Theorie und Realität in der Leibeserziehung


Hausarbeit, 2001

98 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

0. DER HISTORISCHE HINTERGRUND DER DIDAKTIK

1. ERZIEHUNGSSTILE
1.1 Kennzeichnung von Erziehungsstilen
1.2 Der autokratische Erziehungsstil
1.3 Der demokratische Erziehungsstil
1.4 Der laissez-faire Erziehungsstil
1.5 Welcher Erziehungsstil wird vorrangig im Fach Leibesübungen angewandt?

2. DAS KIND IM UNTERRICHT
2.1 Der leistungsschwache Schüler
2.2 Der unmotivierte und lustlose Schüler
2.3 Der ängstliche Schüler
2.4 Der störende Schüler
2.5 Das Kind im Wandel der Gesellschaft

3. UNTERRICHTSVORBEREITUNG
3.1 Einleitung
3.2 Planungsbereiche
3.2.1 Lernen, Üben und Anwenden
3.2.2 Inhaltsplanung
3.2.3 Organisationsplanung
3.3 Planungsmittel
3.3.1 Lehrplan
3.3.2 Jahresplan und Abschnittplan
3.3.3 Stundengliederung
3.4 Lehrer und ihre administrative Tätigkeit

4. METHODISCHE MASSNAHMEN:
4.1 Verbal-akustische Maßnahmen:
4.1.1 Wie sehen Wissenschafter unter verbal-akustischen Maßnahmen
4.1.1.1 Theorie nach Kayser
4.1.1.2 Theorie nach Allmer
4.1.1.3 nach Größing
4.2 visuelle Maßnahmen
4.2.1 Vormachen und Vorzeigen
4.3 audiovisuelle Maßnahmen
4.3.1 Die Unterrichtsmedien
4.4 Instrumentell-taktile Maßnahmen
4.4.1 Bewegungskorrektur und Bewegungshilfe
4.5 Methodische Maßnahmen in der Realität

5. DISZIPLIN
5.1 Einletiung und Definition
5.2 Definition Gehorsam
5.2.1 Gehorsam als Erziehungsstil
5.3 Ordnung
5.4 Ordnungsrahmen
5.5 Disziplin und Ordnung im Unterricht

6. LEISTUNGSBEWERTUNG UND LEISTUNGSBENOTUNG
6.1 Leistungsbewertung
6.1.1 Allgemeine Definition
6.1.2 Wie sieht die Leistungsbewertung im Sportunterricht tatsächlich aus?
6.2 Leistungsbenotung
6.2.1 Allgemeine Definition
6.2.2 Wie sieht die Leistungsbenotung im Sportunterricht tatsächlich aus?

7. UNTERSUCHUNGEN UNTER SPORTLEHRER
7.1 Einleitung
7.2 Mein Fragebogen
7.2.1 Grundlegende Ideen und Schwierigkeiten
7.2.2 Der Fragebogen
7.3 Die Auswertung

ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURVERZEICHNIS

VORWORT

Die Thematik der vorliegenden Arbeit habe ich aus persönlichen und beruflichen Gründen gewählt.

In meiner Gymnasialzeit bestanden unsere Turnstunden zu mindestens zwei Drittel aus Fußballspielen. Vielleicht waren wir fünf Vereinsspieler dafür ausschlaggebend. Obwohl durchtrainiert, fühlte ich mich nicht qualifiziert genug für ein Sportstudium an der Universität, weil mir jegliche Ausbildung mit dem Turngerät fehlte.

Jetzt, kurze Zeit vor Beendigung meines Studiums, bin ich bereits aus beruflichen Gründen an diesem Thema interessiert: Die neueste Studie aus dem Jahre 2000 („LehrerIn 2000“ unter www.lehrer2000.at ) stellt den Lehrern keine besonders gute Note aus. Auf Grund meines zukünftigen Berufes konnte ich mich mit dieser Meinung nicht abfinden. Außerdem bin ich ebenso auf den Ruf des Sportlehrers bedacht, an seinen Aufgabenfeldern bzw. deren Veränderung im Laufe der Zeit interessiert.

Ziel meiner Arbeit war, die Meinung über den Leibeserzieher zu verbessern. Er ist bei weitem nicht so „faul“, wie man ihm nachsagt. Auf dem Weg dorthin wollte ich Differenzen zwischen Theorie und Praxis der Leibeserziehung aufzeigen. Vor dieser Arbeit war ich nämlich noch der Ansicht, dass zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und didaktischer Realität in der Stadt – Hauptschule eine riesig große Kluft besteht. Meine 15jährige Erfahrung als Vereinsfußballer bestärkte mich noch in dieser Anschauung.

