Hyperaktivität


Bachelorarbeit, 2001

19 Seiten, Note: 1

Anonym


Leseprobe


1. Einleitung:

Der Umgang mit dem Syndrom Hyperaktivität ist in vielerlei Hinsicht und für fast jeden verwirrend und beschwerlich. Am Anfang stehen die vielfältigen und unverbindlichen Bezeichnungen und Klassifikationen für das Syndrom oder einzelne Symptome, welche die Auseinandersetzung mit diesem Thema für alle Betroffenen erschweren. Fragt man nach den Ursachen, so trifft man auf widersprüchliche und zum Teil veraltete Erklärungsversuche verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen. Hinzu kommt, dass das individuelle Erscheinungsbild der Hyperaktivität nicht einheitlich ist, da jedes Kind und jeder Erwachsene seine eigene Kombination und Ausprägung von Symptomen hat. Die Betroffenen wissen meist nicht, wie sie ihre Lage einschätzten sollen: Handelt es sich um eine Behinderung oder nur um Lebhaftigkeit ? Braucht man Hilfe von qualifizierter Seite ? Die letzte Frage führt zu einem weiteren Problem: Was ist qualifizierte Hilfe, wo erfährt man sie ? Für jedes erkennbare Symptom gibt es einen oder mehrere Behandlungsansätze, die sich meist wieder auf die unterschiedlichen Erklärungsversuche berufen. Der Begriff Hyperaktivität ist in seiner alltagssprachlichen Verwendung alles andere als konkret. Dieser Sachverhalt spiegelt jedoch wider, wie groß die Unk larheiten über dieses Syndrom sind. Wenn man allerdings den aktuellen Wissens- und Forschungsstand berücksichtigt, zeichnet sich ein genaueres Bild ab. Dieses erst ermöglicht es, angemessen und zielgerichtet medizinisch und pädagogisch zu handeln. Ich werde mich in dieser Arbeit meist nicht direkt auf die medizinischen oder psychologische Untersuchungen und Publikationen beziehen, sondern auf Autoren, die diese bereits gesammelt und bewertet haben.

2. Begriffliche Situation:

Wie eingangs erwähnt findet man in der Fachliteratur eine vielfältige Auswahl an Begriffen. Man kann sie grob in drei Kategorien einteilen.

Auf der einen Seite gibt es Bezeichnungen, die auf medizinischen Beobachtungen beruhen. Sie gehen alle davon aus, dass eine hirnorganische Anomalie vorliegt, welche die Symptome der Hyperaktivität hervorruft. Dieser Ansatz liegt in dem Beginn der Forschung zur

Hyperaktivität zu Anfang des 20. Jahrhunderts begründet, als man Infektionen und Kriegsverletzungen, die das Frontalhirn schädigen, als mögliche Ursache entdeckte. Aus dieser Zeit stammen die Begriffe „Minimal Brain Damage“ und „Minimal Brain Injury“. Sie gelten als überholt 1, da nur eine Minderzahl der Betroffenen einen organischen Schaden am Gehirn aufweisen. An ihre Stelle traten die Begriffe „minimal brain dysfunction“ oder „minimal cerebral dysfunction“ (MCD), die eine physiologische Fehlfunktion des Gehirns benennen 2. Sie sind annähernd Deckungsgleich mit der Bezeichnung „psycho-organisches Syndrom“ (POS), die in der Schweiz verwendet wird 3. Diese Bezeichnungen werden jedoch kritisiert, da sie dem vielfältigen Erscheinungsbild der Hyperaktivität nicht gerecht werden und nicht zwingend mit ihm verbunden seien müssen 4.

Die zweite Gruppe von Bezeichnungen nähert sich von der Seite der beobachtbaren Verhaltenssymptomatik. „Attention deficit hyperactivity disorder“ oder „Aufmerksam- keitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung“ (ADHD oder ADHS), „Aufmerksamkeits- defizitsyndrom“ (ADS) und „Hyperkinetisches Syndrom“ (HKS) sind Namen für die zentralen Symptome der körperlichen Unruhe und des Aufmerksamkeitsmangels. Sie werden allerdings auch verwendet, um die gesamte individuelle Symptomatik eines Betroffenen zu benennen, selbst wenn sich einzelne Symptome den Begriffen Hyperaktivität und Aufme rksamkeitsdefizit nicht zuordnen lassen.

Begriffe wie Schulleistungsstörung, Lernstörung , Teilleistungsstörung usw. werden oft im Zusammenhang mit Hyperaktivität oder als Ersatz dafür verwendet. Bei genauerer Betrachtung aber stellen sie im Rahmen der Hyperaktivität eine untergeordnete Kategorie von Symptomen dar und können nicht als Bezeichnung für das gesamte Syndrom gelten. Vor diesem Hintergrund kann wohl als verbindlichste und treffendste Bezeichnung der Name ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung) gelten.

3. Erscheinungsbild:

Die grundlegenden Erscheinungsbilder der Hyperaktivität scheinen die Aktivitäts- und

Antriebsstörung sowie die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung zu sein 5. Häufig beschrieben wird auch Impulsivität oder mangelnde Impulskontrolle 1. Auffällig ist, das drei bis viermal so oft Jungen wie Mädchen betroffen sind 2. Die Kinder sind „[...] unruhig, zappelig, unkontrolliert, unaufmerksam, unkonzentriert, ablenkbar.“ 3. „Das Kind hat keine oder nur unzureichende Kontrolle über das Verhalten, das - dem Alter des Kindes entsprechend - in einer gegebenen Situation von ihm erwartet wird.“4 Darüber hinaus gibt es eine Vielfalt von weiteren Symptomen, die von Rausch und Schlegel gesammelt und nach Störungsarten Klassifiziert wurden: Motorische Störungen wie z.B. Koordinations- schwierigkeiten der Feinmotorik, organisch-funktionelle Beeinträchtigungen wie z.B. geringe körperliche Ausdauer, Lern- und Leistungsstörungen wie z.B. eine LRS oder Rechenstörung, Sprachstörungen wie z.B. eine altergemäß unterentwickelte Ausdrucksfähigkeit, affektiv- emotionale Störungen wie extreme Stimmungsschwankungen und Hemmungslosigkeit, Störungen in den sozialen Beziehungen wie Aggressivität oder auch Isolation; sie seien hier nur beispielhaft genannt. Viele dieser Symptome wurden bereits gezielt in Studien an ADHS- Kindern untersucht und nachgewiesen 5. Oft ist es schwierig, die Grenze zwischen auffälligem und normalem Verhalten zu ziehen, da vor allem bei Kindern eine gewisse Unruhe und Unbeherrschtheit nichts ungewöhnliches ist 6. Bei Kindern mit ADHS treten die charakteristischen Merkmale allerdings gehäuft und über einen längeren Zeitraum auf 7. Die Symptome können in Ausmaß und Intensität sehr unterschiedlich ausfallen und die me isten von ihnen können auch auftreten, ohne in Zusammenhang mit ADHS zu stehen 8. Welche Rolle sie jedoch spielen, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Wie sie als Ursachen, Primär- und Sekundärsymptome wechselseitig aufeinander einwirken ist individuell unterschiedlich und muss jeweils für den Einzelfall geklärt werden. Man sollte nicht erwarten, dass man darüber vollständig und endgültig Aufschluss erlangt. Auf eine ausführliche Aufzählung der Erscheinungsformen sowie auf anschaulichere Beschreibungen des typisch Verhaltens möchte ich hier verzichten und auf die Liste im Aufsatz von Rausch und Schlegel sowie auf die Diagnosekataloge verweisen.

4. Diagnostik:

Hat man den verdacht, ein Kind leidet an ADHS, kann man zur eindeutigen Diagnose auf zwei verbindliche Kriterienkataloge zurückgreifen: Die ICD 10 (International Classification of Diseases, Vol.10) und das DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of the American Psychiatric Association, 1994). Diese können helfen, eine falsche Einschätzung der Symptomatik zu vermeiden, sie ersparen einem aber nicht die umfassende Untersuchung der relevanten Lebensumstände des Kindes. „Dazu sollten Standartdaten aus unterschiedlichen Quellen neben einer detaillierten Anamnese von Entwicklung und Familienhintergrund gehören, die Beginn, Dauer und durchdringenden Charakter von Symptomen in unter- schiedlichen Kontexten und Umfeldern dokumentieren.“1 Man sollte sich von der Diagnose keinen Aufschluss über die Ursachen der Erkrankung erhoffen, und „[...] gegenüber der Gefahr auf der Hut sein, dass man ein Symptom auf der Verhaltensebene irrtümlich für das durch Schlussfolgerungen erhaltene darunter liegende Merkmal oder die (Un-) Fähigkeit auf biologischer oder kognitiver Ebene hält.“2 Ein vorschnelles Urteilen über ursächliche Zusammenhänge kann eine auf die Diagnose folgende Behandlung nachhaltig unterwandern. Einen weiteren wichtigen Punkt der Diagnose stellt die Häufigkeit und Heftigkeit des Auftretens der entscheidenden Symptome dar. Eine Unterschätzung diese Kriteriums kann dazu führen, dass schwierige Kinder schnell das Prädikat „hyperaktiv“ angeheftet bekommen und dementsprechend behandelt werden. „Es ist [...] problematisch, die Grenze einer ‚klinisch signifikanten Zone’ für AD/HS festzulegen.3 “ Im DSM IV gibt es eine kurze Bemerkung, dass die Symptome in einem „unangemessenen Ausmaß“ vorhanden seien müssen sowie ein Hinweis darauf, dass „klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen“ vorliegen müssen4, in der ICD 10 heißt es, die Symptome sollten „sehr ausgeprägt“ sein5. In diesem Bereich auftretende Irrtümer können unangenehme bis schwere Folgen haben könnten, wie z.B. die unangebrachte Medikation eines Kindes.

Der DSM IV unterteil die Symptome in Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, bei der ICD 10 ist le tztere subsumiert. Beide Kataloge schließen das Zusammenfallen mit einer anderen schwerwiegenden psychischen Störung aus. Die Symptome sollen bereits vor dem 7. bzw. 6. Lebensjahr aufgetreten und von mindestens 6 Monaten Dauer gewesen sein .

Der DCM IV fordert darüber hinaus das Auftreten der Symptome in mindestens zwei Lebensbereichen des Kindes, die ICD 10 schließt Betroffene mit einem IQ unter 50 vom Syndrom aus. Die eigentlichen Aussagen zum Verhalten wirken beim DCM IV lebensnaher, angemessener und sind ausführlicher als bei der ICD 10.

Beide Kataloge diagnostizieren anhand der Ausprägung drei verschiedene Formen des Syndroms: ADHS mit dem Schwerpunkt Hyperaktivität, ADHS mit dem Schwerpunkt Aufmerksamkeitsstörung und ADHS mit beiden Eigenschaften als Mischform. Tritt eine Abschwächung oder ein Fehlen einzelner Symptome mit fortschreitendem Alter auf, spricht man von einer teilremittierten ADHS.

Diese beiden Diagnosekataloge sind aber nicht das einzige Mittel, um das Vorhandensein einer ADHS zu prüfen. Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung, psychometrische Verfahren wie Tests zu Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit, Intelligenz sowie zur visuellen und auditiven Wahrnehmung können von professioneller Seite angewendet werden. Sie können helfen den Schweregrad eines Falles zu beurteilen. Familienanamnesen können helfen, die genetische Disposition des Kindes für diese Erkrankung zu bestimmen 1.

Am Ende sollten für eine gute Diagnose „folgende Komponenten [ausschlaggebend] sein: Gespräch mit den Eltern, psychologische und schulische Beurteilung, eine klinische und ärztliche Untersuchung.2

5. Ursachen und Bedingungen:

Es gibt viele Theorien über die Ursachen der ADHS, die wenigsten sind wirklich nachgewiesen oder hinreichend erforscht, jede von ihnen lässt Fragen offen oder kommt nur für eine Minderheit der Betroffenen in Frage. Die empirische Überprüfung vieler postulierter Zusammenhänge vor allem aus dem psychologischen Bereich steht vielfach aus3. Es wurde keine Standartursache der ADHS nachgewiesen. Eindimensionale Konzepte können die ADHS nicht erklären 4. Das vielfältige und individuelle Erscheinungsbild bedingt eine ebenso geartete Ätiologie. Dieser Umstand erschwert zusätzlich die Suche nach der einen Ursache, wenn er sie nicht gar unmöglich macht 1. Als gesichert kann gelten, dass bei allen Betroffenen mehrere Faktoren zusammen wirken 2. Wie bereits im Abschnitt zum Erscheinungsbild bemerkt, spielen die Wirkungen, die die Symptome aufeinander haben, in den meisten

Erklärungsansätzen eine entscheidende Rolle. Diese Situation vor Augen, raten Rausch und Schlegel „bei der Beurteilung des konkreten Einzelfalles in der Praxis die Vielfalt der möglichen Verursachungsfaktoren und ihre möglichen Zusammenhänge im Auge und von einer Bewertung frei zu halten.6 “

Man kann die Theorien zur Ursache in zwei Gruppen unterteilen: Die physiologischen

Theorien, die sich auf medizinische Forschungen und biologische Grundlagen beziehen sowie die psychologischen Theorien, die auf Modellen und empirischen Daten beruhen.

5.1 Physiologische Theorien:

ADHS tritt nachweislich bei einem Teil der Betroffenen mit einer neuronalen Dysfunktion auf. Positron-emissions-tomographische Untersuchungen haben bewiesen, das in Bereichen des Gehirns, die für motorische Regulation und Aufmerksamkeit zuständig sind, eine Unterfunktion auftritt 3. Es wird vermutet, dass dies auf ein vermindertes Vorkommen von Neurotransmittern zurückzuführen ist. Der betroffene Teil des Gehirns...

[...] hat wahrschein lich außerdem die Aufgabe, Stimmungen zu regulieren, und Reaktionen auf Dinge, die in der Umwelt des Kindes vor sich gehen, angemessen zu gestalten. Ein Mangel an Neurotransmittern in dieser Region würde also eine verminderte Konzentrationsfähigkeit zur Folge haben; außerdem eine verminderte Fähigkeit, das Verhalten zu kontrollieren, [...] eine verminderte Sensibilität gegenüber den Reaktionen anderer Menschen, [...] und eine verminderte Fähigkeit, die Stimmung zu modulieren [...] 4

Der Mangel könnte genetisch veranlagt und somit erblich sein. Diese These wird unterstützt von Ergebnissen aus Familienanamnesen und der Zwillingsforschung, die zeigen, dass Symptome der ADHS familiär gehäuft auftreten5. Ein weiterer Ansatz zur Ursache der neuronalen Dysfunktion ist das Auftreten verschiedenartigster prä-, peri- und postnataler

Beeinträchtigungen der Gesundheit des Gehirns. Beispielhaft seien Infektionskrankheiten, Sauerstoffmangel während der Geburt und vorgeburtliche Fehlernährung ge nannt 1.

Es gibt jedoch auch Forscher, die in der ADHS eine Entwicklungsverzögerung sehen, die in einer neuronalen Ausreifungsstörung ihre Ursache hat. Viele Kinder mit ADHS zeigen ein merkliches Defizit in einzelnen Fähigkeiten gegenüber Altersgenossen, ihr Entwicklungsstand neigt zu Ungleichmäßigkeiten, daraus können so genannte Teilleistungsstörungen entstehen.. Diese können intellektuelle wie motorische Fähigkeiten betreffen. Ebenso werden viele emotionale Probleme von ADHS- Kindern dieser Unreife zugeordnet. Die Entwicklungsverzögerung muss nicht mit einer erblichen Veranlagung gekoppelt sein und kann mit dem Alter zumindest teilweise verschwinden 2.

Eine andere Gruppe von Theorien macht von Außen in den Organismus eingedrungene Stoffe für die ADHS verantwortlich. Der Genuss von Zucker sowie die Aufnahme von unnatürlichen Zusatzstoffen in der Nahrung (Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, Salizylate) werden in der Theorie von Feingold als Ursache angenommen , dies wurde aber nie stichhaltig bewiesen. Vereinzelt konnte man eine latente chronische Bleivergiftung bei Betroffenen feststellen und mit einer entsprechenden Diät eine Besserung erlangen. Ähnlich verhält es sich mit Allergien, die zwar eine Veranlagung zur ADHS verstärken könnten, als primäre Ursache aber nur bei Einzelfällen in Frage kommen.3 Es gibt starke Verfechter dieses Ansatzes und der dazugehörigen diätetischen Behandlungen. Sie betonen die hohe Wirksamkeit unter den betroffenen Kindern.4 Wie es zu diesen Erfolgen bei entsprechenden Diäten kommen kann, führen Wender und Taylor auf eine Art Placebo-Effekt zurück: Das Kind wird durch die Diät das Zentrum der Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es entsteht eine hoffnungsvolle Stimmung in der Familie, konflikthafte und eingespielte Verhaltensweisen zwischen Eltern und Geschwistern lösen sich für einen gewissen Zeitraum auf, und damit auch ein Teil des Problems.5

Wie auch immer die Ursachen im Einzelfall geartet sind: Die sozialen und psychischen Folgen einer körperlichen Prädisposition und die auftretenden Wechselwirkungen der Symptome führen in der Praxis dazu, dass dieser Faktor immer zu einem unter vielen im Gesamtbild der ADHS wird. 1

5.2 Psychologische Theorien:

Die Theorien zu den psychischen Ursachen der ADHS haben mehrere Dinge geme in: Sie schließen eine Koinzidenz mit körperlichen Ursachen nicht aus und sie befinden sich alle im Rahmen sozialer Wechselwirkungen in der Familie.

Ein lerntheoretischer Ansatz bezieht sich auf das Konzept des Modelllernens. Das betroffene Kind lernt im Rahmen seiner familiären Sozialisation der ADHS entsprechende Verhaltensmuster und Reaktionsweisen auf innere oder äußere Gegebenheiten durch das Vorbild der Eltern und Geschwister. Eng verbunden ist diese Theorie mit dem Erklärungsansatz der Erblichkeit: Wenn die Eltern und das Kind eine Veranlagung zu diesem Syndrom haben, besteht eine verstärkte Tendenz des Kindes, (falsche) Verhaltensweisen zu übernehmen.

Das Lernen durch Verstärkung kann in entsprechendem Umfeld ebenfalls eine Rolle spielen: Das Kind erfährt erhöhte Aufmerksamkeit bei auffälligem oder störendem Verhalten und eignet es sich deswegen mehr und mehr an.2

Eine weitere mögliche Ursache für ADHS ist eine gestörte Beziehung zwischen Eltern und Kind. Das können im harmlosesten Fall ungünstige Erziehungspraktiken sein, die das Fehlverhalten des Kindes unbeabsichtigt fördern. Es können auch psychische Störungen der Eltern sein, die sich in rigiden Erziehungshandlungen niederschlagen bis hin zu einem zerrütteten Elternhaus, in dem das Kind keine Grenzen, Sicherheiten und Regeln erfährt. In all diesen Fällen kann sich die negative Interaktion zwischen Kindern und Eltern noch zusätzlich gegenseitig verstärken. 3

Ein weiterer Ansatz ist, dass eine übermäßige Bindung an die Mutter Auslöser für

innerpsychische Konflikte des Kindes ist. Das davon männlichen Kinder schwerpunktmäßig betroffen sind, wäre (psychoanalytisch) naheliegend. 4

Wender vertritt die Auffassung, das die Grundzüge der ADHS biologisch bedingt sind und nur sekundär eine Folge der Erziehung. Er schreibt: „Wenn es [das Kind] sechs oder sieben Jahre alt ist, hat seine Veranlagung sein Verhalten beeinflusst, dieses wiederum hat die Menschen seiner Umgebung beeinflusst, und ihre Reaktionen haben wieder auf das Kind zurückgewirkt.“ 1 Dies deckt sich weitgehend mit der Diathese-Streß-Theorie von Bettelheim, die aussagt, dass es dann zur ADHS kommt „wenn eine Prädisposition für die Störung und ungünstige Erziehungspraktiken der Eltern zusammentreffen.“2 Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei vielen Betroffenen so verhält. Die Verhalten des Kindes wirkt auf es selbst zurück und bereitet ihm viele negative Erfahrungen, wie z.B. des Misserfolgs und der Ablehnung, die das Kind in seiner Persönlichkeit und in seinem Selbstbild prägen und viele Symptome erst hervorrufen oder zumindest verstärken.

6. Entwicklungsverlauf:

Es hat sich als schwierig herausgestellt die Entwicklung der ADHS zu verfolgen. Das Syndrom und seine Bezeichnung sind noch relativ „jung“, es liegen also kaum langjährige Untersuchungen vor. Sicher ist, dass viele Symptome im Laufe der Entwicklung einer starken Veränderung unterliegen.

Im Säuglingsalter bemerkt man v.a. die körperlichen Probleme wie Schlafstörungen und

Koliken. Das Kleinkind fällt dadurch auf, das es einen starken Beschäftigungsdrang hat und Erziehungsmaßnahmen schwer durchzusetzen sind. Im Vorschulalter rücken die sozialen Probleme und die mangelnde Aufmerksamkeit bereits in den Vordergrund. Im frühen Grundschulalter fallen diese Probleme noch mehr auf, zusätzlich zur starken körperlichen Unruhe des Kindes. Mit wachsendem Alter gewinnen auch die Leistungsprobleme an Bedeutung, die in den ersten Jahren aufgrund der geringeren Anforderungen unauffälliger geblieben sind. Diese spielen dann vor Beginn der Adoleszenz meist die Hauptrolle neben den ständigen sozialen Problemen. In der Pubertät verschwinden bei mindestens der Hälfte der Kinder mit leichteren Symptomen die Probleme. Weitere 20%-30% verlieren zumindest einen Teil der Symptome. Wender erscheint es so, „ [...] daß sich mit der Entwicklung ein Teil der Symptome des hyperkinetischen Syndroms abschwächt und so auch die damit verbundenen Schwierigkeiten.“ 1 Dies wird gestützt durch die Erfahrung vieler behandelnder Ärzte, die erkennen lassen, dass „ [...] bei vie len Kindern die Symptome die Tendenz hatten, sich zu verändern, geringer zu werden und mit zunehmendem Alter zu verschwinden.“ 2 Die eigentliche Hyperaktivität gehört zu den Symptomen, die häufig nachlassen. Erhalten bleiben oft Konzentrationsschwierigkeiten, die Impulsivität und emotionale Probleme. Wender beschreibt eindrücklich die Schwierigkeiten eines Jugendlichen, bei dem die Probleme der Pubertät mit denen der ADHS zusammentreffen. Die Symptome wandeln sich zwar, doch wurde in einer Untersuchung von Wender festgestellt, das sie dennoch bis in das 30. oder 40. Lebensjahren andauern können. Es kann nicht eindeutig gesagt werden, ob dies auf die Fortdauer der biochemischen Deregulierung zurückzuführen ist. Es könnte auch ein im Laufe der Sozialisation geschehenen Lernprozess, welcher das Fehlverhalten gefestigt hat dafür verantwortlich sein. Festgestellt wurde jedoch, dass auch viele Erwachsene mit Symptomen der Hyperaktivität eine wesentliche Besserung ihrer Beschwerden erfahren, wenn sie eine entsprechende Medikation erhalten. 3

7. Interventionsmöglichkeiten:

Um die ADHS auf angemessene Weise zu behandeln, muss man verschiedene Grundvoraussetzungen beachten. Der Symptom- und Ursachenvielfalt wird in keinem Fall ein eindimensionales Behandlungskonzept gerecht. Eltern hyperaktiver Kinder neigen leider dazu, sich einseitigen Behandlungsansätzen anzuschließen, was daran liegen kann, dass sich die entsprechende Erklärungsansätze mitunter gegenseitig widersprechen und dies einer Intervention auf mehreren Ebenen im Weg steht. Zudem versprechen sich viele Eltern davon eine “Erleichterung ihres Leidensdrucks, oft auch Beseitigung ihrer eigenen Schuld- und Versagensgefühle“ 4. Besser ist es aber, die Ursachen und Ausprägungen für jeden Einzelfall zu erörtern und aus den vielen möglichen Behandlungsarten die geeignetsten auszuwählen und zu kombinieren. Vonnöten sind darüber hinaus die Aufklärung und Mitarbeit der wichtigsten Bezugspersonen aus dem familiären und schulischen Umfeld. Beim betroffenen Kind selbst sollte ein altersgemäßes Problembewusstsein entsehen, damit es sich ebenfalls aktiv an einer Lösung beteiligen und mit den betreffenden Personen (Therapeuten, Lehrer, Eltern, Ärzte usw.) besser zusammenarbeiten kann. 1 Einen weiteren wichtigen Sachverhalt benennen Rausch und Schlegel: „Die Behandlung hyperaktiver Kinder ist vielfach ein Prozess der kleinen Schritte, der von allen Geduld erfordert. Grundsätzlich gilt es, Fortschritte in der Entwicklung - auch wenn sie noch so unbedeutend erscheinen - auch gegenüber den Kindern selbst anzuerkennen.“ 2 Des weiteren muss beachtet werden, dass das Fehlverhalten eines Kindes mit ADHS zum allergrößten Teil nicht willkürlich geschieht. Das Kind ist vielmehr Getriebenes seiner vielfältigen Probleme. Vor diesem Hintergr und sollte es dem Umfeld leichter Fallen, geduldig und verständnisvoll zu reagieren.

7.1 Medikamentöse Therapien:

Die Behandlung der ADHS mit Medikamenten wird häufig abgelehnt, obwohl mit ihnen die umfassendste Verbesserung von Symptomen zu beobachten ist. Manche Zweifel an dieser Art der Therapie sind berechtigt, manche nicht. Dies ist jedoch in erster Linie vom jeweiligen Präparat abhängig und soll auch dort erörtert werden. Die medikamentöse Behandlung versteht sich zuerst als Substitutionstherapie: Ein körperlicher Mangelzustand wird durch die Gabe eines Medikaments behoben. Dem liegt die Auffassung zugrunde, die ADHS sei in den meisten Fällen organisch bedingt. Dosis, Dauer und Art der Medikation müssen individuell bestimmt werden. Die längerfristige Perspektive ist, bei einer Besserung der Symptome mit beginnender Adoleszenz die Medikamente abzusetzen.

Die erfolgreichste Medikamentengruppe zur Behandlung der ADHS sind die Stimulantien. Bei ihnen konnte man weder eine Gewöhnung, noch eine Suchtbildung feststellen. Am häufigsten werden Retalin (Methylphenidat), Dextro-Amphetamin oder Pemolin verabreicht. Sie zeigen eine drastische Verbesserung aller zentralen Symptome und der betroffenen Fähigkeiten des Kindes, wie z.B. dessen Schriftbild. Häufige Nebenwirkungen sind Einschlafschwierigkeiten und Appetitlosigkeit. Außerdem stehen die Stimulantien im Verdacht, eine Wachstumsverzögerung zu verursachen.

Bei Kindern mit besonders aggressivem Verhalten oder großen Einschlafschwierigkeiten verabreicht man gelegentlich Neuroleptika. Diese Gruppe von Medikamenten sind Beruhigungsmittel, die die Kinder umgänglicher machen und die Impulsivität dämpfen. Bei ihnen treten in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen auf. Suchtentwicklung oder Gewöhnung konnte man auch hier nicht beobachten.

Eine weitere, eher selten verabreichtes Medikamentengruppe sind die Antidepressiva. Der Umgang mit ihnen ist jedoch problematisch, da sie eine hohe Neigung zur Toleranzbildung haben und keine Untersuchungen über langjährige Medikationen vorliegen. Darüber hinaus ist die Verbesserung der spezifischen Symptome nur gering. 1 Selten werden auch Barbiturate und Neotropika verabreicht. Dasselbe gilt für homöopathische Mittel und die Mega-Vitamintherapie.2 Die Wirkung der letzteren wird in Zweifel gezogen.3

7.2 Diäten:

Bei keiner anderen Therapieart hängen vermutete Ursachen und daraus resultierende Maßnahmen so eng zusammen wie bei den Diäten. Man kann sie kaum getrennt voneinander bewerten. Ähnlich schwierig scheint es zu sein, sichere empirische Daten über ihre Wirkungsweise zu erlangen. Taylor beruft sich indirekt auf den Grundsatz „Wer heilt, hat recht !“. Er argumentiert, dass eine zwecklos durchgeführte Diät keinen großen Schaden anrichten kann und im Einzelfall sogar Erfolge verspräche und legimitiert so ihre Durchführung. 4 Wirkliche empirische Belege aber fehlen häufig, und wenn es sie gibt, sprechen sie meist gegen die Diäten. 5 Ein gewisses Risiko ist jedoch durch die Gefahr einer Mangelernährung gegeben. Trotzdem scheinen sie große Popularität zu besitzen. Viele wichtige Sachverhalte dazu wurden bereits im Abschnitt zu den physiologischen Ursachen behandelt, an dieser Stelle findet sich also nur noch eine kommentierte Aufzählung der Theorien.

Eine Nahrungsmittelallergie wird oft für die Symptome der ADHS verantwortlich gemacht.

Da verbindliche Labortests zur Überprüfung der Nahrungsmittel nicht existieren, empfehlen Wender und Taylor zur Feststellung der möglichen Ursache eine Eliminationsdiät: Durch kontrolliertes Ab- und Aufbauen des Speiseplans des Kindes unter Beobachtung der Symptome werden mögliche allergene Nahrungsmittel gesucht. Bei Erfolg beginnt das Kind eine entsprechende Diät. Diese Methode kann in Einzelfällen Nutzen bringen, für die Mehrheit der Betroffenen ist sie sicherlich keine Hilfe.

Die Wirkung der von Dr. Ben Feingold entwickelte zusatzfreie Diät (siehe Abschnitt 5.1) konnte in mehreren Untersuchungen trotz vereinzelter Erfolge nicht eindeutig nachgewiesen werden. Ebenso verhält es sich mit der Theorie und den Diäten zur Bleivergiftung und zur Zuckerunverträglichkeit.

Kaffee als koffeinhaltiges Stimulans wird als Behandlungsmittel ebenfalls in Betracht gezogen. Dessen Wirkung zu erforschen und nachzuweisen stellt sich jedoch als schwierig heraus. Darüber hinaus hat Koffein starke Nebenwirkungen.1

7.3 Psychologische Intervention:

Den verschiedenen Möglichkeiten der psychologischen Intervention ist gemein, das sie die aktive Rolle des beroffenen Kindes in den Mittelpunkt der Bemühungen stellen und eine Verhaltensveränderung zum Ziel haben.2 Sie müssen individuell nach den Bedürfnissen der Betroffenen und deren Lebensumständen entworfen werden. Für sie ist es von besonderer Bedeutung, dass das gesamte Umfeld des Kindes mitarbeitet und zu einer Veränderung beiträgt.

Viele der Behandlungsansätze kommen aus dem Bereich der Verhaltenstherapie. In der Regel beginnt eine solche Behandlung mit einer eingehenden Problem- und Verhaltensanalyse die auf Befragungen und Beobachtungen im familiären und schulischen Umfeld des Kindes unter Berücksichtigung von dessen Vorgeschichte beruht. Aus dieser Analyse werden anschließend Problemlösungsstrategien abgeleitet. Diese können in verschiedene Formen der Therapie münden:

Die direkte Verhaltenstherapie geschieht in Einzelsitzungen zwischen Therapeut und Kind, in denen das Kind durch altersgemäße Übungen, Spiele und Gespräche für seine individuelle Problematik Bewältigungsstrategien erfährt.

Die indirekte Verhaltenstherapie geschieht unter Anleitung eines Therapeuten, die z.B. durch Gruppentreffen, das Einüben bestimmter Techniken oder schriftliche Hilfen geschehen kann. Die Therapie kann dann z.B. aus Lernprogrammen (Lernen am Erfolg, durch Einsicht und soziale Verstärkung), Belohnungs- und Bestrafungs-Systemen, oder der Anleitung zur Selbstkontrolle und Förderung der Eigenverantwortlichkeit des Kindes bestehen.1

Eine weitere Möglichkeit der Behandlung liegt in einer Kinderpsychotherapie. Das sind in der Regel Einzelsitzungen mit einem Therapeuten, es werden aber auch Gruppensitzungen mit mehreren Kindern durchgeführt oder Interviewsitzungen gemeinsam mit der Familie. Wender schreibt „Der Sinn einer psychotherapeutischen Behandlung ist, dem Kind die Fähigkeit zu vermitteln, seine eigenen Gefühle zu erkennen, zu verstehen und mit ihnen auf angemessene Weise umzugehen“2. Taylor nennt sie auch „Behandlung durch Verständnis“ 3. Kinder mit ADHS leiden häufig an emotionalen Problemen oder Störungen der zwischenmenschlichen Beziehungen, welche mit dieser Form der The rapie angegangen werden sollen. Ihr Wirksamkeit ist sehr umstritten, sie wird jedoch angewendet, wenn andere Behandlungsformen schlecht ansprechen.4

Es existiert noch eine Fülle weiterer Therapiearten und Trainingsprogramme, deren Beschreibung den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde. Eine kurze Aufzählung der bei Rausch und Schlegel sowie Schweizer und Prekop genannten soll hier genügen : Spiel und Aktivitätstherapie, Suggestivbehandlung, Entspannungstherapien, Biofeedback, Festhaltetherapie, kognitiv orientierte Verfahren, Training zur Verbesserung der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung, Elternberatung, -training und therapie, systemische Familientherapie, Gestalttherapie und andere mehr. 5

7.4 Schulische Intervention:

Für den Lehrer empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit Eltern und den zugeschalteten Therapieeinrichtungen. Dies kann z.B. im Rahmen einer Helferkonferenz oder durch regelmäßigen schriftlichen oder telefonischen Kontakt geschehen. Anfangs muss ein Konsens über die Art der Störung und die individuelle Problematik des Kindes gefunden werden, eine Diagnose allein reicht als Grundlage nicht aus. Anschließend diskutiert man die Vorgehensweise und versucht sich auf bestimmte, zielgerichtete Formen des Umgangs mit dem Kind im schulischen und häuslichen Umfeld zu einigen und organisiert die nötigen außerschulische Hilfen.1 Holowenko fordert einheitliche „Richtlinien für den Umgang mit entsprechenden Verhaltensmustern“2.

Zu Beginn einer Intervention ist unter Umständen ein Schulwechsel nötig. Dem Kind wird dadurch die Möglichkeit zu einem Neustart gegeben, einem belastenden Verhältnis zu den alten Lehrern und Mitschülern wird aus dem Wege gegangen. Die neue Schule wird auf die Ankunft des schwierigen Schülers vorbereitet, insbesondere der neue Lehrer wird intensiv Beraten, um einer ähnlichen Entwicklung vorzubeugen.5

Wender hat festgestellt, „dass eine feste, konsistente, genau umrissene, vorhersagbare häusliche Umgebung am besten ist“ 3. Dies kann mit Sicherheit auch für die schulische Umgebung gelten. Konkret meint Wender folgendes: Die Konsequenzen für Fehlverhalten müssen immer dieselben sein, das Kind wird für Regelverstöße zur Verantwortung gezogen, für gutes Verhalten wird es belohnt oder gelobt. Die Regeln selbst dürfe n sich nicht von Tag zu Tag ändern. Sie müssen genau definiert sein, beide Seiten sollen wissen, was getan oder gelassen werden muss. Das Kind muss wissen, dass diese Regeln existieren, um sich eines Regelverstoßes bewusst sein zu können.4 Dieses Prinzip der Klarheit, Ordnung und

Konsequenz findet sich auch bei Holowenko .5 Rausch und Schlegel schlagen den „Aufbau von Gewohnheiten, u.a. durch eine zuverlässige organisatorische und inhaltliche Strukturierung der schulischen und häuslichen Bedingungen“6 vor.

Aus Überlegungen dieser Art ergeben sich vielerlei Handlungs- und Gestaltungs- möglichkeiten für den Unterricht. Einige wurden aus den Publikationen von Rausch und Schlegel, Wender sowie Holowenko ausgewählt und hier zusammengefasst.

Für das Lernumfeld empfiehlt es sich, die Ablenkungsmöglichkeiten im Klassenzimmer zu reduzieren oder das Kind zumindest von ihnen fern zu halten. Besonders ruhige Mitschüler, also positive Rollenvorbilder, sollten sich im Klassenzimmer im Blickfeld oder neben dem betroffenen Kind befinden. Störenfriede sollten entsprechend von ihm ferngehalten werden. Der Geräuschpegel sollte möglichst niedrig gehalten werden, da ADHS-Kindern stark auf lautliche Ablenkung reagieren.

Um auf das Verhalten des Kindes zu reagieren werden klare Regeln aufgestellt, die z.B. mit einem Belohnungssystem gekoppelt sind. Grundsätzlich gilt, dass eine positives Rückwirkung auf das Kind Bestrafungen vorgezogen wird und Verbote positiv formuliert werden (statt einem „Du sollst nicht...“ ein „Du sollst...“). Phasen der Kontrolle sollen von Phasen des „geplanten Ignorierens“ unterbrochen werden. Der Lehrer soll unterscheiden können, wann das Kind ein Fehlverhalten nicht aufgeben kann und wann es das nicht will. Ersteres kann man dulden, letzteres nicht, da dies dem Prinzip der Selbstkontrolle und Eigenver- antwortlichkeit des Kindes widerspräche. Das Kind soll lernen, sein eigenes Verhalten zu reflektieren, zu bewerten und zu korrigieren.

Das Miteinander der Schüler soll in verstärktem Maß beobachtet und bei Schwierigkeiten angeleitet werden, gezielte Übungen dazu sind ebenfalls möglich.

Die gestellten Aufgaben sollten klare, absehbare Ziele haben und das Kind in seinen Fähigkeiten nicht überfordern. Besonderes Augenmerk gilt hierbei den Teilleistungsstörungen des Kindes, wie z.B. Störungen der Feinmotorik, Leseschwierigkeiten oder einer Wahrnehmungsstörung. Wenn geeignete Förderklassen an der Schule existieren, sollte man die Teilnahme des Kindes daran veranlassen. Zur besseren Bewältigung der Aufgaben kann der Lehrer konsequent Selbstinstruktionen vornehmen, die dem Kind modellhaft Problembewältigungsstrategien vor Augen führen und es zur Nachahmung anreizen. Um dem Kind Freiraum für seinen Bewegungsdrang und seine Eigensinnigkeit zu bieten kann man verstärkt verschiedene Freiarbeitsformen in der Klasse durchführen.1

7.5 Behandlung der Teilleistungsstörungen:

Ziel dieser Behandlungen ist es, die in manchen Bereichen eingeschränkten Fähigkeiten eines Kindes mit ADHS gezielt und isoliert außerschulisch zu fördern. Dabei kommen heilpädagogische, logopädische und psychomotorische Maßnahmen zum Einsatz, wie z.B. Krankengymnastik, Mototherapie, Kinesiologie, Heileurythmie, Beschäftigungstherapie u.v.m. Es werden auch spezielle Trainingsprogramme zu Wahrnehmung, Konzentration, Sprache, Motorik, Lesen, Schreiben und Rechnen durchgeführt.1

8. Prävention:

Der Frage, ob man der ADHS vorbeugen kann, hat sich in den vorliegenden Publikationen bis auf Schweizer und Prekop niemand direkt angenommen. Das ist naheliegend, denn wie will man einer Störung, die ein Kind vermutlich von Anbeginn seines Lebens begleitet präventiv begegnen, außer in der Schwangerschaft ? Schweizer und Prekop haben einen Ansatz entwickelt, der das Entstehen der ADHS zumindest zum Teil mit dem Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft und der Mutter-Kind-Interaktion in den ersten Jahren in Verbindung setzt. Sie behaupten „bei der Entstehung der Hyperaktivität [sei] eine nicht- kindgemäße Betreuung mit am Werk“ 2, zu deren Behebung sie verschiedene Vorschläge zur Verhaltensänderung aufstellen. Eine weitere denkbare Möglichkeit der Vorbeugung wäre die Vermeidung pränataler Risikofaktoren, die in Verdacht stehen, an der Entstehung von ADHS mitzuwirken, wie z.B. Fehlernährung der Mutter, toxische Schädigungen (z.B. durch Alkohol oder Umweltgifte) des Embryos oder anhaltender Stress während der Schwangerschaft.3

