Entstehung der staatlichen Sozialpolitik/-gesetzgebung des Dt. Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts


Hausarbeit, 2001

8 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Situation
2.1 Das 19. Jahrhundert - politisch gesehen zwischen neuem Nationsbewusstsein, Bismarck´scher Politik und Imperialismus
2.2 Ökonomische Entwicklung: Die industrielle Revolution
2.3 sozialstrukturelle Veränderungen auf dem Weg zur Industriegesellschaft

3. Sozialpolitik, damals und heute

4. Schlussgedanken

5. Quellenverzeichnis

Hausarbeit WS 2000/2001 für das Fach Sozialgeschichte

Thema:

1. Unter welchen sozio-ökonomischen und politischen Bedingungen ist die staatliche Sozialpolitik/-gesetzgebung des Dt. Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden?

Beschreiben Sie die ökonomische, sozialstrukturelle und politische Situation.

2. Beurteilen Sie die damalige Sozialpolitik und spannen Sie den Bogen zur heutigen Sozialpolitik.

1. Einleitung

Die „Soziale Frage“ ist ein im 19. Jahrhundert in Europa geprägter Begriff zur Beschreibung der gesamten sozialpolitischen Probleme, die im Zuge der industriellen Revolution entstanden, besonders der ökonomischen und sozialen Lage der lohnabhängigen Bevölkerung.

Europäische Namen, die sich für die Sozialgesetzgebung engagierten:

Anthony Ashley Cooper Shaftesbury, 7. Earl of (1801-1885), britischer Politiker, war ab 1826 konservativer Abgeordneter im britischen Unterhaus und engagiert in der frühen britischen Reformbe- wegung, wirkte maßgeblich an der Verabschiedung von Sozialgesetzen mit, z. B. des Gesetzes zum Verbot von Frauen- und Kinderarbeit in Kohleminen (1842), des Gesetzes zur Reform der Betreuung von Geisteskranken (1845), zur Einführung des Zehnstundentages für Fabrikarbeiter (1847) und förderte zudem den Bau von Wohnungen für sozial Benachteiligte und die Errichtung von Modellschulen, der so genannten ragged schools („Lumpenschulen”), für arme Kinder.

Joseph Chamberlain, (1836-1914), britischer Unternehmer und Staatsmann, in der Außenpolitik Vertreter eines liberalen Imperialismus, in der Innenpolitik Befürworter sozialer Reformen, trat für eine bessere Sozialgesetzgebung wie den Workmen ’ s Compensation Act aus dem Jahr 1897 ein.

Herbert Henry Asquith, Earl of Oxford and Asquith, (1852-1928), britischer Politiker und Premierminister von Großbritannien (1908-1916), konzentrierte er sich auf Reformen im Inneren, seine heftig umstrittenen Sozialgesetze, u. a. das People ’ s Budget von 1909.

Giovanni Giolitti, (1842-1928), italienischer Politiker, Ministerpräsident von Italien (1892/93, 1903- 1905, 1906-1909, 1911-1914 und 1920/21); in seiner ersten wie auch in den drei folgenden Amtspe- rioden als Ministerpräsident trieb er vor allem die Arbeits- und Sozialgesetzgebung voran, führte z. B. das Streikrecht sowie Sozialversicherungen ein und reformierte das Wahlrecht.

Gustav V., (1858-1950), König von Schweden (1907-1950). Unter seiner Regierung setzte die Sozialdemokratische Partei in Schweden Anfang des 20. Jahrhunderts eine umfassende und fortschrittliche Sozialgesetzgebung durch. So wurden z. B. das Wahlrecht erweitert, der Acht-Stun- den-Arbeitstag eingeführt, der Wohnungsbau staatlich subventioniert sowie eine staatliche Jugend- fürsorge geschaffen.

Als Initiator des deutschen Sozialversicherungssystems wird im allgemeinen der preußische Ministerpräsident und Außenminister, und nach der Gründung des neuen Deutschen Reiches (1871) auch dessen erster Kanzler, Otto Fürst von Bismarck, bezeichnet.

Bismarcks Sozialgesetzgebung- Einführung der gesetzlichen Kranken- (1883), Unfall- (1884) und Invaliditäts- und Altersversicherung (1889) - war eine Reaktion auf die sozial- politischen Probleme, sollte aber zugleich zusammen mit dem Sozialistengesetz der immer stärker werdenden Sozialdemokratie im Deutschen Reich und ihren Forderungen den Boden entziehen und die Arbeiterschaft dem Staat zuführen. Dennoch war Bismarcks Sozialgesetz- gebung ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur politischen Gleichberechtigung der Ar- beiter.

