Deutsche Regierung und Opposition und ihr jeweiliges Verhältnis zur Frage der Menschenrechte während der KSZE


Seminararbeit, 1999

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bis 1975

3. Die KSZE und die Frage der Menschenrechte
3.1. Allgemeines
3.2. Das Prinzip VII: Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschlie ß lich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit
3.3. Korb III

4. Die KSZE-Debatten im Deutschen Bundestag
4.1. Menschliche Erleichterungen
4.2. Ausgewogenheit
4.3. Der völkerrechtliche Status der KSZE-Schlussakte
4.4. Prozesscharakter
4.5. Begriffe

5. Vergleich der herausgearbeiteten Auffassungen

6. Historischer Ausblick und Fazit

7. Bibliographie

1. Einleitung

Zehn Jahre nach Ende des Kalten Krieges stellt sich die berechtigte Frage nach dem Gegenwartsbezug des Themas dieser Arbeit. Doch in Anbetracht zunehmender Konflikte und zunehmenden Konfliktpotentials inner- und außerhalb Europas interessiert die Frage nach friedlichen Kooperationsmodellen. Der Versuch einer solchen Kooperation in Europaüber verschiedene Staaten, Systeme und Gesellschaftsideologien hinweg wurde in den 1970er Jahren in Europa unter dem Begriff der Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) unternommen. Allerdings war die KSZE nicht unumstritten, auch innerhalb der Systeme. So auch innerhalb der bundesdeutschen Politik und Gesellschaft. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Auseinandersetzungen zwischen der deutschen Regierung und der CDU/CSU-Opposition im Bundestag in bezug auf die Fragen der Menschenrechte während der KSZE. Auf diesen Bereich bezogen sich Hauptkritik aber auch die meisten Anregungen von Seiten der CDU/CSU. Weil aber sowohl Regierung als auch Opposition an einer Verbesserung der humanitären Lage in Osteuropa (und insbesondere innerhalb der DDR) interessiert waren, gilt es hier, die genauen Standpunkte der beiden „Lager“ herauszuarbeiten. Dies wird in erster Linie anhand dreier Bundestagsdebatten zum Thema geschehen, welche in den Jahren 1973 bis 1975 geführt wurden. Während dieser Bundestagssitzungen ging es jedoch nicht nur um Fragen der Menschenrechte, sondern es wurden auch alle anderen Komplexe der KSZE behandelt. Allerdings lassen sich dort vorgetragene Argumente z.T. durchaus auch auf den Bereich der humanitären Angelegenheiten beziehen.

Leitfrage und daraus abgeleitete Kernthese der Arbeit soll sein, inwiefern die Auseinandersetzungen um die Menschenrechte dazu dienten, einer generellen Zustimmung (von Regierungsseite) bzw. Ablehnung (von Seiten der Opposition) Ausdruck zu verleihen. Michael Lemke bejaht in seinem Buch für die CDU/CSU- Opposition diese These. Für die SPD/FDP-Koalition wäre dies jedoch ebenfalls zuüberprüfen. Des weiteren gilt es, Differenzen innerhalb der Fraktionen aufzudecken, so sie vorhanden waren. So ist es zumindest denkbar, dass die KSZE von Teilen der CDU anders gesehen wurde als innerhalb der CSU, oder dass es unterschiedliche Auffassungen zwischen SPD und FDP gab. Diesem Teilaspekt möchte sich diese Arbeit gleichfalls widmen, auch wenn ihm vergleichsweise weniger Platz eingeräumt werden kann.

Im letzten Kapitel soll schließlich der Versuch unternommen werden, die Kernthesen nochmals zuüberprüfen, allerdings unter dem Eindruck der Geschehnisse bis 1990. Dabei werden die im Hauptteil bearbeiteten Fragen oftmals in einem anderen Lichte erscheinen, da deren Beurteilung angesichts der KSZE- Nachfolgekonferenzen, des Regierungswechsels in Bonn und natürlich der Ereignisse der Jahre 1989/1990 in Deutschland und Osteuropa zwangsläufig eine andere Richtung erhält. Allerdings kann es in diesem Teil nicht darum gehen, eine gründliche Analyse der Vorgänge der Jahre 1975 - 1990 zu liefern, sondern ausschließlich einen Bezug zu dem Thema dieser Arbeit herzustellen.

2. Die Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bis 1975

Die Idee, eine gesamteuropäische Sicherheitskonferenz abzuhalten, entstand von Seiten der Sowjetunion schon in den 1950er Jahren. Zwischen Juli und Oktober 1954 schlug die Sowjetunion dreimal eine solche Konferenz vor. Nach Auffassung westlicher Politiker richteten sich diese Vorschläge in erster Linie gegen die Bildung der westlichen Verteidigungsgemeinschaft und ebenso gegen die weitere Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Staatengemeinschaft bzw. in die NATO. Ziel Moskaus sei gewesen,über ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem die Neutralisierung Deutschlands zu erreichen.1 Dies ist auch im Zusammenhang mit der sogenannten Wiedervereinigungspolitik der Sowjetunion zu sehen. Aus diesen Gründen wurde die Konferenzidee anfangs von westlicher Seite auf ganzer Linie abgelehnt.

Nach dem NATO-Beitritt der BRD 1955, der Gründung des Warschauer Paktes, der damit verbundenen Etablierung des Ost-West-Gegensatzes und dem daraus resultierenden Scheitern der sowjetischen Wiedervereinigungspolitik zielten weitere Vorschläge der osteuropäischen Staaten zur Einberufung einer Sicherheitskonferenz teils auf die Festschreibung und multilaterale Absicherung des territorialen Status quo, teils auf die Schwächung der NATO und das Herausdrängen der USA aus Europa. Angesichts der schweren Ost-West-Krise zu Beginn der 60er Jahre sind die Konferenzideen der Warschauer-Pakt-Staaten jedoch auch als Beitrag zu einer möglichen Entspannung zu sehen. Ausgehend von Plänen des polnischen Präsidenten Gomulka und seines Außenministers Rapacki2 forderten sowohl die Sowjetunion als auch andere Ostblockländer ab 1965 immer wieder, eine Konferenz einzuberufen, „um Maßnahmen zu erörtern, die die kollektive Sicherheit in Europa gewährleisten.“3 Hierzu gehörten auch Überlegungen zu einem sogenannten nuklearen „freeze“.

