Modelle des Konsumentenverhaltens


Hausarbeit, 2000

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Entwicklung von den klassischen Ansätzen zum multioptionalen Konsumentenverhalten
Konsistentes Konsumentenverhalten
Hybrides Konsumentenverhalten
Multioptionales Konsumentenverhalten

3. Die Beschreibung der klassischen Ansätze und des multioptionalen Konsumentenverhaltens
Aspekte der klassischen Ansätze des Konsumentenverhaltens nach Kroeber-Riel 7
Die Stimuli-Variablen
Die Organismus-Variablen
Die Reaktions-Variablen
Kritikansatz
Beschreibung des multioptionalen Konsumentenverhaltens 13
Die Selbstorganisation
Die Autopoiesetheorie nach Maturana/Varela
Kognitive Systeme
Soziale Systeme

4. Folgerungen für das Marketing
Erweiterung der klassischen Ansätze
Was heißt das für die Planung und die Kontrolle im Marketing?

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit einiger Zeit lässt sich in der Konsumentenforschung ein grundlegender Wandel feststellen, der sich mit dem Begriff der „Multioptionalität“ umschreiben lässt. Das multioptionale Konsumentenverhalten zeichnet sich dadurch aus, dass in ein und derselben Person mehrere Verhaltensmuster auftreten können, dass das Verhalten aus der Sicht des Verkäufers durch Selbststeuerung des Konsumenten instabil ist und dass das Verhalten zwischen Konsumenten bzw. Konsumentengruppen in verschiedene Richtungen gehen kann.

Insofern liegen die Erklärungsansätze zu multioptionalem Konsumentenverhalten ergänzend zu den klassischen Ansätzen vor.

Mit der vorliegenden Hausarbeit versuche ich beide Ansätze zu erklären und zu beschreiben. Ferner gehe ich darauf ein, dass diese Ansätze keinesfalls im Gegensatz zueinander stehen, sondern dass das multioptionale Konsumentenverhalten, so wie es z.B. Annette Schüppenhauer in „Multioptionales Konsumenterverhalten und Marketing“ beschreibt, eine Erweiterung der klassischen Marketingansätze darstellt.

Annette Schüppenhauer versucht in Ihrer Dissertation den bis dahin in der Marketing-Literatur noch mangelhaft behandelten Begriff der Multioptionalität unter dem Fokus neuerer Arbeiten über lebende Systeme zu erarbeiten. Annette Schüppenhauer geht davon aus, dass sich seit einiger Zeit, vor allem im letzten Jahrzehnt der Konsument vom Otto Normalverbraucher zum Markus Möglich gewandelt hat. Mit dieser Behauptung setzt sie die Reiz-Reaktions-These außer Kraft, und damit werden die darauf aufbauenden Methoden und Instrumente wirkungslos.

„Der neue multioptionale Konsument ist nicht mehr analysierbar, planbar undsteuerbar.“1

2. Die Entwicklung von den klassischen Ansätzen zum multioptionalen Konsumentenverhalten

Zur Erforschung des multioptionalen Konsumentenverhaltens muss man die gesamte Komplexität der Konsumentenforschung anerkennen und erklären. Das multioptionale Verhalten ist schon seit einiger Zeit kein Randphänomen mehr. Schon Werner Kroeber-Riel hatte in der letzten Ausgabe von „Käuferverhalten“ 1997 einige konstruktivistische Ansätze erklärt und berücksichtigt. Doch im großen und ganzen blieb er doch bei seinem klassischen Erklärungsansatz: dem S- O-R-Modell. Hierauf gehe ich noch später ein.

Früher galt das Konsumentenverhalten als konsistent. Es war eindimensional rational, stabil und einheitlich. Heute gilt es eher als hybride, also bipolar sowie relativ stabil. Die Entwicklung allerdings geht weiter hin zur Multioptionalität.2 Vor allem sind bei diesem Entwicklungsphänomen die Jugendlichen, unter anderem auch die Subkulturgruppen und die Freizeitanhänger zu berücksichtigen. Senioren werden in den Studien nur bedingt berücksichtigt, da bei ihnen nur ein multioptionales Verhalten auftritt, wenn sie sich an die sog. „Konsumpioniere“3 anlehnen.

Konsistentes Konsumentenverhalten

Spricht man von konsistentem Verhalten, dann spricht man automatisch von „Otto Normalverbraucher“. Jeder Konsument kann einem bestimmten Verhaltensmuster zugeordnet werden. Der Konsument wird dadurch also durchschaubar, berechenbar und sogar steuerbar. Somit entsteht das Bild eines Massenkonsumenten, der einer einheitlichen Gruppe angehört. Auch folgt aus dieser Annahme, dass der Konsument über einen bestimmten Zeitraum hinweg immer auf dieselbe Art und Weise auf einen bestimmten Reiz reagieren wird.

Hybrides Konsumentenverhalten

Hybrides Verhalten ist bi-polar, d.h. das Verhalten eines Konsumenten kann zweidimensional sein. Ein Konsument geht genauso gerne in ein Feinschmeckerrestaurant wie er gelegentlich in einer Imbissstube einen Hamburger isst. Dieses Verhalten gilt erst als stabil, wenn sich diese Aktionen im Laufe der Zeit als beständig erweisen. Der Konsument sucht also mit voller Absicht den Kontrast, den er z.B. in Produkten mit verschiedenen Preisklassen findet. Auch kann es sein, „dass ein und derselbe Käufer für bestimmte Produkte bereitwillig Geld ausgibt, bei anderen aber genau auf den Preis achtet...“4

Im Gegensatz zum konsistenten Käuferverhalten ist das hybride Verhalten differenziert. Das heißt, dass sich die Konsumenten nicht nur nach Zielgruppen unterscheiden, sondern dass auch ihre Gespaltenheit als weitere Dimension hinzukommt.