2. Situation

2.1 Das 19. Jahrhundert - politisch gesehen zwischen neuem Nationsbewusstsein, Bismarck´scher Politik und Imperialismus.

Ein neues Nationsbewusstsein entwickelt sich

Der Wiener Kongress 1814/15 stellte die territoriale Ordnung Europas nach den napoleonischen Kriegen in Europa zunächst wieder her. Obwohl die Monarchen jedes Aufbegehren in den nächsten Jahren sofort unterdrückten, hatten Aufklärung, Revolutionen und Befreiungskriege doch ihre Wir- kung. Die Ideen der Französischen Revolution von 1789 - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - ,das Beispiel der nordamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung von 1776, die Emanzipation der 13 Kolonien vom Mutterland Großbritannien veränderten das alte Nationsbewusstsein: es gibt für die moderne Nation grundsätzlich keinen Unterschied mehr zwischen bevorrechtigten Ständen und rechtlosem Volk.

Die Proklamation eines deutschen Nationalstaats scheiterte doch zunächst durch die Nationalversammlung. 1871 einigte Otto von Bismarck Deutschland unter konservativen Vorzeichen „von oben”. Stationen auf dem Weg dorthin waren die drei „Einigungskriege” gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71).

Bismarck´sche Politik

In der Innenpolitik kooperierte Bismarck zunächst mit den Nationalliberalen, die ihn in der Wirt- schaftspolitik und im Kulturkampf gegen die katholische Kirche und das Zentrum unterstützten. Der liberale Kurs und die Zusammenarbeit mit den Liberalen fanden jedoch nach dem wirtschaftlichen Einbruch, im so genannten Gründerkrach von 1873, der auf die wirtschaftliche Hochblüte der Gründerjahre gefolgt war, ihr Ende. Bismarck schlug nun einen konservativen, gegen Liberalismus und Parlamentarismus gerichteten innenpolitischen Kurs ein. Mit den Sozialistengesetzen von 1878 suchte Bismarck die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands unter August Bebel zu zerschlagen, provozierte aber damit vor allem eine Abkehr der Arbeiterschaft vom deutschen Nationalstaat. Mit der konstruktiven Sozialpolitik der 1880er Jahre versuchte Bismarck die Folgen dieser Politik rück- gängig zu machen. Aber die zwischen 1883 und 1889 geschaffene Sozialgesetzgebung konnte die Arbeiterschaft nicht wieder versöhnen.

Der Imperialismus

Das Zeitalter des Imperialismus umfasst den Zeitraum des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Der Imperialismus begann um die Mitte der 70er Jahre in Großbritannien und erfasste in den folgenden Jahrzehnten wie in einem Rausch die Großmächte der Welt. Am Wettlauf um die Aufteilung der Welt beteiligten sich neben den traditionellen Kolonial- mächten Großbritannien, Frankreich und Russland auch neue, aufstrebende Mächte: die USA, das Deutsche Reich, Belgien, Italien, Japan. Als eine Utopie, in der sich das Bestreben der National- staaten zur Großmacht mit Weltgeltung ausdrückte, stellte sich der Imperialismus den Zeitgenossen dar und Imperialistische Politik wurde verstanden als die Sicherung von Rohstoff- und Absatz- märkten.

2.2 Ökonomische Entwicklung: Die industrielle Revolution

Die Anfänge der industriellen Revolution fanden Ende des 18. Jahrhunderts in Großbritannien statt. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden auch die meisten anderen europäischen Staaten sowie die USA und Japan zu Industriegesellschaften. Deutschland und die USA nahmen bald führende Positionen ein.

Mit dem Einsatz der Erfindungen Dampfmaschine, Web- und Spinnmaschinen sowie neuer Verfahren zur Eisen- und Stahlgewinnung fand eine vollkommene Umgestaltung der Güterproduktion statt. Textilien und andere Güter konnten in großen Fabriken mit Hilfe des intensiven Einsatzes von Maschinen und der Spezialisierung der Arbeiter auf bestimmte Tätigkeiten schneller und billiger hergestellt werden als früher.

Das Entstehen einer Maschinenindustrie erforderte die vermehrte Erzeugung von Eisen, denn Eisen war ein Grundstoff für Maschinen und Fertigwaren und erlaubte auf breiter Front die Mechanisierung der Produktion.