Ab 1966 begannen die NATO-Staaten, intensiver und ernsthafterüber die sowjetischen und osteuropäischen Vorschläge zu debattieren. In diesem Zusammenhang ist der Harmel-Bericht 1967 zu erwähnen, mit dessen Hilfe die politische Doppelstrategie der NATO für das nächste Jahrzehnt festgelegt wurde: Konfliktvermeidung einerseits durch militärische Abschreckung und andererseits durch Annäherung und Entspannung.

Insbesondere eine Politik der Entspannung und der Annäherung an die Staaten des Warschauer Paktes wurde im Rahmen der „Neuen Ostpolitik“ von der 1969 neu gebildeten bundesdeutschen Regierung aus SPD und FDP verwirklicht. War zuvor die Hallstein-Doktrin hauptsächliche Leitlinie der westdeutschen Außenpolitik, so setzte sich auf Regierungsseite nach 1969 die Überzeugung durch, nur mit Hilfe einer entgegenkommenden Politik könne den Menschen in Osteuropa und speziell in der DDR geholfen werden. Damit verbunden war auch eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR, auch wenn dies nicht von offizieller Seite zugegeben wurde.4 Allerdings blieb es nach wie vor Ziel, die deutsche Einheit zu verwirklichen, auch wenn man von Regierungsseite der Meinung war, dieses Ziel nicht in absehbarer Zeit erreichen zu können. Gerade aus diesem Grund rückte man von der Abgrenzungspolitik der zwei Nachkriegsjahrzehnte ab.

Ab Beginn der siebziger Jahre fanden auf verschiedenen Ebenen Vorgespräche für eine Sicherheitskonferenz statt. Ursprünglich verfolgten die östlichen Länder die Idee, nur Fragen der Sicherheit und wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf einer solchen Konferenz zu behandeln. Auf ausdrückliches Drängen der NATO-Staaten und der ebenfalls in die Beratungen einbezogenen neutralen und blockfreien Staaten wurden jedoch die humanitären Fragen und solche der Menschenrechte mit in das zu beratende Konferenzkonzept eingegliedert.

Die eigentliche Konferenz trat dann in einer Vor- und drei Hauptphasen zwischen 1972 und 1975 zusammen. Zunächst wurden bei einer Außenministerkonferenz in Helsinki vom 3. bis 7. Juli 1973 auf Grundlage der vorher stattgefundenen multilateralen Konsultationen (Vorphase) drei Kommissionen gebildet, die sich in den folgenden Monaten (die Dauer wurde anfangs nicht festgelegt) mit den Themen Sicherheit, wirtschaftlich-wissenschaftliche sowie humanitäre Zusammenarbeit befassen sollten. Diese Beratungen fanden in Genf statt, bis Ende Juli/Anfang August 1975 die Schlussakte auf einer Gipfelkonferenz unterzeichnet wurde, bei der alle Staats- und Regierungschefs der teilnehmenden Länder anwesend waren. Teilgenommen hatten alle europäischen Länder ohne Albanien plus Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, insgesamt 35 Staaten.

Die Themen, die in Genf verhandelt wurden, teilte die schweizerische Delegation in vier sogenannte Körbe auf:

Korb I: Fragen der Sicherheit inklusive eines Katalogs, welcher zehn gleichberechtigt nebeneinander stehende Prinzipien auflistete.

Korb II: Fragen der Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Kultur und Umwelt. Hier ging es ferner um eine Verbesserung der Handelsbeziehungen sowie der industriellen Kooperation.

Korb III: Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen. Korb IV: Folgen der Konferenz.

Diese Untersuchung wird sich in der Hauptsache der Erörterung des siebten Prinzips im Korb I sowie dem Korb III widmen. Da jedoch sowohl die Prinzipien als auch die Körbe nach Meinung aller Signatarstaaten gleichberechtigt nebeneinander stünden, kann in einer Untersuchung eine strikte Trennung weder vollzogen noch sinnvoll begründet werden.

Hierbei müssen auch immer wieder Überlegungen zum völkerrechtlichen Status der Schlussakte angestellt werden, auch wenn dies die Menschenrechtsfrage scheinbar nur peripher tangiert. Dieser Zusammenhang wurde jedoch sowohl im Bundestag als auch von Luchterhandt5 bei der Behandlung des Prinzips VII und des Korbes III hergestellt.

3. Die KSZE und die Frage der Menschenrechte

3.1. Allgemeines

Motivation der NATO-Staaten und der neutralen und blockfreien Länder, ein besonderes Gewicht auf die Verwirklichung der Menschenrechte im Osten Europas zu legen, war die grundsätzliche Überzeugung, dass die Wahrung der Menschenrechte eine unmittelbare Bedingung für die Wahrung des Friedens sei. Die Tatsache, dass die Sowjetunion und ihre Verbündeten die Beratungen zu diesem Punkt akzeptierten, war Resultat des Entgegenkommens des Westens in den Punkten Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Oder umgekehrt ausgedrückt ließ sich der Westen „die Erfüllung des dominierenden Interesses namentlich der UdSSR, die Unverletzlichkeit der Grenzen zum selbständigen Prinzip zu erheben, (...) im Gegenzuge mit einer entsprechenden Ranganhebung der Menschenrechte bezahlen.“6 Schlotter betont, dass die Hauptbedeutung für den Westen darin lag, dass die Menschenrechte gleichberechtigt in den Dekalog aufgenommen wurden.7

Die Wahrnehmung durch die sozialistischen Staats- und Parteiführungen beschrieb der ehemalige polnische Staatschef Jaruzelski in seinen Erinnerungen. Der Korb III sei von östlicher Seite als eher geringfügige Konzession angesehen worden, da der Westen zur Zeit der Verhandlungen geschwächt gewesen sei ( Impeachment Nixons, Rücktritt Brandts und Tod Pompidous) und im Gegenzug der Osten auf dem Höhepunkt seiner Macht aufgrund der endgültigen Etablierung der BreschnewDoktrin und der Erfolge in bezug auf die Unantastbarkeit der Grenzen und Beseitigung der wirtschaftlichen Hindernisse.8

3.2. Das Prinzip VII: Achtung der Menschenrechte und

Grundfreiheiten, einschlie ß lich der Gedanken-, Gewissens-, Religionsoder Überzeugungsfreiheit Im siebten Prinzip des Korbes I verpflichteten sich die Signatarstaaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, einschließlich der jeweiligen Spezifizierungen aus der Überschrift.

In acht Absätzen wurden die allgemeinen, sozialen, kulturellen, politischen und anderen Grundrechte, ferner die der Minderheiten, konkretisiert. Allerdings geschah dies in unterschiedlichem Maße.

Einerseits wurden Garantien ausgesprochen: So verpflichteten sich die Teilnehmer, die Rechte zu achten, die Freiheit des Individuums anzuerkennen, den Genuss der Menschenrechte zu gewähren und dieses in Einklang mit der UN-Charta und der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu bringen.9

Auf der anderen Seite jedoch sollte die Ausübung der Rechte und Freiheiten, welche „sich alle aus der dem Menschen innewohnenden Würde ergeben,“10 nur gefördert und ermutigt werden. Im sechsten Absatz wurde versichert, dass die Unterzeichnerstaaten sich bemü hen würden, „die universelle und wirksame Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern.“11

3.3. Korb III

Waren im siebten Prinzip die allgemeinen Menschenrechte erwähnt worden, so ging es im Korb III darum, möglichst konkrete Abmachungen zu treffen. Er gliedert sich in eine einleitende Präambel und vier jeweils weiter unterteilte Punkte: Menschliche Kontakte, Information, Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur und Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung.

Unter dem Punkt „Menschliche Kontakte“ wurden in acht Unterpunkten humanitäre Erleichterungen aufgeführt, die es zu verwirklichen galt:

- Kontakte aufgrund familiärer Bindungen
- Familienzusammenführung
- Eheschließung
- Reisen aus persönlichen oder beruflichen Gründen
- Tourismus auf individueller oder kollektiver Basis
- Jugendbegegnung
- Sport
- Erweiterung der Kontakte

Auch hier fand sich die im Prinzip VII angesprochene Unterschiedlichkeit der Zusagen. Einerseits wurde versprochen, bestätigt, versichert, andererseits sollten Bindungen gefördert oder Anträge wohlwollend geprüft werden. Veya betont in diesem Zusammenhang jedoch, es sei dem Westen nicht darum gegangen, im Osten neue Individualrechte zu schaffen - was auch nicht möglich gewesen wäre -, sondern Richtlinien an die Staaten für die Behandlung bestimmter, konkreter Fragen festzulegen.12 Es wurden Erleichterungen der bürokratischen Praxis vereinbart, dahingehend dass beispielsweise die Behandlung von Anträgen nicht unnötig verzögert würde, die Kosten für den Antragsteller tragbar wären oder keine Schmälerung der Rechte des Antragstellers erfolgten.13

Zur Bewertung des Korbes III stellte Luchterhandt fest, dass sich die UdSSR gegen diesen Punkt viel mehr gesträubt hätte, da es hier um konkrete Aussagen gegangen wäre, als gegen die Formulierungen im Prinzip VII, welche erstens viel allgemeiner gehalten waren und zweitens anderen UN-Dokumenten ähnelten, die man selbst schon unterzeichnet hatte - im Gegensatz zu vielen westlichen Staaten.14

4. Die KSZE-Debatten im Deutschen Bundestag

Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Positionen der SPD/FDP-Regierung einerseits und der CDU/CSU-Opposition andererseits in bezug auf Prinzip VII und den Korb III herauszuarbeiten. Dies wird anhand dreier Debatten im Bundestag geschehen. Da beide Seiten jeweils eine Vielzahl von Argumenten vortrugen, und die Redner sich immer wieder aufeinander bezogen, muss hier eine besondere Darstellungsform benutzt werden. So geht es darum, den Gang der Debatten in dieser Bezogenheit aufeinander darzustellen. Dies kann amübersichtlichsten nur geschehen, indem die Abfolge der Reden geordnet nach Bereichen wiedergegeben wird. So soll beispielsweise die Erarbeitung der Argumentationskette zur Frage des völkerrechtlichen Status’ von anderen Diskussionsteilen getrennt erfolgen. Die Erörterung, ob einige Argumente nicht nur einem Teilbereich zugeordnet werden können, und ein Vergleich der Positionen findet in Kapitel 5 statt.

4.1. Menschliche Erleichterungen

In der Bundestagsdebatte vom 13.9.1973, in der es nicht in erster Linie um die KSZE ging, sondern allgemein um Entspannung und Menschenrechte, zitierte Bundesaußenminister Scheel seine Rede bei der Eröffnungskonferenz in Helsinki. Seines Erachtens dürfe Entspannungspolitik nicht nur der Verbesserung der Beziehungen der Staaten untereinander dienen, sondern solle ganz konkret „den Menschen dienen.“15 Dem stimmte der Oppositionsführer Carstens (CDU) uneingeschränkt zu. Entspannungspolitik müsse dazu führen, „mehr Menschenrechte und mehr menschliche Freiheiten für die Menschen (...) im Osten Europas und in der DDR zu erreichen.“16 Er bemängelte jedoch die fehlende Ausgewogenheit (s.u.).

Bundeskanzler Brandt und der Abgeordnete Blumenfeld (CDU) warfen sich im weiteren Verlauf gegenseitig parteipolitisches Taktieren auf dem Rücken der Betroffenen vor. Es gehe darum, humanitäre Probleme zu lösen und nicht, „parteipolitische Punkte zu gewinnen.“17

1974 bei der Debatteüber die Regierungsantwort auf eine Große Anfrage der Opposition zur KSZE war der Hauptredner der CDU/CSU, Werner Marx, der Auffassung, „das ganze Unternehmen (i.e. die KSZE; d. Verf.) (solle) möglichst rasch und ohne feierliche Unterschrift beendet werden“18, wenn ein größeres Maß an Freiheit nicht zu erreichen wäre, weil die osteuropäischen Staaten es als Einmischung in die inneren Angelegenheiten diffamierten.

Darauf erwiderte der SPD-Abgeordnete Pawelczyk, bis vor ein paar Jahren seien Gesprächeüber Menschenrechte als Einmischung in innere Angelegenheiten abgewehrt worden, doch dieser Zustand seiüberwunden. Ebenso sah es Bundesaußenminister Genscher: „Themen (...), die noch vor drei Jahren tabu waren (...) sind jetzt Gegenstand von Verhandlungen zwischen Staaten geworden.“19 Allein die Tatsache, dass bei der Konferenz humanitäre Angelegenheiten behandelt würden, sei schon als Fortschritt zu bezeichnen.