Multioptionales Kons umentenverhalten

Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Verhaltensweisen ist das multioptionale Konsumentenverhalten mehrdimensional in einer Person, instabil über die Zeit und divergierend über die Konsumenten (-gruppen).5 Hier kann man nicht mehr von einem „Otto Normalverbraucher“, sondern nur noch von einem „Markus Möglich“ sprechen. Dieser Konsument hat mehrere Verhaltensmuster. Markus Möglich unterschiedet sich zu Otto Normalverbraucher darin, dass er sich nicht mehr in bestimmte Verhaltensschemen einordnen lässt, sondern dass er sich an verschiedenen Trends orientiert und diese nach Lust und Laune auslebt. Innerhalb seiner Möglichkeiten wird der Konsument außerdem zum Gruppenpendler und kann jederzeit eine Veränderung seiner Verhaltensweisen vornehmen.

Der Konsument ist nicht mehr steuerbar. Er dreht den Spieß sogar um und steuert selbst. Dies ist auf die allgemeine Entwicklung des Marktes zurückzuführen: DerVerkäufermarkt wurde zum Käufermarkt.

Trotz der vielen Möglichkeiten, die der Konsument nutzt, hat er doch im Grunde eine Art von Leitidee, mit deren Hilfe sich sein Verhalten zwar nicht vorhersagbar ist, jedoch durchaus nachvollziehbar.

Vor allem die Jugend-, Szenen- und Freizeitkultur kennzeichnet das multioptionale Verhalten. Begriffe wie „Trendsetter“ und „Kid-Influence“ sind seit längerer Zeit schon bekannt. Sie bedeuten, dass vor allem in Jugendkulturen bestimmte Dinge vorgelebt und anschließend vom Konsumenten nachempfunden werden. Heutzutage ist es ein Luxus von Lifestyle zu Lifestyle zu springen („Trendzapping“6 ). „Somit wird die ausgelebte Freiheit zum eigentlichen Luxus.“7 Und durch unseren in den letzten Jahrzehnten erworbenen Wohlstand können wir uns diese Art von Luxus auch leisten.

Shopping wird in den Augen des Konsumenten eine Art Selbstinszenierung, er nutzt dies als eine Form des Selbstausdruckes. Und da es modern ist, verschiedene Gesichter zu haben, wird der Konsument alle Möglichkeiten nutzen, um diese auch zu betonen.

Nun stellt sich die Frage nach einer eher inhaltlichen Beschreibung der Multioptionalität. Was ist die treibende Kraft, welche die Entwicklung vom klassischen Konsumentenverhalten bis hin zur Multioptionalität begründet?

Das biologische Ziel eines jeden Individuums ist die Selbsterhaltung. In unserer Gesellschaft ist das die Erhaltung des Lebensstandards. Dies ist eine stetige Entwicklung. Wiswede zieht dadurch folgenden Schluss: „Ich bin, was ich habe! oder Ich bin, was ich ausgeben kann.“8 Diese Aussage trifft auf die Zeit vom Ende des zweiten Weltkrieges bis heute zu. Diese Art von Selbsterhaltung entwickelt sich immer weiter. Sie wurde im Laufe der Zeit zur Selbstentfaltung und der nächste Schritt, und dies ist wohl der entscheidende auf dem Weg zur Multioptionalität, ist der der Selbstinszenierung und Selbstentgrenzung.9 Das Ziel der Selbstentfaltung war einen Lebensstil konstant halten zu können. Dadurch war der Konsument sehr viel durchschaubarer, als er das heute ist. Die Zukunft wird von der Optionsfülle, die dem Konsumenten zur Verfügung steht, geprägt sein. Klassische Eigenschaften eines Produktes, wie seine Qualität und sein Preis zur Befriedigung der Wünsche eines Konsumenten verändern sich und werden immer weniger relevant. Aufgrund Prozessen wie Produktangleichung oder der Marktsättigung sind Produkte einer Sparte meist einfach austauschbar. „Das zunehmende Bewusstsein für die Möglichkeit, die das Leben bietet, rückt das individuelle Bedürfnis nach Vielfalt und Wandel in den Vordergrund.“10 Die Befriedigung kehrt erst ein, wenn der Konsument das Gefühl hat, etwas anderes oder einzigartiges zu besitzen.

Ein Beispiel kann im Bereich des Sports diese Entwicklung verdeutlichen: Sport war bis vor einiger Zeit der Innbegriff für Gemeinsamkeit, Gemeinschaftlichkeit und dem Zugehörigkeitsgefühl. Es beherrschten Sportarten wie Fuß-, Hand- oder Volleyball den Markt. Vereinsleben in seiner gesamten Form war dabei wichtig. Auch heute noch besteht die Möglichkeit, sich über den Sport zu definieren. Ausgefallene Sportarten oder Sportarten, die man alleine macht, sind in. Die Sportlichen zieht es in Fitnesscenter, zum In-Line-Skaten, zum Joggen, oder in die Berge zum Steilwandklettern. Umso extremer eine Sportart ist, umso mehr ist das Gefühl das Exklusiven bei dem Konsumenten vorhanden. „Die Menschen haben gelernt , dass das Leben reicher und aktiver wird, wenn man sich immer wieder experimentell erprobt, immer wieder aus seinen Mustern ausbricht, anders handelt und sich dabei auch widerspricht.“11

Weitere Kräfte, welche die Entwicklungen bestimmen, sind die starken Veränderungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien. Hier zeichnen sich zwei wesentliche Charaktere ab. Früher waren die Technologien zuerst nur ein informationsverarbeitendes Objekt und wirkten anschließend sehr kommunikationsfördernd. Heutzutage sind sie identitäts- und andererseits gemeinschaftsproduzierend.

Schneller als jemals zuvor ist es uns möglich, durch die neuen Technologien mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren. Dies geschieht öfter und auch effizienter. Wir nehmen ständig andere Meinungen, Einstellungen und Überzeugungen von anderen Menschen wahr und nehmen sie bruchstückweise in unsere eigene Persönlichkeit mit auf. Wir konstruieren somit eine eigene innere Welt, es geschieht eine sogenannte „Bevölkerung des Ichs“.12

Andererseits leisten diese Technologien aber auch einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls. Man glaubt man habe zu jedem Menschen auf der Erde Kontakt. Die Lebenswelten differenzieren sich aus und vermehren sich unaufhörlich.

„Die Medientechnologien können also das Selbstinszenierungs- bzw. Selbstentgrenzungskonzept der Menschen und dadurch die Multioptionalität verstärken, weil sie vor allem einen identitäts-, aber auch gemeinschaftsproduzierenden Charakter haben.“13

Ich habe nun die Kräfte, welche die Entwicklung von den klassischen Ansätzen zum multioptionalem Konsumentenverhalten antreiben, erläutert. Eine Frage, die ich noch kurz klären möchte ist, wie die Märkte aufgrund dieser Entwicklung regieren.

Da schon seit einiger Zeit nicht mehr von einem Käufermarkt gesprochen werden kann, entwickelt sich der Markt aufgrund der Veränderungen im Verhalten des Käufers. Märkte können aufgrund der vielfältigen Bedürfnisse fragmentieren,fluktuieren oder es entstehen völlig neue Märkte, die den Ansprüchen neuer Bedürfnissen gerecht werden.

Produktdifferenzierung wird im Hinblick auf die Entwicklung zum multioptionalem Konsumentenverhalten immer schwieriger aufgrund der schnellen Veränderungen im Markt. Sie werden immer weniger verfolgbar und weniger deutlich erkennbar. In den folgenden Kapiteln versuche ich nun die folgenden Fragen, die diese Entwicklungen für das Marketing aufwerfen zu klären.

Wie kann man das multioptionale Konsumentenverhalten beschreiben und wieverhält es sich zu den klassischen Ansätzen?

Wie kann man das multioptionale Konsumentenverhalten erklären und welcheGestaltungsformen ergeben sich hieraus für das Marketing? 14

3. Die Beschreibung der klassischen Ansätze und des multioptionalen Konsumentenverhaltens

Aspekte der klassischen Ansätze des Konsumentenverhaltens nach Kroeber- Riel

Die Idee des behavioristischen S-R-Modell (Stimulus-Reiz) ist durch das Black- Box-Modell entstanden. Ein Reiz löst eine Reaktion aus, wobei man aber nicht weiß, was in der Black Box, also im Organismus vorgeht. Die Frage nach dem Käuferverhalten ist die Frage: Warum kauft ein Kunde ein bestimmtes Produkt und nicht ein anderes?

Die ersten Ansätze stützten sich nur auf das beobachtbare. Was konnte ich in Zahlen erfassen? So entstand das S-R-Modell. Man konnte genau feststellen, was eine bestimmte Firma oder Marke für einen finanziellen Aufwand betrieben hat und ob der Kunde anschließend dann das jeweilige Produkt gekauft oder nicht. Es wurde alles ausgeklammert, was in der Person stattfand. Gefühle, Stimmungen und Gedanken des Konsumenten wurden ignoriert. Man ging also davon aus, dass allein der Reiz für eine Reaktion des Menschen verantwortlich ist. Dies würde bedeuten, dass ein bestimmter Reiz, immer eine bestimmte Reaktion hervorrufen würde. Es wurde weiter eine direkte Proportionalität zwischen Werbeaufwand und Marktanteil behauptet. Man sah konsequent davon ab, wie ein Konsument ein Produkt, eine Dienstleitung oder eine Idee wahrnahm und wie sie z.B. den zugehörigen Preis oder Absatzweg beurteilte.

Doch aus Erfahrungen weiß jeder, dass gleiche Reize bei verschiedenen Menschen auch unterschiedliche Reaktionen und Verhaltensweisen hervorrufen können. Es kommt dabei nicht nur auf die Reizbedingungen an, sondern auch darauf, wie die Reizbedingungen vom Individuum verarbeitet werden. Diese Verarbeitungsprozesse sind im Gegensatz zu den Reizen und Reaktionen nicht beobachtbar.

Hierzu ein Beispiel: Frauen reagieren auf seelisch beeinflussende Stimuli mit stärkeren Verhaltensänderung als Männer.15 Dies widerlegt die These, dass jeder gleich auf einen bestimmten Reiz reagiert.

Das neobehavioristische S-O-R-Modell (Stimulus-Organismus-Reiz) versucht nun, ein bisschen Licht in die Black Box hineinzubringen. Es entstand die Vorstellung, dass alle psychischen Vorgänge, wie Wahrnehmungen oder Einstellungen, sowie das Verhalten das Ergebnis der kognitiven (gedanklichen) Verarbeitung von Informationen ist. Es ist also ein aktiver gedanklicher Vorgang. Verhalten kann somit nie die direkte Wirkung des aufgenommenen Reizes sein. Infolgedessen merkte die Konsumentenforscher, dass sich der Konsument ein zweite Wirklichkeit schaffte, und das man diese nicht einfach mit einer Befragung klar definieren konnte.

Was bedeutet S-O-R? Es sind theoretische Begriffe und Konstrukte, welche nicht beobachtbare Vorgänge im Individuum darstellen und insoweit zur Verhaltenserklärung herangezogen werden, als ihre Verknüpfung mit beobachtbaren Sachverhalten gesichert ist.

Die Stimuli-Variablen

Die Stimuli-Variablen können aufgrund des Weges der Informationen zu dem jeweiligen Produkt in zwei Gruppen aufgeteilt werden: es gibt symbolische und signifikante Stimuli. Stimuli gelten als signifikant, wenn sie an das Produkt selbst gebunden sind, z.B. eine direkt erfahrbare Leitung eines Autos. Sie werden als symbolisch bezeichnet, sobald Qualitäten eines Produktes durch Medien, z.B. durch Werbung, vermittelt werden.

Die Organismus-Variablen

Die Vorgänge, die im Organismus eines Menschen vorgehen, sind nicht beobachtbar. Kroeber-Riel unterscheidet hier zwischen aktivierenden und kognitiven Prozessen.

Aktivierende Prozesse sind menschliche Antriebskräfte. Diese Antriebe versorgen das Individuum mit psychischer Energie, treiben das Verhalten an und sind auch für das Verhalten verantwortlich. Die verschiedenen Komponenten der aktivierenden Prozesse sind Emotion, Motivation und die Einstellung. Emotionen sind innere Erregungsvorgänge (z.B. „ich fühle mich wohl“) . Die Motivation ist eine Emotion, die mit einer Zielorientierung für das Verhalten verbunden ist (z.B. „ich möchte dies tun“). Eine Einstellung hingegen ist eine Motivation, die mit einer kognitiven Gegenstandsbeurteilung verknüpft ist (z.B. „ich ziehe diesen Gegenstand einem anderen vor“). Hierzu ein Beispiel: Eine Person A fühlt sich wohl, wenn sie ein schnelles Auto fährt oder auch schon ein schnelles Auto sieht. Dadurch wird die Person bestrebt sein, mit schnellen Verkehrsmitteln zu reisen. Durch dieses Bestreben wird die Person A alles, was mit schnellen Autos zu tun hat, positiv einschätzen und beurteilen.16

Dadurch komme ich zu folgenden Schlüssen: Erstens beziehen sich die drei Begriffe der Emotion, Motivation und der Einstellung auf Vorgänge, die durch eine Aktivierungskomponente gekennzeichnet sind. Außerdem bauen die Begriffe aufeinander auf. Es ist eine zunehmende kognitive Anreicherung vorhanden, die Übergänge lassen sich jedoch nicht klar voneinander abgrenzen. „Emotionen sind nach innen - auf das eigene Erleben hin - gerichtet, Motivationen auf ein Handeln, Einstellungen auf Objekte.“17

Aktivierung bedeutet generell eine Erregung oder innere Spannung. Wie bereits erwähnt wird durch Aktivierung der Organismus mit Energie versorgt und in einen Zustand der Leistungsbereitschaft versetzt. Die Stärke der Aktivierung ist ein Maß dafür, wie wach, reaktionsbereit und leistungsfähig der Organismus ist. Die Aktivierung steuert außerdem die laufende Anpassung des Individuums an die Reizsituation und seine Fähigkeit Reize aufzunehmen und zu verarbeiten. Hierzu ist der Begriff der Aufmerksamkeit wichtig. Aufmerksamkeit ist die Bereitschaft, einen Reiz überhaupt aufzunehmen. Diese Bereitschaft schwankt ständig. Meist geht es bei der Darstellung von Aufmerksamkeit darum, den Grad der Reaktionsbereitschaft festzulegen. Außerdem werden mit Aufmerksamkeit Prozesse beschrieben, die bestimmen, welche Elemente des Reizfeldes das Verhalten steuert. Dies ist für das Gehirn vor allem bei sogenannten Reizüberflutungen nötig. Die Aufmerksamkeit sorgt z.B. bei zu vielen Werbeanzeigen dafür, dass nur relevante Reize beachtet werden. Es gäbe sonst eine Überlastung des Gehirns.

Alle Reize, denen es gelingt, den Organismus reaktionsbereit zu machen, haben auch folglich auch Zugang zum menschlichen Informationsverarbeitungssystem, während andere ausgeschlossen bleiben, weil der Organismus für ihre Verarbeitung nicht aktiviert ist. Folglich muss eine Werbeanzeige die Aufmerksamkeit beim Individuum wecken, um Erfolg zu haben.

Was ruft eine Aktivierung hervor? Das können emotionale Reizwirkungen wie z.B. das Kindchenschema sein oder auch kognitive Reizwirkungen. Ein Beispiel hierfür wäre ein gedanklicher Konflikt oder ein Widerspruch, den eine Anzeige in sich birgt. Dies kann natürlich auch nachteilig wirken, weil die Anzeige unglaubwürdig sein könnte. Hinzu kommen noch die physischen Reizwirkungen.

Je größer und bunter eine Anzeige, umso mehr Aufmerksamkeit wird sie bekommen. Auch hier gilt natürlich die Regel, dass bei Übertreibungen eine gegensätzliche Wirkung eintreten wird, da das Gehirn überlastet wird.

Wie bereits erwähnt, sind Emotionen innere Erregungsvorgänge, die angenehm oder unangenehm empfunden werden. Diese emotional gesteuerte Verhaltensweise läuft spontan, ohne kognitive Steuerung ab. Emotionen werden vom Organismus subjektiv erlebt. Grundlegende oder primäre Emotionen sind in den Erbanlagen des Menschen verankert. Das Lernen von vorprogrammierten Emotionen baut auf diese biologische vorprogrammierten Emotionen auf. Grundlegende Emotionen wie Neugier und Furcht sind im Laufe der Evolution als Anpassungsverhalten von Menschen an die Umwelt entstanden. Es gibt zwölf primäre Emotionen: Interesse, Neugier, Freude, Überraschung, Kummer, Schmerz, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Scham, Schuldgefühle, Furcht.18 Die Auslösung von Emotionen hat mit fest vererbten und gelernten Verbindungen zu tun. Äußere wie innere Reize, Handlungen und auch Emotionen selbst können weitere Emotionen auslösen.

Vor allem auf dem gesättigten Markt spielt es eine große Rolle, emotionale Erlebniswelten zu konstruieren. Dies kann mit Bildern, Musik oder auch mit Duftstoffen geschehen. Das Marketing muss es schaffen, ein Produkt durch eine Erlebniswelt von den anderen abzusetzen.

Mit Motivation will man die Antriebe des Verhaltens klären. Mit diesem Konstrukt möchte der Konsumentenforscher die Frage nach dem „warum“ des Handelns eines Konsumenten beantworten. Emotionen sind grundlegende Antriebskräfte. Sie werden meist von außenstehenden Reizen ausgelöst. Triebe hingegen finden ihren Ursprung durch eine innere Stimulierung. Wenn man z.B. einen Totenkopf sieht, bekommt man Angst (Emotion) und den Drang wegzulaufen (Trieb). Allerdings sind für eine endgültige Handlung (weglaufen) noch weitere kognitive Verarbeitungsprozesse nötig. Im Begriff der Motivation werden also die Antriebskräfte von Emotionen und Trieben und die kognitive Wirkung der Verhaltenssteuerung zusammengefasst. Trieb sind z.B. Hunger, Durst, Sexualität oder auch Schlaf. Hieraus entstehen die menschlichen Bedürfnisse wie Sicherheit, Zuneigung und Liebe, Geltung und Status. Die kognitive Komponente hierbei ist ein willentlicher Prozess der Zielsetzung. Man hat einen erwarteten Wert des Ziels, die Befriedigung und jeder Konsument sieht auch den Ziel-Mittel-Zusammenhang. Er rechnet sich die Wahrscheinlichkeit der Befriedigung eines Triebes durch eine bestimmte Handlung aus.

Einstellungen gehören zu den aktivierenden Vorgängen, da sie im wesentlichen von der emotionalen Haltung gegenüber einem Gegenstand geprägt sind. Sie umfassen aber auch wesentliche kognitive Komponente. In der Marktforschung spielt die Einstellung vor allem als Imagebegriff eine Rolle. Nach meiner vorhergehenden Definition (Einstellung = Motivation + kognitive Gegenstandsbeurteilung) kann man Einstellungen als subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation umschreiben. Diese Gegenstandsbeurteilung geht auf bereits gespeicherte Ansichten zurück. Für die Einstellung ist die Konsistenz von Denken, Fühlen und Handeln gegenüber einem Objekt kennzeichnend. Ist eine Einstellung positiv, steigert dies die Kaufwahrscheinlichkeit.

Die Verarbeitung von Reizen als kognitiver Prozess sieht folgendermaßen aus: Wir nehmen Gegenstände, Vorgange und Beziehungen wahr. Dies geschieht durch sehen, hören, tasten schmecken, riechen, fühlen und wir verarbeiten durch akzentuieren, bewerten, interpretieren, verallgemeinern und versuchen, Dinge in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

Eine aktuelle Information wird aufgenommen und gespeichert. Nun setzen verschieden Programme zur Informationsverarbeitung ein. Es erfolgt anschließend eine Produktbeurteilung. Anschließend setzten Programme zur Kauf- bzw. Nichtkaufentscheidung ein. Der Konsument entscheidet und wird das Ergebnis seiner Entscheidung, ob sie nun negativ ist oder Positiv, in Form eines Lernprozesses in seinem Gedächtnis behalten.

Die Reaktions-Variablen

Wie schon bereits gesagt, steigert eine positive Einstellung die Kaufwahrscheinlichkeit. Die Reaktions-Varianten und die Organimus-Variablen überlappen sich, da ja auch Emotionen und Motivationen und alle aktivierenden und kognitive Prozesse im Körper eine Reaktion auf einen Reiz bedeuten. Beziehe ich mich jetzt allerdings nur auf das physische Handeln, gehört zu den situativen Bedingungen des Kaufverhaltens die Kaufsituation, der Preis und das lokale Angebot dazu. Weiter ist die Art der Einstellung, die Eigenschaften der Person und die Art des Produktes wichtig.

Kritikansatz

Im Allgemeinen wird versucht, mit den klassischen Forschungsansätzen, eine genaue Erklärung für die Verbindung zwischen Reiz und Reaktion zu finden. Die Ansätze des multioptionalem Konsumentenverhalten versuchen nun ein geprägtes Weltbild zu überwinden. Die Marketinglehre unterstellte die Annahme, dass die Handlungen eines Konsumenten analysierbar, planbar, optimierbar, steuerbar und kontrollierbar sei.19 Multioptionalität wird hierbei nur als Randphänomen gedeutet. Es wird in den klassischen Ansätzen nicht beschrieben und die Erklärungen sind auch weitestgehend nicht darauf übertragbar. Die Folge ist: „Multioptionales Konsumentenverhalten zeichnet sich dadurch aus, dass es jegliche angenommene Zusammenhänge im Sinne des S-O-R-Modells aufhebt.“20

Beschreibung des multioptionalen Konsumentenverhaltens

Der übergeordnete Erkenntnisrahmen für die Erklärung des multioptionalen Konsumentenverhaltens ist die Selbstorganisationsforschung. Dies ist ein Forschungsprogramm, das sich mit dem Verhalten komplexer, dynamischer Systeme auseinandersetzt. Es gibt verschiedene Disziplinen, die sich mit der Selbstorganisation beschäftigen, wie z.B. die Physik, Biologie, Chemie, Soziologie bis hin zur Psychologie. Sie alle wenden sich ab von den klassischen Vorstellungen, Irregularitäten seien Randerscheinungen. Sie rücken das Phänomen des irregulären Verhaltens in ihren Mittelpunkt und kommen dadurch alle zu dem selben Ergebnis: Komplexe Systeme sind selbsterzeugend.

Die Selbstorganisation

„Selbstorganisation ist ein Sammelbegriff für das Phänomen, dass Systeme in Selbstorganisation von einem komplexen Zustand in den anderen übergehen. Sie organisieren bzw. sie erzeugen die entstehenden Strukturen selbst.“21 Alle o.g. Disziplinen haben in ihren Erklärung eine Gemeinsamkeit: Die selbstorganisierten Prozesse laufen rekursiv in einem zirkulierenden Prozess ab. Dies bedeutet, dass jeder Zustand eines Systems von den vorhergehenden abhängig ist. Der Output wird der neue Input. Systeme erzeugen sich selbst aus einem rekursiven Prozess heraus. Die Konsequenz ist, dass selbstorganisierende Systeme nicht vorhersagbar und nicht steuerbar sind. Dies ist der Punkt, der mit den klassischen Ansätzen nicht harmoniert, da diese ja eine Planbarkeit und Steuerbarkeit voraussetzten. Also ist in dieser Situation ein Verlangen nach einem neuen Denkrahmen entstanden, dem der Selbstorganisation.

„Selbstorganisation bezieht sich zunächst auf Systeme allgemein und umfasst somit Konzepte für lebende und nicht-lebende Systeme.“22 Physikalische oder auch chemische Systeme erzeugen sich selbst, indem Materiestrukturen sich in einem rekursiven Prozess erschaffen. Biologische und kognitive Systeme beziehen sich auf die lebenden Systeme. Die Selbstorganisationsforschung beinhaltet vor allem zwei Merkmale: Selbsterhaltung und Selbstreproduktion. Speziell bei kognitiven Systemen kann von einer Selbsterzeugung des Verhalten gesprochen werden. Dieser Selbsterzeugungsprozess verläuft ebenfalls rekursiv, wird aber bei lebenden, insbesondere kognitiven Systemen als selbstreferentiell (selbstbezüglich) bezeichnet. Für soziale Systeme gibt es unterschiedliche Verständnisse von Selbstorganisation, die allerdings alle auf der Theorie der Autopoiese aufbauen. Der Konstruktivismus rückt hierbei die biologische Erkenntnis der Autopoiese in den Vordergrund.

„Selbsterzeugung (Autopoiese) führt dazu, dass lebende Systeme ihre subjektive Welt bzw. Wirklichkeit konstruieren. (Konstruktivismus).“23

Die Autopoiesetheorie nach Maturana/Varela

Die Frage die sich Maturana und Varela stellten, war die Frage nach der Funktionsweise der Lebewesen. Die wichtigste Eigenschaft eines Menschen ist seine Autonomie. Diese greifen sie heraus und versuchen sie zu erklären. Anschließend wollen sie die Organisation eines lebenden Systems verstehen, die diese eine Autonomie garantiert. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass sich alle Lebewesen in einer Sache gleichen: sie alle erzeugen sich selbst. Diese Erkenntnis steht im starken Gegensatz zu den klassischen Auffassungen, die eine fremdorganisierte Bestimmung durch die Umwelt behaupten. Angesichts der Autopoiesetheorie, reicht die klassische Auffassung nur noch zur Erklärung der Entstehung einer Spezies, nicht aber der eines Individuums. Mit diesem Erklärungsansatz beweisen Maturana/Varela eine individuelle Vielfalt.

Ich beschreibe nun die wesentlichen Begriffe, die mit ihrer Autopoiesetheorie in Zusammenhang stehen. Sie umfasst die charakteristischen Kernbegriffe Selbsterzeugung, Selbstreferentialität und Selbsterhaltung für kognitive Systeme und Selbstreferentialität und konservative Dynamik für soziale Systeme. „Die Funktionsweise eines kognitiven Systems ist durch die Selbsterzeugung (Autopoiese) charakterisiert.“24 Sie bezieht sich auf die drei Ebenen eines Systems: Organisation, Struktur und Zustand. Die Organisation definiert ein lebendes System als Identität, die Struktur beschreibt die Art und Weise, in der die Organisation realisiert wird und sie findet ihren Ausdruck im Zustand eines Systems.

Die Selbstreferentialität des Selbsterzeugungsprozesses kognitiver Systeme charakterisiert deren interne Systemorganisation. Selbstreferentialität bedeutet, dass ein System seine eigenen Fehler (Störungen) erkennt, und diese in einem „zweiten Anlauf“ selbstbezüglich verbessert. Dieser Vorgang erfolgt rekursiv. Einerseits kann ein System in sich geschlossen sein (operationale Geschlossenheit), andererseits aber auch seine Systemgrenzen überschreiten. Dies kann natürlich auch einen systemfremden Input zur Folge haben, aber ein System wird diesen nach eigenen Regeln verarbeiten.

Beispiel: Person A macht eine gewisse Erfahrung mit einem Produkt B. A konstruiert sich eine eigene Welt um dieses Produkt und bringt es ganz individuell mit verschiedenen Attributen in Verbindung. Dies kann in zweierlei Art und Weise geschehen. Einerseits lernt A durch eine eigene, eine selbst erlebte Erfahrung (Fehlkauf), oder durch einen außenstehenden, jenseits der Systemgrenzen befindlichen Input (Werbung). Wie A jetzt B in sein eigenes System einbaut, darauf hat lediglich A Einfluss. Der Zusammenhang zwischen System und der Umwelt, kann ausschließlich als eine strukturelle Kopplung umschrieben werden.

Eine Möglichkeit der Systementwicklung sehen Maturana/Varela in der Selbsterhaltung, da dies der einzige Zweck eines kognitiven Systems sein kann. Ein struktureller Wandel ist nicht nur möglich, sondern hängt zwangsläufig mit der selbstreferentiellen Operationsweise zusammen.

Kognitive Systeme

Die Organisationsform eines Systems beschreibt die Relationen zwischen den verschiedenen Systemen. Sie ordnet einem System eine gewisse Klasse zu. Zum Beispiel definiert die Organisationsform eines Menschen den Mensch als Systemeinheit der Menschheit. Das kognitive System Mensch erzeugt nicht nur seine Komponenten und Beziehungen auf materieller Ebene selbst, sondern außerdem ein Selbstbewusstsein bzw. Ich-Bewusstsein auf immaterieller Ebene.

Unter der zweite Ebene des Systems, der Struktur, wird bei einem kognitiven System die Bestandteile und Relationen verstanden, die in konkreter Weise eine bestimmte Einheit konstruieren und ihre Organisation verwirklichen. Da sich Menschen materiell (physisch) wie auch immateriell (charakterlich) sehr voneinander unterscheiden, lässt dies auf eine Vielzahl von verschiedenen Strukturen schließen.25

Die charakterliche Struktur eines Menschen drückt sich in seinem Verhaltenszuständen aus und die physische Struktur in seiner körperlichen Konstitution. Jeder Zustand ist von dem vorhergehenden Zustand bzw. insofern auch von der Struktur bestimmt (rekursives Verhalten).

Die Organisation eines kognitiven Systems beruht einerseits auf der bereits erwähnten operationalen Geschlossenheit, die eine Verarbeitung von Reizen gewährleistet und andererseits aber auch auf einer realen Umwelt, um diese Reize auch aufzunehmen. Das System benötigt den Austausch mit der Umwelt zur Produktion seiner eigenen Bestandteile, und somit zur Selbsterzeugung. Die Verbindungen von einem autopoietischen System zu anderen Systemen und zum eigenen Milieu nennt man strukturelle Kopplung, da sie in ihrer Art und Weise von den Strukturen jedes Systems geprägt wird. Diese Kopplung geht soweit, dass bei Störungen in einem System, es zu Zustandsveränderungen in einem anderen System kommen kann. Bei einem Menschen wäre eine Kopplung zum Beispiel sprachlich möglich. Die Funktion der Sprache besteht darin, dass sich der Zuhörer im Rahmen seines kognitiven Bereiches orientieren kann. Laut Maturana/Varela gibt es keine Informationsübertragung durch die Sprache. Information entsteht lediglich aus Sicht eines Beobachters.26 Die Sprache ermöglicht es dem Menschen allerdings sich mit anderen zu interagieren. Er kann auch Selbstbeobachtungen machen und sich auf sich selbst hin orientieren (Selbstreflexion).27

Kognitive Systeme sind im Hinblick auf ihre Entwicklung immer bestrebt, ihre Identität beizubehalten. Dies schaffen sie, indem es ihnen möglich ist, Störungen von außen zu selektieren und abzuwehren.

Soziale Systeme

„Während biologische Systeme autopoietische Systeme sind, können soziale Systeme nicht als autopoietisch angesehen werden.“28 Soziale Systeme werden in diesem Ansatz als aktive Systeme gesehen.

Wenn Systeme durch Interaktion in Verbindung treten und Interaktionen ausbilden, dann entseht ein soziales System. In diesem System kann sich jedes Lebewesen verwirklichen. Das Ziel eines sozialen Systems muss eine gewisse Erhaltung des Systems sein. Jedes Mitglied ist wichtig und zugehörig in dem System und jedes Mitglied muss sich auch an die Rollenerwartungen halten. In einem menschlichen System ist die Sprache eines der wichtigsten Interaktionsmittel. Alle Menschen bilden durch ihr Zusammenwirken ihrer Eigenschaft gemeinsam das soziale System.

Ein soziales System entwickelt sich, wenn die Mitglieder Verhaltensweisen alter und neuer Mitglieder selektieren. Wie bereits genannt, selektieren kognitive Systeme vor allem Störungen von außen, bevor sie an das System gelangen. Allerdings könnte auch Veränderungen eintreten, aufgrund von persönlichen Erfahrungen. Durch eine sprachliche Reflexion können diese Erfahrungen zur Selbsterfahrung eines sozialen Systems werden.

Die sprachliche Erfahrung ermöglicht es uns auch, durch Fremd- oder Selbstbeobachtung unser eigenes Verhalten und unseren Interaktionsbereich zu überprüfen und zu kontrollieren.

4. Folgerungen für das Marketing

Erweiterung der klassischen Ansätze

Die bereits in der Konsumentenforschung existierende Beschreibung eines Konsumenten können nun um einen neuen Kaufentscheidungstypus erweitert werden. Dieser neue Typus verkörpert das multioptionale Konsumenten- verhalten. Dieser Typus kann, so wie es in den klassischen Ansätzen der Fall ist,nicht mehr als Randerscheinung gesehen werden sondern als eigenständiges Phänomen. Multioptionales Konsumentenverhalten spiegelt sich vor allem in fragmentierenden und fluktuierenden Märkten wider. Diese Potentiale haben folgende Eigenschaften: sie sind kleiner, weniger abgrenzbar, weniger deutlich erkennbar und weniger nachhaltig. Dadurch wird Multioptionalität zu einer wichtigen Erscheinung in der Praxis.

Der multioptionale Konsument erweitert seinen Kaufentscheidungsprozess. Dies wird zu einem gewissen Inszenierungsprozess: er sucht sich sein Konsum-Umfeld nach Unterschieden ab, die es ihm dann ermöglichen, sich von anderen Konsumenten abzugrenzen. Er konstruiert sich ein Konsum-Ich und befindet sich ausschließlich in einem ständigen Abgrenzungsprozess.29

Aufgrund der Erkenntnisse des multioptionalen Forschungsansatzes, muss der klassische Forschungsansatz erweitert werden: die selbstorganisatorische Perspektive versucht den Konsumenten als selbsterzeugendes Wesen zu verstehen, indem sie ihn in seiner Funktionsweise untersucht. Dies kann nicht rein analytisch funktionieren, sondern die Selbsterfahrung und damit die Lebenspraxis muss als Perspektive für die Forschung dienen.

Der Konsument wird nicht mehr nur als Reiz-Reaktions-Maschine gesehen. Wie oben genannt betrachtet ein autopoietischer Forschungsansatz den Konsumenten als ein selbsterzeugendes System. Dieses System verarbeitet Störungen selbstreferentiell im Organismus und erfährt dadurch auf den verschiedenen Ebenen der Struktur, des Zustandes und des Verhaltens ein eigenes Bewusstsein. Das System lebt also von Störungen, die es zur Selbsterhaltung benötigt. Diese Störungen sind komplexe, subjektiv empfundene Kontexte, keine beobachtbaren Reaktionen. Daher scheint es im autopoietischen Forschungsansatz brauchbar einen Prozessansatz einzufügen, der die im Organismus selbsreferentiell ablaufenden Prozesse, berücksichtig und unter diesem Aspekt die Entstehung von Konsumentenverhalten betrachtet. Auch die Instrumente bedürfen einer Erweiterung. Die Zielsetzung der klassischen Produktpolitik ist die Gestaltung von Produkten zur Bedürfnisbefriedigung. Die Zielsetzung des erweiterten Ansatzes könnte demgegenüber die Gestaltung von Bedeutung zur Identifikationskonstruktion bzw. Ich-Inszenierung sein, die sich an den multioptionalen Konsumenten bzw. an die Multi-Konsum-Gemeinschaft richten und eher vielfältig und vorübergehend konzipiert sind.30

Nach klassischer Auffassung steht die Gestaltung der Produktebene im Vordergrund. Im wesentlichen geht es hierbei um die Nutzen-Kategorie. Für viele Konsum-Gemeinschaften macht diese Kategorie durchaus noch Sinn, doch hat sich durch die o.g. Entwicklungen das Bild des Konsumenten vervielfacht.

Was heißt das für die Planung und die Kontrolle im Marketing?

Die Zielsetzung der Planung aus klassischer Sicht ist die richtige Einschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung. Die Zielsetzung eines Planungsverständnisses auf Basis der Autopoiese ist, eine brauchbare Konstruktion der Unternehmensrealität herzustellen. Das Ziel muss die Zerstörung von Strukturen und die Schaffung von Störungen haben. Nur so kann es zu einer Veränderung eines kognitiven oder sozialen Systems kommen. Es sollten Teams mit charakterlich unterschiedlichen Mitgliedern gebildet werden, damit Störungen auftreten können. Das Ziel muss sein, eine Realität zu konstruieren. Autopoietische Systeme agieren immer in der Gegenwart. Mit jeder Interaktion in der Gegenwart legt man einen Grundstein für eine mögliche Interaktion in der Zukunft.

Die Zielsetzung der klassischen Kontrolle ist die Umsetzung der Ziele der Planungen. Hierbei wird immer erwartet, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit die Aktivitäten und vor allem die Ereignisse in der Zukunft verbessern. Die Zielsetzung aus autopoietischer Sicht, wäre also mehr gegenwartsbezogen. Dies bedeutet nicht mehr Beherrschung der Situation über Regelungen, sondern eher eine Abwandlung der Transformationsprozesse. Ausgangspunkt dafür ist eine qualitative Beschreibung eines bereits erschaffenen Realitätskonstruktes. Diese Beschreibungen können allerdings lediglich als Orientierungsentwurf dienen.

5. Literaturverzeichnis

- Gerken, Gerd: Trendzeit: die Zukunft überrascht sich selbst. Düsseldorf: Econ-Verlag 1993
- Gergen, Kenneth J.: Die Überbevölkerung des Ichs, in: Gerken, Gerd; Rudolf Kapellner: Wie der Geist überlegen wird. Paderborn: 1992
- Häberlein & Maurer: Newser zum Thema Generation X
- Kroeber-Riel, Werner; Peter Weinberg: Konsumentenverhalten. 6., völlig überarbeitete Auflage, München: Verlag Franz Vahlen 1996
- Lintas: Jugendstudie YOYO, Dokumentation zum Forum vom 13.09.1993
- Maturana, Humberto R.: Biologie der Kognition. Paderborn: EfoLL 1975
- Maturana, Humberto R.: Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Braunschweig/Wiesbaden: 1982
- Maturana, Humberto R.; Francisco J. Varela: Der Baum der Erkenntnis. München 1987
- Schmalen, Helmut: Das hybride Käuferverhalten und seine Konsequenzen für den Handel. Theoretische und empirische Betrachtungen. In: ZfB, 64. Jg. (1994),
- Schüppenhauer, Annette: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing. Erklärungen und Empfehlungen auf Basis der Autopoiesetheorie. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1998
- Von Rosenstiel, Lutz; Peter Neumann: Einführung in die Markt- und Werbepsychologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1991
- Wiswede: Der „neue Konsument“ im Lichte des Wertwandels. In: Rüdiger Szallies; Wiswede, Günter: Wertewandel und Konsum: Fakten, Perspektiven und Szenarien für Markt und Marketing. 2. Aufl., Landsberg/Lech 1990

[...]


1 Schüppenhauer, Annette: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, Erklärungen und Empfehlungen auf Basis der Autopoiesetheorie. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1998, S. IX-

2 vgl: ebenda S.6

3 ebenda, S.6

4 Schmalen, Helmut: Das hybride Käuferverhalten und seine Konsequenzen für den Handel. Theoretische und empirische Betrachtungen, in: ZfB, 64. Jg. (1994), H. 10, S. 1222

5 Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S. 8

6 Lintas: Jugendstudie YOYO, Dokumentation zum Forum vom 13.09.1993, ohne Seitenangabe

7 Häberlein & Maurer: Newser zum Thema Generation X, ohne Seiten und Jahresangabe

8 Wiswede: Der „neue Konsument“ im Lichte des Wertwandels. In: Rüdiger Szallies; Wiswede, Günter: Wertewandel und Konsum: Fakten, Perspektiven und Szenarien für Markt und Marketing, 2. Aufl., Landsberg/Lech 1990, S. 32

9 vgl.: Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S. 14

10 ebenda, S. 15

11 Gerken, Gerd: Trendzeit: die Zukunft überrascht sich selbst. Düsseldorf: Econ-Verlag 1993, S. 141

12 Gergen, Kenneth J.: Die Überbevölkerung des Ichs, in: Gerd Gerken; Kapellner, Rudolf: Wie der Geist überlegen wird. Paderborn: 1992, S. 68

13 Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S. 23

14 vlg.: Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S.25

15 Von Rosenstiel, Lutz; Peter Neumann: Einführung in die Markt- und Werbepsychologie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1991, S.42

16 vgl.: Kroeber-Riel, Werner; Peter Weinberg: Konsumentenverhalten. 6., völlig überarbeitete Auflage, München: Verlag Franz Vahlen 1996, S. 54

17 ebenda: S. 55

18 vgl.: Kroeber-Riel: Konsumentenverhalten, S.103

19 vgl.: Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S.68

20 ebenda: S.69

21 ebenda: S.75

22 ebenda: S.104

23 ebenda: S. 105

24 ebenda: S.121

25 vgl.: ebenda, S.123

26 vgl.: Maturana: Biologie der Kognition. Paderborn: EfoLL 1975, S. 59

27 vgl.: Schüppenhauer: Multioptionales Konsumentenverhalten und Marketing, S. 128

28 ebenda: S.130

29 vgl.: ebenda, S.187f.

30 ebenda, S. 215

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Modelle des Konsumentenverhaltens
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Konstruktivismus und Marketing
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
23
Katalognummer
V102792
ISBN (eBook)
9783640011728
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modelle, Konsumentenverhaltens, Konstruktivismus, Marketing
Arbeit zitieren
Birthe-Marie Tonnesen (Autor:in), 2000, Modelle des Konsumentenverhaltens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102792

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