Als Schlüsselindustrien entwickelten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die Chemie- und Stahlindustrie. Das Ruhrgebiet wurde zum industriellen Ballungsgebiet. Auf der Basis von Kohle und Stahl entstand eine Schwerindustrie. Unternehmerfamilien wie Krupp, Thyssen, Mannesmann, Klöckner und Haniel erlangten dadurch besondere Bedeutung.

Technische Neuerungen im Transportwesen begünstigten die Industrialisierung: Dampflokomotiven und -schiffe verbanden die Märkte auf der ganzen Welt miteinander; neu gebaute Land- und Was- serstraßen förderten den Handel, die Rohstoff-Versorgung der Industrie und die Verteilung der er- zeugten Waren. Dennoch kam es immer wieder zu krisenhaften Erscheinungen, die ihren Höhepunkt in der Wirtschaftskrise von 1874 bis 1879 (Gründerkrise) fanden. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts befanden sich die europäischen Industrienationen im Wettlauf miteinander um unerschlossene Gebiete, um sich weltweit Rohstoffe und Absatzmärkte zu sichern.

2.3 sozialstrukturelle Veränderungen auf dem Weg zur Industriegesellschaft

Enorme gesellschaftliche Veränderungen vollzogen sich im Zeitalter der Industrialisierung. Die feudale Agrargesellschaft wandelte sich in eine kapitalistische Industriegesellschaft. Mit der allmählichen Auflösung der traditionellen sozialen Systeme wie etwa der Großfamilie oder der Bindung an den Grundherrn verschwanden auch die traditionellen sozialen Netze.

Die Zünfte in den Städten zielten auch auf soziale Sicherheit in den handwerklichen Betrieben ab. Sie übernahmen weitreichende soziale Aufgaben, die mit einem Sozialversicherungssystem vergleichbar sind. Die Zünfte verfügten über Kassen für die Unterstützung von Armen, Alten, Kranken und Arbeitslosen, Witwen und Waisen, so dass die soziale Absicherung neben dem Meister auch dessen Frau und Kinder, häufig dessen Gesellen umfasste. Nach und nach im Zuge der industriellen Revolution wurden sie in ganz Europa abgeschafft.

Bauernbefreiung und Bevölkerungsexplosion führten zu verstärkter Landflucht und einem Überan- gebot an Arbeitskräften in den Industriezentren, was sich negativ auf das Lohnniveau auswirkte und zur Folge hatte, dass mehrere Familiemitglieder zur bloßen Existenzsicherung arbeiten mussten. Arbeitszeiten von 15 Stunden pro Tag waren nicht ungewöhnlich, Nacht- und Sonntagsarbeit durchaus üblich. Auf Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter wurde wenig Rücksicht genommen. Folge dieser Arbeitsbedingungen und -verhältnisse waren Verarmung, katastrophale Wohnverhält- nisse (teilweise nur ein Zimmer pro Familie), Bildungsmangel, körperliche und psychische Schäden und sinkende Lebenserwartung.

Mit den Fabrikgesetzen Anfang des 19. Jahrhunderts in Großbritannien wurden erste staatliche Maßnahmen zur Abstellung dieser Missstände ergriffen, ab 1839 auch in Preußen. Diverse kirchliche und weltliche Organisationen entstanden, machten sich zur Aufgabe, die Arbeiterschaft zu unter- stützen. Grundlegende Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung herbeiführen, wollten von denen aber nur wenige: der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (1863 von Ferdinand Lassalle begründet), die Internationale Arbeiterassoziation (1864 von Karl Marx ins Leben gerufen), der Verein für Sozialpolitik (1872 von Gustav von Schmoller mitbegründet), das „Rauhe Haus“ (1833 von Johann Wichern gegründet), Bethel (ab 1872 von Friedrich von Bodelschwingh geführt) und der Katholische Gesellenverein (1846 von Adolf Kolping gegründet).

3. Sozialpolitik, damals und heute

Definition:

„ Sozialpolitik ist die zusammenfassende Bezeichnung für sämtliche institutionalisierten Formen eines auf die soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit gerichteten politischen Handelns.

