Zusammenfassung und kritische Reflexion einiger Texte zur sprach- und denkpsychologischen Forschung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Denken und Problemlösen

3. Einfluss des Verbalisierens bei Intelligenzprüfungen

4. Die Methode des Lauten Denkens

5. Zur Steuerfunktion der Sprache beim Problemlösen

6. Über das Problemlösen in sehr komplexen Lebensbereichen

7. Spracherwerb als Sozialisationsfaktor

8. Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Nachfolgend werden prägnante inhaltliche Aspekte einiger Texte zur sprach- und denkpsychologischen Forschung präsentiert und kritisch reflektiert.

Hierbei handelt es sich sowohl um sprachphilosophische als auch um rein psychologisch relevante Themen.

Entscheidend sind kognitive Prozesse, die beim Sprech- oder Denkvorgang ablaufen.

2) „Denken und Problemlösen“ von Richard E. Mayer

Das Buch „Denken und Problemlösen“ von Richard E. Mayer versteht sich als Einführung in die Psychologie des Denkens anhand der Präsentation einschlägiger, in der Psychologie angewandter, Methoden zur Beantwortung der Fragen nach kognitiven Prozessen innerhalb des Menschen.

Einleitend beschäftigt sich Mayer mit der Introspektionsmethode. Hierbei soll der Proband seine eigenen Denkprozesse bei der Lösung eines vorgegebenen Problems beobachten und später wiedergeben, so dass der Versuchsleiter diese analysieren kann. Im Versuchslabor wurde diese Methode erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts verwendet.

Um kognitive Prozesse auf angemessene Art und Weise zu untersuchen, empfiehlt es sich, Grundbegriffe vorab zu definieren, so dass keine begrifflichen Missverständnisse auftreten können. Ein „Problem“ weist prägnante, für alle Bereiche geltende, Merkmale auf. Zu Beginn herrscht ein gewisser Anfangszustand, der ein anderer ist, als der, der erreicht werden soll. Ein direkter Weg zur gewünschten Änderung ist aber nicht in Sicht. Weiterhin kann zwischen gutem und schlechtem Anfangs- bzw. Endzustand unterschieden und diese Zustände kombiniert werden (guter Anfangs-, schlechter Endzustand; guter Anfangs-, guter Endzustand...), wie es Reitman 1965 getan hat.

Das „Denken“ als zweiter Elementarbegriff ist kognitiv, zielgerichtet und in einen Prozess eingebunden. Mit dieser Formulierung wird man sowohl den Behavioristen als auch den Vertretern kognitiver Richtungen gerecht. Johnson formulierte „Denken als Problemlösen“, da ein Denkprozess zwecks Lösung eines Problems eingeleitet wird, der den Problemlösenden von einem Anfangspunkt hin zu einem Endpunkt bringen soll. Als Subkategorien des Denkens werden Techniken der Induktion (vom Konkreten zum Allgemeinen), der Deduktion (vom Allgemeinen zum Konkreten) und der Schlussfolgerung erwähnt.

Als nächstes untersucht Mayer die Stellung der Kognitionsforschung in der Psychologie. Zu kognitiven Prozessen, über die der Mensch verfügt, zählen Empfindung, Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis und Denken. In allen Bereichen manipuliert der Mensch aktiv Informationen, so dass das Denken immer enthalten ist; es wird im Zusammenhang mit Sozial-, Entwicklungs-, Testpsychologie und Persönlichkeit zum Gegenstand der experimentellen Forschung.

Mayer möchte die Hauptrichtungen der Psychologie des Denkens veranschaulichen und widmet daher jeder aus seiner Sicht wichtigen Theorie ein eigenes Kapitel. Hierzu zählen Assoziationstheorie, Regellernen, Gestalttheorie, Bedeutungstheorie, semantisches Gedächtnis, Computersimulation, deduktives Denken und kognitive Entwicklung.

Bevor die Psychologie zum Ende des 19. Jahrhunderts zur experimentellen Wissenschaft wurde, wurden deren Themenbereiche bereits in der „Geistesphilosophie“ bzw. im Assoziationismus diskutiert. Der Assoziationismus kann auf die aristotelischen Gesetze der Kontiguität (Objekte, die gleichzeitig wahrgenommen werden, werden im Gedächtnis miteinander verknüpft), der Ähnlichkeit (ähnliche Objekte werden miteinander assoziiert) und der Gegensätzlichkeit (Gegensatzpaare werden gebildet) zurück geführt werden. Aristoteles proklamierte die Kybernetik des Denkens, wobei die Bewegung von einer Vorstellung zur nächsten in Form von Assoziationsketten entstehe.

