Internationalisierung der Hochschule, gestufte Studiengänge


Ausarbeitung, 2001

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Gründe für eine Hochschulreform
2.1 Internationale Wettbewerbsfähigkeit
2.2 Wirtschafts- und Bildungspolitik
2.3 Studium

3. Struktureller Aufbau von Bachelor und Masterstudiengängen
3.1 Bachelor
3.2 Master
3.3 Konsekutive Studiengänge
3.4 Modularisierung
3.5 Credit Point System
3.6 Abschlüsse / Vergleichbarkeit

4. Akkreditierung
4.1 Der Akkreditierungsrat
4.2 Akkreditierungsagenturen

5. Diskussion
5.1 Zum Hochschulstandort Deutschland
5.2 Wettbewerb Arbeitsmarkt
5.3 Bessere Studienbedingungen?
5.4 Chancengleichheit

6. Der Universitätsbegriff bei Humboldt im Vergleich

1. Einleitung

Im Zuge der Europäisierung und Globalisierung, welche in den letzten Jahren bis heute bedeutende politische und wirtschaftliche Veränderungen hervorbrachte und auch weiterhin bringt, sind nun Bestrebungen im Gange auch das deutsche Hochschulsystem dem internationalen Markt anzupassen:

“ [...]Zukunft kann sich schon längst nicht mehr in nationalen Grenzen definiert und gestaltet werden. Dies gilt für die Hochschule genauso wie für andere gesellschaftliche Bereiche. Wenn wir also von der notwendigen Internationalisie rung unserer Hochschulausbildung reden, dann sind insbesondere die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge bedeutsam. ” 1

“ [...]Dabei bildet sich ein neues Konzept der Hochschule in Deutschland her- aus, in dem Internationalisierung, Wettbewerb und Leistungsorientierung zu wesentlichen Faktoren bei der Steuerung und Finanzierung der Hochschulen werden. Das Verhältnis Staat/Hochschule ist zunehmend geprägt durch Ver- einbarungenüber Zielvorgaben und Leistungsanforderungen, wachsende Ges- taltungsfreiheit der Hochschulen bei der Realisierung der Ziele und Evaluation. Systemen der Leistungsbemessung kommt eine immer wichtigere Funktion zu. ” 2

Diese angestrebte Reform der Hochschule und des Studiums zum Zwecke der Internationalisierung besteht aus der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, sogenannten gestuften Studiengängen, nach (zum großen Teil) anglo-amerikanischem Modell. Dies beinhaltet eine stärkere Strukturierung durch hierarchisch aufgebaute Module in Verbindung mit einem Leistungspunktsystem (Credit Point System).

Im Folgenden wird diese Reform im Sinne der Verantwortlichen begründet und anschließend ihre Struktur dargelegt. Zum Abschluß soll auf der Grundlage des Bildungs- und Universitätsbegriffes von Humboldt versucht werden, eine Stellungnahme zu den geplanten Reformen zu entwickeln.

2. Gründe für eine Hochschulreform

Die deutschen Universitäten werden (gerne) als “Massenuniversitäten” be- zeichnet. Ca. 40% eines Altersjahrganges besuchen das Gymnasium. Die Ü- bergangsrate von dort auf die Hochschulen liegt bei ca. 75%3. Im Wintersemester 00/01 studierten insgesamt 1.792.000 Studenten an deutschen Hochschulen. Nun stellt sich die Frage inwieweit unser derzeitiges Hochschul- system bei dieser Entwicklung noch Bildung (und Ausbildung) gewährleisten kann. Es entstehen immer mehr “Konkurrenzinstitutionen” zur universitären Bildung und Lehre, von der Wirtschaft entwickelte Fort- und Weiterbildungsstät- ten.

Die geplante, und auch schon punktuell verwirklichte, Hochschul- und Studienreform wird aus drei verschiedenen Richtungen begründet: der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, der deutschen Wirtschafts- und Bildungspolitik und den Vorteilen für die Studierenden.

