die bildliche Umsetzung.

3.Regenbogenschlange als Begriff

Um den verschiedenen Wesen in der Mythologie Australiens gerecht zu werden, müsste man vielleicht noch einmal über den Begriff der Regenbogenschlange nachdenken. Es gibt ja - wie wir gesehen haben - überall Mythen mit gleichen Grundaussagen. Die daran beteiligen mythischen Wesen unterscheiden sich dagegen oft erheblich, so dass man nur anhand der Darstellungen diese kaum miteinander in Verbindung setzen würde. Schwierig wird es aber, versucht man einen Begriff zu finden, der etwas über die Aktionen dieses Wesens aussagt, da diese derart vielschichtig sind, dass man so garantiert zu keiner befriedigenden Lösung gelangen kann. Ich denke man wird keinen Begriff finden, der das Wesen in seiner Komplexität beschreiben kann und so muss es genügen, dass man den Begriff Regenbogenschlange als einen abstrakten Begriff ansieht, der als Synonym für alle von den Australiern gebrauchten Bezeichnungen für dieses Wesen steht. Falsch wäre es nur die Mythen heranzuziehen, in denen wirklich die Schlange und der Regenbogen vorkommen. Zumal wir ja nie sicher sein können, ob es nicht in demselben Stamm eine andere Person gibt, die eine Mythe erzählen könnte in der eine solche Verbindung existiert. Je nach Forschungslage kann man einmal mit wenig und das andere Mal mit viel Material arbeiten, vergisst man aber dieses Ungleichgewicht in der Bearbeitung zu berücksichtigen, so kann es leicht zu einem Missverhältnis in den daraus gezogenen Schlüssen kommen.

4. Bildträger und Landscape Archaeology

In meinen Ausführungen habe ich mich nicht ausschließlich auf Felsmalereien gestützt, sondern auch Bilder auf Rinde oder Stoff und Bodenmalereien mit einbezogen. Schon allein daraus mag eine gewisse Missinterpretation entstehen, da die Aborigines ursprünglich nur auf Fels gemalt haben und während der Zeremonien Bodenmalereien angefertigt haben. Tragbare Gegenstände waren soweit ich weiß nicht für Darstellungen verwendet worden. Erst mit den Weißen kam diese Bewegung auf, da diese ja gerne Souvenirs mitnehmen wollten, was eine Malerei auf Rinde und Stoff nahelegt, wobei man davon ausgehen kann, dass Rinde von beiden noch der ursprünglichere war.

Was sind aber die Gründe dafür, nur auf Gegenstände zu malen, die unverrückbar sind und somit in einem festen Zusammenhang mit der sie umgebenden Natur stehen? Erstens muss man sich in Erinnerung rufen, dass es ja nicht die Aborigines selbst waren, die die Felsmalereien angefertigt haben, sondern die Schöpferwesen waren es, die sich verewigen wollten. Aufgabe der Aborigines ist es nur diese Wesen wach zu halten, indem sie sie in regelmäßigen Abständen im Rahmen einer Zeremonie wieder nachzeichnen und somit Wachstum und Regen zubewahren.

Zweitens muss man eine Felszeichnung immer im Kontext betrachten, d.h. wie verhält sich der Fels zu seiner Umwelt, welche Bedeutung kommt ihm durch seine Lage zu. Zum Beispiel war es im Arnhemland so, dass während der Regenzeit alle Menschen vor den Überschwemmungen in höhergelegene Höhlen flüchten mussten. Und in diesen Höhlen finden sich dann auch die unterschiedlichsten Zeichnungen, unter anderem auch solche mit der Regenbogenschlange. Was ich damit sagen will ist, dass bewegliche Bildträger das erste Anzeichen für einen Kulturwandel in Australien sind. Über diese Quelle wird man demnach weniger etwas über das geistige Erbe der Traumzeitwesen aussagen können, als vielmehr über die Anpassungsfähigkeit

der Aborigines an die veränderten Verhältnisse. So zeigen Beispiele moderner Künstler wie sie mit ihrer Vergangenheit umgehen, indem sie traditionelle mythische Wesen in einen modernen Kontext setzen.

5.Interpretationsversuche zu Regenbogenschlangenmythen

Nach Maddock gibt es grundsätzlich zwei verschieden Positionen:

Anhänger der ersten, wie auch Radcliffe-Brown sahen in der Regenbogenschlange "a clearly delineated figure filling what is normally an important place among other figures with which aboriginal mythology has populated the world."

Andere meinten, dass das, was wir als Regenbogenschlangen ansprechen "belong amid a host of fleeting forms in and through which a fundamental conception of the world is expressed." Ferner wird die Regenbogenschlange als Phallussymbol betrachtet, was sie zum männlichen Gegenstück der Muttergottheit werden läßt (Berndt 1951).

Auch wurde ihr Schlangenaspekt als spiralförmige kosmische Macht angesprochen und ihr Regenbogenaspekt als Emanation der Schlange. (Triebels 1958).

Eliade sah in ihr weder eine Schlange noch einen Regenbogen, sondern eine religiöse Struktur die Gegensätze in einer Ganzheit vereint. (Eliade 1973)43

All diese Ansätze zeigen erneut wie vielfältig die Bedeutung der Schlange wirklich war und dass man ihre Bedeutung nur erklären kann, indem man alle Interpretationen zu einem Ganzen zusammenfasst.

Die Regenbogenschlange steht demnach je nach Interpretationsstufe für verschiedene Dinge des Lebens. Angefangen vom Bewachen der Wasserlöcher, über kulturbringende Aufgaben bis hin zum Schöpferwesen repräsentiert sie alle Spektren des menschlichen Daseins und wurde deshalb von Radcliffe-Brown zurecht als göttliches Wesen beschrieben.

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1Megaw 1994: 294.

2Berndt 1974: Abbildung 38.

3Krempel 1993: 37-40.

4Eliade 1993: 11-12.

5Eliade 1993: 16.

6Cordes 1983: 149-151.

7Nagel 1968: Tafeln I und II.

8Ngaljod?

9Mountford 1978: 25.

10Mountford 1978: Figure 3 und 2.

11Mountford 1978: Figure 4.

12Mountford 1978: 30-32.

13Mountford 1978: 29.

14Mountford 1978: 34.

15Mountford 1978: 50.

16Cordes 1983: 164.

17Mountford 1978: 37.

18Mountford 1978: Figure 7 und 8.

19Mountford 1978: Plate 12.

20Mountford 1978: 51.

21Mountford 1978: 51-52.

22Radcliffe-Brown 1930: 342.

23Mountford 1978: 59.

24Mountford 1978: 59.

25Mountford 1978: 62.

26Mountford 1978: 60.

27McConnel 1930: 348.

28Cordes 1983: 154.

29Mountford 1978: 65.

30Mountford 1978: 66.

31Mountford 1978: 67.

32Mountford 1978: 68.

33Mountford 1978: 71.

34Mountford 1978: 77.

35Gardner 1990: 111-119.

36Mountford 1978: 81.

37Mountford 1978: 80.

38Mountford 1978: 84.

39Mountford 1978: 85.

40Elkin 1930: 349-351.

41Piddington 1930: 353.

42Cordes 1983: 154.

43Maddock 1978: 1-5.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Regenbogenschlange Australiens
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
25
Katalognummer
V103579
ISBN (eBook)
9783640019571
ISBN (Buch)
9783668218192
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regenbogenschlange, Australiens, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Birgit Kahler (Autor:in), 1998, Die Regenbogenschlange Australiens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103579

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Regenbogenschlange Australiens



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden