Missbrauchsaufsicht gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen


Ausarbeitung, 2001

14 Seiten


Leseprobe


Begriffserklärung

Ein Marktbeherrschendes Unternehmen ist ein Unternehmen, das als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerber ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Sie unterliegen einer Missbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde. Laut § 22 Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird Marktbeherrschung eines Unternehmens vermutet, wenn es folgende Marktanteile besitzt: Marktanteil eines Unternehmens von mind. einem Drittel; mind. 50% bei zwei oder drei Unternehmen; zwei Drittel bei 5 oder weniger Unternehmen.

Die Missbrauchsaufsicht ist neben der Fusionskontrolle und dem Kartellverbot (mit kontrollierter Zulassung) die dritte Säule, die das Kartellgesetz trägt. Sie wird benötigt, da es Unternehmen gibt, die auch ohne Fusionen aus eigener Kraft eine Größe erreicht haben, die ihnen erlaubt, sich dem Wettbewerbsprozess zu entziehen. Durch die fehlende Begrenzung der Freiheitsräume marktbeherrschender Unternehmen werden Missbräuche möglich. Die Missbrauchskontrolle verbietet den marktbeherrschenden Unternehmen eine missbräuchliche Ausnutzung ihrer Stellung, mit der Zielsetzung, die Märkte offen zu halten und die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen zu schützen. Das Kartellgesetz bestimmt deshalb, dass die Kartellbehörden, wo die Kontrolle durch Wettbewerb ausfällt, die Kontrollfunktionen übernehmen. Die Verfahrensschritte in der Missbrauchsaufsicht ähneln denen in der Zusammenschlusskontrolle:

- Abgrenzung des relevanten Marktes; -

Nachweis (bzw. Vermutung) der Marktbeherrschung; - Definition des Missbrauchstatbestandes.

Problemorientiert wird in der allgemeinen Diskussion um den Missbrauchstatbestandes unterschieden zwischen dem Behinderungsmissbrauch und dem Preismissbrauch (Ausbeutungsmissbrauch).

Behinderungsmissbrauch liegt nach generellen Auffassungen dann vor, wenn durch die marktbeherrschende Stellung (die Marktmacht) und ihre Ausnutzung Wettbewerbern oder der

Marktgegenseite fühlbare Einschränkungen in deren Handlungsmöglichkeiten auferlegt werden.

Ein Preismissbrauch bedeutet nach vorherrschender Interpretation eine missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht dadurch, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen überhöhte Preise fordert, die von den Preisen bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit abweichen.

Thesen

1. Die Tatsache der Marktbeherrschung ist äußerst schwierig nachzuweisen.

Der erste Angriff der Verteidigung gegen die Marktbeherrschungsvermutung richtet sich gegen die Abgrenzung des relevanten Marktes. Denn je weiter die Grenzen des Marktes gefasst werden, desto weniger greift die quantitative Vermutung der Markt-beherrschung. Zur weiteren Abwehr des Marktbeherrschungsverdachts wird alles dargelegt, was an Wettbewerbshandlungen vorgekommen ist. Dabei muss man zahlreiche einzelne Handlungen, die im zeitlichen Ablauf von aktiven und passiven Wettbewerben vorgenommen worden sind, mosaikartig zu einem Bild von Wettbewerb zusammenfügen, um zu prüfen, ob alles zusammen wesentlichen Wettbewerb ergibt. Abgesehen von dem erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand, können wirtschaftliche Machtstellungen mit diesem Prüfansatz nicht wirksam kontrolliert werden.

2. Die Kartellbehörde ist nicht zu umfassenden Verhaltenskontrollen berechtigt.

Missbrauchsaufsicht soll monopolistisches und oligopolistisches Verhalten korrigieren. Nach

§ 22 GWB ist die Kartellbehörde befugt, ein missbräuchliches Verhalten zu untersagen und Verträge für unwirksam zu erklären, wenn Unternehmen ihre markt-beherrschende Stelle ausnutzen. Die Kartellbehörde kann also nur missbräuchliches Verhalten im Einzelfall korrigieren.

3. Im Rahmen der Missbrauchsaufsicht (und des Diskriminierungs- und Behinderungsverbots) werden vor allem die kartellbehördlichen Eingriffe in die Preisbildung stark kritisiert.

Die Preisaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen hat einen jahrelangen und lebhaften Meinungsstreit heraufbeschworen. Die Meinungsverschiedenheiten haben ihren Ursprung in ordnungspolitisch unterschiedlichen Leitbildern und in Zweifeln an der Effizienz einer ernstlich ausgeübten Preismissbrauchsaufsicht. An den wenigen aber weithin beachteten Entscheidungen der Kartellbehörde hat sich die Grundsatzdiskussion wieder entzündet, ob behördliche Preis- und notfalls auch Kostenkontrollen unserem, auf freier Unternehmensentscheidung beruhenden marktwirtschaftlichen System überhaupt entspricht, ob dirigistische Eingriffe solchen Ausmaßes zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll sind. Die Eingriffe in die Preisbildung führen zu einer Störung der Wettbewerbsprozesse, da es ihr an einem objektiven, brauchbaren Maßstab fehlt.

4. Die preiswirksamen behördlichen Maßnahmen haben meist eine Reihe von ungewollten Nebenwirkungen zur Folge.

Jede Preiskontrolle löst, häufig unvorhersehbar, Nebenwirkungen aus, die nicht gewollt sein können und unerwünscht sind. Dies wird am besten am Beispiel der Mineralölkrise 1973/74, als die Mineralölpreise erheblich erhöht wurden, deutlich. Gegen die führenden Mineralölunternehmen wurden Missbrauchsverfahren eingeleitet. Preis-senkungsverfügungen hätten diese Unternehmen sicher unangenehm getroffen, ihre weiter Tätigkeit jedoch nicht entscheidend beeinträchtigt. Aber diejenigen Unter-nehmen, die außer ihnen am Markt anboten, insbesondere der mittelständige Mineralöl-handel und die freien Tankstellen, wären durch solche Preissenkungsverfügungen, die sich gar nicht gegen sie gerichtet hätte, der sie aber tatsächlich hätten folgen müssen, existenzgefährdend getroffen worden. Denn die hohen Einstandspreise der kleineren Konkurrenten waren von der Kartellbehörde nicht zu beeinflussen. Die Verluste hätten die Unternehmensgruppe wohl dezimiert und die Marktstruktur wäre erheblich schlechter geworden.

5. Die Bekämpfung missbräuchlicher Behinderung ist wirksamer als Preiskontrolle.

Das Nachdenken über den Gesamtzusammenhang und die Interdependenz aller Marktvorgänge führt zur Erkenntnis beträchtlicher nicht erwünschter Nebenwirkungen einer rigorosen Preiskontrolle (Vgl. vorherige These). In konkreten Fällen gibt es häufig andere Möglichkeiten auf die Marktergebnisse einzuwirken. Werden langjährige Bezugsbindungen aufgehoben und diskriminierende Lieferverweigerungen beseitigt, ist für den Wettbewerb oft mehr getan als durch dirigistische Preiskontrollen. Bei der Bekämpfung des Behinderungsmissbrauchs versucht die Kartellbehörde im Wesentlichen Strategien marktbeherrschender Unternehmen, die die Wettbewerbs-möglichkeiten anderer Unternehmen ohne sachliche Begründung behindern, zu verbieten. Bei Anwendung dieser Unternehmensstrategien werden erhebliche Einschränkungen für horizontale Wettbewerber durch vertikale Lieferbeziehungen befürchtet. Die Bekämpfung des Behinderungsmissbrauchs marktbeherrschender Unternehmen ist deshalb ein Schwerpunkt der Tätigkeiten des Bundeskartellamtes.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Missbrauchsaufsicht gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V102949
ISBN (eBook)
9783640013296
Dateigröße
688 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thesenpapier:1,7 / Referat: 1,3
Schlagworte
Missbrauchsaufsicht, Unternehmen
Arbeit zitieren
Robert Tittmann (Autor:in), 2001, Missbrauchsaufsicht gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102949

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