2.1 Internationale Wettbewerbsfähigkeit

Eines der Hauptziele der Einführung gestufter Studiengänge ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des Hochschulstandorts Deutschland sollen erhöht und gestärkt und die internationale Anerkennung und Kompatibilität der deutschen Abschlüsse gewährleistet werden. Dadurch sollen auch mehr ausländische Studierende motiviert werden, ihr Studium in Deutschland zu absolvieren oder zu ergänzen.

Im Gegenzug soll durch die strukturelle und inhaltliche Vorbereitung auf internationalisierte Arbeitsmärkte während des Studiums, sowie durch das Kurzstudium und das damit verbundene niedrigere Berufseintrittsalter die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Absolventen erhöht werden. Die Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen wurden auf dem internationalen Arbeitsmarkt als Problem angesehen.

Durch die Reform sollen Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit der Abschlüsse erhöht werden. Dies bedeutet, daß das vorhandene Studienangebot an beiden Institutionen sich annähern respektive vergleichbar werden muß.

2.2 Wirtschafts- und Bildungspolitik

Durch die immer größer werdende Zahl der Studierenden werden auch die Kosten der Hochschulfinanzierung immer höher. Dem soll unter anderem durch eine Verkürzung des Studiums Abhilfe geschaffen werden.

Die angeblich “hohe” Rate der Studienabbrecher (Deutschland lag 1998 mit 28% auf Platz 6 von 7 untersuchten Ländern...4 ) ohne berufsqualifizierenden Abschluß soll durch eine stärkere Strukturierung und größeren Anwendungsbezug des Studiums gesenkt werden. Auch wird eine Entlastung der Hochschulen und eine bessere Ressourcennutzung durch Durchlässigkeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten angestrebt.

Dies soll durch das Angebot von Bachelor- und Master- Studiengängen an beiden Institutionen erreicht werden. Aber auch der Wettbewerb zwischen den Hochschulen soll durch Ausbildung verschiedener Angebots- und Anforderungsprofile angeregt werden.

2.3 Studium

In der Begründung der Studienreform werden immer wieder die Vorteile der neuen Studiengänge für die Studierenden ins Feld geführt: Es soll eine stärkere Unterscheidung zwischen praxis- und theorieorientierten Studiengängen ge- macht werden um den (Berufs-) Interessen der Studierenden entgegen zu kommen. “ [...] die meisten Studenten suchen eine kurze, praxisorientierte wis- senschaftsbasierte Berufsausbildung und keine Ausbildung zum Nachwuchs- wissenschaftler ” 5.

Durch die stärkere Strukturierung und Modularisierung soll mehr Transparenz der Anforderungen und damit auch mehr Sicherheit für die Studierenden ge- schaffen werden. Dies soll mehr Flexibilität und Vielfalt in der Studienorganisa- tion schaffen. Das damit verbundene Credit Point System soll wiederum die punktuellen Belastungen durch Zwischen- und Abschlußprüfungen abmildern. Es wird studienbegleitend geprüft (Kreditakkumulation), laufende Beurteilungen ersetzen die punktuellen Prüfungen. Dies soll auch den Übergang zu anderen Studiengängen, Hochschulen und Hochschularten erleichtern (Kredittransfer).

3. Struktureller Aufbau von Bachelor und Masterstudiengängen

Es findet eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen und den herkömmlichen Diplom- und Magisterstu- diengängen statt. Beide sollen gleichgestellt nebeneinander existieren und teil- weise gleiche Studienangebote nutzen. Beide Studiengänge können sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen eingerichtet werden. Die Regelstudienzeiten sollen entsprechend den internationalen Gepflogenhei- ten in ganzjährigen Zyklen anstelle von Semestern festgelegt werden. Über- gänge zwischen den verschiedenen Studiengängen sollen möglich sein. Die Einführung der neuen Studiengänge darf jedoch laut KMK-Beschluß vom 5.3.1999 nicht die Bemühungen um eine Regelstudienzeitverkürzung unterlaufen und darf nicht zu einer Regelstudienzeiterhöhung für vergleichbare Diplomund Magisterstudiengänge führen.

3.1 Bachelor

Der Bachelor ist ein eigenständiger berufsqualifizierender Abschluß. Daher kann der Studiengang auch eingerichtet werden, wenn an der Hochschule kein entsprechender Masterstudiengang angeboten wird. Die Regelstudienzeit für den Bachelorstudiengang beträgt mindestens drei und höchstens vier Jahre.

3.2 Master

Um einen Master-Abschluß erreichen zu können, muß bereits ein erster berufsqualifizierender Abschluß vorliegen, da der Master als weiterer berufsqualifizierender Abschluß gilt. Des weiteren können weitere Zulassungsvoraussetzungen erhoben werden (z.B.: Zulassungsprüfungen). Die Regelstudienzeit für den Masterstudiengang beträgt mindestens ein und höchstens zwei Jahre. Master-Abschlüsse an Universitäten und Fachhochschulen berechtigen grundsätzlich zur Promotion.

3.3 Konsekutive Studiengänge

Bei Aufnahme eines konsekutiven Studienganges studiert man von vornherein auf einen Master-Abschluß, durchläuft aber auch das Bachelorstudium. Die Regelstudienzeit darf hierbei fünf Jahre nicht überschreiten. Diese Studiengänge müssen im Vergleich zu den herkömmlichen Studiengängen “ [...] dadurch attraktiv gestaltet werden, daßauch für das Studium bis zum weiterführenden AbschlußAusbildungsförderung gewährt werden kann.6

3.4 Modularisierung

Bei der Genehmigung neuer BA- und MA-Studiengänge ist “ grundsätzlich nachzuweisen, daßder jeweilige Studiengang modularisiert und mit einem Leistungspunktsystem ausgestattet ist. ” 7

Aufgrund der vorgesehenen Durchlässigkeit der gesamten Studiengänge soll die Modularisierung auch auf alle traditionellen Studiengänge angewendet wer- den.

Modularisierung meint die Zusammenfassung von thematischen Stoffeinheiten zu abgeschlossenen Studienpaketen, welche man durch Prüfungen abschließt. Diese Module z.B.: Grundzüge der Soziologie oder empirische Soziologie sind hierarchisch aufgebaut. Hier wird die geplante stärkere Strukturierung des Stu- diums durchgesetzt. Die erfolgreiche Teilnahme an bestimmten Modulen ist Voraussetzung für die Belegung anderer Module. In den ersten ein bis zwei Jahren ist somit das Studium zum großen Teil inhaltlich festgelegt. Später wer- den dann die Wahl- und Spezialisierungsmöglichkeiten größer. So soll eine solide Grundausbildung gewährleistet werden. Module werden grundsätzlich mit Prüfungen abgeschlossen, auf deren Grundlage Leistungspunkte vergeben werden.

3.5 Credit Point System

Die Leistungspunkte sollen ein quantitatives Maß für die Gesamtbelastung der Studierenden darstellen. Sie werden auf der Grundlage der unmittelbaren Un- terrichtsstunden, als auch der benötigten Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffes (Präsenz- und Selbststudium) vergeben. Dazu zählen auch der Prüfungsaufwand einschließlich Abschluß- und Studienarbeiten sowie gegebe- nenfalls Praktika. Als Maß gelten 60 Punkte pro Jahr. Ein Punkt entspricht da- bei einer Arbeitsbelastung von 30 Stunden. Die gesamte Arbeitsbelastung darf dabei im Jahr einschließlich der vorlesungsfreien Zeit 1800 Stunden nicht über- schreiten. Dies entspricht im Übrigen einer 37,5 Stunden Woche.

3.6 Abschlüsse / Vergleichbarkeit

Die Einführung des neuen Graduierungssystems darf nicht zu einer Abwertung der herkömmlichen Abschlüsse führen. Diplom- und Magister-Abschlüsse ent- sprechen dem Master, Das FH-Diplom entspricht dem internationalen vierjähri- gen Bachelor honours. Die Abschlüsse sind an die Studienform gebunden und nicht übertragbar.

Die Abschlußbezeichnungen müssen einerseits der ihnen zugrunde liegenden

inhaltlichen Ausrichtung Rechnung tragen, aber andererseits auch durch eine möglichst geringe Zahl von Abschlußbezeichnugen transparent und übersichtlich gestaltet sein, um auf dem internationalen Arbeitsmarkt akzeptiert zu werden und vergleichbar zu bleiben. Deshalb wird keine Differenzierung der Abschlüsse nach Dauer des Studiums vorgesehen.

Die stärker theorieorientierten Studiengänge erhalten die Abschlußbezeichnungen Bachelor / Master of Arts und Bachelor / Master of Science ohne weitere Fachzusätze. Stärker anwendungsorientierte Studiengänge erhalten Abschlußbezeichnungen mit Fachzusätzen entsprechend der jeweiligen Fächergruppen, z.B. Bachelor/Master of Business Administration.

4. Akkreditierung

Um die Sicherung der Qualität in Lehre und Studium zu garantieren, und um den Studierenden, den Arbeitgebern und den Hochschulen eine verläßliche Orientierung bei verbesserter Transparenz zu bieten, wurde von der Kultusministerkonferenz die Einführung eines Akkreditierungsverfahrens zur Beurteilung der neu einzurichtenden Studiengänge beschlossen.

Dabei müssen die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Hochschule und Staat berücksichtigt werden. Die staatliche Genehmigung ist unabhängig von der Akkreditierung und bezieht sich auf die Gewährleistung der finanziellen Ressourcen, die Einbindung des Studienganges in die Hochschulplanung des jeweiligen Landes, sowie die Einhaltung von Strukturvorgaben.

Die Kultusministerkonferenz hat daher weitere länderübergreifende Strukturvorgaben für die Einführung der neuen Studiengänge festgelegt8.

Die Akkreditierung hat demgegenüber die Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und die Berufsrelevanz der Abschlüsse zu prüfen. Sie richtet sich nach den Kriterien der inhaltlichen Qualität, der Studierbarkeit, der ermöglichten Vielfalt und der Transparenz der neuen Studiengänge. Darüber hinaus soll den Hochschulen ein möglichst großer Gestaltungsspiel- raum bei der Einführung der neuen Studiengänge eingeräumt werden. Ziel ist das Erreichen einer großen Vielfalt der Studienmöglichkeiten und die Schaffung unterschiedlicher Hochschulprofile. Einer Vereinheitlichung der Hochschulland- schaft soll entgegengewirkt werden.

4.1 Der Akkreditierungsrat

Um die Erfüllung dieser Kriterien zu gewährleisten hat die Kultusministerkonfe- renz den Akkreditierungsrat, zunächst probeweise auf drei Jahre, eingerichtet9. Dieser Rat besteht aus 14 Mitgliedern: 4 Wissenschaftler, 2 Studierende, je 1 Rektor / Präsident einer Fachhochschule und einer Universität, die jeweils von der Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagen werden, 4 Vertreter der Be- rufspraxis, vorgeschlagen von den Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Gewerkschaften, sowie 2 von der KMK vorgeschlagene Ländervertreter.

Die Aufgaben des Akkreditierungsrates bestehen darin, die Akkreditierungsagenturen zeitlich befristet zu ernennen, den Ablauf der Prüfung der Studiengänge zu koordinieren und zu überwachen, daß die Verfahren der Prüfung nach nachvollziehbaren, fairen Regeln ablaufen. Bei der Einsetzung der Agenturen wird der Akkreditierungsrat so weit wie möglich auf regionale und internationale, in der Fachwelt und bei den Berufspraktikern anerkannte, Akkreditierungsagenturen zurückgreifen.