Gegenstand der staatlichen Sozialpolitik sind allgemein alle Bestimmungen und gesetzlichen Re- gelungen, die der gerechten Verteilung von Lebenschancen und -risiken gewidmet sind. Im Einzelnen gilt das Interesse der Sozialpolitik insbesondere den Institutionen der sozialen Sicherung, also der Unfall-, Kranken-, Renten- und der Arbeitslosenversicherung, der Bereitstellung öffentlicher sowie weiterhin all jenen Maßnahmen, die besondere individuelle Notlagen mildern sollen, wie etwa Mietbeihilfen und Sozialhilfe.

Weiteres Mittel der staatlichen Sozialpolitik ist die Bereitstellung öffentlicher Güter, die sonst auf Grund ihrer Anschaffungs- und/oder Unterhaltungskosten (Verkehrsmittel, Bäder, Wohnungsbau) Privileg weniger wären Zur Sozialpolitik zählen weiterhin die arbeitsrechtliche Gesetzgebung des Staates (Arbeitszeitbe- schränkung, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Mindesturlaub etc.) sowie die im Rahmen der Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Form, von Tarif- verträgen oder in Betriebsvereinbarungen zu treffenden Regelungen der Arbeitgeber-Arbeitnehmer- Beziehungen.

Akteure der Sozialpolitik sind neben dem Staat auch Verbände , Gewerkschaften sowie zahlreiche kleinere private Institutionen der sozialen Selbsthilfe.“ (.Meyers großes Taschenlexikon, Microsoft Encarta Enzyclopädie 2000 Plus)

Nach der o. g. Definition hat Bismarck in den Institutionen der sozialen Sicherung, sowie der ar- beitsrechtlichen Gesetzgebung des Staates, eine für die damalige Zeit fortschrittliche und vorbildli- che Gesetzgebung und eine Grundlage geschaffen, wovon heute noch Prinzipien und Strukturen gelten:

Das Haftpflichtgesetz von 1871 und das Hilfskassengesetz aus dem Jahre 1876 waren Grundlage für die Sozialgesetze der 80er Jahre.

Mit dem Krankenversicherungsgesetz von 1883 wurden dann Leistungen und Zahlungen neu festgelegt. Für leichte Unfälle, die insgesamt 95% aller Unfälle ausmachten, sollte Krankenunterstützung gewährt werden. Diese bestanden aus ärztlicher Behandlung und aus Krankengeld, das in Höhe des halben ortsüblichen Tagelohns für 13 Wochen zu zahlen war. Der Arbeitgeber hatte ein Drittel und der Arbeiter zwei Drittel der Beiträge zu zahlen.

Als Ergänzung zum Krankenversicherungsgesetz folgte ein Jahr später das Unfallversicherungsge- setz. Hierbei wurde eine Entschädigung für schwere Unfälle ab der 14. Woche gezahlt. Bei voller Erwerbsunfähigkeit sollte eine Rente in Höhe von zwei Dritteln des bisherigen Verdienstes gezahlt werden. Ferner gab es auch keine Unterschiede zwischen verschuldeten und unverschuldeten Un- fällen mehr. Mit dem Ziel, die eigene Belastung zu vermindern, gründeten die Fabrikanten Berufs- genossenschaften als Träger.

Als dritter Teil der Sozialgesetzgebung folgte im Jahr 1889 die Alters - und Invalidenversicherung. Im Gegensatz zu den beiden anderen Gesetzen funktionierte sie nicht nach dem Solidarprinzip (Leistungen sind beitragsunabhängig) sondern nach dem Versicherungsprinzip (je höher die Beiträge desto höher die Leistungen). Gelten sollte die Versicherung für alle industriellen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Arbeiter sowie für Lehrlinge, Dienstboten und Betriebsbeamte mit einem Einkommen von weniger als 2000 Mark. Für einen Altersrenten-Anspruch musste 30 Jahre lang eingezahlt werden, das Rentenalter wurde auf 71 Jahre festgelegt, wobei die durchschnittliche Lebenserwartung damals bei 34 bzw. 37 Jahren (Männer, Frauen) lag. Die Invalidenrente hingegen, konnte schon nach 5 Jahren Zahlung beantragt werden. Die Beiträge wurden je zur Hälfte vom Arbeiter und vom Unternehmer getragen

Bismarck zur Sozialgesetzgebung

In mehreren Reden vor dem Reichstag legt Reichskanzler Otto von Bismarck seine Motive für seine sozialpolitischen Pläne dar, wo noch heute Parallelen in den Diskussionsgrundlagen erkennbar sind, einige Beispiele:

„ ... das Feld der Gesetzgebung, welches mit diesem Gesetz betreten wird, ... berührt eine Frage, die wahrscheinlich von der Tagesordnung so bald nicht abkommen wird. Seit fünfzig Jahren sprechen wir von einer sozialen Frage. “

Die Entwicklung des Pflegeversicherungsgesetzes hat ein Jahrhundert später auch mehr als 20 Jahre gedauert.