9. Zusammenfassung:

Wie die vorliegenden Ausführungen zeigen, ist die Forschung weder bei den Ursachen, noch bei der Suche nach den geeignetsten Behandlungskonzepten zu einem Endergebnis gelangt. Dies ist jedoch bei der Komplexität der ADHS kein Wunder. Ihre Ursachen werden wohl immer in mehreren Bereichen gesucht werden und in ihrer Behandlung wird man stets auf mehrere Therapieformen zurückgreifen. Die Kenntnis vom richtigen Umgang mit hyperaktiven Kindern wird nicht zwangsläufig mit dem Bekanntheitsgrad dieser Verhaltensauffälligkeit steigen. Diese Kinder haben ein Problem, das man nicht übersehen kann und das jeden, der darauf trifft, vor schwierige Entscheidungen stellt. Die Richtigen zu treffen ist angesichts der vielen Ratgeber und Meinungen sicherlich nicht leicht, jedoch kann in Zusammenarbeit mit professionellen Therapeuten bereits ein individuelles Lösungskonzept entworfen werden, das dem betroffenen Kind und seinem Umfeld helfen kann die schwierige Lage zu verbessern.

10. Literatur:

- Czerwenka, Kurt / Bolvansky, Roswitha / Kinze, Wolfram (1997): Hyperaktive Kinder. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
- Davidson, Gerald C. / Neale, John M. (1998 / 5. Auflage): Klinische Psychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union
- Holowenko, Henryk (1999 / 2. Auflage): Das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Weinheim und Basel: Beltz Verlag
- http://www.medizinfo.de/kinder/probleme/diagnosekriterien.htm, 1.3.2001
- http://www.psychologie-online.ch/add/add/dsm.htm, 1.3.2001
- Rausch/Schlegel (1995): Hyperaktivität. In: Handbuch der Schulberatung.
- Schweizer, Christel / Prekop, Jirina (1991): Was unsere Kinder unruhig macht. Stuttgart: Georg Thieme Verlag
- Taylor, Eric (1986): Das hyperaktive Kind. Stuttgart: Hippokrates-Verlag
- Wender, H. Paul (1991 / 9. Auflage): Das hyperaktive Kind. Ravensburg: Maier

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1 vgl. Holowenko, S.17

2 vgl. Holowenko, S.21

3 vgl. Schweizer / Prekop, S.9

4 vgl. Rausch / Schlegel, S. 3 und Schweizer / Prekop, S.11

5 vgl. Czerwenka, S.11

1 vgl. Wender, S.12

2 vgl. Taylor, S.28

3 Czerwenka, S.12

4 Davidson / Neale, S. 493

5 vgl. Holowenko S.22-24

6 vgl. Davison / Neal, S.493

7 vgl. DSM-III-R, S.81

8 vgl. Rausch / Schlegel, S.6 und Czerwenka, S.12

1 Holowenko, S.26

2 Holowenko, S.25

3 Holowenko, S.25

4 vgl. www.psychologie-online.ch

5 vgl. www.medizininfo.de

1 vgl. www.psychologie-online.ch

2 Holowenko, S.33

3 Rausch / Schlegel, S.9

4 vgl. Holowenko, S.22

1 vgl. Davison / Neale, S. 496

2 vgl. Rausch /Schlegel, S.8,9

3 vgl. Davison / Neale, S.496-498

4 Wender, S.26

5 vgl. Davison / Neale S.496-498

1 Wender, S.25-27

2 vgl. Taylor, S.28 / Wender, S. 16-22

3 vgl. Davison / Neale S.496-498

4 vgl. Rausch / Schlegel, S.12

5 vgl. Wender, S.29 / Taylor, S.56

1 vgl. Taylor, S.28

2 Rausch/Schlegel, S.9

3 Davison / Neale S.493

4 Czerwenka, S.31

1 Wender, S.31

2 Davison / Neale, S. 497

1 Wender, S. 24

2 Wender, S.37

3 vgl. Wender, S.23,24 und S. 37-42

4 Rausch / Schlegel, S. 13

1 vgl. Rausch / Schlegel, S. 9-13

2 Rausch / Schlegel, S. 14

1 vgl. Davison / Neale S. 498, 499 und Wender, S. 43-56

2 vgl. Rausch / Schlegel , S.11

3 vgl. Wender, S. 54,55

4 vgl. Taylor, S. 54-61

5 vgl. Wender, S. S. 43-56

1 vgl. Wender, S. 43-56, Taylor S. 54-61

2 vgl. Rausch / Schlegel, S. 11

1 vgl. Taylor, S. 87-89

2 Wender, S.77

3 Taylor, S.89

4 vgl. Wender, S. 57-78

5 Rausch / Schlegel, S.10-13 und Schweizer / Prekop, S.133-136

1 Rausch / Schlegel, S.13,14

2 Holowenko, S.43

3 Wender, S.59

4 vgl. Wender, S.59,60

5 vgl. Holowenko, S.43-53

6 Rausch / Schlegel, S.14

1 vgl. Rausch / Schlegel, S. 13,14 und Wender, S. 79-81 und Holowenko, S.43-53

1 vgl. Rausch / Schlegel, S. 12 und Schweizer / Prekop, S. 133-135

2 Schweizer / Prekop, S. 78

3 vgl. Rausch / Schlegel S. 8,9

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Hyperaktivität
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V102952
ISBN (eBook)
9783640013326
Dateigröße
372 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hyperaktivität, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Anonym, 2001, Hyperaktivität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102952

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