4.2 Akkreditierungsagenturen

Die Akkreditierungsagenturen begutachten die von den Hochschulen vorge- schlagenen Studiengänge nach den oben bereits genannten Kriterien. Um vom Akkreditierungsrat anerkannt und eingesetzt zu werden, müssen die Agenturen folgenden Grundsätzen und Mindeststandards genügen: Sie müs- sen institutionell unabhängig von Hochschulen und Wirtschafts- und Berufsver- bänden sein und in diesem Sinn Akkreditierungsverfahren durchführen. Sie arbeiten nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und nicht gewinnorientiert. Sie müssen hochschularten-, studiengang- und fächer- übergreifend akkreditieren und dabei nationale und internationale Kompetenz zusammenführen. Die Agenturen müssen ein nachvollziehbares und durch Transparenz gekennzeichnetes Verfahren zur Akkreditierung von Studiengän- gen nachweisen. Dazu dienen interne Qualitätssicherungsmaßnahmen und geeignete Dokumentations- und Auskunftsverfahren. Sie sind dem Akkreditie- rungsrat berichtspflichtig und sind verpflichtet, den Rat unverzüglich über die von ihnen vorgenommenen Akkreditierungen zu unterrichten und jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit vorzulegen.

5. Diskussion

Im Folgenden sollen nun die Reformvorschläge unter verschiedenen Gesichts-

punkten diskutiert werden.

5.1 Zum Hochschulstandort Deutschland

Im Hinblick auf die Internationalisierungsbestrebungen in der deutschen Hoch- schullandschaft muß man sich fragen, wie begründet und notwendig eine Stu- dien- und Hochschulreform in der vorgeschlagenen Weise wirklich ist. Wenn man das Argument der Vergleichbarkeit der Abschlüsse näher betrach- tet, drängen sich notgedrungen Zweifel auf. Die Bachelorgrade verschiedener US-amerikanischer Hochschulen lassen sich untereinander schon kaum ver- gleichen - unter "Bachelor" wird in Großbritannien etwas völlig anderes ver- standen als in den USA. Mit welchem Bachelor soll der deutsche verglichen werden? Und warum ist dies überhaupt nötig? Das universitäre Diplom ist n- ternational als hochwertiger Abschluß anerkannt. Zur Problematik der Ver- gleichbarkeit des FH-Diploms kann man auch ohne neues Graduierungssystem den Vergleich zum internationalen Bachelor honour ziehen.

Durch das Nebeneinander der alten und neuen Abschlüsse werden die Verständnis- und Übersichtsprobleme eher vergrößert als verkleinert.

5.2 Wettbewerb Arbeitsmarkt

Die Frage nach der realen Gleichwertigkeit der Abschlüsse ist eine weitere wichtige Frage: Wenn es tatsächlich gelingt den Bachelor in der Wirtschaft zu etablieren, kann es aufgrund der längeren Studiendauer zu einer Abwertung der traditionellen Studienabschlüsse kommen. Es ist doch schizophren den Bachelor mit der besseren Wettbewerbsfähigkeit zu begründen und andererseits auf einer Gleichwertigkeit der Abschlüsse zu bestehen.

Der Bachelor ist aber bisher keine akzeptierte Eintrittsqualifikation in das Be- rufsleben. Es werden in der Universität in schulähnlicher Weise Grundkenntnis- se vermittelt, auf welche dann eine weitere betriebliche Ausbildung aufbaut. Das läuft wiederum mit dem Internationalisierungsgedanken auf eine amerika- nisch orientierte Ausbildung hinaus, bei der die Absolventen im Betrieb nach internen Maßstäben aus- und weitergebildet werden, aber im Falle eines Be- triebswechsels unter Umständen vor großen Qualifikationsproblemen stehen.

Dieses System ist jedoch in Deutschland bisher nicht sehr verbreitet.

Somit ist ein Bachelor-Studiengang insbesondere für Studierende sinnvoll, die mit 22 einen Abschluß wollen, der eine Stellung verspricht, die mit viel Enga- gement zu einer steilen Karriere in einem Großbetrieb im amerikanischen Stil führen kann.

Interessant ist dabei, daß in den Geisteswissenschaften oftmals kein festes und anzustrebendes Berufsprofil existiert. Diese werden nun bei einem Antrag auf Akkreditierung eines neuen konsekutiven Studiengangs mit Gewalt geschaffen.Wie sinnvoll jedoch kann eine solche Reduzierung in unserer Flexibilität betonenden Gesellschaft sein?

Anders sieht es natürlich bei den technischen und betriebswirtschaftlichen Stu- diengängen aus. Hier kann ein kurzer, klar gegliederter Studiengang tatsächlich Vorteile für die Absolventen schaffen, indem z.B. in der Informatik Grundwissen vermittelt wird, welches für die Entwicklung neuer Programme in der Wirtschaft nötig ist. Der “Ballast” des klassischen Informatikstudiengangs fällt weg, die Studierenden haben viel Freiraum für eigene Ideen auf einer soliden Wissens- basis. Die inhaltliche Ausgestaltung der Strukturen bleibt natürlich den Hoch- schulen überlassen. Auf sie kommt es dann bei der Chancennutzung an.

5.3 Bessere Studienbedingungen?

Durch die Einführung der Modulation und des Credit Point Systems wird den Studierenden zwar der punktuelle Prüfungsdruck genommen, jedoch er wird durch einen dauerhaften Leistungsdruck ersetzt. Dieses führt unter Umständen wieder zu einer Verlängerung des Studiums durch das Wiederholen von Modulen. Auch fördert ein ständiger Leistungsdruck nicht unbedingt die Motivation zum Studium und der Auseinandersetzung mit dem gelernten Stoff.

5.4 Chancengleichheit

Eine weitere Frage ist die Angleichung der Regelungen des Bafög und der Studiengebühren. Wenn weiterhin ein Studium nur bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluß gefördert wird und frei von Gebühren ist, führt dies zu einer finanziellen Diskriminierung auf dem Bildungsssektor, wie wir sie seit den 70‘er Jahren überwunden glaubten.

6. Der Universitätsbegriff bei Humboldt im Vergleich

Interessant ist ein Vergleich der hinter der Reform des Hochschulsystems stehenden Ideologie mit dem Bildungs- und Universitätsbegriff von Humboldt, auf dem unser derzeitiges Hochschulsystem aufbaut.

Wilhelm von Humboldts Denken galt der Frage nach dem Wesen des Men

schen und besonders nach den Möglichkeiten, die im Menschen liegenden geistigen und psychischen Kräfte am Besten zu entfalten und zu fördern. Die Lösung liegt für ihn in der Bildung eines jeden Menschen. Bildung ist hier jedoch nicht als einfache Ansammlung von Wissen zu verstehen, sondern als Selbstbildung, als “innere Veredelung” des Menschen.

Allerdings, und hier muß man einschränken, arbeitet er mit zwei verschiedenen Bildungsbegriffen: dem der allgemeinen und dem der speziellen Bildung. Mit der speziellen Bildung meint er die berufliche Ausbildung des Menschen. Diese ist aber an den Universitäten vollkommen fehl am Platze.

Mit der Einführung des Bachelor und Master als erstem und zweitem berufs- qualifizierendem Abschluß entfernen wir uns sehr weit von der Selbstbildung. Die Universitäten haben in ihrer Bildung des Menschen mit dem Bachelor als erstes den späteren Beruf im Blick, und werden somit zu Ausbildungsstätten.

Im weiteren ist nun der allgemeine Bildungsbegriff von Wichtigkeit. Hier aber war Humboldt (1767-1835) kein Kind der französischen Revolution. Er strebt keine allgemeine Gleichheit aller Menschen an. Die humboldtsche Bildung, welche durch die Wissenschaft erreicht werden kann, ist nur wenigen Menschen vorbehalten, den genievollen Individuen, insbesondere den Männern. Nebenher läuft die spezielle Berufsausbildung für die Massen.

Natürlich waren damals die finanziellen und ständischen Hintergründe ent- scheidend für die Möglichkeit des höheren Schul- und Universitätsbesuchs. Humboldt jedoch will keine Beschränkung des Zuganges zur Bildung aufgrund des materiellen Hintergrundes, sondern des Intellekts und des Wissens- und Forschungsdrangs. Er sagt, der Mensch müsse sich komplett von der Gesell- schaft emanzipieren.

Je nach dem wie die Regelungen für Bafög und Studiengebühren sich weiter entwickeln, wird aber genau dies passieren, eine neue Bildungselite auf dem Hintergrund finanzieller Ungleichheit wird entstehen.

Bildung ist aber nicht nur innere Bildung, sondern auch objektives Forschen und Schaffen, das dann wieder der Menschheit zugute kommt. In der Universi- tät läßt sich Humboldts Begriff vom Menschen und seiner Bildung am reinsten Verwirklichen. “ Was man daher höhere wissenschaftliche Anstalten nennt, ist [...] nichts anderes als das geistige Leben der Menschen, dieäußere Muße oder inneres Streben zur Wissenschaft und Forschung hinführt ” 10.

Die Aufgabe des Staates ist dabei nun, diese Art der Wissenschaft, insbeson- dere auch finanziell, zu ermöglichen und die Vielfalt zu gewährleisten. Er darf aber nicht durch Vorgaben und Verordnungen in ihre Inhalte eingreifen oder gar Forderungen stellen. Er muß der Wissenschaft in dem Wissen, daß sie ei- nen höheren Zweck erfüllt, der schließlich auch ihm zugute kommt, alle Freiheit gewähren.

Dieses widerspricht vollkommen einer Orientierung der Inhalte auf die Bedürf- nisse und Wünsche der Wirtschaft. Auch eine Leistungssteigerung in diesem Sinne und eine festgelegte Strukturierung des Studiums ist somit nicht gewollt.

Humboldt warnt von einem Verfall der Wissenschaft wenn die Universität den Menschen nicht mehr fordert und zu einer Ansammlung von archiviertem Wissen wird. Je nachdem wie die Strukturvorgaben durch die Universitäten gefüllt werden kann einem solchen Trend entgegengewirkt werden.

Humboldt propagiert dabei die Einheit von Forschung und Lehre. Die bloße Vermittlung von Wissen ist dabei aber hauptsächlich Aufgabe der Schulen, welche den Menschen auf das selbständige Studium vorbereiten sollen. An den Universitäten wird dann gelehrt und geforscht gleichzeitig. Dabei steht der Leh- rende nicht über dem Studierenden, sondern beide sind gleichermaßen der Forschung verpflichtet. Die Lehre wird damit zur Grundlage der Forschung und ist immer eng mit ihr verknüpft.

Dies trifft vielleicht noch auf den Master-Abschluß zu, aber der Bachelor ist auf Wissensvermittlung mit Ansätzen des wissenschaftlichen Arbeitens ausgelegt. Manche sprechen von einem verschulten System. Dies widerspricht Humboldt und auch unserer immer wieder propagierten Einheit von Forschung und Lehre, in der wir uns direkt noch immer auf ihn beziehen.

[...]


1 Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der Hochschulrektorenkonferenz / Jahresversammlung 2000 am 4. Mai 2000 in Wiesbaden: http://www.wiso.uni-augsburg.de/master/fmec/Frame/Warum_Master/Warum_Master.htm

2 Kultusministerkonferenz: http://www.kmk.org/hschule/home.htm

3 OECD-Seminar: “Higher Education and the Flow of Foreign Students” 4/1990; Grundsatzreferat Hinrich Seidel

4 http://www.statistik-bund.de/download/hoch/bild8_3sw.xls (Untersuchte Länder nach pro- zentualer Abbruchquote: Italien Frankreich, Niederlande, USA, Schweiz, Deutschland, Ja- pan)

5 HIS Kurzinformation A3 / 99, Christoph Heine, S. 9

6 KMK-Beschluß vom 5.3.1999, S.2

7 KMK-Beschluß vom 15.09.2000, S.1

8 KMK-Beschluß vom 5.3.1999

9 KMK-Beschluß vom 3.12.1998

10 Humboldt, GS X, S. 251

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Internationalisierung der Hochschule, gestufte Studiengänge
Veranstaltung
Seminar Die Hochschulkrise
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V103320
ISBN (eBook)
9783640016983
Dateigröße
354 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bachelor, Master, Credit Point System, Graduierung
Arbeit zitieren
Claudia Bitterberg (Autor:in), 2001, Internationalisierung der Hochschule, gestufte Studiengänge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103320

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