Im weiteren Verlauf der Debatte wurde ferner von Seiten der Regierungsfraktion darauf hingewiesen, dass menschliche Erleichterungen nur möglich seien, wenn nicht andauernd der Systemgegensatz erwähnt würde. Mit der „Tonart des kalten Krieges“20 könnten die Ziele des Korbes III nicht erreicht werden. Diese Argumentation bezog sich darauf, dass Vertreter der Opposition in vielen Beiträgen die Situation in den Staaten des Warschauer Paktes kritisiert hatten. Durch die häufige Wiederholung dieser Tatsache werde jedoch, so die Regierung, die Verhandlungsposition des Westens erschwert. Nur so lässt sich auch der Satz Bangemanns verstehen, nach dem es im Korb III wichtig wäre, „daß der Gegensatz zwischen den unterschiedlichen Systemen bestehen bleiben kann, also eben nicht dazu führt, daß humanitäre, menschliche Erleichterungen unmöglich gemacht werden.“21

Ähnliche, jedoch weiter geführte, Argumente wurden im Juli 1975 vorgetragen, als die CDU/CSU einen Antrag im Bundestag stellte, die Bundesregierung solle die KSZE-Schlussakte nicht unterzeichnen. In seiner Begründung des Oppositionsantrags verwies Marx darauf, dass sich die menschenrechtliche Situation in Osteuropa nicht verbessert habe, obwohl nicht nur verschiedene bilaterale Verträge, sondern auch die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen unterzeichnet wurden. Da seine Fraktion nicht von wirklichen Änderungen im Osten ausgehen könne, würde sie auch nicht von humanitären Regelungen sprechen, sondern nur von „Hoffnung auf verringerte Unmenschlichkeit.“22 Fast gleich argumentierte der FDP-Abgeordnete Hoppe, nur war er als Mitglied einer Regierungsfraktion in seiner Bewertung natürlich dem KSZE-Prozess positiver gegenüber eingestellt. Der Korb III beinhalte zwar nur Absichtserklärungen, „eingebettet in viele Wenn und Aber“23, dies sollte jedoch hoffnungsvoll stimmen. Des weiteren werde die Regierung in der Folgezeit die UdSSR und die Warschauer Pakt-Staaten immer wieder beim Wort nehmen. Dieser Ansicht widersprach zu späterem Zeitpunkt der ehemalige Vorsitzende der CDU, Schröder. Die Opposition sei wegen ihrer schlechten Erfahrung mit der Ostpolitik der Regierung in keiner Weise hoffnungsvoll.

Interessant scheint hier noch der Beitrag von Herrn Bangemann, der der Opposition vorwarf, sie würde die Schlussakte mit einer wünschenswerten Idealsituation vergleichen. Dies könne jedoch nicht funktionieren, da „eine ideale, naive Vorstellung von der Welt, wie sie sein sollte, das praktische Handeln und damit die Verbesserung der Welt, wie sie ist, zur Wirkungslosigkeit“24 verurteile.

4.2. Ausgewogenheit

Ein besonders häufiger Vorwurf der Opposition war der, dass der Westen bei der KSZE mehr gegeben als bekommen habe. Dies wurde immer wieder in nahezu allen Beiträgen der CDU/CSU-Abgeordneten vorgetragen. Teils bezogen sie diesen Kritikpunkt auf die Ostverträge, teils auf die Verhandlungen während der Konferenz. In der Schlussakte würden in bezug auf Menschenrechte die deutschen Forderungen aus den Ostverträgen wiederholt, wobei die Länder des Ostblocks ihre neuen Ansprüche erfüllt bekämen. Bisher habe sich jedoch die Situation der Menschen nicht nur in der DDR nicht verändert. Die Deutschen und der Westen müssten „endlich aufhören, für die gleiche Sache mehrmals zu zahlen.“25

1974 erwiderte der Abgeordnete Bangemann darauf, vom Prinzip des „do ut des“ müsse bei dieser Konferenz abgerückt werden. Dieses aus dem Zivilrecht bekannte Prinzip (übersetzt: ich gebe, damit du gibst) sei ein Prinzip bilateraler Verhandlungen, nicht eines multilateraler Verhandlungen. Ein Jahr später entgegnete er der Opposition weiterhin, dass der Westen seines Erachtens doch auch relativ viel erhalten habe. So hätte die Sowjetunion vor Beginn der KSZE erstens das Ziel gehabt, die Vereinigten Staaten aus Europa zu verdrängen - oder zumindest ihren Einfluss merklich zu schmälern -, und zweitens hätte sie nichtüber Menschenrechte verhandeln wollen. Beide Ziele hätte die UdSSR nicht erreicht. In der Folge wies Richard Stücklen (CSU) darauf hin, dass die Idee der Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz von Seiten der Sowjetunion kam, und diese der Festschreibung des territorialen Status quo dienen sollte. Eine Ausgewogenheit könne er nicht feststellen: „Während Moskau die Grenzen Europas, den Status quo, die Kriegsbeute Stalins absichern will, ist im Korb III nicht eine einzige menschliche Erleichterung zu finden, zu der der Kreml und dieübrigen Regierungen der Warschauer Pakt-Staaten sich bindend verpflichten. Das heißt, auf der einen Seite wird gegeben, auf der anderen Seite werden lediglich Versprechungen gemacht und Dinge in Aussicht gestellt.“26

Damit spricht Stücklen ein weiteres Problem der KSZE an, die Frage des völkerrechtlichen Status’ der Schlussakte.

4.3. Der völkerrechtliche Status der KSZE-Schlussakte

Wesentlicher Bestandteil der Bundestagsdebatten, aber auch vieler anderer Diskussionen in verschiedenen Rahmen sowie auch in wissenschaftlichen Arbeiten, war die Frage nach dem rechtlichen Status der Schlussakte. Inwieweit verpflichtete sie die Signatarstaaten, die getroffenen Vereinbarungen auch umzusetzen? In allen Debatten waren sich sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition einig, dass mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte kein neues Völkerrecht geschaffen werde. Es sollte neben den Vereinten Nationen kein besonderes europäisches Völkerrecht entstehen. Nach Auffassung des SPD- Abgeordneten Pawelczyk handelte es sich bei der KSZE um Abmachungen politisch-moralischen Charakters ohne Rechtsverbindlichkeit. Obwohl die CDU/CSU diese Ansicht teilte, forderte sie doch immer wieder eine gewisse Verbindlichkeit der Schlussakte. Die Übereinkünfte seien hinfällig, wenn man die andere Seite nicht dazu zwingen könne, sämtliche Vereinbarungen auch umzusetzen.27

Wiederum der FDP-Abgeordnete Bangemann entgegnete der Opposition, dass sie einerseits den nichtvölkerrechtlichen Status der Schlussakte betone, andererseits jedoch immer wieder quasi völkerrechtliche Konsequenzen fordere.28 Die KSZE werde nicht juristischüberprüfbar sein: „Ich mache sozusagen nicht ein juristisches Gutachten zum Gradmesser politischen Wohlverhaltens, sondern ich orientiere mich an dem, was konkret geschieht.“29

4.4. Prozesscharakter

Gegen die anhaltende Kritik der Opposition führte die bundesdeutsche Regierung des öfteren den Prozesscharakter, der mit Zustandekommen der KSZE und der Unterzeichnung der Schlussakte angestoßen worden sei, ins Feld. Natürlich könnten sich die menschenrechtlichen Verhältnisse in der DDR und im restlichen Osteuropa nicht „von heute auf morgen“30 verändern. „Die Überwindung der jetzigen Lage (könne) erst am Ende einer sehr langfristigen Entwicklung stehen,“ so Bundeskanzler Schmidt in der Regierungserklärung zur Lage der Nation vom 30.1.197531. Die Opposition negiere, dass ein Prozess nur Schritt für Schritt erfolgen könne. Es helfe nicht weiter, „daß Sie immer denübernächsten Schritt fordern, aber nein sagen zu dem davorliegenden, der zunächst einmal gegangen werden muß.“32

4.5. Begriffe

Im Zusammenhang mit der bemängelten Unverbindlichkeit der Schlussakte vertraten CDU/CSU die Auffassung, dass viele Begriffe des Schlussdokuments von den unterschiedlichen Seiten verschieden ausgelegt würden. Der östliche Entspannungs- oder Sicherheitsbegriff beispielsweise sei ein komplett anderer als der westliche. Ebenso verhalte es sich mit vielen anderen Formulierungen, die in Ost und West unterschiedliche, zum Teil sogar gegensätzliche Interpretationen erführen.

Diesem Vorwurf widersprach die Regierung im Prinzip nicht, allerdings meinte Bangemann, „daß die Forderung nach eindeutigen Begriffen (...) im Grunde genommen die Forderung nach der heilen Welt der heilen Wörter“33 sei. In der Debatte des Jahres 1975 führten Oppositionspolitiker jedoch auch Argumente der Regierung an. So zitiert Marx den früheren Bundesaußenminister Scheel, welcher bei der Eröffnungskonferenz in Helsinki gesagt hatte, es müsste Klarheit darüber geschaffen werden, „was wir tatsächlich meinen. Nur wenn wir die gleiche Sprache sprechen, mit denselben Worten dasselbe meinen, werden wir Erfolg haben. Und schließlich müssen wir das gleiche wollen.“34 Die Bundesregierung, so Marx, habe sich nicht an diese Maxime gehalten, da die im Schlussdokument verwendeten Begriffe „gefährlich gegensätzlich“35 interpretiert würden. Die KSZE-Schlussakte sei zu vage formuliert. Es ginge der CDU/CSU- Fraktion jedoch darum, „daß die Entspannung eine Entspannung in der Substanz und nicht nur in den Formeln ist.“36

5. Vergleich der herausgearbeiteten Auffassungen

Bei einem Vergleich der vorgetragenen Argumente lässt sich zunächst einmal festhalten, dass sich Regierung und Opposition in bezug auf Zielsetzung der KSZE in ihren Auffassungen sehr nahe standen. Grundsätzlich begrüßte die Opposition das Zustandekommen der Konferenz und wollte beispielsweise ihre Große Anfrage vom Sommer 1974 nicht als Streitschrift gegen die Regierung verstanden wissen, sondern man wollte, wie Marx betont, „in der Sache helfen.“37 Seine Fraktion sehe in der KSZE eine Chance zu offener Diskussion mit den Regierungen der ostmitteleuropäischen Staaten. Diese Auffassung wurde jedoch innerhalb der Union nicht von allen geteilt. So stehen die Ansichten des Franz-Josef Strauß’ dem diametral entgegen. So schreibt Hacke, dass Strauß Anfang Juli 1975 die „KSZE als einen Versuch wertete, mit dessen Hilfe eine Aktionsgemeinschaft zwischen Sozialdemokraten und KPdSU geschaffen würde, um die europäische Politik aus den Angeln zu heben.“38 Am Schluss der KSZE-Debatte im Bundestag Ende Juli des gleichen Jahres sagte Strauß: „Wir sagen nicht nein zu diesem oder jenem Inhalt der Dokumente; wir sagen zu der Systematik, zu der Konzeption dieses Vertragswerks nein.“39

Wie lässt sich ein derartiger, grundsätzlicher Unterschied der Aussagen verschiedener Mitglieder einer Fraktion erklären? Wieso versicherte die Opposition im Herbst 1974, sie wolle konstruktiv mitarbeiten, stimmte dann aber 1975 geschlossen gegen die Regierung bzw. gegen die Unterzeichnung der Schlussakte, bei deren Verhandlung christdemokratische Positionen durchaus erörtert und auch aufgenommen wurden?

Hacke konstatiert bei konservativen CDU- und bei einer Mehrheit der CSU- Abgeordneten ein tiefes Misstrauen „gegenüber allem, was sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich einen sozialdemokratischen oder sozialistischen Bezug haben könnte.“40 Dazu komme, dass weite Teile der Union keinerlei Bereitschaft gezeigt hätten, den politischen und territorialen Status quo nach dem Zweiten Weltkrieg zu akzeptieren. Des weiteren waren CDU/CSU grundsätzlich einem seit 20 Jahren von der Sowjetunion geforderten Konferenzprojekt gegenüber abgeneigt und misstrauisch.41

Nachdem bei den Ostverträgen die Enthaltung der Union der einzige Weg war, die Einheit der Partei zu bewahren42, und nachdem die Union nach 1972 den größten Machtverlust ihrer Geschichte hinnehmen musste (Niederlage im Misstrauensvotum, bei der Wahl, wachsende Akzeptanz der Regierungspolitik in der Bevölkerung), ging es ihr darum, auch in Hinblick auf die Bundestagswahlen 1976 Geschlossenheit zu zeigen.43 Hier zeigt sich der Zusammenhang mit der eingangs aufgestellten These von Michael Lemke, dass die grundsätzliche Ablehnung der KSZE von Seiten der CDU/CSU innenpolitisch motiviert gewesen sei, und die vorgetragene Kritik nur der Verdeckung dieser Handlungsmotivation gedient habe.44 Clay Clemens ist ebenfalls der Auffassung, dass die Union einheitlich abstimmte, um nicht den Eindruck der Zerstrittenheit zu erwecken.45 Allerdings weisen sowohl Clemens als auch Lemke und Hacke darauf hin, dass es innerhalb der CDU durchaus unterschiedliche Meinungen gab. Gerade Politiker wie Kiep oder der neu gewählte Unionsvorsitzende Kohl hätten immer wieder gemahnt, auch die Chancen der KSZE zu sehen.

Hacke kommt jedoch zu einem gänzlich anderen Ergebnis bei der Bewertung des Vorgehens der CDU/CSU im Jahre 1975: „Am Beispiel der KSZE wurde die Schwierigkeit bei der Formulierung einer umfassenden oppositionellen Alternative deutlich. Hätte die Union einer KSZE zugestimmt, so hätte sie ihren Gegnern klarer das Argument des Entspannungsunwilligen aus der Hand winden und sich von dem Odium des Neinsagers befreien können. Umgekehrt sollte jedoch nicht vergessen werden, daß die Union mit ihrem Nein und ihrer Kritik an der KSZE eine unverzichtbare Komplementärfunktion in der Entspannungspolitik eingenommen hat. Sie mußte vieles aussprechen, was die Bundesregierung aus Opportunitätsgründen nicht ausspricht oder nicht aussprechen kann. Gerade in der Auseinandersetzung um die KSZE hat die CDU/CSU aus gutem Grund weniger die Alternativ-, sondern vielmehr die Kontroll- und Wächterfunktion der Opposition in den Vordergrund gestellt.“46 Die prinzipielle Skepsis habe ferner „ein realistisches Pendant zu der gelegentlich unkritisch optimistischen Haltung in den Reihen der SPD und FDP“47 gebildet.

An dieser Stelle lohnt sich die Behandlung des anderen Teils der in der Einleitung beschriebenen Kernthese, nach der die Auseinandersetzungen um die Menschenrechte auch der Regierung dazu dienten, einer generellen Haltung (hier: Zustimmung) Ausdruck zu verleihen. Nahm die Regierung die oppositionelle Kritik bezogen auf die menschenrechtlichen Vereinbarungen in der Schlussakte nicht ernst, um nicht den Prozess insgesamt zu behindern oder sogar zu verhindern? Dazu muss gesagt werden, dass die außenpolitische Konzeption der Regierung Brandt/Scheel noch von großem Idealismus geprägt war (Stichwort: Frieden, Versöhnung), während unter der 1974 neu gebildeten Regierung Schmidt/Genscher Hauptleitwerte der Ost-West-Beziehungen Erhaltung und Ausbau der eigenen außenpolitischen Handlungsfreiheit waren.48 Ferner war diese Regierung davonüberzeugt, dass die Entspannung im Rahmen der KSZE eine auf Dauer angelegte sei, und humanitäre Erleichterungen erst am Ende eines längeren Prozesses stehen könnten. Vor dem Hintergrund dieser Überzeugung schien es legitim, auf die Kritik der Union nicht voll einzugehen. Die weiteren Ereignisse bis Anfang bzw. Ende der achtziger Jahre erlauben verschiedene Interpretationen dieser Sichtweise.49

Anhand vierer Beispiele aus den Bundestagsdebatten sollen nun die beiden die Kernthesen generierenden Sichtweisen der Regierung einerseits und der O pposition auf der anderen Seite verdeutlicht werden, wobei es nicht unbedingt zu einer abschließenden Klärung kommen muss.

1. Gegen das des öfteren von Regierungsseite vorgetragene Argument, es sei schon ein Fortschritt, dass auf der Konferenzüberhauptüber Menschenrechte verhandelt werde, brachte die Opposition das durchaus triftige Gegenargument, dass es bei einer solchen Zusammenkunft nicht darum gehen könne, nur darüber zu verhandeln. Es bräuchte vielmehr Ergebnisse, die schlussendlich auch umgesetzt würden.
2. Aus der oppositionellen Forderung nach Eindeutigkeit der Begriffe lässt sich durchaus schließen, dass CDU/CSU eigentlich nicht an einer Entspannung interessiert waren, da sie sozusagen noch vor einer Bewährung der Begriffe, und damit zusammenhängend der gesamten Konferenzergebnisse, diese ablehnten. Andererseits berief sich die Kritik der Opposition hier auf die Erfahrungen mit den Ostverträgen.
3. Der von Martin Bangemann vorgetragene Vorwurf, die Union würde die Schlussakte mit einer wünschenswerten Idealsituation vergleichen, beinhaltet implizit die Frage nach Alternativen der Opposition. Wenn die Union durch einen solchen Vergleich ihre Ablehnung des Schlussdokuments verdeutliche, müsste sie konsequenterweise auch Gegenvorschläge unterbreiten. Dagegen sei an dieser Stelle jedoch die oben von Hacke erwähnte Wächter- und Kontrollfunktion der CDU/CSU genannt.
4. Bangemanns These zur Kontrolle der KSZE-Ergebnisse, man werde sich an dem orientieren, was konkret geschehe, wirkt im gleichen Atemzug doch sehr unkonkret. Aber hier wird durchaus deutlich, was Manfred Rexin auf den Punkt bringt. Da die Schlussakte kein bindender Vertrag war, seien sich alle Beteiligten bewusst gewesen, „daß die von diesem Dokument ausgehenden realen Wirkungen sich nur in dem Maße entfalten konnten, in welchem der Prozeß der Entspannung zwischen Ost und West andauerte.“50 In diesem Satz sind sowohl Chance als auch Risiko, ja Gefahr der Schlussakte vereint.

