Mesopotamien als Möglichkeit für den Geschichtsunterricht


Seminararbeit, 1997

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Karte Mesopotamiens

2. Einleitung

3.1. Die geographischen Gegebenheiten Mesopotamiens
3.2. Die Geschichte Mesopotamiens

4. Pädagogische Möglichkeiten

5. Literaturverzeichnis

1. Karte Mesopotamiens

2. Einleitung

"Land zwischen den Flüssen". So nannten die Griechen zunächst den nordwestlichen Teil des Landes zwischen Euphrat und Tigris1 ; später übertrug man den Namen auf das Gesamtgebiet der zwei Ströme nach dem Austritt aus den Gebirgen Armeniens. Bis auf den syrischen Nordwestzipfel gehört Mesopotamien heute zum Irak und ist teils Steppe oder Wüste, teils Ackerbau- und (im Süden) Dattelzuchtgebiet. Im Nordwesten, dem alten Assyrien, reichen die Niederschläge zum Regenfeldbau aus, während der Südosten, einst "Sumer und Akkad", später Babylonien2, künstliche Bewässerung verlangt.

Nach keilschriftlichen und klassischen Zeugnissen erbrachte hier der Ackerbau bei intensiver Ausübung einst sehr hohe Erträge, so daß große Getreidemengen exportiert werden konnten. Heute ist das Land weitgehend versteppt; nur etwa 15% werden für den Ackerbau genutzt, und lediglich die Dattelkulturen im Süden gedeihen und liefern 80% der Weltproduktion. Eine andere Quelle des Wohlstandes bildete über die Zeitenwende hinaus der Handel, für den Mesopotamien durch seine Mittellage zwischen Ost und West und dank der Schiffahrt auf den Strömen prädestiniert war. Mißwirtschaft und die Verlagerung der Handelswege machten auch diesem Gewinn ein Ende, und die vernichtenden Mongoleneinfälle des 13. und 14. Jahrhunderts führten zu tiefgreifender Verelendung des Landes. Erst die Gewinne aus der modernen Erdölproduktion ermöglichen einen langsamen Wiederaufstieg. Der Tourismus, den die großartigen, freilich weit verstreuten Denkmäler der Vergangenheit anziehen könnten, ist infolge mangelnder Infrastruktur und häufiger politischer Unruhen noch unterentwickelt.

3.1 Die geographischen Gegebenheiten Mesopotamiens

Mesopotamien besteht im großen und ganzen aus einer flachen Alluvialebene3, die von Euphrat und Tigris aufgeschwemmt wurde. Die Fluten beider Flüsse waren heftig und unberechenbar, anders als die jährlichen Nilüberschwemmungen Ägyptens. Regen war schon zu allen Zeiten selten, und die Bebauung des Bodens hing wie auch heute noch fast ausschließlich von der künstlichen Bewässerung ab. Weite Regionen sind und waren Wüstengebiet, niedriges Gestrüpp wuchs nur an den Flußufern, an temporären Wasserläufen und an den Stellen, wo das Wasser sich dicht unter der Oberfläche sammelte und nicht abfließen konnte. Diese Vegetation bot zusammen mit den gegen dürre unempfindlichen Trockenpflanzen, die sich nach dem Winterregen üppig zu entwickeln pflegen, eine wertvolle Weide für Kamele und Schafe. Einmal bewässert aber, machte der fruchtbare Schwemmlandboden des Zweistromlandes zu einer der reichsten Kornkammern der Alten Welt. Die in der Hauptsache angebauten Kulturpflanzen waren damals wie heute Gerste und Dattelpalme, die beide im Lande heimisch sind. So war Mesopotamien zwar ein potentiell reiches Agrarland, doch verfügte es nicht über so wichtige Rohstoffe wie Stein, Holz und

Metalle. Das Land war tatsächlich ohne natürliche Rohstoffquellen, mit Ausnahme des allgegenwärtigen, alluvialen Lehms, der als Baumaterial für Häuser dienen konnte und den Ton für die Herstellung von Tongeschirr lieferte. Aus diesem Grund mußte der Handel schon früh entscheidende Bedeutung erlangen, und alsbald entstand ein engmaschiges Wegenetz, das Mesopotamien mit den übrigen Teilen des Nahen Ostens verband. Die Flüsse, besonders der Euphrat mit seinen Nebenflüssen, bildeten durch die Jahrhunderte hindurch die Haupt- verkehrsadern zu und von allen Teilen des Landes; Menschen, Waren und in späteren Zeiten militärischer Nachschub wurden auf ihnen befördert.

In den ausgedehnten Wüstengebieten, vor allem im südlichen Teil des Landes, gab es Lagunen und Sumpfgebiete mit hohem Wildbestand. Man hat angenommen, daß einst entlang den Flußufern, ausgedehnte Moore oder Sümpfe die Landschaft abwechslungsreicher gestalteten als sie heute ist.

Die ersten Menschen, deren Existenz man im späten 6.Jahrtausend vor Christi Geburt in Sumer nachweisen kann, waren Ackerbauern, welche in Gebieten siedelten, die heute Wüstenland sind, damals aber wahrscheinlich am Rande von Marschen4 und Lagunen gelegen waren. Archäologische Funde im benachbarten Saudi-Arabien lassen den Schluß zu, daß hier sogar schon früher Menschen siedelten, die wir zu den Jägern und Sammlern rechnen müssen. Für sie muß das Marschland das reinste Paradies gewesen sein. Diese ausgedehnten und wie ein nasser Schwamm mit Wasser vollgesogenen Gebiete veränderten ihre Gestalt und ihr Aussehen je nach Grad der Überflutung und der periodisch erfolgenden Absenkung des Grundwasserspiegels, die von den tektonischen Bewegungen im nahe gelegenen Zagros-Gebirge bzw. im arabischen Schild im Süden und Westen hervorgerufen werden.

Außerhalb des Sumpflandes vollzog sich die Besiedlung zwangsläufig an den Flußläufen.

Diese Besiedlungen ballten sich in bestimmten Gegenden in denen künstliche Bewässerungssysteme leichter angelegt werden konnten, oftmals dicht zusammen. Dann gab es wieder weite Strecken, wo der Fluß durch die Wüste floß. Diese Strecken blieben menschenleer. Dieses Siedlungsmuster schuf im alten Sumer zwei Gruppen von Städten, die durch ein offenes Wüstengebiet voneinander getrennt waren. Diese geographisch bedingte Isolierung voneinander mußte die separatistischen Bestrebungen der Stadtstaaten geradezu begünstigen, die in der politischen Geschichte Mesopotamiens ein dauerndes und machtvolles Leitmotiv darstellen.

Da der Euphrat recht träge in seinem ziemlich hoch gelegenen Flußbeet fließt, stellte er für die künstliche Bewässerung eine einfacher anzuzapfende Quelle dar als der schneller fließende Tigris. Deshalb findet man am Euphrat die frühesten Siedlungen die man in Sumer kennt: Ur, Eridu und Uruk (Warka).

Über das Siedlungswesen des prähistorischen Akkad weiß man nur wenig, was in der Hauptsache wohl auf die Verlagerung der Flußläufe und die starken Versandungen zurückzuführen sein dürfte.

Das Gebiet Mesopotamiens gehört heute in die subtropische Zone mit 3-5 humiden Monaten, d.h. es handelt sich um ein Wüstenklima mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von über 18°C. Im Januar schwanken die Temperaturen zwischen -10°C und +10°C. Im Juli dagegen werden +30°C bis +40°C mittlere Temperatur erreicht. Die Niederschläge im langjährigen Mittel bewegen sich zwischen 0 und 1000 mm Höhe.5

3.2 Die Geschichte Mesopotamiens

Lange Zeit war dieses Gebiet und seine Geschichte nur durch die Berichte der Bibel und die ungenauen Schilderungen der Autoren der Antike bekannt. Erst als Mitte des 19.Jahrhunderts archäologische Funde gemacht wurden und später dann auch die babylonische Schrift entziffert wurde, kam Licht in das Dunkel der Geschichte.

Die Vorgeschichte dieses Gebietes läßt sich dennoch nur schemenhaft darstellen. Um 1760 v.Chr. sind wohl die nordwestiranischen Churriter nach Assyrien und Nordmesopotamien vorgestoßen, die hier und später auch in Syrien und Palästina churritische Staaten bildeten. Für etwa 1640 v.Chr. lassen hethitische Berichte auf die Existenz eines auch auf Ostkleinasien übergreifenden Churriterreichs in Mesopotamien schließen. Vermutlich in dieser Zeit, sicher aber vor 1500 v.Chr., rissen in den meisten Churriterstaaten aus Iran nachstoßende arische Adelsgruppen die Führung an sich. Diese Arier, die sich wahrscheinlich im Aralseegebiet von den späteren Indern gelöst hatten, vermachten den Völkern im Vorderen Orient Lehn- und Fremdwörter aus dem Bereich der

Pferdezucht und des Wagenbaus, so daß angenommen werden kann, daß der von Pferden gezogene schnelle Streitwagen mit leichten Speichenrädern von diesen Ariern nach Vorderasien gebracht wurde. Aufgrund der großen Beweglichkeit der Streitwagen konnten die kleinen arischen Krieger- gruppen die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen der vorderasiatischen Völker recht schnell in die Knie zwingen. Die Unterlegenen machten sich die neue Kampfweise schnell zu eigen, bedurften dazu aber arischer Lehrmeister.

Die erste arische Reichsgründung ist das Reich Mitanni oder Maitani in Mesopotamien (etwa 1530-1350 v.Chr.). Seine Hauptstadt trug den arischen Namen Wassukkanni und konnte bisher noch nicht gefunden werden. Dafür geben Funde in zwei Provinzstädten, dem nahe der Westgrenze gelegenen nordsyrischen Alalach und dem osttigridischen Nuzi bei Kerkuk (da- mals Arrapcha), Aufschluß darüber, daß man in beiden Städten in Keilschrift schrieb und zwar ein etwas mangelhaftes Akkadisch, das mit vielen churritischen und einigen arischen Wörtern und Wendungen durchsetzt war. Ansonsten ist über das Mitannireich nur sehr wenig bekannt. Es wird nur davon berichtet, daß sich hier einige benachbarte Völker trafen, die aus verschiedenartigen Gründen in dieses Land kamen und, daß man mit den Ägyptern des öfteren in kriegerischen Auseinandersetzungen war und später dann in deren Abhängigkeit geriet.

Ägypten war zu dieser Zeit eindeutig die Vormacht des Orient und wurde auch weiterhin als primus inter pares 6 anerkannt. Die anderen Großmächte waren Babylonien und Mitanni, die sich vergeblich dem Aufstieg Assyriens und des Hethiterreiches widersetzten. Schon 1595 v.Chr. konnten sich die Hethiter nach einem Raubzug in Babylonien festsetzen. Die folgenden Jahrzehnte liegen leider noch völlig im Dunkeln der Geschichte. Jüngeren Überlieferungen zufolge wurde die von den Hethitern aus Babylon entführte Statue des Gottes Marduk nach 24 Jahren wieder zurückgeschickt, vermutlich gegen eine vom Kassiten könig7 angebotene Kompensation. Das Interesse der Kassiten an dem Gottesbild ist ein Zeichen dafür, daß ihre Könige schnell lernten, sich als Babylonier zu fühlen. Dieser Umstand machte es dann zu einem Leichten, ganz Babylonien durch Intrigen und kleinere Kriege ganz in hethitische Hand zu führen. Neben den genannten Großstaaten existierten vor allem im Raum Syrien-Palästina Klein- und Kleinststaaten, die zum Teil heftig in der großen Politik mitmischten.

Im Raum dieser Kultur vollzog sich seit etwa 1700 v.Chr. der Übergang von den gemischten Wort- Silben-Schriften der Ägypter, Babylonier und Kreter zur Buchstabenschrift. Zunächst traten über hundert meist noch bildhafte Silbenzeichen auf8. Vermutlich vereinfachten um 1400 v.Chr. die Phönizier diese Schrift zur phönikischen Konsonantenschrift. Etwa zur gleichen Zeit entstand auch das Keilschriftalphabet von Ugarit, dessen 30 Zeichen teilweise die gleiche Grundform haben. Seltsamerweise blieben die Ägypter, Babylonier und Hethiter bei ihren alten Schriftsystemen mit den hunderten von Zeichen.

Um 1460 v.Chr. eroberten die Kassiten das ihnen noch fehlende Gebiet Babyloniens. Von diesem Zeitpunkt an bildete ganz Babylonien nur noch eine große politische Einheit, ein Zustand, der auch unter berühmteren Herrschern nur selten erreicht wurde. Tatsächlich haben unter der kassitischen

Oberherrschaft offenbar auch die alten separatistischen Bestrebungen der sumerischen Stadtstaaten9 nachgelassen, ein Erfolg, der gewiß nicht zuletzt auf das Konto der Aufmerksamkeit ging, die die spätkassitischen Monarchen diesen alten Zentren entgegenbrachten.

Die Kassiter zeichneten sich einerseits durch die guten Beziehungen zu Ägypten und andererseits durch ihre enorme Bautätigkeit aus. Die Beziehungen zu Ägypten zeigen, welchen Stellenwert die Kassiter inzwischen auf dem politischen Parkett jener Zeit hatten. Dies ist durch zahlreiche Briefe und Geschenke belegt10. Um 1415 v.Chr. hatte sich ein regelmäßiger Kurierdienst zwischen Ägypten und Babylonien etabliert, und babylonische Karawanen zogen weit nach Syrien, Ägypten und Anatolien hinein. In dem verworrenen Gespinst internationaler Diplomatie spielte Ägypten zunächst die größere militärische Rolle, die Sprache der Diplomaten allerdings stellte Babylon. Die Kassiter machten auch erfolgreiche Innenpolitik. In den alten sumerischen Städten gelangten in dieser Zeit umfassende Bauprogramme zur Ausführung. In Uruk z.B. ließ Kara-indasch 11 einen neuen Tempel für Innin (auch Innana oder Ischtar)12 errichten.

Um 1390 v.Chr. erhielt Babylon große Mengen an Gold, das damals Silber als Zahlungsmittel vorübergehend abgelöst hatte, aus Ägypten. Mit Hilfe dieses Goldes entwarf der kassitische König Kurigalzu ein ehrgeiziges Bauprogramm für eine ganze Reihe von sumerischen Städten, wie Ur, Erindu und Uruk. Dennoch blieben Neubauten in Sumer selten. Die Kassiter konzentrierten sich eher auf den Wiederaufbau von verfallenen Bauwerken. Mit dieser Politik gelang es den Kassitern, die Sumerer in den neuen Staat einzugliedern. Große Teile des

Goldes flossen auch in die Errichtung einer neuen befestigten Stadt, Dur-Kurigalzu, an der Peripherie des heutigen Bagdad gelegen. Immerwieder wurde angenommen, daß diese Gründung als neue Hauptstadt dienen sollte, aber aus zeitgenössischen Dokumenten geht

eindeutig hervor, daß Babylon auch für die Kassiten die Metropole des Landes blieb und das bedeutendste Zentrum für Religion, Politik und Handel: an Babylon hing die Königswürde.13

Gegen Ende des 14.Jahrhunderts v.Chr. erscheint auch Ägypten wieder auf der Bildfläche der vorderasiatischen Politik. Ein unglaubliches Ereignis für die Alte Welt: das stolze Ägypten, welches weder Prinzessinnen ins Ausland verheiratete, noch einen fremden Prinzen einheiraten ließ, bat um einen hethitischen Königssohn. Die Hethiter mißtrauten natürlich diesem Angebot und fragten nochmals nach. Nach der Wiederholung der ägyptischen Bitte wurde dann tatsächlich ein hethitischer Prinz nach Ägypten geschickt. Seine Ermordung in Ägypten löste eine fast hundertjährige Feindschaft zwischen beiden Staaten aus. Um 1300 v.Chr. trafen dann sogar

ägyptische Truppen unter Ramses II. 14 auf die Hethiter. Diese Schlacht bei Qadesch 15 am Orontes in Syrien war ein strategischer Sieg für die Hethiter. Zu jener Zeit nahmen die Hethiter wieder freunschaftliche Beziehungen zu den Kassiten auf, was mit der Besorgnis zu erklären ist, mit der diese beiden Königreiche die zunehmende Macht, der vom Joch der Mitanni befreiten Assyrer beobachteten. Glanz und Niederlage der Reiche lagen in diesen Zeiten nah beieinander: schon um 1200 v.Chr. wurde das hethitische Großreich Opfer einer großen Völkerwanderung. Die sogenannten Seevölker machten nach Kleinasien, das sie noch mit Ochsenkarren durchzogen hatten, die küstennahen Gebiete des Mittelmeeres unsicher. Die letzten kleineren hethitischen Fürstentümer erlagen den Assyrern. Im 8. und 9. Jahrhundert v.Chr. gingen die Hethiter in neuen Völkern auf16.

Teile der Seevölker siedelten an den ägyptischen Grenzen und waren als Söldner tätig, während eine andere Gruppe, die Peleseten, in Südkanaan, in der Gegend von Gaza, lebte. Von dieser Gruppe, die später den Namen Philister erhielt, hat das Gebiet seinen Namen: Palästina 17. Die Ereignisse des 11.Jahrhunderts v.Chr. liegen noch ziemlich im Dunkeln, da die archäologischen Funde sehr lückenhaft sind. Doch sobald es wieder Zeugnisse gibt, zeigt sich, daß sich die politische Landkarte des Nahen Ostens stark verändert hat. Die früheren Großmächte Ägypten, Babylonien und Assyrien sind erheblich geschwächt, das Hethiterreich von der politische Bühne völlig verschwunden. Die nomadischen Aramäer 18 siedelten in Syrien und entlang des Euphrat. Im 10.Jahrhundert v.Chr. erstreckten sich ihre Königreiche sogar bis auf assyrisches Territotium. Das Königreich Damaskus mit der gleichnamigen Oase als Mittelpunkt entwickelte zum größten dieser Reiche. Die Assyrer waren das erste Volk, das den größten Teil des Nahen Ostens in einem Reich vereinigte. Zwar hatten schon die Hethiter und Ägypter ihre Territorien weit ausgedehnt, aber die von ihnen unterworfenen Völker wurden dann von hethitischen bzw. ägyptischen Vasallen regiert. Demgegenüber entwarfen die Assyrer ein System der Provinzialregierung.

Das assyrische Reich unterschied sich also von den früheren Reichen nicht nur durch seinen Umfang, sondern auch durch seine hoch organisierte Verwaltung.

Das Kerngebiet Assyriens befand sich in Nordmessopotamien am Tigris. Hier hatten die Assyrer schon seit etwa 3000 v.Chr. in Assur, der Hauptstadt, und Ninive, der Stadt der Ischtar, Heiligtümer errichtet. Im ersten Jahrtausend seiner Geschichte wurde Assyrien, das an den bedeutendsten Handelsrouten nach Anatolien lag, von Sumer beherrscht.

Als das hethitische Reich zusammengebrochen war und der Niedergang Ägyptens begonnen hatte, füllte Assyrien das so entstandene politische Vakuum. Es etablierte sich als Hegemonialmacht und gewann das Territorium zurück, das einst an die Aramäer verloren gegangen war. Im 9.Jahrhundert v.Chr. schob Assyrien seine Grenzen bis zum Euphrat vor und machte die Königreiche in Nordsyrien zu Vasallenstaaten. Gegen Ende der Regierungszeit von König Salmanassar III. (858- 824 v.Chr.) wendete eine Revolution in Assyrien das Blatt. Sie ermöglichte dem Königreich Urartu, das im Nordosten lag, seinen Einfluß auszudehnen und die Handelsrouten im Osten unter seine

Kontrolle zu bringen. Ebenso unterwarf es sic die syrischen Vasallenstaaten, auf die Assyrien angewiesen war, da es von dort seine Soldaten, Metalle und Pferde bezog. Die erste Hälfte des 8.Jahrhunderts v.Chr. ist durch eine schwache Zentralregierung in Assyrien gekennzeichnet. Die Provinzgouverneure regierten praktisch als unabhängige Herrscher. Das änderte sich erst, als 745 v.Chr. Tiglatpilesar III. den Thron bestieg. Dieser König bereinigte die schon lange schwelende Grenzstreitigkeiten mit Babylonien, indem er Assyriens Position festigte und die Grenzen weiter nach Syrien verlegte. Danach eroberte er Babylon und wurde 729 v.Chr. König von Babylonien. Er unternahm auch einen Feldzug gegen das Königreich Urartu, konnte jedoch die Macht seines großen Rivalen nicht brechen, das gelang erst Sargon II. (721-705 v.Chr.). Im Westen gewann Tiglatpilesar die syrischen Staaten zurück und unterstellte sie direkt der assyrischen Herrschaft. Wenig später nahm er Damaskus ebeno wie einige Randgebiete Israels. Unter Sanherib (704-681 v.Chr.) drangen die Assyrer in Palästina ein, besiegten die Küstenstädte, warfen die Ägypter zurück, überrannten Juda und belagerten Jerusalem, das zwar nicht genommen, aber immerhin tributpflichtig gemacht werden konnte. Als es wieder einmal Schwierigkeiten mit Babylonien gab, marschierte Sanherib nach Babylon, zerstörte es und baute Ninive als Hauptstadt aus. 675 v.Chr. griff Assarhaddon (680-669 v.Chr.) Ägypten an, nahm Memphis ein und rief sich selbst zum König aus. Aber kaum daß er das Land verlassen hatte, gewann der reguläre Pharao die Macht wieder zurück.

Schließlich erreichte die Ausdehnung des assyrischen Reiches ihren Höhepunkt, als das Heer des Assurbanipal (668-627 v.Chr.) die ägyptische Stadt Theben nahm.

Die Assyrer galten als kriegsliebend und eroberungssüchtig, wie es in der Bibel nachzulesen ist und was auch zahllose Reliefs mit Schlachtszenen belegen19. Dieser Ruf begleitete sie nicht zu Unrecht: ihre Vasallen mußten Gehorsam schwören und Tribut zahlen, Rebellen wurden drakonisch bestraft, eroberte Städte wurden erbarmungslos geplündert und meist zerstört und ihre Einwohner in entlegene Gegenden des Reiches deportiert.

Die Eintreibung von Steuern in den Provinzen sowie von Tributen in den Vasallenstaaten führte hin und wieder zu Aufständen, die erbarmungslos niedergeschlagen wurden. Doch die gewaltige Ausdehnung überspannte schließlich die Kräfte Assyriens und zuletzt war das Land durch äußeren Druck und innere Spannungen so geschwächt, daß es dem Bündnis, das die babylonische Widerstandsbewegung unter Nabulpolassar (625-605 v.Chr.) mit den

Medern 20 geschlossen hatte, nicht mehr gewachsen war. Im Jahre 612 v.Chr. unterlag Ninive den vereinten Kräften der Babylonier und Meder.

Nach der endgültigen Niederlage Assyriens im Jahre 609 v.Chr. wurde Babylon wieder zur größten Stadt Mesopotamiens. Der erste König der neuen Dynastie war Nabulpolassar selbst. Er war ein chaldäischer 21 Scheich, der sich des babylonischen Throns bemächtigt hatte. Unter dieser Dynastie wurde Babylon das Zentrum eines Reiches, das sich bis zu den Grenzen Ägyptens erstreckte.

Dem Nachfolger Nabulpolassars, Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.) gelang es innerhalb weniger Jahre, Assyrien zu besiegen und sich der Länder von Mesopotamien bis zum Mittelmeer zu bemächtigen22. Im Jahre 597 v.Chr. eroberte er Jerusalem und zwang König Jojakim und den größten Teil der jüdischen Aristokratie ins Exil.

Diese Politik der Deportation war im alten Orient allgemein üblich, konnte man doch dadurch die Führer der eroberten Völker im Auge behalten. Die neuen Provinzen wurden durch babylonische Gouverneure regiert, obwohl einige von ihnen in der Obhut lokaler Herrscher belassen wurden, auf deren Loyalität sich Babylon verlassen konnte. Die Verwaltungskosten in den Provinzen wurden durch lokale Steuern aufgebracht, und die Tempel mußten ein Zehntel ihres Einkommens aus den Tempelgütern dem König abliefern. Es ist gut möglich, daß der Widerstand der Tempelpriester gegen diese Steuer später die Ursache dafür war, daß sie König Kyros II. (539-530 v.Chr.) von Persien23 unterstützten, der Babylon im Jahre 539 v.Chr. ohne Kämpfe eroberte.24 Kyros entließ die von Nebukadnezar in die Gefangenschaft geführten Juden in ihre Heimat und erlaubte ihnen, ihre Tempel wieder aufzubauen25.

Das Reich der Perser reichte zu dieser Zeit schon fast bis zum Indus 26, im Westen inzwischen bis Palästina. Kambyses II. (529-522 v.Chr.) fügte im Jahre 525 v.Chr. dem Reich noch Ägypten hinzu.

Der große Organisator und Vollender des Reiches wurde Darius I. (521-486 v.Chr.). Er teilte das Reich in 20 Satrapien (Provinzen) ein und gewährte seinen Völkern im religiösen Bereich, obwohl frommer Anhänger Zarathustras 27, völlige Freiheit. Nachrichtenwesen und Verkehrswege baute er vorbildlich aus. Darius war von ganz anderem geistigen Zuschnitt als die sadistischen RachekönigeAssyriens. In seiner Grabinschrift sagt er über sich selbst:

"Durch die Gnade Ahuramazdas bin ich von der Art, daß ich ein Freund bin des Rechts, daß ich kein Freund bin des Schlechten. Es ist nicht mein Gefallen, daß der Arme vom Mächtigen Unrecht erdulde, noch ist es mein Gefallen, daß der Hohe um des Niedrigen willen Unrecht erdulde. Was recht ist, das ist mein Gefallen.(...)"28 Das waren völlig neue Töne, und dennoch hatten die Griechen der klassischen Zeit für die

Perser nur Verachtung übrig. Das so straff organisierte und einheitlich geführte Reich der Perser erschien den politisch zersplitterten Individualisten als Barbarenstaat.

Nachdem die Perser mit der Eroberung von Thrakien, das große Teile des heutigen Bulgariens und des Westens der Balkanhalbinsel umfasste, die von der Natur gezogenen Grenzen der Alten Welt vergessen hatten und auch auf Südosteuropa übergriffen, schien das Ende der griechischen Stadtstaaten gekommen zu sein. Doch gegen alle Logik vermochten die zerstrittenen und um so vieles schwächeren Griechen den persischen Angriffen zu widerstehen.

Nach empfindlichen Niederlagen verloren die Perser das Interesse an dieser Eroberung und schlossen im Jahre 440 v.Chr. Frieden. 330 v.Chr. gelang es dann dem Makedonier Alexander das riesige Perserreich in ein neues Weltreich einzugliedern.

Damit war die Kraft der Alten Welt verbraucht. Die Weltgeschichte bestimmten von nun an andere Völker und das Schwergewicht politischen Geschehens verlagerte sich in andere Räume: die Küsten des Mittelmeeres und nach Europa.

4. Pädagogische Möglichkeiten

Anhand dieses sehr umfangreichen Themas kann man einiges für die Schule verwenden. So läßt sich zum Beispiel zeigen, daß sich Zivilisationen zu allen Zeiten dort entwickelten, wo die natürlichen Begebenheiten es zuließen, nämlich immer an Flüssen mit fruchtbarem Schwemmlandboden. Man kann dabei mit Querverweisen zu Ägypten arbeiten, aber auch die Umgebung der Schüler selbst lässt Vergleiche zu. So sind auch in Deutschland und anderswo größere Siedlungen immer in der Nähe oder direkt an Flüssen zu finden (z.B. Karlsruhe am Rhein, Frankfurt am Main, Stuttgart am Neckar ). Des weiteren läßt sich die Herkunft einiger selbstverständlichen Dinge erklären, wie der Pferdewagen, die Buchstabenschrift, der Name "Palästina" und damit verbunden die Palästinenser.

Auch Querverbindungen zum Fach Musik lassen sich herstellen, indem man zum Beispiel die Oper "Nabucco" von Giuseppe Verdi bespricht.

Um das Thema im Unterricht intensiver zu behandeln, würde ich es auf die Kapitel "Arier", "Assyrer" und eventuell noch "Perser" reduzieren, da ansonsten doch kaum Bildmaterial für die Schule zu verwenden sein dürfte.

5. Literaturverzeichnis

1.Lexika

- Seibert, Gerd / Wendelberger, Erhard (Hrsg.), Lexikon 2000 , Weinheim 1984
- Wahrig, Gerhard u.a.(Hrsg.), Wahrig Deutsches Wörterbuch , 1966/1980
- Stier, Hans-Erich u.a.(Hrsg.), Großer Atlas zur Weltgeschichte , Braunschweig 1991
- DIERCKE Weltatlas , Braunschweig 1974, Auflage 1983/84

2.Gesamtdarstellungen

- Oates, Joan , Babylon , London 1979 ; dt. Ausgabe Bergisch Gladbach 1983
- Oliphant, Margaret , Atlas der Alten Welt , London 1992 ; dt. Ausgabe München 1993
- von Soden, Wolfram , Der Nahe Osten im Altertum , in: Mann, Golo / Heuss, Alfred (Hrsg.) , Propyläen Weltgeschichte , Frankfurt a.M. 1991
- Ziehr, Wilhelm , Reise in die Alte Welt , Frankfurt a.M. 1977

[...]


1 s. Lexikon 2000 Bd.7 <Mesopotamien>

2 nach der Stadt Babylon (von akkadisch Bab-ilim, biblisch Babel = "Tor Gottes") s. Oates, Joan , Babylon S.74

3 Alluvium (zu lat. alluvere =anspülen) = Holozän : jüngste Abteilung des Quartärs mit Rückgang der Vereisung. (zu griech. holos"ganz" + kainos"neu")

4 Marsch =fruchtbares Schwemmland längs der Flußtäler (mnddt. mersch, engl. marsh, germ. marisko)

5 s. Diercke Weltatlas S.174-177

6 lat.: Erster unter Gleichen

7 Kassiten = turanides Bergvolk

8 gublitische Schrift, um 1700 v.Chr.

9 seit dem späten 4.Jahrtausend v.Chr. in Sumer bestehende Staaten aus einer Stadt und deren direkten Umgebung. Charakteristisch war der Individualismus und der hartnäckische Widerstand gegenüber einer zentralen politischen Kontrolle. Mittelpunkt eines solchen Stadtstaates war der Tempel.

10 s. Oates, Joan , Babylon , S.107

11 kassitischer König um 1415 v.Chr.

12 sumerische Fruchtbarkeitsgöttin; babylonische Liebesund Kriegsgöttin

13 s. Oates, Joan , Babylon , S.108

14 ägyptischer Pharao

15 heute: Tell Nebi Mend

16 s. Ziehr, Wilhelm , Reise in die Alte Welt , S.38

17 s. Oliphant, Margaret , Atlas der Alten Welt , S.28

18 semitisches Volk aus Arabien

19 s. Oliphant, Margaret , Atlas der Alten Welt , S.34

20 indoeuropäische Reiternomaden aus Innerasien, die sich von den Persern abgespalten haben

21 Chaldäer: aramäischer Stamm in Südbabylonien

22 s. Oliphant, Margaret , Atlas der Alten Welt , S.36

23 Hochland des Iran, von indogermanischen Persern beherrscht

24 s. Oliphant, Margaret , Atlas der Alten Welt , S.36

25 vgl. die Oper "Nabucco" von G.Verdi

26 großer Strom im heutigen Indien

27 Stifter einer altiranischen monotheistischen Bekenntnisreligion; der Gott wird "Ahuramazda" genannt

28 s. Ziehr, Wilhelm , Reise in die Alte Welt , S.39

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Details

Titel
Mesopotamien als Möglichkeit für den Geschichtsunterricht
Hochschule
Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Veranstaltung
Interdisziplinäre Themen - Geographie und Geschichte
Autor
Jahr
1997
Seiten
13
Katalognummer
V103504
ISBN (eBook)
9783640018826
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Geschichte Mesopotamiens unter Berücksichtigung der geographischen Begebenheiten
Schlagworte
Mesopotamien, Interdisziplinäre, Themen, Geographie, Geschichte
Arbeit zitieren
Michael Müller (Autor:in), 1997, Mesopotamien als Möglichkeit für den Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103504

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