Thomas Hobbes und John Locke entwickelten im 17. und 18. Jahrhundert ihren Ansatz der Assoziationspsychologie, welcher auf den Basispunkten des Atomismus (Assoziation als kleinste Denkeinheit zwischen Vorstellungen), des Mechanismus (automatischer Prozess des Denkens), des Empirismus (Wissen entstammt sinnlicher Erfahrung) und des Imagismus (Denken beinhaltet bildliche Vorstellungen) beruht.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist es dann schließlich Wilhelm Wundt zu verdanken, dass die Psychologie durch seine Einrichtung eines psychologischen Laboratoriums an der Universität Leipzig (1875-1879) zur empirischen Wissenschaft aufstieg. Wundt war der Auffassung, höhere kognitive Prozesse könnten nicht experimentell untersucht werden und beschränkte sich bei seinen Nachforschungen daher auf „einfache psychische Prozesse“, wie z.B. physiologische Reflexe und Empfindungen.

Dieser Einstellung widersprach zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Gruppe Würzburger Psychologen, die mithilfe der Introspektion kognitive Prozesse experimentell untersuchte. Bewiesen wurde, u.a. durch die Anwendung von Hypnose, die Erforschbarkeit menschlichen Denkens. Gegen Hobbes und Locke entstanden neue Basispunkte: der Anti-Atomismus (je nach Kombination ändern sich Elemente des Denkens), der Anti-Mechanismus (Denken ist zielgerichtet), der Anti-Empirismus (Erfahrungen werden im Gedächtnis nicht genau der Realität entsprechend reproduziert) und der Anti-Imagismus (abstraktes Denken existiert neben bildlichem Denken).

Erst mit Otto Selz entsteht die erste nichtassoziationistische Theorie des Denkens. Nach Selz kann Denken ohne innere Bilder verlaufen; das Denken folgt nicht nur einer Assoziationskette, sondern schließt eine Lücke innerhalb eines strukturellen Komplexes. Der aufkommende Nationalsozialismus verhindert weitere Studien zur Gestaltpsychologie; in den USA hat der Behaviorismus ein Primat gegenüber kognitiver Forschung. Seit 1960 entsteht ein neues Interesse an kognitiver Psychologie.

In einer bewertenden Stellungnahme zur Einleitung seines Buches weist Mayer auf die methodologischen sowie theoretischen Schwachpunkte der experimentellen Denkpsychologie hin. Introspektion ist nur dann wissenschaftlich, wenn gewonnene Probandendaten als Berichte und nicht als Erfahrungen betrachtet werden. Die Assoziationslehre und das Werk Selzs, welches der Gestaltpsychologie den Weg ebnete, widersprechen sich; ein Kompromiss wurde laut Mayer noch nicht gefunden. Weiterhin sei nach wie vor zweifelhaft, welcher Platz und welches Interesse der kognitiven Psychologie zukommt.[1]

3) „Einfluß des Verbalisierens auf die Leistung bei Intelligenzprüfungen: Neue Untersuchungen“ von Ule Franzen und Ferdinand Merz

Die beiden Wissenschaftler der Universität Marburg, Franzen und Merz, weisen eine Leistungssteigerung von Probanden unter Verwendung der Verbalisierung bei nonverbalen Tests nach, und zwar bei solchen Tests, deren Lösung entweder durch Analyse der Aufgabe (analytisch) oder anhand eines Vergleichs der Aufgabenstellung mit den Lösungsvorschlägen (nicht-analytisch) möglich ist. Leistungssteigernde Tendenzen bleiben danach bei ähnlichen, stumm zu bearbeitenden Aufgaben, bedingt erhalten. Analysen der Augenbewegungen der Probanden verraten eine Präferenz für analytisches Vorgehen bei gleichzeitigem Verbalisieren, wohingegen ohne Verbalisierung nicht-analytische Methoden eher Einzug finden. Individuelle Testleistungsunterschiede verlieren nun an Gewicht.

Anhand mehrerer Experimente von Studenten der Psychologie im Rahmen von Semester- oder Diplomarbeiten zeigt sich die Verbindung von Verbalisierung und Leistungssteigerung bei Intelligenztests, die eine Unterscheidung zwischen sprachlichen und sprachfreien Tests aufhebt; Sprache bekommt eine zentrale Bedeutung für jegliche Art von Tests.

Beim sogenannten „Einstellungsversuch“ bearbeiten die Hälfte der Vpn Aufgaben sprechend, die andere Hälfte stumm. Im anschließenden „kritischen Versuch“ arbeiten alle Vpn stumm. Vpn waren 60 Schüler im Alter zwischen 13 und 15 Jahren (je zur Hälfte Hauptschüler und Gymnasiasten), die Aufgaben kommen aus den Bereichen Satzergänzung (SE), Rechenaufgaben (RA), Gemeinsamkeiten (GE), Intelligenz-Struktur-Tests (I-S-T), Mechanisch-Technisches-Verständnis-Test (MTVT) u.a..

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Gymnasiasten insgesamt erwartungsgemäß besser abschnitten, mit Ausnahme des MTVT bei den Verbalisierern im Einstellungsversuch; im anschließenden kritischen Versuch geht der Vorteil der Hauptschüler allerdings wieder verloren. Auch bei RA zeigt sich ein signifikantes Verhältnis zwischen Einstellungsversuch und kritischem Versuch, wobei das Verhältnis Verbalisierer-Nichtverbalisierer lediglich beim MTVT signifikant ist.

Festzuhalten bleibt, dass Leistungsverbesserungen durch Verbalisieren auftreten, wenn eine Aufgabe sowohl analytisch (abgeleitet von der Aufgabenstellung) als auch nicht-analytisch (Vergleich Aufgabenstellung-vorgegebene multiple-choice-Antwortmöglichkeiten) gelöst werden kann (z.B. MTVT).

In einem weiteren Experiment wird der Zusammenhang zwischen Verbalisierung und Beantwortungsmodus untersucht. Die Probanden werden durch Manipulation der Beantwortungsmodi (multiple-choice vs. freie Konstruktion der Antworten) zu gleichem Lösungsverhalten bewegt. Hierbei kommt es zu keinen signifikanten Ergebnissen für die Anfangshypothese eines Zusammenhangs zwischen Verbalisierung und effizienterer Leistung, da auch bei nicht-analytischem Vorgehen die Kluft zwischen Verbalisierern und Nichtverbalisierern bestehen bleibt. Erstere waren bei beiden Beantwortungsmodi überlegen, benötigten aber mehr Zeit zur Lösungsfindung als die andere Gruppe der Probanden.

Somit wurde nun in einem dritten Experiment der Zusammenhang der Bearbeitungszeit mit der Leistungsverbesserung untersucht, indem die Zeit konstant gehalten wurde. Aufgrund erneuter unbefriedigender Ergebnisse, bedingt durch die Tatsache, dass sich Unterschiede der Gruppen nur im Einstellungsversuch, nicht aber im kritischen Versuch zeigten, werden im folgenden andere Methoden angewandt.

Anknüpfend an die Würzburger Schule untersuchte Schön (1969) Inhalte der Äußerungen von Probanden während des Problemlösens (Introspektion). Leider gab es auch diesmal keine signifikanten Ergebnisse, die auf einen Zusammenhang zur Leistung hingedeutet hätten. Lediglich eine Vermutung, dass das Lösungsverhalten (analytisch vs. nicht-analytisch) sich in den sprachlichen Äußerungen wiederspiegelt, bleibt als Resultat der Untersuchung.

[...]


[1] vgl. Mayer, Richard E.: Denken und Problemlösen Eine Einführung in menschliches Denken und Lernen. Berlin Heidelberg New York. 1979. S. 1-16

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zusammenfassung und kritische Reflexion einiger Texte zur sprach- und denkpsychologischen Forschung
Hochschule
Universität zu Köln  (Psychologisches Seminar)
Veranstaltung
Texte zur sprach- und denkpsychologischen Forschung
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V10345
ISBN (eBook)
9783638167956
ISBN (Buch)
9783638641425
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenfassung, Reflexion, Texte, Forschung, Texte, Forschung
Arbeit zitieren
Martin Nahlik (Autor:in), 2003, Zusammenfassung und kritische Reflexion einiger Texte zur sprach- und denkpsychologischen Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10345

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