6. Historischer Ausblick und Fazit

Beurteilungen des KSZE-Prozesses unterlagen nicht nur persönlichen Ansichten, sondern auch in ganz entscheidendem Maße, zu welchem Zeitpunkt diese angestellt wurde. So wurden die Ereignisse der Jahre 1989/90, die vorher so in keiner Weise absehbar waren, später auch in den Zusammenhang der KSZE gestellt. Genscher berichtet in seinen Erinnerungen, dass sich die ungarische Regierung im Sommer 1989, als sie entgegen bilateraler Verträge mit der DDR etliche DDR-Bürger in Richtung Österreich ausreisen ließ, ausdrücklich auf Beschlüsse der Wiener KSZE- Folgekonferenz zur Ausreisefreiheit berief.51 Insofern ist es auch wichtig, ob eine Meinungüber die KSZE vor oder nach 1989 abgegeben wurde.

In der unmittelbaren Folge der Helsinkikonferenz 1975 konnte der Betrachter durchaus den Eindruck gewinnen, CDU/CSU hätten mit ihrer Kritik Recht gehabt, da zunächst nicht nur keine Verbesserung, sondern sogar eine Verschlechterung der humanitären Situation erfolgte.52 Dies provozierte neue Spannungen, welche insbesondere von den USA forciert wurden, die bei der Belgrader Folgekonferenz 1977 in ähnlicher Weise wie zwei Jahre zuvor die deutsche Opposition argumentierten, indem die momentane humanitäre Lage mit einer wünschenswerten verglichen wurde. Durch dieses forsche Auftreten der Vereinigten Staaten sah die Bundesregierung den Entspannungsprozess gefährdet, da sich durch die harsche Kritik an den Verhältnissen in Osteuropa nichts verändern würde, diese Kritik jedoch andererseits die sowjetische Führung verbittern musste.53

Kurzfristig gesehen könnte man also zunächst einmal sagen, die Union hätte Recht gehabt mit ihrer These, dass sich der Osten auf keine Durchsetzung der Menschenrechte verpflichten ließ. Allerdings konnte diesem Argument noch Ende der siebziger Jahre entgegengestellt werden, dass eine Abkehr von der Tonart der Entspannung eine noch schlimmere Folge hätte, da so keinerlei Einfluss mehr genommen werden konnte auf die östliche Situation.

Viel interessanter scheint hier jedoch die Betrachtung der Ereignisse in Osteuropa in Folge der Unterzeichnung der Schlussakte. Gerade die Vereinbarungen im siebten Prinzip und dritten Korb entwickelten eine Eigendynamik in den Staaten des Warschauer Paktes, wie sie so zuvor nicht erwartet worden war. Viele oppositionelle Gruppen und Dissidenten beriefen sich auf das Schlussdokument von Helsinki. So wurden in fünf Sowjetrepubliken bis zum Frühjahr 1977 sogenannte „HelsinkiGruppen“ gebildet.54 Die Oppositionellen konnten damit zunächst nicht viel erreichen, doch viel wichtiger scheint, dass sich in einem repressiven Klima der Geist und die Idee der Konferenz verbreitete.

Zurückkommend zur westdeutschen Politik und deren Beurteilung der KSZE soll nun kurz die Haltung der Union bei ihrer Regierungsübernahme 1982 betrachtet werden. Befürchtungen, nun würde die BRD zurückkehren in die Zeit Adenauerscher Konfrontationspolitik, erwiesen sich als haltlos, da erstens die FDP als Koalitionspartner Garant der Weiterführung der Ostpolitik war, und sich zweitens in der Union die Auffassung der Gruppe um den Vorsitzenden und neuen Kanzler Kohl durchgesetzt hatte. Außerdem wurde -übrigens schon gleich 1975 - von der Opposition die außenpolitische Maxime ausgegeben, dass geschlossene Verträge auch eingehalten werden sollten („pacta sunt servanda“).

Vor dem Hintergrund der Ereignisse der Jahre 1989/90 erweist sich jedoch die allgemeine Ablehnung der KSZE durch die damalige CDU/CSU-Opposition im Rückblick als falsch.55

Diese Arbeit hat versucht, verschiedene Auffassungen und Handlungsmotivationen der deutschen Regierung und Opposition zu der Frage der Menschenrechte bei der Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aufzuzeigen. Hierbei orientierte sie sich in erster Linie an den genannten Bundestagsdebatten der Jahre 1973 bis 1975.

Für die Regierungsseite lässt sich abschließend feststellen, dass sie zunächst grundsätzlich und in der Hauptsache an einer Entspannung interessiert war. Diese sollte jedoch einhergehen mit Vereinbarungenüber Verbesserungen der menschenrechtlichen Situation in Ostmitteleuropa. Dabei war der Regierung bewusst, dass eine rechtliche Verpflichtung dazu nicht erreicht werden konnte.

Handlungsmotiv war daher die Hoffnung oder die Aussicht auf Verbesserung. Für die Beurteilung der Positionen der CDU/CSU lassen sich vier Fragen zur Erhellung anstellen: Lehnte die CDU/CSU die KSZE ab,

1. weil sie die Entspannungspolitik an sich ablehnte?
2. weil die Schlussakte in sich zu widersprüchlich war?
3. weil die Meinungen im eigenen Lager zu widersprüchlich waren, sie aber ein einheitliches Auftreten bevorzugte?
4. weil sie der Regierung bei einem außenpolitischen Erfolg (als solcher wäre er bei ausbleibender Kritik in jedem Fall gewertet worden) nicht auch noch helfen wollte? Aufgrund der Untersuchung lässt sich keine absolute Dominanz einer der Erklärung suchenden Fragen feststellen. Hieraus ist zu schließen, dass alle vier Faktoren die Ablehnung der CDU/CSU generierten. Es bleibt der persönlichen Meinung des Lesersüberlassen, hier Prioritäten zu setzen.

7. Bibliographie

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[...]


1 Haftendorn, Helga: Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955 -1982. Baden-Baden 1983, S. 415.

2 Rede Rapackis vor der UN-Vollversammlung am 14. Dezember 1964.

3 Shulman, Marshall D.: Sowjetische Vorschläge fü r eine europäische Sicherheitskonferenz (1966 - 1969) in: Volle, Herrmann, Wolfgang Wagner (Hrsg.): KSZE. Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Beiträgen und Dokumenten aus dem Europa-Archiv. Bonn 1976, S. 1f.

4 Tiggemann, Anselm: CDU/CSU und die Ost- und Deutschlandpolitik 1969 -1972. Frankfurt/M 1998, S. 165.

5 Luchterhandt: Menschenrechtspolitik und KSZE. Teil I: Die politischen und rechtlichen Grundlagen, in: Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 3-1985, Köln 1985.

6 Luchterhandt, Teil I, S. 6.

7 vgl. Schlotter, Peter: Die KSZE im Ost-West-Konflikt. Frankfurt/M 1999, S. 168.

8 vgl. Schlotter, S. 167, Anm. 14

9 Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Schlußakte der Konferenzüber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und Erklärung des Europäischen Ratesüber die KSZE. Bonn 1975, S. 5, Prinzip VII, Absätze 1, 3-5,7,8.

10 ebd., Abs. 2.

11 ebd., Abs. 6 (Hervorhebung vom Verfasser).

12 vgl. Veya, Marie-Elisabeth: KSZE: Korb III. Rechtliche Aspekte der östlichen Menschenrechtspolitik. Diss. Jur., Berlin 1979, S. 105f.

13 vgl. Henze, Gerhard: Neue Aufgaben der Entspannungspolitik. Freizü gigkeit und verbesserte Informationsmöglichkeit als Ziele der KSZE, in: Volle, Wagner (Hrsg.): KSZE, S. 84.

14 Luchterhandt, Teil I, S. 10. Er bezieht sich hier auf die beiden UN-Menschenrechtspakte aus dem Jahre 1966.

15 Das Parlament. Die Woche im Bundeshaus. Bonn, Nr. 38, Jahrgang 1973, S. 2.

16 ebd.

17 Brandt, in: Parlament, 1973, S. 5.

18 Das Parlament, Nr. 44, Jg. 1974, S. 10.

19 ebd., S. 13.

20 Abg. Bangemann (FDP), ebd., S. 12.

21 ebd.

22 Parlament, 1975, S. 1.

23 ebd., S. 6.

24 ebd., S. 10.

25 Marx, in: Parlament, 1974, S. 10.

26 Parlament, 1975, S. 7.

27 Marx, ebd., S. 9.

28 ebd., S. 10.

29 Bangemann, Parlament, 1974, S. 12.

30 Brandt, Parlament, 1975, S. 5.

31 Schmidt, zit. v. Genscher, Parlament, 1975, S. 1.

32 Pawelczyk, Parlament, 1975, S. 9.

33 Parlament, 1974, S. 13.

34 Scheel, zit. v. Marx, Parlament, 1975, S. 1.

35 ebd.

36 Mertes, Parlament, 1975, S. 11.

37 zit. nach: v. Groll, Götz: Die KSZE-Debatte im Deutschen Bundestag, in: Außenpolitik. Zeitschrift für internationale Fragen, Hamburg, Jahrgang 25, 4. Quartal 1974, S. 375.

38 Hacke, Christian: Parlamentarische Opposition und Entspannungspolitik - Die Position der CDU/CSU zur KSZE, in: Haftendorn, Helga, Wolf-Dieter Karl, Joachim Krause(Hrsg.): Verwaltete Außenpolitik. Sicherheits- und entspannungspolitische Entscheidungsprozesse in Bonn. Köln 1978, S. 275.

39 Strauß, Parlament, 1975, S. 14

40 Hacke, Christian: Die Ost- und Deutschlandpolitik der CDU/CSU. Wege und Irrwege der Opposition seit 1969. Köln 1975, S. 114.

41 Hacke, in: Haftendorn: Außenpolitik, S. 267. Hacke betont jedoch, dass das sowjetische Konferenzprojekt von 1954 nicht vergleichbar mit dem Konferenzverlauf und Ergebnis von 1975 ist.

42 vgl. Tiggemann, S. 169

43 Hacke führt den Wahlsieg der Union 1976, bei der sie nur knapp die absolute Mehrheit verpasste, auch auf diese harte aussenpolitische Linie zurück.

44 Lemke, Michael: CDU/CSU und Vertragspolitik der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1969 - 1975. Kontinuität und Wandel christdemokratischer Ost- und Deutschlandpolitik. Saarbrücken 1992, S. 172.

45 Clemens, Clay: Reluctant Realists. The Christian Democrats and West German Ostpolitik. Durham London 1989, S. 157.

46 Hacke, in: Haftendorn: Außenpolitik, S. 277.

47 ebd., S. 276.

48 vgl. Kuper, Ernst: Der Wandel der westdeutschen Entspannungskonzeption während der sozialliberalen Koalition, in: Haftendorn: Außenpolitik, S. 259.

49 Siehe Kapitel 6.

50 Rexin, Manfred: Menschenrechte und Entspannung, in: Pelikán, Jiri, Manfred Wilke (Hrsg.): Menschenrechte. Ein Jahrbuch zu Osteuropa. Hamburg 1977, S. 36.

51 Genscher, Hans-Dietrich: Erinnerungen. Berlin 1995, S. 319.

52 Rexin, in: Pelikán, Wilke: Menschenrechte.

53 Becht, Manfred: SPD, Ost-West-Konflikt und europäische Sicherheit. Diss. Phil., Frankfurt/M 1994, S. 91.

54 Luchterhandt: Menschenrechtspolitik und KSZE. Teil II: Belgrad, Madrid und die Perspektiven, in: Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 4-1985, Köln 1985, S. 4.

55 Becker, Peter: Die frühe KSZE-Politik der Bundesrepublik Deutschland. Münster Hamburg 1992, S. 239.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Deutsche Regierung und Opposition und ihr jeweiliges Verhältnis zur Frage der Menschenrechte während der KSZE
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Westdeutsche Außenpolititk der 1960er und 70er Jahre
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
24
Katalognummer
V103501
ISBN (eBook)
9783640018796
Dateigröße
393 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Regierung, Opposition, Verhältnis, Frage, Menschenrechte, KSZE, Westdeutsche, Außenpolititk, Jahre
Arbeit zitieren
Christoph Heintze (Autor:in), 1999, Deutsche Regierung und Opposition und ihr jeweiliges Verhältnis zur Frage der Menschenrechte während der KSZE, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103501

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