,,den Arbeitern einen höheren Anteil an den Erträgnissen der Industrie zu gewähren und die Arbeits zeit nach Möglichkeit zu verkürzen, soweit die Grenzen, die durch die Konkurrenz und die absatzfähige Fabrikation gegeben sind, beide Bestrebungen noch gestatten".

Bei jeder Lohntarifrunde geht es um die Teilhabe der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg.

,,Des weiteren wäre mit dem Verbot der Sonntagsarbeit entweder eine Lohnsenkung für die Arbeiter verbunden oder im Falle des Ausgleichs eine Belastung für die deutsche Industrie, die sie selbst oder zumindest ihre Exportfähigkeit bedrohe".

Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeit, Aufhebung des Verbots der Sonntagsarbeit vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im globalen Wettbewerb sind immer noch Argumente.

Zur Realisierung der Gesetze hatte Bismarck unter anderen eine Steuerreform geplant. Hierbei sollten direkte durch indirekte Steuern ersetzt werden, z. B. Tabak-, Bräu- und Luxussteuer. Diese Steuerreform scheiterte jedoch an den Parteien im Reichstag.

Heute dient die Ökosteuer zum Erhalt der Beitragsstabilität der Rentenversicherung.

Das aus historischen Gründen bisher in vielen Einzelgesetzen geregelte Sozialrecht ist heute verein- heitlicht und aufeinander abgestimmt in den Sozialgesetzbüchern zusammengefasst: einem allgemei- nen Teil (SGB I), aus Vorschriften über Sozialversicherung (SGB IV) und über die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), das Kinder- und Ju- gendhilferecht (SGB VIII), das Verwaltungsverfahren (SGB X) und die gesetzliche Pflegeversiche- rung (SGB XI). Andere Gesetze, die noch nicht in das Sozialgesetzbuch eingebettet wurden, wie z. B. das Bundessozialhilfegesetz, das Kindergeldgesetz und die Regelungen der gesetzlichen Un- fallversicherung, werden bis zu ihrer Integration in das Sozialgesetzbuch als besondere Bücher des Sozialgesetzbuches behandelt. Das SGB IX als Leistungsrecht für Behinderte ist das neueste, noch in Arbeit befindliche.

Neben strukturellen Veränderungen, die die Sozialversicherung in Laufe der Jahre erlebte, wurde sie auch durch wirtschaftliche und politische Einflüsse geprägt (Weltwirtschaftskrise, Zweiter Welt- krieg, das „Wirtschaftswunder“) und inhaltlichen Erweiterungen unterzogen. Ziel der Sozialversiche- rung ist es heute, das mit Krankheit, Arbeitsunfall, Berufsunfähigkeit, Mutterschaft, Alter und Tod verbundene finanzielle Risiko abzusichern. Familienmitversicherung, Erziehungsgeld, das Solidar- prinzip bei der Rentenversicherung u. a. m. sind Errungenschaften der Weiterentwicklung.

Sie ist grundsätzlich eine Zwangsversicherung geworden, d. h. die Mitgliedschaft ist gesetzlich vorgeschrieben. Die Beiträge werden von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern gemeinsam getragen (Ausnahme: gesetzliche Unfallversicherung), seit der Pflegeversicherung und mit den Plänen zur zukünftigen Altersvorsorge zu unterschiedlichen Teilen.

Die Sozialhilfe, ein Bereich über den Bismarck zwar nicht, aber durchaus kirchliche und weltliche Verbände und Organisationen nachdachten, ist im Bundessozialhilfegesetz geregelt und besteht in staatlichen Hilfeleistungen für Personen in Notlagen. Ziel der Sozialhilfe ist es, diesen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Anders als die Leistungen der Sozialversicherung werden die Leistungen der Sozialhilfe aus Steuergeldern finanziert.

4. Schlussgedanken

Anders als zu Bismarck´s Zeiten soll heute mit fortschrittlicher Sozialgesetzgebung keiner politischen Bewegung der Nährboden entzogen werden, sie ist sicher verankert in unserem demokratischen Sozialstaatssystem, obgleich mit den unterschiedlichen Ansätzen zur notwendigen Reformierung der Sozialversicherung Wahlkampf gemacht wird.

Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen und der Machbarkeit medizini- schen Fortschritts, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wert von Arbeit, sowie der politischen Entwicklung speziell in bzw. von Europa stehen der Sozialpolitik große und umkämpfte Wandlungen bevor.

Eine alte Weisheit der Dakota-Indianer sagt: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steige ab.“ Eine satirische Zeitschrift parodierte unsere Strategien in Wirtschaft und Politik vor dieser Weisheit mit 20 u. a. folgenden Punkten:

4. Wir sagen, wir haben das Pferd immer so geritten.

5. Wir gründen einen Arbeitskreis, um das tote Pferd zu analysieren.

10. Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.

13. Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung des toten Pferdes zu erhöhen.

19. Wir überarbeiten die Leistungsbedingungen für tote Pferde.

20. Wir erklären, dass unser Pferd besser, schneller und billiger tot ist.

Um in dem Stil zu bleiben: nun ist die Sozialpolitik und mit ihr die -versicherung sicherlich nicht irgendein Pferd, und ich bin sicherlich nicht der Experte für leistungsfähige, junge und moderne Pferde, dennoch würde ich mir vor allem Mut bei den Verantwortlichen für eine zeitgemäße und zukünftig tragfähige Sozialpolitik wünschen.

Denn, wenn wir der Annahme vertrauen können, dass „die Erkenntnisse der Geschichte die einzigen verlässlichen Erfahrungen, aus denen wir zu lernen versuchen können“ sind, dann liegt eigentlich auf der Hand, dass die Entwicklung zum Informationszeitalter nach dem Wandel vom Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern und zur Industriegesellschaft die nächsten großen gesellschaftlichen Veränderungen mit sich bringen wird.

Im Gegensatz zu Bismarck haben Schröder, Riester, Fischer & Co. allerdings weitmehr Lobbyisten, Interessenvertreter und wählende Bürger von Visionen für eine soziale Zukunft in einem modernen Wirtschaftssystem zu überzeugen.

5. Quellenverzeichnis

„Einführung in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ von Rolf Walter, UTB 1994 und Leittext

„Deutscher Reichsgründer- Bismarck starb vor 100 Jahren“, von Horst Heinz Grimm, Bericht aus Rheinhessen-Zeitung vom 23.07.1998

„Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914“, I. Abteilung: Von der Reichsgründungszeit bis zur kaiserlichen Sozialbotschaft (1867-1881), 1. Band: Grundfragen staatlicher Sozialpolitik. Die Diskussion der Arbeiterfrage auf Regierungsseite vom preußischen Verfassungskonflikt bis zur Reichstagswahl 1881, bearbeitet von Florian Tennstedt und Heidi Winter unter Mitarbeit von Wolfgang Ayaß und Karl-Heinz Nickel, Stuttgart/ Jena/ New York 1994.

„Chronik des 19. Jahrhunderts“, Chronik-Verlag im Bechtermünzverlag 1996

Informationsmaterial zur Ausstellung „Deutsches Reich - 19.Jahrhundert“ aus dem Haus der Geschichte, Bonn, ca. 1998

Persönliche Schriften aus dem Nachlass Bismarcks, Einsicht gewährt durch Alexander von Bismarck, Friedrichsruh im November 2000.

Meyer´s großes Taschenlexikon, 1983

Microsoft Encarta Enzyclopädie 2000 Plus, CDs Aus dem Internet:

www.wissen.de

www.uni-kassel.de Editionsprojekt der Historischen Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz - Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik von 1867 bis 1914.

Chrolex - Geschichts-Lexikon

ZUM, Zentrale für Unterrichtsmedien, bietet für alle Fächer viele Fachlinks und gewaltige Sammlung an Unterrichtsmedien und Unterrichtsinhalte

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Entstehung der staatlichen Sozialpolitik/-gesetzgebung des Dt. Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts
Veranstaltung
Krankenhaus- und Sozialmanagement
Autor
Jahr
2001
Seiten
8
Katalognummer
V103297
ISBN (eBook)
9783640016754
Dateigröße
351 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Sozialpolitik/-gesetzgebung, Reiches, Ende, Jahrhunderts, Krankenhaus-, Sozialmanagement
Arbeit zitieren
Sabine Hübner (Autor:in), 2001, Entstehung der staatlichen Sozialpolitik/-gesetzgebung des Dt. Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103297

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Entstehung der staatlichen Sozialpolitik/-gesetzgebung des Dt. Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden