"Von der Tätigkeit zum Lernen" nach Hans Aebli unter Berücksichtigung praktischer Beispiele.


Examensarbeit, 2001

65 Seiten


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung
2. Zum Werk Hans Aebli’s
2.1. Über Hans Aebli
2.2. Zu seinen Werken
2.2.1. „Zwölf Grundformen des Lehrens“
2.2.2. „Grundlagen des Lehrens“

3. Von der Tätigkeit zum Lernen nach Hans Aebli
3.1. Lebens- und Lerntätigkeiten ..
3.1.1. Lernen als Nebenprodukt attraktiver Tätigkeiten
3.1.2. Der Würfel
3.1.3. Verhaltenswissen und Weltwissen
3.1.4. Standort und Lebensplan ..
3.1.5. Der didaktische Kurzschluss
3.1.6. Wissenschaftlich oder Lebenspraktisch
3.2. Drei Qualitäten des Tuns ..
3.2.1. Wahrheit
3.2.2. Schönheit
3.2.3. Güte
3.2.4. Motivation
3.3. Von der Tätigkeit zum Lernen
3.3.1. Strukturelles Lernen ..
3.3.2. Verstärkendes Lernen
3.3.3. Vom Lernen zum Lehren ..
3.3.4. Sachgemäßheit
3.3.5. Ästhetik
3.3.6. Gutes handeln
3.4. Zusammenfassung

4. Vorstellung des Schulprojekts ..
4.1. Bedingungsermittlung
4.1.1. Faktor Schule
4.1.2. Die Klasse
4.1.3. Lernvoraussetzungen
4.2. Vorstellung der Unterrichtseinheiten
4.2.1. Vorüberlegungen ..
4.2.2. Unterrichtseinheit „Experimentieren“ zum Thema Wasser ..
4.2.3. Sachanalyse: Was ist ein Experiment?
4.3. Stundenvorbereitung für Malen mit Eiswürfeln
4.3.1. Lernvoraussetzungen
4.3.2. Einstieg
4.3.3. Arbeitsphase ..
4.3.4. Abschluss
4.3.5. Ziele
4.3.6. Reflexion

5. Bearbeitung des Schulprojekts nach Hans Aebli
5.1. Aussuchen der Schulstunde ..
5.2. Anwendung Aebli’s Theorie auf das Schulprojekt
5.2.1. Übereinstimmungen und vergleiche
5.2.2. Handlungswissen ..
5.2.3. Zur Taxonomie der Tätigkeiten

6. Parallelen eines Kunstdidaktikers

7. Schlusswort

Erklärung

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

In dieser Arbeit werde ich zunächst auf das Werk Hans Aebli’s und ihm selbst eingehen. Es handelt sich um zwei Bücher, „Die zwölf Grundformen“ und „Grundlagen des Lehrens“.

Dann werde ich im Speziellen auf den ersten Teil seines zweiten Buches „Lehren: vom Tun zum Lernen führen“ eingehen und es so gut wie möglich erläutern, um Stellung zu der Frage „wie kann ich Stoff in Tätigkeit umwandeln?“ zu nehmen.

Um dann ein wenig praktischer zu werden, werde ich eins meiner Schulprojekte vorstellen. Es handelt sich dabei um eine Kunststunde in einer dritten Klasse.

Ich werde versuchen, sie nach Hans Aebli zu bearbeiten, um eine Verbindung zwischen meinem Schulprojekt und dem Prinzip “von der Tätigkeit zum Lernen“ herzustellen.

Eine weitere Verbindung werde ich dann in einem nächsten und letzten Punkt zwischen dem Fach Kunst und allgemeiner psychologischer Didaktik knüpfen.

Zum Abschluss will ich meine Eindrücke und Spuren, die diese Arbeit hinterlassen haben, zusammenfassen.

2. Zum Werk Hans Aebli’s

2.1. Über Hans Aebli

Hans Aebli wurde 1923 in Zürich geboren. Er absolvierte das Studium der Psychologie, der Philosophie und der Pädagogik an den Universitäten Genf und Minnesota/USA. Von 1962 bis 1966 war er Professor der Psychologie an der Freien Universität

Berlin. Von 1966 bis 1971 hatte er die Stellung eines

ordentlichen Professors der Psychologie und war Leiter der Abteilung Psychologie des Zentrums für Bildungsforschung an der Universität Konstanz und schließlich wurde er dann Direktor der Abteilung pädagogische Psychologie der Universität Bern. Bis zu seinem Tod im Juli 1990 lebte er in Burgdorf bei Bern. Seine Forschungen betreffen die

Entwicklungspsychologie, die Psychologie des Denkens und Handelns und deren Anwendung auf das Lehren und Erziehen.

2.2. Zu seinen Werken

Er hatte zunächst nur ein Buch verfasst, und zwar „Grundformen des Lehrens“ doch über die Jahre musste er immer wieder Veränderungen vornehmen und irgendwann glich es einem alten Haus mit lauter Anbauten und wurde zum Teil unübersichtlich. Also entschlossen er und sein Team, es vollständig zu überarbeiten. Das äußere Ergebnis war die Zweiteilung seines Werkes. Mit den „Zwölf Grundformen des Lehrens“ hat er Überarbeitung begonnen, es erschien 1983. Auf das zweite jedoch musste wegen eines Forschungsprojekts und gesundheitlicher Probleme länger gewartet werden. „Die Grundlagen des Lehrens“ waren dann zum Frühlingsanfang 1987 fertiggestellt. Die Kapitel über das Curriculum, das Prüfen und der Notengebung fehlen in den "Zwölf Grundformen“, man findet sie jedoch im zweiten Buch „Die Grundlagen des Lehrens“ wieder. Zugleich kommen im zweiten Buch ein paar neue Gesichtspunkte hinzu.

2.2.1. „Zwölf Grundformen des Lehrens“

Das Buch „Zwölf Grundformen“ ist sozusagen der erste neue Teil von den Grundformen des Lehrens. Was ist neu an den „Zwölf Grundformen“? Vier Dinge: der Aufbau des Buches, die vier neuen Kapitel, die Ausführlichkeit der psychologischen und der pädagogischen Begründungen und die breitere Verständlichkeit der Beispiele.

Gleichgeblieben ist der Versuch zugleich verständlich und praktisch zu sein, so dass es für 18jährige Studenten und auch für ausgebildete Lehrer verständlich ist.

Dieser erste Band einer allgemeinen Didaktik auf psychologischer Grundlage beinhaltet jetzt also folgende Grundformen:

1. Erzählen
2. Vorzeigen
3. Anschauen
4. Lesen
5. texte verfassen Sie erklären den Aufbau
6. einer Handlung
7. einer Operation
8. eines Begriffes Der Lernprozess umfasst
9. Problemlösen
10. Durcharbeiten
11. Üben, Wiederholen und
12. Anwenden

2.2.2. „Grundlagen des Lehrens“

Die Grundlagen des Lehrens schließen als selbständiger Teil an die zwölf Grundformen des Lehrens an. Beide Bücher zusammen ergaben die alten „Grundformen“. Er hat die Struktur in den „12 Grundformen“ bereinigt. Nun fehlten aber die Kapitel über das Curriculum, das Prüfen und die Notengebung. Diese Kapitel sind in überarbeiteter Form in dem neuen Band vorhanden. Zugleich hat er eine ganze Reihe Fragen angesprochen, welche Auswirkungen Lehrplan- und Prüfungsprobleme auf das weitere Lernen haben. Er wird in diesem Teil das Problem der Ziele des Unterrichts tiefer und systematischer angehen. Dazu musste man fragen, wie es in natürlichen Lebenssituationen zum Lernen kommt, und was es braucht, damit dieses auch in der Schulsituation gelingt. Das Leitmotiv heißt hier Tätigkeit, aber welche Tätigkeiten? Er schlägt eine 8-teilige Taxonomie der Tätigkeiten im Unterricht vor. Ihnen entsprechen acht Lernbereiche. Unter diesen vertieft er in diesem Band besonders das soziale Lernen. Weiterhin geht er auf Lernmotivation, das Lernen lernen, das Miteinander zurechtkommen, Lehrpläne und Prüfen ein.

3. Von der Tätigkeit zum Lernen nach Hans Aebli

3.1. Lebens- und Lerntätigkeit

3.1.1. Lernen ais Nebenprodukt attraktiver Tätigkeiten

Ich interessiere mich in diesem Fall vor allem für seinen ersten Teil und werde es deshalb zunächst erläutern.

Er nennt seinen ersten Teil „Lehren: vom Tun zum Lernen führen“. Im ersten Kapitel geht er zunächst auf Lebenstätigkeiten und Lerntätigkeiten ein. Er stellt eine sehr elementare Frage: Warum macht Lernen und Lehren in der Freizeit und im „richtigen“ Leben soviel Spaß? Es gibt unzählige Beispiele, die uns sehr deutlich beweisen, daß Lernen und Lehren Spaß machen kann. Wir brauchen uns nur an Dinge wie zum Beispiel das Autofahren oder das Schwimmen lerne denken. Da hat man gespürt, daß man weiterkommt, daß sich neue Möglichkeiten erschließen, daß man wirkungsvoller handelt, weiter oder tiefer sieht. Sollte das nicht Spaß machen? Genauso sieht er es mit dem Lehren. Es gibt unzählige Situationen, in denen man deutlich erkennt, daß Lehren Spaß machen kann. Zum Beispiel Eltern, die ihren Kindern etwas „beibringen“, etwa die neue Eisenbahn oder neue Wörter. Wenn wir etwas lehren, haben wir Teil an der Entwicklung des Lernenden, man erlebt noch einmal das Abenteuer der Entdeckung. Wir sehen den Lernenden weiterkommen und das bringt einen selbst ein wenig weiter.

Gut und schön, aber warum funktioniert dieses Prinzip nicht in der Schule? Diese Frage klärt Hans Aebli in diesem ersten Kapitel.

Warum freuen sich Schüler und Lehrer nicht unbedingt auf das Ferienende? Beide sollten sich doch eigentlich freuen auf das Abenteuer des Lernens und Lehrens. Ein tolles Abenteuer jedoch scheint es leider nicht für alle zu sein.

Die Lehrer nennen als Grund der „Unlust“ meistens den Stoffdruck, schwierige Schüler oder mangelnde Lernmotivation. Schüler hingegen klagen über zu hohe Anforderungen und uninteressanten Lehrstoff.

Das würde also bedeuten, daß das, was in der Schule bearbeitet wird zum Beispiel langweilig ist und Sachen, die in der Freizeit gelernt werden eben nicht. Aber dem ist nicht so, schließlich würde sich wohl kaum ein Fahrschüler beklagen, daß er die Funktion des Anlassers oder der Kupplung erlernen muss. Warum ist ein solcher Stoff interessanter? Weil er nicht drückt. Und warum drückt er nicht? Aebli ist auf Suche nach Antworten.

Wie müßte Schule und Unterricht aussehen, in der Lernen Spaß macht? In welcher Form muß Lernstoff auftreten, damit er bereitwillig von den Schülern aufgenommen wird? Was meinen wir überhaupt, wenn wir von Stoff sprechen? Und vor allem müssen wir verstehen, wie ein Umfeld beschaffen sein muß, welches alle Beteiligten, Schüler und Lehrer, anzieht.

An den Beispielen Autofahren oder Schwimmen sehen wir ganz deutlich, daß nicht der Lernstoff attraktiv ist, sondern ihre Tätigkeit. Lernen findet im Zuge ihrer Tätigkeit statt. Es ist sozusagen ein Nebenprodukt der Tätigkeit. Ein Kind will nicht lernen, sondern eine Tätigkeit meistern und ein bestimmtes Ergebnis erreichen, zum Beispiel sich freier und schneller bewegen, ein konkretes Produkt erzeugen oder sie sind auf der Suche nach einem Erlebnis. Zusammenfassend können wir sagen, daß alle Tätigkeiten attraktiv sind, die zu einem anschaubaren Ergebnis, zu erweiterten Aktionsmöglichkeiten oder zum erlebnishaften Wechsel von Spannung und Ruhe führen. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt werden: die Tätigkeit muß eine innere Ordnung haben oder zu einer besseren Ordnung oder Struktur führen und die Tätigkeit muß gelingen. Zumindest sollte sie den Lernenden seinem Ziel näherbringen und das muß derjenige auch wahrnehmen können.

Welche Bedingungen müssen also erfüllt sein, damit eine Tätigkeit gelingt? Die Aufgabe muß seiner Leistungsfähigkeit bzw. seiner Entwicklungsstufe angepaßt sein. Aebli spricht von optimaler Passung von Aufgabe und Mitteln zu ihrer Lösung. Hier wird die Wichtigkeit der Ordnung deutlich, eine gelingende Tätigkeit hat ihre Ordnung, Mißlingen bedeutet immer Verwirrung, Konflikt und Widerspruch. Die innere Ordnung der Tätigkeit sorgt für Wechsel zwischen Spannung und Ruhe und das ist der ausschlaggebende Faktor, der anzieht und befriedigt. Bloße Unruhe oder Unsicherheit ist nicht attraktiv.

Aebli will nicht die „Stoffe“ aus der Schule verbannen und nur noch die Prozesse pflegen, aber „Stoff“ kann man nicht „netto“ vermitteln. Er muß im Kontext attraktiver Tätigkeiten stehen. Aber wie? Somit stellt er sich die nächste Aufgabe, Tätigkeiten, in deren Rahmen ein Schüler Wissen erwirbt und sich „Stoffe“ aneignet, deren Kenntnis ihm die heutige Welt erschließen.

3.1.2. Der Würfel

Wenn Schule ihre Aufgabe erfüllen will, dann müssen Tätigkeiten, die sich in der modernen Gesellschaft abspielen in der Schule ihren Platz finden und sie müssen das entsprechende Wissen erzeugen. Er spricht vom Entwickeln einer Taxonomie bildender Tätigkeiten und für diese bedeutungsvollen Wissen, die es erlaubt, Ziele des Tätigkeits- und Wissenserwerbs - also Lernziele zu definieren.

Handlung oder Tätigkeit

In einem extra Teil geht er auf den Terminus “ Tätigkeit “ gesondert ein. Er hebt den Begriff „ Tätigkeit “ von dem Begriff „ Handlung “ ab. Der Unterschied ist folgender: Eine Handlung hat ein Ziel, dessen sich der Handelnde bewußt ist und auf das er alle Einzelschritte bewußt hinordnet. Auch eine Tätigkeit hat ihr Ziel, aber dieses ist dem Tätigen häufig nur teilweise oder gar nicht bewußt. Das ist vor allem der Fall, wenn sie von jemandem anderen gesteuert wird oder bei einer kollektiven Tätigkeit, zum

Beispiel in einem Produktionsbetrieb. Hier ist sich der Tätigeüber die Funktion seiner

Teilhandlung im klaren, jedoch nichtüber den gesamten Ablauf. Seine Motivation gilt seiner Teilhandlung. Die Grenzen zwischen Handlung und Tätigkeit sind aber fließend. Wird sich der Tätigeüber das Gesamtziel bewußt und setzt die Teilhandlungen bewußt ein, um dieses zu erreichen, wird die Tätigkeit zur Handlung.

Seine Taxonomie hat drei Dimensionen mit je zwei Werten. Ihre Multiplikation (2 x 2 x 2) führt zu einem würfelförmigen Körper, der aus acht Teilwürfeln besteht. Jeder stellt eine bestimmte Tätigkeit dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erste Dimension:

Sachbezogene Tätigkeit: Eine Pumpe betätigen

Soziale Tätigkeit: Einem Mitschüler um eine Auskunft bitten

Zweite Dimension:

Herstellende Tätigkeiten:

Sachbezogen: Ein Gefäß mit Wasser füllen Sozial: Einen Brief schreiben

Darstellende Tätigkeiten:

Sachbezogen: Einen Stoff bei seiner Auflösung in einer Flüssigkeit beobachten Sozial: ein geschichtliches Ereignis darstellen

Dritte Dimension:

Reale Tätigkeiten:

1.Herstellend sachbezogen: Ein Brot backen
2.Darstellend sachbezogen: Modell bauen
3.Herstellend sozial: Arbeitsgruppe bilden, zw. Schülern Beziehung der realen Zusammenarbeit
4.Darstellen sozial: Man redet über ein soziales Geschehen. Rollenspiel Symbolische Tätigkeiten (z.B. Sprache):
5.Herstellend sachbezogen: wie eine Straßenverbindung zwischen x und y sein könnte
6.Darstellend sachbezogen: darstellen, was man auf einer Exkursion beobachtet hat.
7.Herstellend sozial: Beziehungen durch z.B. Sprache herstellen. Jemanden trösten.
8.Darstellend sozial: Geschichte, Literatur stellen z.B. zwischenmenschliche Vorgange dar.

Den acht Tätigkeitsformen entsprechen acht Formen des Könnens und Wissens.

Ich finde Aebli’s Beschreibung des Würfels ist durch die Verwendung des Wortes Scheibe etwas irritierend und daher nicht ganz leicht zu verstehen, deshalb werde ich auf den nächsten Seiten, den Würfel jeweils passend zu seiner Beschreibung farbig kennzeichnen.

Die obere, waagerechte Scheibe (herstellend/darstellend sachbezogen): Sachwissen und sachliches Können:

Die untere, waagerechte Scheibe (herstellend/darstellend sozial): zwischenmenschliches und gesellschaftliches Wissen und Können:

Die linke, nach hinten laufende (herstellend sozial/sachbezogen): Praktisches Wissen und Können:

Die rechte, nach hinten laufende (Darstellend sozial/sachbezogen): das Wissen über Menschen und Dinge:

Die vordere querstehende Scheibe (real): repräsentiert das im direkten Kontakt mit der Realität erworbene Wissen und Können:

Die hintere querstehende Scheibe (symbolisch): Sprachliches und mit anderen symbolischen Mitteln erworbene Wissen und Können:

Das ganze ist eine Taxonomie, also ein Ordnungssystem. Er benutzt diesen theoretischen Aufbau, damit man sozusagen immer wieder nachschauen und sich

selbst Rechenschaft ablegen kann, wenn man den Unterricht plant, welche

Tätigkeiten welches Wissen auslösen und vermitteln. Am besten wäre es, ein Gleichgewicht der verschiedenen Tätigkeiten herzustellen, denn ein Ungleichgewicht wirkt sich negativ auf die Lernmotivation aus.

3.1.3. Verhaltensbasis und Weltwissen

Es geht jedoch nicht darum, daß wir nur die Tätigkeiten ankurbeln, sondern die Schüler sollen etwas lernen, Wissen erwerben. Wir wissen, wie sich Tätigkeiten und Wissen zueinander verhalten, der Zusammenhang ist einfach: jede Tätigkeit hinterläßt eine Spur und durch Wiederholungen wird es wahrscheinlicher und leichter der Spur zu folgen. Wenn man z. B. eine komplizierte Pumpe mehrmals in Bewegung setzt, tut man immer leichter. Man hat Können erworben. Aebli nennt es das Handlungswissen. Dieses existiert genauso bei sozialen Tätigkeiten.

Wenn man sich mehrmals z. B. auf Englisch erkundigt, weiß man sich zu erkundigen. Dies ist dann ein soziales Handlungswissen. Wenn man mehrmals einen Reifen gewechselt hat, besitzt man reales Handlungswissen.

Tätigkeiten im Bereich des Beobachtens und Deutens von Gegenständen und Vorgängen schlagen sich im menschlichen Geist als Vorstellungen, Begriffe, umfassender als Theorien nieder. Das ist das Weltwissen, also Wissen, wie die Welt funktioniert, sachlich wie menschlich, sprachlich oder anschaulich. Durch Beobachtungen, die über die eigenen Sinne erworben und als Vorstellungsbilder gespeichert werden. Darum spricht man auch vom Weltbild.

Bisher haben wir nur davon gesprochen, daß sich Tätigkeiten als Wissen niederschlagen, umgekehrt verhält es sich ähnlich. Ohne Wissen keine Tätigkeit. Darum nennt man das Wissen die Basis des Verhaltens, die Verhaltensbasis.

Zwischen Handlungswissen und Weltwissen besteht eine innere Beziehung, um z. B. eine Pumpe richtig bedienen zu können, muss ich etwas über ihren Aufbau wissen, umgekehrt aber erwirbt man während man mit Dingen seiner Umwelt handelt auch

(Welt-) Wissen über sie.

Auch zwischen Sachwissen und sozialem Wissen besteht eine Beziehung. Z.B. bei einer Theateraufführung braucht man Sach- und Sozialwissen.

Bei der vorderen und hinteren Scheibe des Würfels, also reale und symbolische Tätigkeiten erkennt man ein Grundproblem unserer Schulen. Wenn diese beiden Teile nicht in einem gleichmäßigen Verhältnis stehen, leiden sie beide. Das symbolisch verschlüsselte Wissen wird ohne konkrete anschauliche Bedeutungen steril, und Praxis ohne Theorie wird zur bloßen Routine. Also ist beides notwendig, das eine verkümmert ohne das andere. „Theorie verschafft Einsicht in die Wirklichkeit und menschliches Handeln, konkretes Wissen verschafft Tuchfühlung mit der Realität sachlicher und menschlicher Vorgänge“.

3.1.4. Standort und Lebensplan

Nachdem wir die Gesamtschau der Tätigkeiten und des Wissens kennengelernt haben, sollte man sich auch über das Insgesamt des Tuns und Wissens des Menschen Gedanken machen. Werden unsere Schulen ein Abbild des orientierungslosen Pluralismus unser heutigen Kultur? Man kann das Ich des Schülers schließlich nicht außerhalb der Schule definieren. Der Mensch ist, was er weiß und was er tut.

Die Tätigkeiten lassen sich in einem Ordnungssystem einfügen, aber wie ist es mit dem Lebensweg eines Heranwachsenden? Helfen wir ihm durch unseren Unterricht, seinem Handeln und seinem Wissen eine gewisse Ordnung, einen inneren Zusammenhang, Einheit und Identität zu verleihen? Wird ihm durch das Insgesamt seiner Handlungen ein Lebensplan sichtbar? Helfen wir ihm, diesen zu entdecken und entwickeln?

Ich würde vermuten, dass das das Ziel eines jeden Lehrers* sei, doch einige Lehrer sagen, dass sei nicht ihre Aufgabe. Es würde sich hierbei um den persönlichen

Bereich des Schülers handeln. Ist das Zurückhaltung oder Feigheit? Ich schließe mich Aebli an und bin somit ebenfalls der Meinung, dass Schule nicht orientierungslos Betriebsam sein darf, sondern dass sie das Insgesamt des vermittelten Wissen in eine Ordnung setzen muss. Schule sollte zumindest ansatzweise versuchen, Weltwissen zum Weltbild werden zu lassen. Wir Lehrer sollten ihm helfen aus den Handlungsmöglichkeiten, die der Schüler kennenlernt einen Lebensplan, eine Zukunftsperspektive zu verschaffen. Der Schüler sollte allmählich seinen Standort in der Welt kennenlernen und dieser Erfahrung versuchen seinen Lebensweg bzw. eine Laufbahn einzuschlagen.

* Ich habe den Sammelbegriff „der Lehrer“ und auch „die Schüler“ stehengelassen, in der Meinung, dass man ihn Geschlechtsneutral versteht.

Ich bin der Meinung, wenn dieser Lebensplan ein Hauptziel von Schule wäre, gäbe es mit Sicherheit nicht so viele orientierungslose Schulabgänger, die nicht die geringste Vorstellung von dem haben, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Aus diesem Grund sind natürlich auch die Studenten verunsichert und das führt zu immer höherer Dauer der Studien. Auch ihnen fehlt das Ziel, der Lebensplan, sie fühlen sich verloren.

Es wird deutlich, dass es nicht reicht, den Schülern unverbindliche Darstellungen von sachlicher und historischer gesellschaftlicher Wirklichkeit zu liefern, damit sie eine reale Vorstellung der Welt bekommen. Ich meine, es ist zwingend notwendig dem Schüler Gelegenheit zum praktischen und kooperativen Tun zu geben. Er kann hierbei nicht nur die Welt der Dinge und Mitmenschen in lebendiger und aktiver Weise kennenlernen, sondern vor allem auch sich selbst, seine Möglichkeiten und seine Grenzen. Obwohl das Tun vorläufig hauptsächlich noch auf das Lernen ausgerichtet ist, kann er hier schon beginnen seinen Standort zu beziehen und somit beginnen, einen Weg in seinem Leben einzuschlagen, der sich in einen Lebensplan einordnet.

3.1.5. Der didaktische Kurzschluss

Im folgenden geht um den Unterrichtsstoff im Zusammenhang mit dem Stoffdruck. Der Unterrichtsstoff ist eine Beschreibung des Wissens, also der Ergebnisse der Tätigkeiten, die im Unterricht ausgeführt werden sollen. Das Wissen selbst ist im Schüler niedergelegt, aber Lehrer brauchen Lehrpläne, in denen das Wissen aufgeführt ist, welches sich die Schüler am Ende der Lektion angeeignet haben sollen. Wissen, wie ein Haus gebaut wird; der Begriff der quadratischen Gleichung; und auch Handlungen, wie z. B. einen Beschwerdebrief verfassen.

Es ist also notwendig, das Wissen zu umschreiben, welches durch Tätigkeiten erlangt wird. Man muss Unterrichtsziele haben, ansonsten gliche der Unterricht einer Fahrt uns Blaue und dann könnte es passieren, dass man sich im Kreis dreht und gar keine Fortschritte macht.

Warum Stoffdruck? Das hat verschiedene Gründe. Einerseits liegt es an der Eigenart der Stoffsammlungen in den Lehrplänen und andererseits zum Teil an der Aneignung der Stoffe.

Die große Gefahr liegt darin, den Wissensstoff unabhängig von den unterrichtlichen Tätigkeiten zu vermitteln, also wie ich vorher schon referiert habe, den Stoff rein „netto“ vermitteln zu wollen. Das hat zur Folge, dass einige Schüler den Unterrichtsstoff, vielmehr die reinen Ergebnisse ohne die Herleitung verstanden zu haben einfach auswendig lernen und sie dann im Unterricht wieder aufsagen.

Wir erkennen also, Unterrichtsstoff ist dann gefährlich, wenn er im Unterricht nicht in Tätigkeiten zurückverwandelt wird, die von lebenden Problemen ausgehen und vom Schüler eigenes Handeln, Beobachten und Nachdenken fordert.

Die Ergebnisse der Tätigkeiten bringen Einsicht , die Problemlösung oder den Begriff. Einige Lehrer meinen, es sei zu umständlich oder zu zeitaufwendig jene Tätigkeiten in Gang zu setzen, aber dadurch entsteht der didaktische Kurzschluss und daraufhin entsteht Stoffdruck. Es ist also meistens der Lehrer „Schuld“, der sich nicht die Mühe macht , hinter dem Wisse die Tätigkeit zu entdecken. Außer in den seltenen Fällen, wo der die Lehrpläne so streng sind oder Prüfungen so breit angelegt sind und dem Lehrer nichts anderes übrig bleibt als den Stoff rein netto zuvermitteln. Es gibt einige Bedingungen, die einzuhalten sind, um diesen didaktischen Kurzschluss zu verhindern. Hier kommen die „zwölf Grundformen“ ins Spiel. Ich werde einige didaktische Probleme aus den „zwölf Grundformen“, die uns die Situation noch verständlicher machen werden, aufführen.

Tätigkeiten müssen nach Aebli aufgrund einer lebendigen und vom Schüler verstandenen Problemstellung eingeleitet werden. Sie sollen nicht nur der Beobachtung und Deutung von Wirklichkeit dienen, sondern auch herstellende Handlungen umfassen. Handlungen, Operationen und Begriffe müssen durchgearbeitet werden, d.h. vielfältigen Transformationen unterworfen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, damit sie beweglich werden. Nach ihrer Konsolidierung in der Übung müssen Handlungen, Operationen und Begriffe in neuen Situationen und an neuen Gegenständen und Erscheinungen erprobt und angewendet werden. Symbolische Darstellungen müssen mit realen Handlungen und Beobachtungen an der Sache selber in Verbindung gebracht werden. Echte Kommunikations- und Kooperationssituationen müssen hergestellt werden.

So wird der Stoff im Geiste des Schülers lebendig. Er ist attraktiv, weil die Tätigkeit, in deren Rahmen er gewonnen wurde, attraktiv sind. Indem wir Wissen suchen und forschend, also entdeckend aufbauen, und das konsequent, können wir die Gefahren zumindest weitgehend umgehen.

Aebli weist in einem gesonderten Teil auf die Gefahr der Benutzung des Stoffes als Disziplinierungsmittel und Druckmittel hin. Das ist dann wohl der Höhepunkt eines verhängnisvollen didaktischem Kurzschluss. Der Lehrer hat den Eindruck, dass sich die Schüler nicht für seinen Unterricht interessieren. Aufmerksamkeit und Beteiligung beginnen zu leiden und es entstehen Disziplinprobleme. Der Lehrer ist verunsichert und fühlt sich bedroht. In dieser Lage müsste er meiner Meinung nach darüber nachdenken, was er falsch gemacht hat, warum sich die Schüler nicht interessieren, aber nicht so wie es Aebli beschreibt, sich an den Stoff klammern, wie es in Lehrplänen und Lehrbüchern steht. Indem er allerdings die Lehrpläne erfüllt ist er wenigstens gegenüber den Behörden auf der sicheren Seite. Das Lehrbuch scheint Struktur und Ordnung zu sichern, also vertraut der Lehrer ihm. Stoffsammlungen können in Prüfungen umgesetzt werden. Einige strebsame und brave Schüler eignen diese irgendwie an, also fühlt sich der Lehrer in seinem Tun bestätigt. Glücklich kann er in dieser Situation aber nicht werden, er ist, ebenso wie seine Schüler, ein Opfer des selbsterzeugten Stoffdrucks durch kurzschlüssige Stoffvermittlung geworden.

3.1.6. Wissenschaftlich oder lebenspraktisch

Welche Tätigkeiten sollen in die Schule? Die herkömmliche Option unserer Schule ist eindeutig. Sie orientieren sich an der Wissenschaft. Das hat historische und systematische Gründe. Die historischen beruhen darauf, dass fast alle höheren Schulen Gelehrtenschulen waren und auf universitäre Studien vorbereiten und die Primarstufe orientierte sich an den höheren Schulen. Die Fächereinteilung war und ist praktisch die gleiche. Z.B. Anwendungen im Mathematikunterricht führten bis vor einigen Jahren noch ein Schattendasein in der Primarstufe und auch auf Universitäten und Gymnasien. Technologie, Begriffe des Rechts oder Ökonomie, also auch Wissenschaften fehlten zum größten Teil bis vor Kurzem, obwohl sie eine hohe Lebenspraxis besitzen.

Einteilung und Inhalt der Unterrichtsstoffe entsprechen also größtenteils einem humanistischen Gelehrtenideal, daher stehen auch die darstellenden Tätigkeiten im Vordergrund. Nur auf der Primarschule ist diese Auffassung durch Vorstellung der Kindgemäßheit des Unterrichts teilweise gemildert.

Aebli, und ich ebenfalls, meint, dass sich Schule mehr darauf besinnen sollte, auf das Leben vorzubereiten. Sie sollte sich nicht nur an den wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch an den Bereichen der Tätigkeiten im außerschulischen Leben orientieren, an den Lebenskreisen der Familie, des Berufes und des Staates. Aus diesen Bereiche müssen Tätigkeiten und die zu gewinnenden Ergebnisse abgeleitet werden. Die Schulfächer sollen nicht abgeschafft werden, es ist aber notwendig, dass zum systematischen Unterricht Tätigkeiten und Betrachtungsweisen hinzukommen, welche sich von der herkömmlichen Wissenschaften unterscheiden und deren Zentrum das praktische Handeln ist.

Die Berechtigung zu erkennen ist einfach. Man denke nur an die Probleme in der Familie. Es sind Probleme wirtschaftlicher, technologischer, rechtlicher, psychologischer und sozialer Art. Ein paar Beispiele: Eine Wohnung muss gemietet werden - es stellt sich die Frage, ob ihr Preis dem Einkommen angemessen ist; der Kauf von Haushaltsgeräten und Fahrzeugen stellt wirtschaftliche, technologische und rechtliche Probleme; im Umkreis der Entwicklung und Schulung von Kindern stellen sich psychologische und pädagogische Fragen. Es ist erstaunlich und traurig festzustellen, wie wenig von diesen Dingen in unseren Schulen die Rede ist. So wie unsere Schulen heute beschaffen sind, tragen sie kaum etwas dazu bei, den jungen Menschen darauf vorzubereiten, die Probleme zu lösen, die sich im Rahmen der Familie stellen.

Die beruflichen Tätigkeiten werden in der Schule wenigstens angesprochen, jedoch herrscht in der Schule die darstellende Betrachtung gegenüber der herstellenden Handlung im Berufsleben vor. Im Leben stellen sich technologische, also praktische Probleme, in der Schule wird ihre Theorie beschreibend vermittelt.

Ein weiteres Beispiel sind die Aufsätze, die in Schulen geschrieben werden, die nichts mit den Texten zu tun haben, die man im waren Leben benötigt, wie Briefe, Protokolle oder Anträge.

Diese Texte werden mit der Begründung, dass man ja nicht wüsste, was die Schüler später für Berufe ergreifen. Ist das eine Begründung? Ich finde nein, denn man weiß schließlich auch nicht, ob die Schüler später die theoretische Belehrung über die schiefe Ebene oder die Ergänzung im Wes-Fall brauchen werden.

Auch im beruflichen Leben gibt es rechtliche und ökonomische Probleme, es kann doch nicht sein, dass es sich die Schule leisten nichts über sie zu sagen. Diese Probleme müssen sich anscheinend im Selbststudium eines jeden Menschen klären. Das gleiche gilt für Staat und Gesellschaft. Klar, es gibt Geschichtsunterricht, der hat die gleichen Wurzeln, aber der Unterricht geschieht wohl ohne jeden Bezug zur Gegenwart und die darin zu lösenden Probleme und das reicht nicht, wenn wir den Schülern helfen wollen, die komplexen Probleme der Gegenwart zu verstehen und zu bewältigen.

Ähnlich ist es mit dem kulturellen Leben. Aebli spricht hier nicht nur von höherer Kultur wie klassischer Literatur, sondern von Alltagskultur, wie das Wohnen, die Kleidung, aber auch Gestaltung der wichtigen Erlebnisse wie Geburtstag, Hochzeit oder Tage der Trauer. Die Schule verhält sich als wenn der moderne Mensch in seiner Freizeit nur Bücher lesen, Museen oder Theater besuchen würde. Ich bin der Ansicht, dass es so aussieht, als wenn das fortschreiten der Freizeitangebote an den Verantwortlichen, die Schule machen vorübergangen ist. Heutzutage besteht doch Kultur auch aus einem aktiven Teil, daher müsste auch die Schule viel mehr auf ein tätiges Kulturleben vorbereiten: nicht nur Botanik, sondern auch Gartenbau, nicht nur Geographie, sondern Reisen, nicht nur Zoologie, sondern auch Tierhaltung und nicht nur Musiktheorie und -geschichte, sondern auch ihre Ausübung.

Ein Abiturient will sich privat vielleicht neben dem kulturellen Leben auch am wissenschaftlichen Leben beteiligen. Auch hier ist die Frage, ob Schule dafür richtig und überhaupt vorbereitet. Hier sollte Schule z.B. auf die betreffenden Zeitschriften hinweisen.

Aebli geht es hier nicht darum die klassischen Schulfächer abzuschaffen, es gibt auch gute Gründe, den Unterricht in Zukunft wissenschaftsorientiert, systematisch und theoretisch zu betreiben, aber nur in einem gewissen Maße. Denn die Allgemeinheit und Übertragbarkeit der reinen wissenschaftlichen Begriffe ist größer als die ihrer Anwendungen. Gute Lehrbücher werden noch Jahre lang theoretisch orientiert sein und es gibt viele gute theoretische interessierte Autoren sowie gute Schüler häufig theoretisch interessiert sind. Es bleibt uns zu hoffen, dass es bald in Ausbildung und Büchermarkt gute praxis- und anwendungsorientierte, auf Lebenspraxis orientierte Lernangebote erhältlich sind.

Was also kann ich als Lehrer in der Zwischenzeit tun? Man muss an die spätere Lebensform der Schüler denken, sich vorstellen, was mal aus ihnen wird und was sie betreiben werden und aus diesem Wissen heraus selbst Anwendungen des theoretischen Unterrichtsstoffes entwickeln, welche den späteren Lebenstätigkeiten nachgebildet sind und in vereinfachter Form auf sie vorbereiten.

Es ist schon sehr gut, die Unterrichtsstoffe nach unserem achtteiligen Würfel in

Tätigkeit umzuwandeln, aber die unterrichtlichen Tätigkeiten dürfen nicht nur wissenschaftlich sein, sondern müssen auch so durchdacht und ausgearbeitet werden, wie sie in den genannten Lebensbereichen ausgeprägt sind. Nur so bleibt Stoff attraktiv und ist für das spätere Leben fruchtbar.

3.2. Drei Qualitäten des Tuns

Die bisherige Beschreibung der unterrichtlichen Tätigkeiten ist nicht ganz vollständig. Die bisher erwähnten Züge wie Wechsel von Spannung und Lösung, Bewegung und Ruhe, Risiko und Sicherheit waren eher oberflächlich. Auch ihre didaktischen Qualitäten, die Entwicklung der Ergebnisse aus einem verstehbaren Problem, das Beweglichwerden der Handlungen, Operationen und Begriffe, ihre Konsolidierung in der Übung und ihre Wirksamkeit in der Anwendung, bleiben letztlich unfruchtbar, wenn sie nicht drei Qualitäten des Tuns aufweisen: Wahrheit, Schönheit und Güte. Dies sind alte philosophische Begriffe, aber Aebli gibt ihnen eine moderne Bedeutung.

3.2.1. Wahrheit

Für Wahrheit haben sich nach Aebli zwei Definitionen über die Jahre entwickelt: Wahrheit als Übereinstimmung unseres Denkens mit der Wirklichkeit und Wahrheit als Widerspruchslosigkeit oder Konsistenz unseres Denkens und Wissens. Beide sind einleuchtend.

Ein Beispiel: Der Schüler, der behaupten würde, dass alle Schwäne weiß seien, spräche nicht die Wahrheit, denn in Australien gibt es auch schwarze Schwäne. Auch die Widerspruchslosigkeit ist ein Merkmal wahrer Aussagen: Der Schüler, dem man einen schwarzen Schwan zeigen würde, müsste zugeben, dass er einen schwarzen Schwan vor sich hat. Damit befände er sich im Widerspruch mit seiner Behauptung, dass alle Schwäne weiß seinen.

Die Definition der Wahrheit als Widerspruchslosigkeit hat den Vorteil, dass sie auch in Wissensbereichen anwendbar ist, die nicht aufgrund von Beobachtungen gewonnen sind.

Ein Beispiel: Mathematische Sätze war, wenn sie Widerspruchsfrei sind, wer behaupten würde, dass 7 + 5 = 13 gibt, oder dass eine quadratische Gleichung nur eine einzige Lösung hat, würde sich bald in Widersprüche verwickeln. Auch ein dichterisches Werk kann widersprüchlich sein, hier spricht man dann allerdings eher von Lücken in den seinen Denkprozessen oder in seiner Gedankenführung.

Aebli’s Definition der Wahrheit spielt auch für die Lehrer eine große Rolle. Es sollte ihnen am Herz liegen, dass sie scharfe Grenzen zwischen Wahrheit und Irrtum setzen. Sie sollten das Ziel verfolgen, dem Schüler das Gefühl zu vermitteln, dass Darstellungen und Argumente der Sache entsprechen. Außerdem sollte er in der

Schule lernen können, einen klaren von einem undurchsichtigen Gedankengang unterscheiden und selber ausführen zu können.

Ein klarer und konsistenter Unterricht ist attraktiv. Tätigkeiten, in denen Klarheit und Ordnung herrscht, machen Freude. Die Welt braucht Licht und Wahrheit, damit das Schöne und das Gute in ihr gedeihen können.

3.2.2. Schönheit

Dem Anspruch der Wahrheit und der Rationalität gerecht zu werden, erfordert immer wieder Anstrengung. Das schwächere Ich empfindet das als Last, so entseht die Sehnsucht nach einer Qualität des Tuns und des Lebens, die natürlicher ist als Wahrheit und Rationalität: die Sehnsucht nach der Schönheit.

Es gibt ein erhabenes Schönes und ein ungutes Alltagsleben, in dem Gewinnstreben und Leistungsdruck herrschen, daher braucht der Mensch mehr Freiheit und Freiheit, um ein schöneres Leben zu finden, z.B. durch eine Reise oder den Besuch einer bedeutenden Kunstsammlung. Es ist natürlich gut, dass den Schülern in den Schulfächern die Auge und Ohren für diese schönen Dinge geöffnet werden, aber es kann nicht sein, dass der Rest ihres Lebens aus kaltem Rechnen, sinnlosem Wissen und Leistungsdruck besteht. Wenn das der Fall ist , haben wir uns Aebli’s Ansicht nach wahrscheinlich hinter das Mittelalter zurückentwickelt. Daher eine Vorstellung des Schullebens, in dem es menschlicher zugeht, in dem Tätigkeiten stattfinden und Produkte erzeugt werden, die erfreuen, weil sie ein inneres Gleichgewicht haben, den Betrachter positiv anmuten, eine Gestalt haben und einen Rhythmus zeigen, der dem Pulsschlag des Lebens entspricht.

Selbst in der moderne Ästhetik gibt es Schwierigkeiten, die Welt ist der höheren Kunst müde. Sie wechselt einfach in die niedrige Kunst, z.B. die Hausfrau, die ihren Garten anlegt und das Fenster mit Blumen schmückt, die Sekretärin, die ihren Brief schreibt, dessen graphische Gestaltung ,man gerne anschaut oder den Konstrukteur eines Gerätes, welches nicht nur funktioniert, sondern auch schön in der Hand liegt. Alles dies sind Tätigkeiten und ihre Produktionen, die ästhetisch gestaltet sind, in denen jene Qualität der Schönheit verwirklicht ist, die wir auch im schulischen Unterricht und seinen Tätigkeiten gerne zum Zuge kommen sähen.

Aebli ist der Meinung, dass sich die Blickrichtung und die Aufmerksamkeit des Tätigen ändern muss, wir müssen uns an die Sinne des Menschen wenden, an seine Wahrnehmung.

Diese Wahrnehmung funktioniert nach bestimmten Gesetzen, in allen Kulturen und Stilepochen hat das Schönheitsideal gewisse Abwandlungen erfahren, aber der heutige Mensch ist den ästhetischen Schöpfungen anderer Epochen und Kulturen zugänglich. Es gibt also einen gemeinsamen Kern ästhetischen Tuns. Daraus folgt, dass die unterrichtlichen Tätigkeiten eine ästhetische Qualität haben sollen und das nicht nur in Kunst, sondern auch in jedem Fach. Im Deutschunterricht könnte man z.B. auf die Art des Schreibens achten (phonetisch, graphisch und inhaltlich).

Wiederum geht es nicht darum, den Gedanken der ästhetischen Gestaltung unterrichtlicher Tätigkeiten im einzelnen auszumünzen, vielmehr soll nun die schwierige der drei Qualitäten unterrichtlicher Tätigkeiten, ihre Güte betrachtet werden.

3.2.3. Güte

Es handelt sich hierbei nicht nur um eine moralische Frage, sondern dahinter versteckt sich das Problem der Lernmotivation, zunächst ist es aber auch eine moralische Qualität. Sie kommt dort zum Zuge, wo Menschen miteinander umgehen. In dem man dem anderen zu merken gibt, dass man es mit ihm „gut meint“, kann er fast nicht anders, als selbst ein wenig freudiger zu sein und etwas von dem Wohlwollen zurückzugeben. Mit „gut meinen“, meint Aebli, was gut für ihn ist. In unserem Fall würden wir sagen, gut ist das, was ihm ermöglicht einen Lebensplan, seine Bestimmung zu verwirklichen.

Immer wieder wird ihm auf dem Weg dahin etwas fehlen, etwas Materielles oder etwas immaterielles, wenn wir es ihm geben, helfen wir ihm seinen Weg zu finden.

In der Schule könnte es sich dabei um Dinge, wie einen Gegenstand ausleihen, eine

Auskunft erteilen, ihn nicht auslachen, handeln. Vor allem Offenheit und Ehrlichkeit gehören dazu, denn Falschheit widerspricht der Achtung des Menschen.

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass die moralische Qualität „Güte“ in der Schule wichtig ist und dass das Konzept der unterrichtlichen Tätigkeiten richtig ist, denn bei der rein „netto“ Stoffvermittlung kann man wohl kaum „Güte“ erkennen.

Es gibt noch eine andere Auffassung von Güte, die nicht auf der Idee des Wohlwollens basieren. Einige Philosophen haben das Gut zum Teil als Idee in einen Ideenhimmel verlegt oder es in Gott verwirklicht gesehen. Die vorfindlichen Güter sind dann ein Wiederschein des absoluten Guten. Darus folgt für uns, in Bezug auf unsere Tätigkeiten, dass der Mensch in seinen Handlungen versucht, der Idee des Guten näherzukommen, das eigene Tun zu dessen Spiegel werden zu lassen. Es gibt noch weitere hohe philosophische Begriffe, aber ist es nicht möglich auch im Schulleben zu versuchen, etwas von den Qualitäten in den Tätigkeiten einer Klasse lebendig werden zu lassen?

Je deutlicher dem Lehrer ist, dass das was er tut etwas Gutes enthält, um so mehr merken es die Schüler und ordnet sein Tun, richtet es aus und verleiht ihm Sinn. Die Bereitschaft junger Menschen, sich für etwas zu begeistern, es zu lieben ist greifbar und wenn man das im Zusammenhang mit den anderen Qualitäten für sich als Lehrer nutzt, hat man eine große Hilfe bei der Frage der Motivation.

3.2.4. Motivation

Motivation der Schüler und der Lehrer, sie sollten zu Tätigkeiten motiviert sein. Viele Psychologen haben die Motivation von elementaren körperlichen Bedürfnissen, wie Hunger und Durst abhängig gemacht. Das hat den Lehrern nicht viel gebracht. Was ist mit den, Aebli nennt sie hier Kraftquellen dem Guten, der Schönheit und dem Wahren?

Wir sollten aus diesen Quellen unsere Kräfte schöpfen, uns vor allem selbst von ihnen bewegen lassen und dann werden wir erkennen, dass wenn wir an der Sache, die wir lehren wollen etwas Schönes, Wahres oder Gutes finden, wird es zu den Schülern hindurchstahlen und sie werden sich leicht für unsere Sache begeistern lassen.

Konkrete Tätigkeiten hierfür finden wir im realen und symbolischen Bereich in Lebenskreisen der Gesellschaft, wie schon angesprochen in Familie, Beruf, Staat und Alltagskultur. Damit auch diese Tätigkeiten, die zwar schon ein größeres persönliches Interessenfeld treffen, nicht in oberflächlicher Betriebsamkeit versanden und in einem tiefen Sinn attraktiv bleiben, sollten wir ihnen eine gute Ordnung der Sachgemäßheit also Wahrheit, die gute Gestalt der Schönheit und den Geist der Güte verleihen.

3.3. Von der Tätigkeit zum Lernen und zum Lehren

Die herkömmliche Schule wollte direkt zum Lernen kommen, also den Stoff rein „netto“ vermitteln, das Ergebnis waren Kümmerformen der Tätigkeiten: ein Übergewicht der symbolischen und sachbezogenen und darstellenden Tätigkeiten. Da man sich aber über die Art der Tätigkeiten keine Gedanken machte, blieb das Ungleichgewicht im Dunkeln.

Die Reformpädagogen dagegen wollten weg von der Lernschule und krankten am gegenteiligen Übel. Ihre Tätigkeiten, wie z.B. einen Bauernhof zu besuchen, um Sanierungsvorschläge zu entwickeln, wie man ihn vom Typhus befreien könnte, begeisterten zwar Lehrer und Schüler, sie konnten jedoch außer dem Prozess des Problemlösens weitere Lernprozesse nicht klar ausbilden. Sie wussten einfach nicht genau, welches mannigfaltige Lernen ihre Tätigkeiten und Projekte auslösten.

Genau diese beiden Gefahren, das sterile „netto“, ohne genügend Handlungskontext und ein bloßes Handeln, ohne genügendes Bewusstsein der auszulösenden Lernprozesse.

Und wir müssen eine Vorstellung von Lernen entwickeln, die auf die acht Tätigkeitsformen unseres Würfels passt: sachbezogen und soziale, reale und symbolische, herstellende und darstellende Tätigkeiten.

Um die Frage, wie die Lernprozesse aussehen, welche innerhalb der acht Tätigkeitsformen die drei Qualitäten der Wahrheit, der Schönheit und der Güte ausbilden, müssen wir zunächst eine grundlegende Unterscheidung festlegen: Das strukturelle und das verstärkende Lernen.

3.3.1. Strukturelles Lernen

Beim strukturellen Lernen geht es um Verknüpfungen, man versucht in den Verknüpfungen eine Struktur zu entdecken.

Hier sind einige Beispiele von Verknüpfungen:

- Bei einer romanischen Kirche entdecke ich einen erhöhten Chor. Ich

entdecke darunter eine „Krypta“. Diese beiden Beobachtungen bilden einen

Zusammenhang. Verknüpfung von Beobachtungen.

- Man sieht, eine Flüssigkeit beginnt zu sieden. Man drosselt die Wärme.

Eine Verknüpfung von Wahrnehmung und Handlung, bzw. „Reiz und

Reaktion“.

- Eine Gruppe folgt einem Bach bis zur der Stelle, an der sie ihn

überschreiten kann. Verknüpfung von Teilhandlungen. Die erste “dem Bach folgen“ ermöglicht die zweite “den Bach überschreiten“

In Wirklichkeit sind es natürlich einige mehr Teilhandlungen, aber es sind alles Beispiele von unter sich verknüpften und aufeinander aufbauenden Wahrnehmungen, Handlungen und Operationen. Die Struktur wird sichtbar, wenn wir uns bewusst werden, wie die Beobachtungen und Teilhandlungen untereinander zusammenhängen. Strukturelles Lernen bedeutet hier eine Struktur aufbauen, bzw. sie dem darzustellenden Vorgang oder Gegenstand nachbauen. Beides sind konstruktive Prozesse.

Die Leistung eines erfolgreichen Lerners besteht also darin, laufend die richtigen Verknüpfungen herzustellen und damit die neue Tätigkeit schrittweise aufzubauen. Wenn sie der Schüler selbstständig ausführt, nennen wir sie „Problemlösen“. Wenn der Lehrer dabei vordenkt, so nennen wir das „erklären“.

Hier wird deutlich, dass Lehren bedeutet, dem Schüler, der nicht aus eigener Kraft weiterkommt, anzuleiten, das Richtige zu beobachten und zu tun.

3.3.2. Verstärkendes Lernen

Beim verstärkenden Lernen geht es um Konsolidierung. Es werden bereits hergestellte Beziehungen zwischen Beobachtungen oder Handlungen verstärkt, so dass sie kräftiger, sicherer und harmonischer ablaufen. Diese Lernvorgänge sind nicht konstruktiv, es wird bloß konsolidiert, was schon verknüpft ist. Konsolidierung geschieht durch geeignetes Üben und geeigneten Wiederholungen und vor allem dadurch, dass der Lernende die Wirkung seines Tuns wahrnimmt. Daher nennt Aebli diese Wirkunken „Verstärkungen“.

Bei Verknüpfungen von Beobachtungen stellen wir uns immer wieder die einzelnen Bilder vor, so dass wir sie mit der Zeit leichter vor das innere Auge rufen können. Die Abfolge von Wahrnehmungen und Handlungen, von „Reizen und Reaktionen“, konsolidieren wir, indem der Reiz die Reaktion kräftig, prompt und sicher hervorruft. Das nennt man eine Reaktion „konditionieren“. Die Wahrnehmung wird zu Bedingung (Kondition) für die Auslösung der Handlung. Die positive Folge verstärkt, die negative schwächt die Handlungstendenz.

Ähnlich ist es bei der Verknüpfung von Teilhandlungen. Ihre Verbindung muss konsolidiert werden, damit sich der Vorgang automatisiert. Verallgemeinert kann man sagen, dass die Konsolidierung von Handlungsabläufen und von Gedankenfolgen durch Üben und Wiederholungen geschieht.

Strukturelles und verstärkendes Lernen findet häufig statt, wenn der Lerner ein Verhaltensmodell beobachtet und nachahmt. Daher nennt man es auch Beobachtungs- und Nachahmungslernen. Diese Lernform ist keine Alternative für strukturelles und verstärkendes Lernen, sondern bezeichnet dessen Anlass.

3.3.3. Vom Lernen zum Lehren

Lehren bedeutet nach Aebli das Auslösen und Steuern von Lernprozessen durch eine kompetente Person. Wie ein Mensch in einem anderen Lernprozesse auslösen kann, ist in den „Zwölf Grundformen“ beschrieben. Schüler lernen von interessanten Erzählungen, Berichten oder durch lesen von Texten. Auch Demonstrationen von Handlungen und Prozessen können lernen auslösen. Je interessanter die Angebote sind, um so größer der Lerneffekt und interessant ist das, was den Lernenden bewegt, ein Problem, was ihn antreibt. Das gilt auch für Erklärungen und auch vom Schüler selbstentwickelte Handlungen und Beobachtungen. Je dichter man an die Lösung des Problems herankommt, desto mehr ereifert man sich. Es gibt aber auch Erklärungen oder Erzählungen und auch Problemlösungen, die Schüler kalt lassen. Welche Qualitäten müssen also die Angebote haben, damit sie die Schüler erreichen?

Ein russischer Psychologe (Wygotski 1934/69) geht davon aus , dass für den Schüler das Angebot attraktiv ist, womit er seinen nächsten Entwicklungsschritt erreichen kann. Nun würde man sagen, dass das bei jedem Schüler eine andere wäre, aber es ist denkbar, dass ein bestimmtes Angebot, das ja auch seinerseits viele verschiedene inhaltliche und gefühlsmäßige Elemente enthält, bei verschiedenen Kindern an verschiedenen Orten eine neue Erfahrung, ein neues Erleben und eine neue Einsicht auslöst. Das Angebot sollte sozusagen polyvaalent sein und die Schüler auf verschiedenen Niveaupunkten treffen, also eine Breitbandwirkung haben. Der Lehrer braucht Feingefühl, um zu erkennen, welches Angebot den Schüler gerade auf dem richtigen Entwicklungsstand erreicht. Lehren bedeutet also, den Schüler in Gang zu setzen, den Lernprozess in geeigneter Weise steuern. Die

Lernfunktionen Aufbauen, Durcharbeiten, Üben und Anwenden, die in den „Zwölf Grundformen“ beschrieben sind, müssen zum Zuge kommen, damit klare Begriffe, bewegliche Operationen und übertragbare Handlungen entstehen. Der Schüler kann das nicht alleine und so haben schon seit jeher Lernende Hilfe gesucht wie z.B. Picasso bei Toulouse-Lautrec. Daran sieht man, dass es sich sogar die „Großen“ nicht zutrauen, ihre Lernprozesse optimal zu steuern. Somit dürfte doch eigentlich klar sein, dass Lehren nicht bedeutet, wissenschaftlich Stoff zu vermitteln, sondern ein Experte für Lernprozesse zu sein und vom Lernprozess des Schülers aus denken zu können. Didaktik ist in Aebli’s Sinne angewandte Lernpsychologie.

Man muss wie schon gesagt die Tätigkeiten attraktiv machen, dass heißt, sie müssen im Schüler das Gefühl wecken, sie bringen ihn im Leben voran. Dafür müssen die Tätigkeiten die drei Qualitäten des Tuns erfüllen. Sie müssen wahr, schön und gut sein. Aber sind diese Qualitäten lehrbar?

3.3.4. Sachgemäßheit

Wie kann also „wahrer“ Unterricht aussehen? Der Schüler muss ernen, der Sache gemäß zu handeln.

Kirschensteiner (1928 a,b) hat ein paar Beispiele:

Bei einer Holzkonstruktion kann man sachgemäß handeln, dass heißt man kann im Gegensatz zu einer Papp- und Kleisterkonstruktion die genauen Maße einhalten.

Auch bei der Übersetzung kann man sachgemäß handeln. Der übersetzte Text muss dem Originaltext adäquat sein, dass heißt er muss den gleichen Sinn haben und nicht nur die richtig übersetzten Wörter. Kirschensteiner ist auch der Meinung, dass diese Tätigkeiten lehrbar sind. Die Grundlage ist, dass sich sachgemäßes Handeln bewährt und unsachgemäßes Handeln im Misserfolg endet. Wenn die Bretter nicht passen, funktioniert die Konstruktion nicht. Das ist ein weiterer Vorteil beim praktischen Handeln, Erfolg oder Misserfolg werden deutlich sichtbar. Bei einer darstellenden, symbolischen Arbeit hingegen, ist im Grunde nur der Lehrer befähigt die Sachgemäßheit der Arbeit zu beurteilen, daher sind praktische Arbeiten für das Lernen und Lehren sachgemäßer Handlungen gut geeignet.

Im theoretischen Unterricht (das Übersetzungsbeispiel) gehr es Aebli darum, die Konsistenz seiner Überlegungen aufzuzeigen. Die Kriterien sind weicher, hier muss man den Schüler für sachlich schiefe und inkonsistente Züge seiner Arbeit sensibilisieren. Hierfür spielt zum einen der Lehrer als Vorbild in Sprechen und Handeln eine große Rolle. Zum anderen ist die sorgfältige und kritische Betrachtung als Prüfung der eigenen Arbeit für die Sensibilisierung nötig. Auch hier sollte der Lehrer die Vorbildfunktion übernehmen und sein Produkt ebenfalls kritisch betrachten.

Es ist auf jeden Fall möglich, Schüler für diese Qualitäten des Lernens zu sensibilisieren, Voraussetzung ist, dass sich der Lehrer selbst über diese Aspekte der Tätigkeiten bewusst ist und er in seinem Unterricht umsetzen kann. Wenn der Schüler immer wieder erfährt, was eine sachgemäße Arbeit ist, wird er die entsprechende Leitvorstellung entwickeln, ihr nachzuleben, denn keiner widerspricht sich gerne, und jeder freut sich, wenn sich sein Produkt bewährt.

3.3.5. Ästhetik

Hier ist es ähnlich wie beim sachgemäßen Handeln, es geht ihm darum, dem Schüler die entsprechende Leitvorstellung zu vermitteln und sein Tun in eine gute Form zu bringen.

Ästhetische Gestaltung ist heutzutage in der Wirtschaft und im privaten Bereich selbstverständlich, sogar übertrieben, man denke an die Verpackungen, an das Design von Autos oder an die graphische Gestaltung von Geschäftsbriefen. In der Schule dagegen sieht man häufig die umgekehrte Tendenz zur Formlosigkeit: Zerfall der Schriften, unordentliche Kleidung und unordentliche, unwohnliche Klassenräume.

Wobei doch auch hier klar ist, dass später in den beruflichen und eigenen Lebenskreisen der Wille zu ästhetisch ansprechenden Gestaltung da ist. In der Schule anscheinend nicht, da sagen sogar einige Schüler, dass sie mit Absicht unleserlich schreiben, da sie dann intelligenter wirken!!!

Wer also der Meinung ist, dass die Schule in wahrnehmbarer Form das außerschulische Leben wiederspiegeln sollte und dass die dortigen Ideale einer ansprechenden Gestaltung auch in der Schule gelten sollen, muss die ästhetische Gestaltung von Tätigkeiten als ein wichtiges Lernziel betrachten. Jeder Leser freut über eine gute Form eines Buches und in einem Schulzimmer wird soviel Zeit verbracht, dass es ebenfalls eine gute Form haben sollte. Auch bei zwischenmenschlichen Austauschhandlungen sollte die Form nicht unwichtig sein. Es ist doch schließlich immer wieder angenehm, wenn man jemandem begegnet, der Anmut ausstrahlt.

Der Lehrer sollte erst einmal seine eigene Erscheinung überprüfen und dann nachdem er sachliche und logische Aspekte der Arbeiten überprüft hat, sollte er auf ihre ästhetische Gestaltung mit der Frage, ob sie einen Betrachter aus der außerschulischen Welt ansprechen würde, eingehen.

Um die Motivation für das ästhetische Lernen anzukurbeln, könnte man kleine Versuche machen , indem man die Arbeiten verschiedenen Personen in und außerhalb der Schule zur Beurteilung zeigt. Ist die Motivation gewonnen, dürfte es leichter fallen, das notwendige Können zu vermitteln.

3.3.6. Gutes Handeln

Hier trifft man auf das praktische Problem Ethik. Am Anfang steht die Wirklichkeit des Tuns. Es entsteht kein Begriff des Guten, außer man tut es.

Schüler und Lehrer sollte sich Verbunden fühlen und sich gegenseitig Wohlwollen entgegenbringen. In den besten Momenten dann wird ihnen klar, dass hinter den oberflächlichen Zielen der Tätigkeiten ein grundliegendes Gutes steckt, dem man versucht näherzukommen. Dieses Gute liefert Motivation, mehr als ein ungelöstes Problem oder eine offene Frage.

Als Voraussetzung ist wichtig, dass die Schüler in der Familie bereits diese Werte durch die Mutter oder den Vater kennengelernt haben. Dann werden sie auch so mit ihren Mitschülern oder dem Lehrer umgehen. Der Lehrer muss sich aber erst wohlwollend zeigen, damit etwas vom Schüler zurückkommt und das ist oft nicht einfach, gerade bei einer neuen Klasse muss sich der Lehrer stark zeigen. Es muss eine Beziehung hergestellt werden, in der Konsequenz und Unverbitterlichkeit in der Durchsetzung der richtigen Ordnung aber auch Wohlwollen und Güte sichtbar werden. Wenn es gelingt, entsteht eine echte Gemeinschaft und es wird sich gegenseitig geachtet und geholfen.

Ein derartiger Geist entsteht Aebli’s Meinung nach nicht aus der Gutmütigkeit des Menschen allein, der Lehrer muss in dem, was er den Schülern vermitteln will, einen Sinn sehen, etwas grundlegendes Gutes und es auf seine Schüler übertragen und dann wird sich eine Gemeinschaft des Wohlwollens entwickeln, die über das Interessantfinden von Unterrichtseinheiten hinausgeht.

Ist einmal die praktische Erfahrung der Gemeinsamkeit vorhanden, kann man Erlebtes auch aussprechen, dafür wäre dann das Fach Gemeinschaftskunde, wie früher Sittenlehre oder Alltagsethik, geeignet. Diese Aufgabe ist nicht schwieriger als die Lehre des Wahren und des Schönen. Durch die bereits gemachten guten Erfahrungen und Erlebnisse, stoßen die ethischen Begriffe auf Köpfe, in denen etwas vorhanden ist, was dem Begriff Substanz und Kraft verleiht. Ein verstandener Begriff ist wirkungsvoller als etwas bloß Erlebtes, daher wird die Reflexion der sittlichen Qualität des gemeinsamen Tuns auf das Erlebte zurückstrahlen und es stärken.

3.4. Zusammenfassung

Es wurde von Aebli eine Vorstellung von Schule verschafft, in der Lernprozesse Platz finden, die Schulgesetze und Lehrpläne von Schülern und Lehrern verlangen. Die Vorgaben sind in Begriffe der Lehrstoffe formuliert. Das ist notwendig und richtig, aber es ist gefährlich, Stoffe kurzschlüssig zu vermitteln. Man muss sie in lebenswirkliche Tätigkeiten umwandeln.

Die Tätigkeiten wurden in eine Ordnung dreier Dimensionen gebracht:

- sachlich orientierte und soziale Tätigkeiten
- reale und symbolische Tätigkeiten
- herstellende (praktische) und darstellende Tätigkeiten

Die herkömmliche Schule leidet an einem Übergewicht der sachlich orientierten, symbolischen und darstellenden Tätigkeiten. Das liegt daran, dass der Lehrstoff leicht sprachlich-symbolisch gefasst werden kann. Das Zwischenmenschliche wird häufig vergessen, wenn man nur an die Pflicht denkt, den Schülern mathematische Beweise oder kalte Meeresströmungen beizubringen.

Aebli hofft, dass sich durch seine Taxonomie der schulischen Tätigkeiten mit Ausprägung auf Familie, Beruf, Staat und kulturelles Leben Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Lehrpläne ergibt, da diese Tätigkeiten die drei Qualitäten des Tuns, nämlich Wahrheit, Schönheit und das Gute enthalten.

Die acht Tätigkeitsformen und die drei Qualitäten bilden nach Aebli den Kontext für strukturelles und verstärkendes Lernen, nämlich den Auf- und Umbau von Strukturen des Handelns und Denkens deren Konsolidierung. Lehren heißt nichts anderes als derartige Lernprozesse auszulösen.

In den „Zwölf Grundformen“ ist beschrieben wie das auszusehen hat, aber hier wurden die Lernprozesse auf die wahren, schönen und guten Tätigkeiten bezogen.

4. Vorstellung des Schulprojekts

Im folgenden werde ich über einen Ausschnitt meines Fachpraktikums berichten. Ich habe einige Punkte für diese Arbeit bereits geändert, das zu unvollständige Original der Stundenvorbereitung hängt als Anhang an der Arbeit.

An erster Stelle steht die Bedingungsermittlung:

Mit welchen Gegebenheiten an der Schule gilt es umzugehen?

Wie setzt sich die Klasse zusammen, in der ich unterrichtet habe? Welche Voraussetzungen bringen die Kinder für das Lernen mit?

Anschließend stelle ich die Unterrichtseinheiten vor und beschreibe, was ich mir mit den Kindern vorgenommen hatte.

Danach werde ich eine von mir gehaltene Stunden dokumentieren.

4.1. Bedingungsermittlung

4.1.1. Faktor Schule:

Auf dem Kreideberg sind Grundschule, Orientierungsstufe und Hauptschule in einem Gebäude zu finden. In diesem Jahr wird das 30jährige Bestehen gefeiert. Es gibt drei Schulhöfe und eine große gemeinsame Pausenhalle. Der Hausmeister hat dort ein zentrales Büro. In den Pausen verkauft er Brötchen und Saft. Er verwaltet auch den Schlüssel zum Wasserhahn auf dem Hof. Leider ist derselbe Hof nicht so gut für Aktionen geeignet, weil viele Klassen ihre Fensterfront zu dieser Seite heraus haben und daher gestört werden könnten.

Es gibt einen Werkraum und eine Bühne, die zu einem Turnraum umfunktioniert werden kann (weil die Turnhalle renoviert wird) oder zum Videovorführraum. Im Lehrmittelraum stehen 2 Diaprojektoren bereit.

4.1.2. Die Klasse:

Die Klasse 3a besteht aus 22 lebhaften Kindern, darunter 8 Mädchen und 13 Jungs. Sie sind 9 und 10 Jahre alt. Ausländische Kinder besuchen diese Klasse nicht.

Die Klasse ist geprägt davon, dass immer wieder Kinder aus dem Klassenverband verschwanden, verursacht z. B. durch Umzug.

Es gibt ein Mädchen, daß zurückgestuft wurde und seit Kurzem einen neuen Mitschüler, Philipp.

Unter den Eltern sind 11 Alleinerziehende. Auf Unterstützung der Eltern wartet die Klassenlehrerin vergeblich. Die Eltern zeigen kein Interesse für die Schule.

Eine Gruppe von 8 Kindern dieser Klasse besucht den Hort. Das ist eine Gruppe, die sehr für Stimmung sorgt.

Insgesamt ist dies eine ganz normale Schulklasse, die als typisch für unsere Zeit gelten kann. Der Klassenraum ist groß und hell, es gibt ein Waschbecken und die Möglichkeit zur Verdunkelung.

4.1.3 Lernvoraussetzungen:

Die Klasse ist einen energischen Unterrichtsstil gewöhnt, wobei sie vornehmlich frontal unterrichtet werden. Es gibt eine Lehramtsanwärterin, die sich um offene Unterrichtsformen bemüht. Das Sozialverhalten der Schüler weist Defizite auf. Die Kinder arbeiten oft eher gegeneinander als miteinander. Gibt ein Schüler eine falsche

Antwort, lacht die ganze Klasse vor Schadenfreude. Konflikte treten häufig auf und müssen oft von der Lehrerin geklärt werden.

Das Arbeitsverhalten kann man als positiv bezeichnen. Die Kinder lassen sich motivieren, sind mitteilsam und eifrig bei der Arbeit. Im Kunstunterricht haben die Kinder schon Erfahrung mit anderen Praktikantinnen gesammelt.

Im normalen Schulalltag malen sie meist mit dem Tuschkasten sehr schöne bunte Bilder, die im Klassenraum aufgehängt werden. Meist gibt es ein Thema, zu dem gearbeitet wird.

Im Kunstunterricht selbst konnten wir nicht hospitieren, weil derselbe ausfiel.

Es wurde deutlich, daß die Kinder in solchen Fällen als Zusatzaufgabe im Deutschoder Mathematikunterricht etwas ausmalen dürfen.

Mir fiel auf, daß einige Kinder völlig kaputte Pinsel haben, mit denen eigentlich nicht mehr gemalt werden kann. Andere wiederum besitzen mehrere, die sie nur auf Drängen der Lehrerin verleihen.

Als auffällige Schülerinnen sind Anjulie, Kim-Julia, Kevin C. und Daniel A. zu nennen. Sie arbeiten zwar hochmotiviert, wenn sie einen Arbeitsauftrag erhalten, aber es fällt ihnen schwer, Regeln einzuhalten. Sie stören häufig den Unterricht durch Zwischenrufe und müssen ermahnt werden. Aber es kommen auch oft gute Ideen von diesen Kindern.

Daniel ist in allen Fächern ganz gut, aber in Kunst hat er Probleme, weil er sich nicht in Ruhe auf eine Sache einlassen kann.

Zu den leistungsschwachen Schülerinnen gehören Christina, Sebastian, Philipp und Steve. Sebastian ist sehr langsam, weil es ihm schwerfällt, sich zu konzentrieren. Er lenkt sich und andere ab. Die Aufgabenstellungen müssen ihm mehrfach erklärt werden.

Christina, Philipp und Steve sind sehr ruhig. Sie stören selten. Es fällt ihnen oft schwer zu verstehen, worum es geht. Darum orientieren sie sich gern etwas beim Nachbarn.

Philipp ist neu in der Klasse. Er findet noch keinen Anschluß und ist sehr unsicher.

Besonders leistungsstarke Schülerinnen sind Daniel K., Tim, Anjulie und Janine. Sie bringen den Unterricht voran. Sie nehmen Inhalte schnell auf und arbeiten gründlich. Daniel ist sehr schnell. Er hilft gern seinen Mitschülern.

In unserer ersten Stunde stellten wir fest, wie unterschiedlich diese Kinder arbeiten. Einzelne sind sehr sorgfältig und bemüht; bei anderen reicht die Konzentration und Ausdauer nur für begrenzte Aufgaben.

Das Spektrum von Möglichkeiten der Kinder ist sehr breit und uneinheitlich.

4.2. Vorstellung der Unterrichtseinheiten

4.2.1 Vorüberlegungen

Das Thema meines Fachpraktikums hieß „Wasser“. Der Grund für diese Themenwahl ist die Annahme, dass Erfahrungen mit dem Element Wasser bei allen

Kindern, vorausgesetzt werden können, und dass zu diesem Thema vielfältig ästhetisch gearbeitet werden kann.

Im Folgenden möchte ich in knapper Form darstellen, was für Unterrichts-Vorhaben ich mir ausgedacht habe.

Es handelt sich hierbei um eine Ideensammlung:

1. Collage aus Werbebildern von Wasser und Dingen, die mit Wasser zu tun haben
2. Experimentelle Verfahren Wasser malt: Eiswürfel, Seidenpapier, Wasserfilm und Actionpainting
3. Bildergeschichte um Alltagsgegenstände zum Thema Wasser
4. Farben im und am Wasser
5. Spiel und Übung: Wasserflaschen
6. Tiere unter Wasser aus Pappmache
7. Wassermärchen als Rollenspiel
8. Fotoprojekt Dokumentation
a) von Gullys in Lüneburg oder
b) Wasserspuren sammeln
9. Wasserfilter bauen.
10. Ausflug zum Kloster Lüne mit Besichtigung des Wasserkreislaufs von der Quelle bis zum Verbrauch.

4.2.2. Unterrichtseinheit „Experimente“ zum Thema Wasser

Nach einer Hospitationsphase, in der ich mir ein Bild von der Klasse gemacht hatte, überlegten ich mir, was von den in der Vorbereitung ausgedachten Unterrichtsvorhaben für diese Klasse in Frage kommen könnte.

Aus den Ergebnissen des Kunstunterrichts, die an den Wänden hingen, konnten wir schließen, daß jedes Kind ein Bild zu einem fest vorgegebenen Thema malte (Arbeitsauftrag: Jeder malt heute eine Schlange!). Ich nahm mir vor, den Kindern insofern eine Befreiung zu verschaffen, als daß ich sie experimentieren lassen wollte.

In dieser Unterrichtseinheit, die sich über sechs Stunden erstreckte, konnten die Schüler eine Reihe von neuen Erfahrungen machen.

Ich habe mit den Kindern Experimente durchgeführt, wobei es uns auf den kreativen Prozeß ankam und darauf, daß die Schülerinnen freie Entscheidungen treffen lernen. Das Erlernen von Selbständigkeit in der Wahl ihres Themas, ihrer Farben oder Formen erschien uns für die Kinder erstrebenswert, da es sonst meistens unterdrückt wurde.

Ein vorrangiges Ziel unseres Unterrichts war auch die Förderung des Sozialverhaltens der Schüler, da so etwas wie Partnerarbeit oder Gruppenarbeit eher selten war.

Ich wollte die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit der Schüler ansprechen. Dabei soll der Genußaspekt nicht vergessen werden. Es ging mir um lustvolle Wahrnehmungserweiterung.

4.2.3. Sachanalyse: Was ist ein Experiment?

Ein Experiment ist ein Versuch. Es handelt sich um die Suche nach etwas, von dem nicht immer klar ist, was es ist. Durch diese Offenheit ist es möglich, daß Grenzen überschritten und neue Erfahrungen möglich werden. In diesem Sinne ist ein Experiment ein gewagtes Unternehmen. (Textor, 1996, S.92)

Für den Unterricht im Fach „Kunst“ bedeutet experimentieren, daß die Kinder selbst tätig werden und etwas Neues ausprobieren. In unserem Fall bedeutete es auf das Thema Wasser bezogen auch, daß die Kinder die Möglichkeit haben, das Element Wasser neu bzw. im Gegensatz zu ihren Alltagsgewohnheiten wahrzunehmen.

Für mich war dieses Praktikum insofern ein Experiment, als daß ich noch keinen „Kunstunterricht“ gegeben hatten und daher einerseits unbefangen und andererseits wenig routiniert war.

Kunsthistorisch kann das Experiment als ein Verfahren gesehen werden, das zur Entwicklung neuer Sichtweisen und Ausdrucksmöglichkeiten beigetragen hat. Ich denke dabei an Cezanne, Picasso, Pollock, Duchamp, Ernst.

In der experimentellen Haltung geht es auch darum, die ewige Suche nach Sinn einmal auszublenden (Lyotard, 1986, S.54) und sich Neuem zu öffnen. Das Experiment hat in der Kunstgeschichte immer wieder eine befreiende Wirkung gehabt.

Für die Schülerinnen der 3.Klasse bedeutet das Experiment im Unterricht auch eine Befreiung.

Warum sollen die Kinder experimentieren?

Es kommt der kindlichen Neugier entgegen, spielerisch mit Materialien umzugehen und sie zu erproben. Dabei kommen wir der Forderung nach Handlungsorientierung im Unterricht nach.

„Wasser“ drängt allein durch seinen Aggregatzustand nach Möglichkeiten des

Experimentierens. Deshalb habe ich in meinem Praktikum eine Reihe von Zufallstechniken mit den Kindern experimentell erprobt.

- Sandwichdias
- Malen mit Eiswürfeln
- Seidenpapier und Wasser

Die Kinder waren meist fasziniert von den Effekten, die sie erzielten. Von daher haben sich Zufallstechniken als gute Einstiegsmomente erwiesen und die Kinder hatten Spaß bei der Arbeit.

Für mich spielte auch die Tatsache eine Rolle, daß alle dieselben Chancen haben, ein gutes Ergebnis zu erzielen, da sie kein theoretische noch praktisches Vorwissen oder Können benötigten. Besonders die ungeduldigen und nervösen Kinder waren mit diesen Aufgaben gut beschäftigt und eifrig bei der Sache.

4.3. Stundenvorbereitung für „Malen mit Eiswürfeln“

4.3.1. Voraussetzungen

Es handelt sich hierbei um von mir hergestellte mit Dispersionsfarben gefärbte Eiswürfel, mit denen experimentiert werden soll. Jeder Schüler muss sich für eine Farbkombination entscheiden, entweder gelb und rot oder gelb und blau.

4.3.2. Einstieg

Der Einstieg erfolgt durch eine Frage: Was könnte man mit gelb und rot malen? Was könnte man mit gelb und blau malen? Als Anschauungshilfe dient die Collage auf der zum Beispiel Feuer und Sonne oder Wasser und Landschaft abgebildet ist, auf die ich hinweise, falls die Schüler keine eigenen Ideen haben sollten.

4.3.3. Arbeitsphase

Die Kinder bekommen im Klassenraum ein Blatt Papier und einen Schwamm. Sie fügen sich zu Dreiergruppen zusammen und müssen sich entscheiden, ob sie entweder mit gelb und rot oder mit gelb und blau arbeiten möchten. Wir gehen hinaus, und dort bekommen die einzelnen Gruppen die gefärbten Eiswürfel, mit dem Auftrag, hiermit ein Bild zu gestalten. Sie sollen die Eiswürfel mit den Schwämmen festhalten, um ähnlich wie mit Stiften malen zu können, sie werden jedoch auch aufgefordert etwas Neues auszuprobieren, sprich zu experimentieren.

4.3.4. Abschluss

Zusammensetzen im Sitzkreis, um die entstandenen Bilder zu betrachten und um zu besprechen, was sie gut oder schlecht an ihren Arbeiten fanden. Außerdem will ich auf die verschiedenen Farbmischungsabstufungen eingehen.

4.3.5. Ziele

Man kann diese auch Farbmischungsübungsstunde bezeichnen. Die Kinder sollen erleben, welche Farben durch das Mischen entstehen.

Ebenfalls sollen die Kinder erleben, dass nicht nur sie selbst etwas gestaltet haben, sondern dass Wasser malt. Sie sollen Wasser als Werkzeug kennenlernen.

4.3.6. Reflexion

Negativ:

Ich hätte die Eiswürfel auch draußen im Sitzkreis verteilen sollen und in der ganzen Gruppe erklären sollen, was sie damit machen sollen, da sie in den einzelnen Gruppen sehr unkonzentriert waren als sie erst einmal die Eiswürfel hatten. Außerdem hätte ich ein größeres Spektakel um die Eiswürfel machen können. Die Kinder wurden nicht genug zum Experimentieren aufgefordert, da ich gar nicht mehr an sie herankam. Daher musste ich meinen Unterrichtsplan etwas ändern und versuchte dann als sie bereits beim malen und experimentieren waren, ihr Gehöhr zu erreichen.

- Beim Experimentieren sollte man kein teures Papier verwenden.
- Man sollte seine Stundenvorbereitung mehr durchdenken, und sich dann gegebenenfalls auch daran halten.

Positiv:

Die Kinder haben trotzdem angefangen, begeistert mit den Eiswürfeln zu experimentieren, sie ließen z. B. die Eiswürfel in der Hand schmelzen, und dann die Farbe auf das Papier tropfen, andere ließen die Eiswürfel auf dem Papier hin- und hergleiten. Ich war begeistert, was die Schüler für Ideen hatten. Aus diesen Versuchen entstanden viele gelungene Bilder. Zufälligerweise hatten wir die Möglichkeit spontan ein sehr großes Bild zu gestalten, in denen wir dann alle Farben vermischten, was später im Gang aufgehängt wurde.

5. Bearbeitung des Schulprojekts nach Hans Aebli

5.1. Aussuchen des Schulprojekts

Ich sollte ein praktisches Beispiel berücksichtigen, also entschied ich mich zunächst einmal für ein eigenes Beispiel, denn ich fand, dass ich selbst dabei den größeren Nutzen ziehen würde, als wenn ich mich auf ein fremdes Beispiel beziehen würde. Als ich mich für die Unterrichtsstunde entschied, wusste ich noch gar nicht so viel über Aebli’s acht Tätigkeiten, ich wusste eigentlich nur, dass er für Tätigkeiten in der Schule ist und da ich in meinem Fachpraktikum sehr viel praktisch gearbeitet habe, dachte ich, die Unterrichtsstunde mit den Eiswürfeln könnte ganz gut passen. Als ich dann mehr und mehr Aebli’s Kapitel über die Tätigkeiten in der Schule verstand, wurde mir klar, dass ich eigentlich jede Unterrichtsstunde nach seinem Prinzip „Unterrichtsstoffe in Tätigkeiten umwandeln“ bearbeiten könnte. Diese Stunde hat natürlich den Vorteil, dass sie bereits Stoff in Tätigkeit umwandelt, was mir allerdings zu dem Zeitpunkt, da ich ja noch nichts von Aebli wusste, zumindest nicht in Maße bewusst war. Ich finde, die Unterrichtsstunde liefert eine gut Grundlage, um sie nach Aebli zu bearbeiten, sie besitzt einige ähnliche Züge, die ich, nachdem ich Aebli’s erstes Kapitel genau durchgearbeitet hatte, erst gesehen habe. Es war also auch ein bisschen Intuition, dass ich diese Unterrichtsstunde wählte.

5.2. Anwendung Aebli’s Theorie auf das Schulprojekt

Als ich mir das Schulprojekt erneut durchlas, fielen mir immer mehr Stellen auf, die ich auf Aebli’s Ideen beziehen kann. Deshalb werde ich das Projekt nach und nach, Punkt für Punkt durchgehen und es mit Aebli’s Ansichten vergleichen.

5.2.1. Übereinstimmungen und Vergleiche

In Punkt 4.2.2. habe ich geschrieben, dass eines der Ziele des Unterrichts die Förderung des Sozialverhaltens durch Partnerarbeit oder Gruppenarbeit war, denn diese Form des Unterrichts wurde in der Klasse bisher vernachlässigt. Mit diesem Ziel wäre Aebli bestimmt einverstanden, denn die sozialen Tätigkeiten werden seiner Meinung nach in der herkömmlichen Schule vernachlässigt und müssen verstärkt werden, um ein Gleichgewicht der Tätigkeiten herzustellen, denn das ist es, was den Unterricht attraktiv macht.

Als nächstes gehe ich kurz auf die sinnliche Wahrnehmung, die in der Unterrichtseinheit erweitert werden soll. Ich habe den Aspekt in der Arbeit nicht ausgearbeitet. Ich denke, ich kann diesen Aspekt mit dem Punkt „Schönheit“ in Aebli’s Arbeit vergleichen. Es handelt sich hierbei zwar nicht um Dinge, wie das Schmücken des Fensters mit Blumen, aber die Stufen der Farbmischung bilden die Grundlage für diese Tätigkeiten, da sie wichtig für das Grundverständnis der Farben sind und somit auch für ihren Umgang mit ihnen. Ohne dieses Verständnis für Farben wüsste man gar nicht , welche Farben man vielleicht benutzen sollte, um das Fenster zu schmücken. Somit habe ich den Aspekt lebenspraktische Unterrichtstoffe ebenfalls erfüllt. Der Schüler lernt für das Leben und nicht für die Schule und das ist attraktiv. Es ist also eine ästhetische Gestaltung und diese wenden sich an die Sinne des Menschen, also an ihre Wahrnehmung. Und etwas Schönes erfreut und somit ist die Tätigkeit attraktiv und das Ziel der Wahrnehmungserweiterung kann erreicht werden.

Ich glaube auch, dass ich es in meiner Unterrichteinheit geschafft habe, die Schüler die Dinge mit anderen Augen sehen zu lassen. Insgesamt gesehen hatte die Unterrichteinheit eine ästhetische und eine lebenspraktische Qualität und das ist schließlich eins Aebli’s Anliegen.

Ich komme jetzt zu dem Punkt Experiment beziehungsweise Versuch, den ich in 4.2.3. beschreibe. Hier fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, was mein Bericht mit Aebli’s Tätigkeiten gemeinsam hat. Ganz klar, ein Experiment ist die Suche nach etwas, was zumindest dem Schüler noch nicht bekannt ist. Als ich mir das durchlas, musste ich sofort an Aebli’s Beschreibung von Tätigkeiten und Handlungen denken. Tätigkeiten unterscheiden sich ja dadurch, dass man im Gegensatz zu einer Handlung das Ziel nicht kennt.

Ähnlich ist es bei meinem Experiment. Ich wusste zwar, wofür das Experiment gut sein sollte, aber die Schüler nicht. Deshalb war es eine Tätigkeit, die die Schüler durchgeführt haben. Sie haben vielleicht zwischenzeitlich kleine Teilhandlungen ausgeführt, wenn sie sich z.B. den Eiswürfel genommen haben, wussten sie, dass sie damit malen werden und dass wahrscheinlich ein Bild entsteht, warum sie das machen sollten war ihnen zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht klar, das Gesamtziel kannten also sie nicht. Ich habe hier, zwar unbewusst, nach Aebli’s Tätigkeiten ähnlich gehandelt.

Gleichzeitig hat die Unterrichtsstunde das strukturelle Lernen gefördert, was ich allerdings jetzt erst weiß. Vielleicht nicht in dem Maße, wie es sich Aebli vorstellt, jedoch handelte es sich bei diesem Projekt auch um die Verknüpfungen von Beobachtungen und Teilhandlungen.

Die Schüler haben sich die Eiswürfel genommen und etwas damit auf das Papier gebracht, danach haben sie Beobachtet was passiert und aus eigener Initiative entschieden, was sie als nächstes tun. An dieser Stelle habe ich meine Rolle als Lehrer vernachlässigt, denn ich habe jetzt erfahren, dass Lehren bedeutet, die Struktur der Verknüpfungen aufzubauen und die Lernprozesse anzuleiten und zu steuern.

In der Unterrichtsstunde ging so einiges drunter und drüber, die Ergebnisse waren zwar toll, aber ich hätte zwischendurch den Schülern mehr Anleitungen für den jeweils nächsten Schritt geben müssen, ohne jedoch das Gesamtziel zu verraten. Ich dachte, ich lasse die Schüler einfach experimentell total frei und ohne Zwang arbeiten, aber ich dachte nicht wirklich daran, dass sie schon in dem Moment, wo sie mit den Farben experimentieren schon etwas lernen könnten. Es war ein bisschen viel Freiheit, oder nicht zuviel Freiheit, nur zu wenig Anleitung meinerseits, um eine Struktur nicht nur von allein zu haben, sondern sie auch zu erkennen. In diesem Fall mussten sie denken, sie können einfach machen, „was sie wollen“ und konnten daher nicht so gut auf die einzelnen Schritte aufbauen. Dass trotzdem so tolle Ergebnisse entstanden sind, ist eigentlich Zufall. Nicht ich, sondern die Schüler selbst haben strukturell gearbeitet.

Wenn ich die Schüler bei der Arbeit mehr angeleitet hätte, indem ich vielleicht auf momentane Mischungszustäde aufmerksam gemacht hätte, wären die Ergebnisse vielleicht etwas anders ausgefallen und ihnen wäre hinterher deutlicher gewesen, dass sie Farbmischung geübt haben.

Um die Unterrichtsstunde abzurunden, hätte man vielleicht eine weitere anhängen müssen, um mit den Schülern gemeinsam zu erörtern, welchen Nutzen die neue Erkenntnis der Farbabstufungen und Mischungsverhältnisse für sie im Leben haben könnte. Somit hätte das Lernen zusätzlich verstärkt.

5.2.2. Handlungswissen

Jede ausgeführte Tätigkeit hinterlässt eine Spur. Das heißt, es bleibt Wissen „hängen“. Dieses Wissen nennt man Handlungswissen. In meinem Fall bedeutet es also, dass die Schüler durch eine Tätigkeit gelernt haben, Farben zu mischen. Die Schüler werden sich an dieses Ereignis noch lange in Form von Bildern vor ihrem inneren Auge erinnern und somit trägt zum Weltbild der Schüler bei. Also, Tätigkeiten der herstellenden oder darstellenden Art schlagen sich in Wissen wieder, umgekehrt verhält es sich ähnlich. Ohne Wissen keine Tätigkeit, d.h. ohne dass sich die Schüler z.B. daran erinnern, welche Dinge blau, gelb oder rot sind, könnten sie sie nicht malen, es erfordert also Weltwissen. Das Wissen ist die Basis für ihr Verhalten, die Verhaltensbasis.

5.2.3. Zur Taxonomie der Tätigkeiten

Sie wären dann selbst Tätig geworden, um das Thema Wasser in Bezug auf Farbmischungen aus einer anderen Perspektive zu sehen, anders als in ihren bisherigen Alltagerfahrungen.

Bei der Unterrichtsstunde handelt es sich meiner Meinung nach um eine Kombination Aebli’s Tätigkeiten, die sich zwei Komponenten der Unterrichtsziele zusammensetzen:

1. 1. Ein Bild herstellen, um Farbmischung zu üben

Der erste Stichpunkt sagt es eigentlich schon selbst, es ist auf den ersten Blick eine herstellende Tätigkeit. Es ist zwar kein Modell, aber letztendlich wird es hergestellt, um später auch als Anschauungsobjekt zu fungieren, um die Farbmischung- und Farbabstufungen darzustellen, und daher bin ich der Ansicht, dass es eine hierbei um eine darstellende Tätigkeit handelt. Hinzu kommt, dass es wirklich passiert, also ist sie real. Da es sich um nicht um Personen, sondern um Farbe, Papier und Eiswürfel handelt, ist es eine sachbezogene Tätigkeit. Es handelt sich also um eine reale, sachbezogene Tätigkeit der darstellenden Art. Sie ist in der vorderen Scheibe des Würfels einzuordnen und steht somit für das im direkten Kontakt mit der Realität erworbene Wissen und Können.

2. Die Förderung des Sozialverhaltens

Der zweite Stichpunkt bezieht sich auf die Gruppenarbeit in der Unterrichtsstunde. Wenn sich Arbeitsgruppen bilden, entsteht zwischen den Schülern eine reale Zusammenarbeit. Sie stellen diese Beziehung her. In diesem Fall handelt es sich also um eine reale, soziale Tätigkeit der herstellenden Art. Sie ist in untere Scheibe des Würfels einzuordnen und steht für das soziale, zwischenmenschliche und gesellschaftliche Wissen und Können.

Ich glaube mit Unterrichtsstunde einige Punkte Aebli’s abgedeckt zu haben, die für einen attraktiven Unterricht sprechen. Ich habe genau die Tätigkeiten abgedeckt, die Aebli in der Schule in der vernachlässigt sieht.

6. Parallelen eines Kunstdidaktikers

Um Aebli in eine Relation mit anderen Didaktikern zu setzen und um eine weitere Verbindung zwischen dem Fach Kunst und allgemeiner psychologischer Didaktik herzustellen, habe ich etwas recherchiert und einen Artikel von Gunter Otto, einem Kunstdidaktiker, gefunden, der in seiner Beschreibung und Beurteilung von Schule viele Parallelen aufweist. Ich bezwecke damit ein besseres Verständnis für den Stellenwert Aebli´s Theorie.

Er empfindet die Schulwirklichkeit als erstarrt und entpuppt sie als marktlogisches Sparmodell, in welchem das ästhetische des Lebens nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Gunter Otto schrieb in diesem Zusammenhang einen Artikel „Kunstpädagogik in der Schule der Zukunft“. Er beginnt einleitend mit einem Votum, wie die gegenwärtige Schule eingeschätzt wird:

Es beginnt schon bei den Klassenräumen, die man als nüchtern bis hässlich bezeichnen könnte. Es handelt sich hierbei um funktionale Zweckräume, die nur auf Leistung ausgerichtet sind.

Ich sehe in punkto Leistung einen Zusammenhang mit Aebli’s Ansicht über den didaktischen Kurzschluss. Otto nennt es „nur auf Leistung aussein“ oder die „direkte Stoffvermittlung“, Aebli nennt es den Stoff rein „netto“ vermitteln, auf den der didaktische Kurzschluss folgt. Wo bleibt die Kultur, wo bleibt das der Schule Übergeordnete, dem das Gelernte später dienen soll? Ähnlich wie Aebli vermisst er an der herkömmlichen Schule Dinge wie Kultur und Ästhetik, wie sie unter anderem in den drei Qualitäten des Tuns vorkommen.

Otto ist außerdem der Meinung, dass den Schülern von den Lehrern das Gefühl vermittelt wird, dass das, was zählt nur Leistung ist. Er befürchtet, dass es nicht einmal beabsichtigt ist, denn laut einer Nachfrage ist das eigentliche pädagogische Ziel, den Schüler zu einem kritischen, reflektierenden Menschen heranzubilden, der Urteilkraft besitzt und Dinge aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann (Otto 1999). Mit diesen Punkten teilt er gleich zwei Aebli’s Meinungen. Zum Einen, dass die Lehrer das Ungleichgewicht der schulischen Tätigkeiten nicht einmal bemerken, und zum anderen, dass Schule nicht nur auf wissenschaftlichen Tätigkeiten, sondern darauf aussein sollte, den Schüler auf das Leben vorzubereiten.

Ebenfalls ist Otto auf der Suche nach einer alltagstauglichen Bildungstheorie, die so beschaffen sein soll, dass sich von ihr immer wieder unmittelbare Verbindungen zur eigenen Unterrichtspraxis knüpfen lassen; nach Aebli kurz gesagt: lebenspraktisch.

Überschneidungen gibt es bei den beiden Didaktikern in Bezug auf die Unterrichtsfächer. Beide halten die Fächereinteilung für zu wissenschaftlich und realitätsfern. Otto befürwortet die Abschaffung der Fächer, weil er hingegen Schulen der Meinung ist, dass aus der Addition von Wissen aus den einzelnen Fächern keine Bildung entsteht.

Wie Aebli findet er die Fächereinteilung veraltet, wobei es Aebli nicht um die Abschaffung dieser geht, sondern um eine lebenspraktische Anpassung.

Otto zweifelt an der Sinnhaftigkeit der gegenwärtigen Lernpraxis. Er bezieht sich dabei auf einen Text von Tillmann, der sich wiederum auf Rudolf Messner bezieht, der wie Aebli der Ansicht ist, dass die wissenschaftliche Seite des Unterrichts besonders vom Gymnasium nicht wegzudenken und unentbehrlich ist, aber dass wissenschaftliches Lernen in eine unfassende Praxis von Erfahrungsformen, Handlungs- und Lebensbezüge eingebettet bleiben muss. (Messner 1998)

Weiterhin bezieht er sich auf Bernhardt, die in einigen weiteren Aspekten mit Aebli übereinstimmt, nämlich dass die derzeitige Organisation von Schule bei einem Drittel aller Schüler „zu stabiler Lernabneigung bis Lernneurose“ führt. Um dem entgegenzuwirken, muss das Spektrum der herkömmlichen Lerninhalte und Lernformen um soziale, praktische und ästhetische Handlungsformen erweitert werden (Bernhardt 1993). Zu diesem Punkt siehe Aebli’s Beschreibung der Ungleichgewichtung schulischer Tätigkeiten, worauf Nichtattraktivität der Schule folgt. (3.1.2.)

Gleichermaßen sieht Otto das Problem der Orientierungslosigkeit an den Universitäten, die er allerdings hauptsächlich auf die Vernachlässigung von Ausbildung zu selbstständigen Überlegungen, das Erkennen von Problemen und Zusammenhängen, die Eigeninitiative im Aufspüren von Wegen zur Problemlösung zurückführt, auf die Aebli in den „zwölf Grundformen“ eingeht. Alternativ schlägt Otto ebenso vor, dass Unterricht nicht länger die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Gymnasiasten, die später sich ganz anderen Gebieten zuwenden, übergehen darf. Auch er sieht durch die Unzweckmäßigkeit der Fächer Leistungsdruck und Langeweile zur Folge.

Der Bildungsbegriff sollte nicht als enzyklopädisches Wissen verstanden werden, weil Spezialwissen keine Orientierung in der Welt ermögliche. Und zugleich drängen die Anhäufungen von Wissen und einseitige Lernprozesse (Aebli Stoff rein „netto“ Vermittlung/ Kurzschluss) Anlässe und Möglichkeiten zu eigenem Handeln und Urteilen zurück und schließt sogar die Entfaltung und Äußerung von Gefühlen aus. Denken, Handeln und Empfinden sollten z.B. durch ästhetische Erziehung vielmehr aufeinander bezogen werden. (GEW 1989)

Als Kunstdidaktiker sieht Otto das Schulproblem aus einer speziellen Sicht. Es ist ganz offiziell von einer Kultusministerin erklärt worden, dass der Wegfall des 13.

Schuljahres zu Lasten der ästhetischen Fächer geht. Er fragt sich natürlich, wie sich sein Fach Kunst und andere ästhetische Fächer unter diesen Voraussetzungen, die Aebli schon als Nichtkunstdidaktiker sehr ungünstig findet, in der Zukunft weiterentwickeln werden.

Ich kann leider nichts genaues über die Zukunft aussagen, aber Fakt ist, dass ich in meiner Ausbildung an der Universität Aspekte verschiedener Didaktiker und Psychologen kennengelernt habe, die ich später in der Schule umsetzen will, um letztendlich Schule nutzvoll und attraktiv zu gestalten.

7. Schlusswort

Ich bin froh über das Thema meiner Examensarbeit. Es hat mir sehr viel für meinen späteren Beruf als Lehrer gebracht. Aebli’s Theorie liefert viele Grundlagen und Aspekte, die mich viele Dinge klarer sehen lassen. Alle Unterrichtsstunden, die ich bisher gehalten habe oder über die ich diskutiert habe, bekommen einen ganz neuen und teilweise erst jetzt überhaupt einen richtigen Sinn. Außerdem kann ich jetzt die Ziele des Unterrichts besser definieren.

In Bezug auf meine Fächer schätze ich mich jetzt noch glücklicher. Sie bringen mir einen enormen Vorteil, da ein Lehrplan Kunst mit Sicherheit nicht soviel Stoffdruck erzeugt wie vielleicht der von Chemie. In meinen Fächern Kunst und mittlerweile auch Mathematik stehen das praktische Arbeiten und die Anwendungen glücklicherweise schon ohne meine Zutun an erster Stelle. Ich bin sehr praktisch veranlagt, erstaunlich, jetzt wird mir noch klarer, warum ich Mathematik gewählt habe! Ich denke, ich werde das Prinzip, den Stoff in Tätigkeiten umzuwandeln in meiner späteren Laufbahn oft anwenden.

Im Studium wird leider kein Gleichgewicht der Tätigkeiten angestrebt, es ist sehr wissenschaftlich, praxisorientierte Bücher und Theorien und die Praktika selbst kommen meiner Meinung nach viel zu kurz. Daher entstand auch die Orientierungslosigkeit in meinem Fachpraktikum. Es war eigentlich nur auf Ideen aufgebaut. Ich konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal genau sagen, was die Schüler in den einzelnen Stunden lernen sollten. Ich wusste zwar irgendwie, dass es nicht verkehrt war, was ich da mache, was wohl auf meine Intuition zurückzuführen ist, aber warum wusste ich nicht.

Ich konnte keine Verbindung zu den Lernprozessen herleiten. Ich wäre wesentlich glücklicher mit meinem Praktikum gewesen, wenn man mich besser vorbereitet wie z.B. mit einer Praxisnahentheorie wie dieser von Aebli auf die Schüler „losgelassen“ hätte.

Obwohl es sich hierbei um Theorie handelt, habe ich das Gefühl, dass es mir in der Praxis sehr viel helfen wird. Ich werde versuchen, Schule nutzvoll und ästhetisch zu gestalten und die Tätigkeiten im Gleichgewicht zu halten, damit die Schüler motiviert bleiben und sich Lernen und Schule als attraktiv erweisen.

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Mit einer eventuellen Einsichtnahme in meine schriftliche Hausarbeit erkläre ich mich einverstanden.

Literaturverzeichnis

- Aebli, Hans: „Grundlagen des Lehrens: Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage“. Klett-Cotta, Vierte Auflage,1997
- Aebli, Hans: „Zwölf Grundformen des Lehrens: Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage“. Klett-Cotta, Achte Auflage, 1994
- Bernhardt, Margerete: „Basismodell Sekundarstufe 1“. Frankfurt 1993. In: BDK-Mitteilungen 4/99
- GEW: „Bildung verwirklichen“. Frankfurt 1989. In: BDK-Mitteilungen 4/99
- Kerschensteiner, G.: (1928a). „Begriff der Arbeitsschule“, München: Oldenburg (1953).
- Kerschensteiner, G.: (1928b). „Wesen und Wert des naturwissenschaftlichen Unterrichts“, München: Oldenburg (1952)
- Lyotard, J. F. „Philosophie und Malerei im Zeitalter ihres Experimentierens“, Berlin, 1986
- Messner, Rudolf: „Gymnasiale Bildung und Wissenschaft“, 1998. In : BDK- Mitteilungen, 4/99
- Messner, Rudolf: „Die Zukunft der gymnasialen Oberstufe“.Weinheim, 1998.

In: BDK-Mitteilungen 4/99

- Otto, Gunter: „Kunstpädagogik in der Schule der Zukunft“. BDK-Mitteilungen, 4/99
- Textor, A. M. Auf deutsch Das Fremdwörterlexikon, Hamburg, 1996
- Tillmann, Klaus-Jürgen: „Ist Schule ewig?“ In: Pädagogik, 49.Jg. (1997).

In: BDK-Mitteilungen 4/99

- Wygotski, L.S. (1934/1969). “Denken und sprechen“. Frankfurt a.M.: S.

Fischer

Anhang

Stundenvorbereitung für Malen mit Eiswürfeln

Voraussetzungen

Es handelt sich hierbei um mit Dispersionsfarben gefärbter Eiswürfel mit denen experimentiert werden soll.

Einstieg

Was könnte man mit gelb und rot malen? Was könnte man mit gelb und blau malen? Als Hilfe dient die Collage auf der zum Beispiel Feuer und Sonne oder Wasser und Landschaft abgebildet ist.

Arbeitsphase

Die Kinder bekommen im Klassenraum ein Blatt Papier und einen Schwamm. Sie fügen sich zu Dreiergruppen zusammen und müssen sich entscheiden, ob sie entweder mit gelb und rot oder mit gelb und blau arbeiten möchten. Wir gehen hinaus, und dort bekommen die einzelnen Gruppen die gefärbten Eiswürfel, mit dem Auftrag, hiermit ein Bild zu gestalten. Sie sollen die Eiswürfel mit den Schwämmen festhalten, um ähnlich wie mit Stiften malen zu können, sie werden jedoch auch aufgefordert etwas Neues auszuprobieren, sprich zu experimentieren.

Abschluß

Reflexion der Bilder im Sitzkreis

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
"Von der Tätigkeit zum Lernen" nach Hans Aebli unter Berücksichtigung praktischer Beispiele.
Autor
Jahr
2001
Seiten
65
Katalognummer
V103330
ISBN (eBook)
9783640017089
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Leider fehlen alle Abbildungen!
Schlagworte
Tätigkeit, Lernen, Hans, Aebli, Berücksichtigung, Beispiele
Arbeit zitieren
Tina (Autor:in), 2001, "Von der Tätigkeit zum Lernen" nach Hans Aebli unter Berücksichtigung praktischer Beispiele., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103330

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