Mein Thema ist sehr umfangreich. Aus diesem Grund habe ich mich nur auf jene Kapitel beschränkt, deren Inhalte mir in meinem Tagespraktikum Probleme aufzeigten, und deren Lösung ich in meiner Arbeit näherkommen möchte.

Um meine theoretischen Ausführungen zu untermauern, führte ich im November und Dezember 2000 eine Fragebogenaktion durch. Die Fragebögen gestaltete ich in Anlehnung an eine Fragebogenaktion aus dem Jahre 1986. In diesem Punkt möchte ich mich bei Herrn Mag. Erich Frischenschlager bedanken, der mir die nötigen Unterlagen für diese Untersuchung zur Verfügung gestellt hat.

Ich danke Frau Dr. Susanne Herker und Herrn Mag. Erich Frischenschlager für die Themenstellung, Begleitung und Unterstützung. Weiters danke ich den Lehrern der Sporthauptschule Bruckner, die mir das Sammeln praktischer Erfahrungen zu meinem Thema ermöglicht haben.

THEORETISCHER TEIL

0. DER HISTORISCHE H INTERGRUND

Über den Nutzen der Leibesübungen und den heute noch aktuellen Zielsetzungen schreibt VIETH (1795): Verbesserung der Gesundheit, Stärkung des Körpers, insbesondere der Muskeln, Vermehrung des Mutes, Verbesserung der Geistesarbeit, Verhütung des Missbrauchs des Geschlechtstriebes, nützliche Anwendung der Freistunden.

Er gibt Anregungen zur Errichtung von Sportanlagen an öffentlichen Schulen und erwähnt ein Stadion, ein Bassin zum Schwimmen, eine gedeckte Halle und ein Reithaus, verbunden mit Räumen für die ritterlichen Übungen Fechten, Tanzen und Voltigieren. Einige Anmerkungen zum Lehrer und Aufseher und deren notwendige Kenntnisse (Es wäre gut, wenn solche Personen, die in Leibesübungen Unterricht geben, auch einige Kenntnisse von dem Bau der Maschine hätten, die ihnen anvertraut wird.) leiten über zu methodischen Hinweisen. Unter diesem Aspekt werden behandelt: Vorzug der Übungen in freier Natur, Abwechslung und Variation beim Üben, Disziplin und militärische Ordnung, Vorsichtsregeln und Unfallverhütung, die Methode vom Leichteren zum Schwereren, Wetteifer und Üben in Gruppen („in Gesellschaft“), Einteilung der Übungen nach Jahres- und Tageszeit (Belastungsrhythmus), Auswahl der Übungen nach Alter, Körperbau, Kraft und Temperament der Zöglinge und das medizinische Turnen (Bewegungstherapie).(vgl. Größing 1997, S.11f)

PESTALOZZI schreibt 1807 in der „Elementargymnastik“ nicht nur über die Körperbildung in der ganzen menschlichen Bildung, sondern auch Einzelheiten über den Unterricht in der Leibeserziehung.

SPIESS verfasst ein umfangreiches Turnbuch für Schulen „Lehre der Turnkunst“ mit didaktischen Erläuterungen.

MAUL berichtet über die Grundsätze, Zwecke und Lehrverfahren des Schulturnens im Buch „Anleitung für den Turnunterricht in Knabenschulen“.

JÄGER verfasst in der „Neuen Turnschule“ Konzepte des Schulturnens, das vom herrschenden Turnen nach SPIESS und KARL abweicht.

WASSMANNSFORFF und LION schreiben Abhandlungen über das

„Methodische Schulturnen“ wie fast alle Fachdidaktiker des 19.Jahrhunderts, dessen Grundlinien SPIESS entwickelt hat.

Die Leibeserziehung der Mädchen findet im 19.Jahrhundert Praktiker und Theoretiker in Adolf WERNER (1794-1866) und Moritz KLOSS (1818- 1881). Diese zwei Didaktiker beschäftigen sich in erster Linie mit dem weiblichen Körper und dessen Belastbarkeit.

Die Schulturnreform des 20.Jahrhunderts bringt mit Karl GAULHOFER (1885-1941) einen bedeutenden Systematiker und Didaktiker hervor. Er unterscheidet nach einer allgemeinen und angewandten Übungslehre und legt seinen Aussagen zum Schulturnen eigene wissenschaftliche Untersuchungen zu Grunde. (vgl. ebda, S.13f)

Mit dem Mädchenturnen setzen sich Margarete STREICHER (1891-1985), Carl DIEM (1882- 1962) und Edmund NEUENDORF (1875-1961) auseinander.

Die „Politische Leibeserziehung“ in der Zeit von 1933 bis 1945 stellt zwar nicht alles auf den Kopf, was bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Schulturnen gegolten hat, entwickelt aber doch ein anderes Unterrichtskonzept, das auf die Unterrichtspraxis verändernde Wirkungen ausübt. Der pädagogische Anspruch wird zunächst dem politischen unterstellt und im Laufe der Entwicklung immer mehr hintangehalten. Auch der Turnlehrer soll in erster Linie politisch zuverlässig und erst in zweiter Linie fachlich und pädagogisch qualifiziert sein; darauf ist diese neue Lehrerbildung bedacht. Bevorzugte Lerninhalte sind jene Sportarten, die Mut und Härte bewirken, also Boxen und Fußball, oder die, die sich für militärische Zwecke gut eignen, wie Geländeübungen.

Nach dem 2.Weltkrieg dauert es mehr als ein Jahrzehnt, bis wieder normale Zustände für die Durchführung des Schulsports geschaffen sind. In Österreich wird durch WOLF das „Natürliche Turnen“ wieder aufgenommen und auch die reformpädagogischen Ansichten kommen wieder zum Ausdruck.

Am Ausgang der fünfziger Jahre gerät die Theorie der Leibeserziehung stärker in die Abhängigkeit von der Pädagogik und Allgemeinen Didaktik. Jeder Methodiker und Didaktiker stellt einen anderen Schwerpunkt in den Vordergrund.

Zwischen Absicht und Ergebnis des leibeserziehlichen Bemühens besteht in der fachdidaktischen Theorie zudem eine breite Kluft. Die bildungstheoretisch ausgerichtete Didaktik der Leibeserziehung ist eine so weitreichende Absichtserklärung, dass die Überprüfung der Verwirklichung der hoch gesteckten Ziele nicht erreichbar erscheint und deshalb auch nicht zum Ansatz der Theoriebildung genommen wird. Über Lernzielkontrollen finden sich wenig Aussagen im fachdidaktischen Schrifttum dieser Zeit. Didaktik und Methodik nehmen voneinander immer weniger Notiz. Das Wissen um den unlösbaren Zusammenhang von Zielfragen, Lerninhalten und methodischen Wegen geht verloren und soll erst in der nächsten Periode der Sportdidaktik neu entdeckt werden. (vgl. ebda, S.15f)

Nichtsdestotrotz haben alle gängigen Konzepte einige Merkmale gemeinsam:

1. Ein starker Bezug zur Praxis des Unterrichtsfaches Leibesübungen ( Unterrichtsvorbereitung, Erfolgskontrollen, . )
2. Die enge Anbindung an die Entwicklungspsychologie (Inhalts- und Methodenbereich)
3. Die Betonung der Systematik der Lerninhalte (pädagogische Grundsätze, Ordnung in der Praxis)
4. Die Ablehnung eines koedukativ geführten Sportunterrichts.
5. Die Leibeserziehung als Teil der Gesamterziehung. (Die Leibeserziehung ist als unverzichtbarer Teil der menschlichen Bildung auszuweisen).

(vgl. ebda, S.18)

1. E RZIEHUNGSSTILE

1.1 Kennzeichnung von Erziehungsstil

„Mit Erziehungsstil meint man eine kategoriale Kennzeichnung von Erziehungspraktiken und Gestaltungen von Erziehungsprozessen nach bestimmten Merkmalsfeldern. Es werden dabei typische Formen zu einer Gruppe zusammengefasst. Die Typisierung führt zu ”reinen” Erziehungsstilen, die es so in Wirklichkeit nicht gibt. Die Einteilung und Kennzeichnung der Erziehungsstile kann dabei nach idealtypischen Merkmalen (z.B.: Grundstile der Erziehung nach Spranger 1968) oder nach Typologien (z.B.: Lewin, Lipitt und White 1939) oder nach Dimensionen (z.B.: Tausch und Tausch 1970) erfolgen.“ (Schröder 1995, S.22f)

1.2 Der autokratische Erziehungsstil

„Beim autokratischen (autoritären) Erziehungsstil wird der Erziehungsprozess vom Erwachsenen streng reglementiert, die Erziehungsmaßnahmen erfolgen ohne Begründung und der Zögling hat die gestellten Anforderungen ohne Widersprüche zu erfüllen. Dementsprechend erfolgen Lob und Tadel, welche jeweils stark von der subjektiven Willkür des Erwachsenen abhängig sind.“

(Schröder 1995, S.23)

1.3 Der demokratische Erziehungsstil

„Der demokratische (sozial-integrative, kooperative) Erziehungsstil ist durch ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Erzieher und Zögling gekennzeichnet. Die für erforderlich gehaltenen Erziehungsmaßnahmen werden gemeinsam diskutiert, sachlich begründet und führen zu Aktionen, welche die personale Würde des Einzelnen nicht verletzen. Individuelle Gegebenheiten des Zu- Erziehenden (Neigungen, Schwächen, Fähigkeiten, Entwicklungsstand u.a.) werden weitgehend berücksichtigt.“ (Schröder 1995, .23)

1.4 Der laissez-faire Erziehungsstil

„Bei einem laissez-faire (gleichgültigem) Erziehungsstil dominiert auf Seiten des Erziehers minimale Lenkung und Kontrolle (Desinteresse), was sich in einem grundsätzlichen Gewährenlassen auswirkt. Die Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen können sich völlig nach deren willkürlicher Entscheidung vollziehen, werden von den Erwachsenen kaum zur Kenntnis genommen und lassen diese meist unberührt. Dies kann zu einer Auflösung jeglicher Ordnung in der Sozialstruktur führen.“ (Schröder 1995, S.23)

1.5 Welcher Erziehungsstil wird vorrangig im Fach Leibesübungen angewandt?

Es ist vorweg schon einmal interessant, dass es eine Fachliteratur gibt, die sich mit Erziehungsstilen im Sport befasst hat und wenn, dann wird eher von Führungsstilen gesprochen. Mit dem Begriff Führungsstil wird auch gleich auf den autoritären Erziehungsstil geschlossen. Welcher Stil wird aber nun vorrangig verwendet?

Einerseits gibt es Lehrer, die ein Plädoyer für ein stärkeres Zurücknehmen der Lehrkraft halten, um die Schüler über ein aufmerksames, begleitendes >>Lassen<< zu motivieren. Schüler sollen demnach unterstützt werden, ihre eigene Leistungsfähigkeit einschätzen zu lernen. (vgl. Jakob 2000, S.13)

Andererseits schafft der Sportunterricht Situationen, die ein autoritäres Verhalten des Lehrers erforderlich machen. Das ist dann der Fall, wenn die Art der Übung oder die gegebene Situation ein erhöhtes Unfallsrisiko mit sich bringen. Aber ein ständiger autokratischer Unterrichtsstil führt zu ähnlichen Einstellungen unter den Schülern. (vgl. Größing 1997, S.80)

So berichten zum Beispiel einige Schüler von ihrer militärisch veranlagten Lehrerin. >>Wie die schon in der Halle steht, als hätte sie eine Peitsche in der Hand.<< (vgl. Geist 2000, S.17)

Der Lehrer ist in dieser Situation nur Respektsperson und nie ein Freund der Schüler. In solchen Situationen kommt der zwischenmenschliche Aspekt sicherlich zu kurz.

Die allgemeine Behauptung über die negativen Folgen eines lehrerdominativen Führungsstils ist allerdings in einigen Punkten zu differenzieren. Der Unterrichtsstil des Lehrers ist vom Alter der Schüler, vom Unterrichtsinhalt und der besonderen Unterrichtssituation abhängig. Ein lehrerzentrierter Unterricht sollte allerdings nicht von vornherein mit einem autoritären Führungsstil gleichgesetzt werden, da ein konsequenter Führungsanspruch des Sportlehrers, wenn er mit fachlichem Können verbunden ist, das motorische Lernen und Leisten der Schüler in günstiger Weise beeinflussen kann. (vgl. Größing 1997, S.80)

Riegenturnen oder Geräteturnen allgemein laufen in einem Gruppenunterricht ab. Also läuft auch ein großer Teil des Turnunterrichts im sozialintegrativen Erziehungsstil ab und regt dadurch die Eigentätigkeit und Selbstständigkeit der Schüler an. Natürlich ist dieser Unterricht auf Grund der steigenden Anzahl der menschlichen Interaktionen problemanfälliger und konfliktgeladener, hier ist das Erreichen der Schlüsselqualifikationen von Bedeutung. Dieser Erziehungsstil ermöglicht auch die Meinungsäußerung und Mitbestimmung im Unterricht. Durch den neuen Lehrplan, mit Kern- und Erweiterungsbereich, hat dieser Erziehungsstil einige Vorteile. Die Schüler können gewisse Themen im Unterricht einfordern, müssen dann aber auch eine Stunde planen und werden so zum selbstständigen Arbeiten mit Verantwortung erzogen.

Im Turnunterricht ohne Notenzwang und mit freien Bewegungsphasen soll nicht zum laissez-faire Erziehungsstil abrutschen.

Ein Lehrer kann sich nicht verstellen. Ein >>Sunnyboy<< wird im autokratischen Erziehungsstil genauso wenig glaubwürdig sein, wie ein militanter Lehrer im laissez-faire. Den immer passenden Erziehungsstil gibt es nicht. Jeder Lehrer muss von vornherein in der Praxis herausfinden, welcher Stil ihm entspricht und ob die Schüler so mit ihm zurecht kommen.

Das richtige Lehrerverhalten ist nur innerhalb gewisser Grenzen erkennbar und trainierbar, die von der jeweiligen Persönlichkeit gezogen werden. (vgl. Manninger/Tollich 1983, S. 371)

Geringes Fehlverhalten eines Turnlehrers kann leicht zu Unfällen führen, ein weiterer Anlass für den autokratischen Erziehungsstil. (vgl. Manninger/Tollich 1983, S.371)

Turnunterricht im Klassenzimmer läuft meist anders ab als in der Öffentlichkeit (Schwimmbad, Wettkampf). Ein gewisser „Herzeigeeffekt“ oder „Imagegedanke“ bewirkt verändertes Führungs- oder Sozialverhalten, sowohl des Lehrers als auch des Schülers.

2. DAS KIND IM UNTERRICHT

Im speziellen Fall des Sportunterrichts sind damit die, jedem Sportlehrer bekannten, Schwierigkeiten und problematischen Situationen angesprochen, die sich im Unterricht ereignen. Schüler sind ängstlich oder unmotiviert, störend, aggressiv, ungeschickt, dicklich oder wenig leistungsbereit und werden dadurch für den Lehrer zu Problemschülern. Die Meinung über die Anzahl der Problemschüler in einer Klasse gehen unter den Lehrern deutlich auseinander. Natürlich liegen die Grenzen für Problemschüler bei jedem Lehrer auf einem anderen Level. Als Problemfall wird der Schüler angesehen, der leistungsmäßig unter dem Klassendurchschnitt liegt. Doch kann die Leistungsschwäche möglicherweise für den Schüler selbst gar kein Problem bedeuten, weil sie im Schulsport ohne Belang für ihn ist. Sie kann aber auch für den Lehrer unproblematisch sein, weil sie auf Grund der körperlichen Voraussetzungen des betreffenden Schülers nicht zu verbessern ist. Umgekehrt kann ein leistungsstarker Schüler störend und unwillig im Unterricht auftreten und damit zu einem pädagogischen und didaktischen Problem für den Lehrer werden. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einem einstweiligen und einem generellen Problemschüler.

Der Problemschüler verursacht Problemsituationen im Schulsport, schafft Störungen und Konflikte. Besondere Bedingungen des Schulsports, bestimmte Lerninhalte, Unterrichtsverfahren oder Lehrerhandlungen produzieren Problemschüler, d.h. der Sportunterricht wird zur Ursache für das Auftreten des Problemschülers und schafft sich gleichsam seine Konflikte selbst. Dies trifft in besonderer Weise auf den ängstlichen, störenden oder unmotivierten Schüler zu. Mancher junge Mensch erfährt erst unter den Bedingungen des Schulsports die Angst im Sport. Das Phänomen des Problemschülers wäre zu einseitig und damit falsch erklärt und interpretiert, wollte man nur die Anforderungen und Handlungssituationen des Sportunterrichts für das Auftreten der Konflikte und Probleme verantwortlich machen. Ebenso irrig ist die Annahme, dass alle Problemfälle von außerhalb in die Schule hineingetragen werden. (vgl. Größing 1997, S.69f)

2.1 Der leistungsschwache Schüler

Die Leistungsschwäche im Sportunterricht ist in erster Linie mit körperlicher und motorischer Benachteiligung verbunden, die entweder als Fettsucht, Koordinationsstörung oder andere entwicklungsbedingte Behinderungen vorliegen. Die Ursachen für diese Beeinträchtigungen liegen in verschiedenen Ebenen: angeborene und erworbene Fettleibigkeit, cerebral bedingte Koordinationsstörungen, zeitlich oder räumlich bedingter Übungsmangel, elterlicher Erziehungsstil, der zur Bewahrung und Behütung tendiert, chronische Krankheiten wie Asthma oder Diabetes mellitus, eine länger andauernde akute Erkrankung, ausgeprägte musische oder intellektuelle Neigungen. Ein leistungsschwaches Kind gerät oft in einen verhängnisvollen Wirkkreis gegenseitiger ungünstiger Beeinflussung. Häufige Erfahrungen des beständigen Misserfolges werden mit der Flucht aus der unangenehmen Situation beantwortet.

Passivität oder Überaktivität beim Spielen sind ebenso häufig zu beachten wie geschicktes Umgehen bei Übungen im Turnen oder in der Leichtathletik. Die Überaktivität äußert sich bei Ballspielen dadurch, dass solche Schüler zwar mitlaufen, aber sich zugleich hüten, in den Ballbesitz zu gelangen, weil sich dann ihre Ungeschicklichkeit offenbart und den Anlass für die Unmutsäußerungen der Mitschüler abgibt. (vgl. Größing 1997, S.70f)

2.2 Der unmotivierte und lustlose Schüler

Der leistungsschwache Schüler wird wenig Begeisterung für den Sportunterricht aufbringen und zählt daher auch zu den unmotivierten und uninteressierten Jugendlichen. Es gibt allerdings auch den dicklichen oder ungeschickten Schüler, der mit großem Eifer bei der Sache ist, eine hohe Leistungsbereitschaft zeigt und dennoch auf Grund seiner konstitutionellen, organischen oder sensomotorischen Beeinträchtigungen leistungsmäßig unter dem Durchschnitt verbleibt. Und es gibt auch den leistungsstarken Jugendlichen mit den günstigen motorischen Voraussetzungen, der die Mitarbeit im Schulsport verweigert. Die Demotivation kann jederzeit auftreten, wie zum Beispiel durch Interessensverschiebung, die besonders oft in der Pubertät beobachtbar ist. Außerdem kann sie noch von der Person des Lehrers abhängig sein oder sich als dauerhafte Abneigung gegenüber der sportlichen Tätigkeit manifestieren. Auch das Erscheinungsbild des unmotivierten Schülers ist vielfältig und offenbart Fluchtverhalten, Störung und Aggression, Teilnahmslosigkeit usw.

Weitere Ursachen für fehlende Motivation können der Einfluss der Gleichaltrigengruppe, das Lehrerverhalten, Misserfolgserlebnisse und damit verknüpfte Enttäuschungen sein oder so äußerliche Gründe wie Bequemlichkeit, fehlende Anstrengungsbereitschaft oder die geringe Bedeutung der Sportnote in der schulischen Selektion. (vgl. Größing 1997, S.72f)

2.3 Der ängstliche Schüler

Das Zustandekommen von Angstgefühlen reicht von organischen Ursachen bis hin zu gesellschaftlichen Erklärungen. Schon Freud und Neo-Freudianer haben sich sehr früh mit diesem Thema auseinandergesetzt. In der heutigen Gesellschaft wird das vorherrschende Leistungs- und Konkurrenzprinzip als Erklärung für die Angst herangezogen. Ebenso wird die Autoritätsangst als gesellschaftlich vermittelt angesehen und mit den in Elternhaus und Schule bestehenden Hirachieverhältnissen in Verbindung gebracht. Die Auswirkungen und Folgen der angeborenen oder lernend erworbenen Ängstlichkeit im Handeln des Schülers während des Sportunterrichts wird verschiedentlich betrachtet, gedeutet und beurteilt. Geringe Angst mit einer hohen Risikobereitschaft verbunden, kann in manchen Situationen des Sports gefahrvoll sein. Starke Angstgefühle hemmen die Bewegungsausführung und schaffen durch Verkrampfung wiederum gefahrvolle Situationen. In einem stimmen allerdings die meisten Veröffentlichungen überein, nämlich, dass eine leichte bis mittlere Angst aktivierend und motivierend wirken kann. Jedoch fehlen dazu Erfahrungswerte, um daraus didaktische Erkenntnisse ableiten zu können. (vgl. Größing 1997, S.72)

Nun einige Situationen im Sportunterricht, in denen ein Schüler Angst haben kann, weil er :..

1. .mit Sportgeräten unliebsame Erfahrungen gemacht hat.
2. .vor dem Gelände Angst empfindet. Dazu gehören unter anderem der Skihang und die Eislauffläche.
3. .in ungewöhnlichen Situationen Angstzustände bekommt. Dazu zählen Wasserspringen, Salto- und Schraubbewegungen.
4. .im Schulsport beschämende Erlebnisse gehabt hat.
5. .häufig mit Misserfolgen konfrontiert wurde.
6. .durch Erfahrungen in der Schule oder im Elternhaus gelernt hat, vor Autoritäten Angst zu empfinden. Ihm tritt auch der Sportlehrer als angsterzeugende Autorität entgegen.
7. .auch im Schulsport Prüfungssituationen als Belastung empfindet und mit Angst darauf reagiert. (vgl. ebda, S.73)

Die Ängste des Schülers im Schulsport zeigen sich nicht immer in den für sie typischen Symptomen. Wenn sie aber verkleidet auftreten, werden sie häufig vom Lehrer nicht als solche erkannt und deshalb durch falsche Reaktionen beantwortet. Aber selbst die offenkundigen und eindeutigen Angstäußerungen werden nicht immer zur Kenntnis genommen, weil es manchem Sportlehrer schwer fällt, sich in Situationen einzufühlen, die einem Schüler Angst einflößen können. Es ist deshalb eine dringende Forderung an die Sportlehrerausbildung, den zukünftigen Lehrer mit Erscheinungen und Ursachen der Schülerangst vertraut zu machen und ihm didaktische Hilfen zur Angstverminderung im Unterricht anzubieten. (vgl. ebda, S.73f)

Die zukünftigen Lehrer werden auf diese Situationen sehr gut vorbereitet. Ihnen werden alle Erkennungsmerkmale erklärt und beschrieben. Weiters werden sie mit allen Möglichkeiten der Milderung und Bekämpfung vertraut gemacht. Der Erfahrungsstand, den jeder Lehrer für sich selbst macht, bildet aber wieder das Kriterium für die richtige Lösung. Die Junglehrer haben infolgedessen das theoretische Wissen in diesem Bereich, doch fehlt ihnen meistens noch die praktische Erfahrung!

2.4 Der störende Schüler

Wie groß die Anzahl der störenden Schüler und der Störfälle im Schulsport ist, hängt auch davon ab, was der Sportlehrer als Störung empfindet. Ein Sportlehrer muss entscheiden, welches Verhalten eines Schülers zu einer Störung führen kann. Denn ein Turnlehrer sollte nicht bei jedem unpassenden Verhalten disziplinierend eingreifen. Im Turnunterricht können leicht Konflikte entstehen auf Grund der Dynamik interpersonellen Geschehens, der Materialaufwendigkeit und der situativen Variabilität. Sowohl Wettkampf, Spiel als auch die Umgebung (wie zum Beispiel das Schwimmbad) tragen zur Ablenkung und zu Unterbrechungen bei. Zum Erscheinungsbild des sozial auffälligen Kindes und Jugendlichen zählt der aggressive Schüler, der den Lehrer oder die Mitschüler verbal oder körperlich angreift, der streitet und randaliert, Geräte beschädigt, andere anspuckt oder mit Schlägen traktiert. Tatsache ist, dass Schule und Schulsport ebenfalls Anlässe für aggressives Verhalten bieten und der Sportunterricht dadurch häufig gestört wird. Deshalb geht es auch darum, durch didaktische Maßnahmen und pädagogisches Verhalten Konflikte, die sich aus aggressiven Handlungen ergeben könnten, zu vermeiden, indem man die Anlässe zum aggressiven Ausbruch vermindert.

Auch dieses Thema bedarf eines hohen Erfahrungsstandes, um mit diesem Problem didaktisch umgehen zu können.

2.5 Das Kind im Wandel der Gesellschaft

Die Realität konfrontiert Lehrer mit einer hohen Zahl an ängstlichen, lustlosen, leistungsschwachen und unmotivierten Schülern, die im Unterricht einen störenden Einfluss ausüben. Die Ursprünge für die Veränderungen in der Kindheit liegen einige Jahrzehnte zurück. Die heutige Gesellschaft hat viele Modewörter, die diese Situation treffend beschreiben. Unter anderem sprechen die Erzieher von einer “Airbag”- Kindheit. Es gibt noch viele andere Bezeichnungen, die mit dieser Airbag-Kindheit verknüpft gesehen werden, wie die Konsumkindheit oder die Medienkindheit. Im letzten Jahrzehnt ist das durchschnittliche Realeinkommen genauso gestiegen wie die sozioökologischen Lebensbedingungen. Kinder leben dadurch in einer Konsumkindheit mit einem gnadenlosen Konsum von industriellen Massenspielgütern. Auf der anderen Seiten sind Schüler mit der unendlichen Weite von Medien konfrontiert, deren pädagogisches Verantwortungsbewusstsein zu hinterfragen ist.

Einen sehr großen Einfluss auf Schüler üben Eltern mit der Konzentration auf die Karriere aus. Sehr oft verfolgen Eltern ihre unerfüllten Karriereträume mittels ihrer Kinder. Immer öfter steht nicht unbedingt der Bildungsweg im Mittelpunkt sondern andere Aktivitäten. Vor allem Amerika steht im Mittelpunkt dieser Veränderungen. Eltern “erziehen” ihre Kinder zu Tennis- oder Eishockeyprofis. Kinder sind oft mit diesem Bildungs- und Qualifizierungsdruck überfordert. (vgl. Brinkhoff 1994, S.12f)

Für den Lehrer ergeben sich daher aus fachdidaktischer Sicht einige Veränderungen im Unterricht. Dies zeigt eine Studie von Mag. Erich Frischenschlager aus dem Jahre 2000 mit dem Thema: Trends in der Sportpädagogik.

Der Unterricht tendiert immer mehr zu einem offenen Unterricht, um Motivationsproblemen entsprechend vorzubeugen: das bedeutet differenzieren zu können. Lehrer klagen jedoch über die fehlende Literatur zu offenen Unterrichtsformen im Turnunterricht.

Dem lustlosen Schüler wird versucht entgegenzuwirken, indem immer mehr Trendsportarten in den Unterricht eingebaut werden. Dies alleine wird aber nicht ausreichen, um ihn zu motivieren. Lehrer haben daher die Aufgabe, mehr als Animateur oder Showmaster zu fungieren. Schüler sind solche Situationen oft aus dem Urlaub gewöhnt und verbinden sie daher mit etwas Schönem, denn sie sind „fun-orientiert“. Aus diesem Grund ist die Arbeit eines Turnlehrers nicht mit der Abhandlung von Spielformen getan.

Lehrer sollen sich ständig weiterbilden. Sportlehrer werden immer mehr auf der psychologischen Ebene gefordert. Kinder sind oft auf Grund dieser bereits erwähnten Einflussfaktoren sehr bequem und unmotiviert. Schüler “müssen” zum Schwitzen fast schon gezwungen werden. Lehrer klagen oft über die großen körperlichen Defizite bei Schülern. Der Nachholbedarf wird immer größer und ist kaum mehr aufzuhalten. Aus diesem Grund werden Lehrer immer wieder aufgefordert, neue Wege und Mittel zu finden, um den Schülern den Sport wieder schmackhaft zu machen.

Der Umgang mit ängstlichen Kindern stellt den Lehrer immer wieder auf die Probe. Natürlich lernen Lehrer in ihrer Ausbildung Wege kennen, wie sie helfen können, Angst zu überwinden. Es gibt aber kein Rezept für den Umgang mit ängstlichen Kindern im Unterricht.

Zum Thema „Kind im Unterricht“ gibt es bereits eine Lehrer-Befragung durch Mag. Erich Frischenschlager.

Sportlehrer antworten auf die Frage nach ihren spontanen didaktischen Grundsätzen meist mit Sicherheit und gegenseitigem Helfen und Sichern, sowie jeder soll schwitzen und Stehzeiten sollen vermieden werden. Der Turnlehrer soll nicht nur nach diesen Grundsätzen handeln, sondern auch ein guter Freund der Schüler sein, um ihnen bei der Angstbekämpfung und Lustlosigkeit zu helfen.

Mit welchen fachdidaktischen Fragen werden Sie als Leibeserzieher am häufigsten konfrontiert?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Fachdidaktische Fragen - Mag. Frischenschlager Erich: Trends in der Sportpädagogik, 2000

Die ersten vier Punkte dieser Antworten spiegeln die oben niedergeschriebenen Fakten wider, nach denen Sportlehrer immer mehr auf psychologischer Ebene tätig werden.

Andererseits zeigen die Antworten auf die Frage 8 dieser Untersuchung die Realität von gelerntem Wissen und tatsächlich anwendbaren Material.

Frage 8:

Welche Inhalte der Fachdidaktik, die Sie in Ihrer Ausbildung gehört haben, sind Ihrer Meinung nach noch immer aktuell und heute noch unverzichtbar?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Aktuelle Inhalte aus der Ausbildung - Mag. Frischenschlager Erich: Trends in der Sportpädagogik, 2000

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Theorie und Realität in der Leibeserziehung
Autor
Jahr
2001
Seiten
98
Katalognummer
V103413
ISBN (eBook)
9783640017911
Dateigröße
698 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Realität, Leibeserziehung
Arbeit zitieren
Walther Eccher (Autor:in), 2001, Theorie und Realität in der Leibeserziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103413

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