Märchenhafte Grundmotive am Beispiel von Pippi Langstrumpf, der Räuber Hotzenplotz und Harry Potter (Stein der Weisen)


Facharbeit (Schule), 2001

8 Seiten, Note: 1- (13)


Leseprobe


1. Einleitung

Ich habe mich für diese Facharbeit, in der ich mich mit den märchenhaften Grundmotiven beschäftige, dargestellt an Astrid Lindgrens Pippi in Taka-Tuka-Land, Otfried Preußlers Der Räuber Hotzenplotz und Joanne K. Rowlings Harry Potter und der Stein der Weisen, entschieden. Schwerpunktmäßig bearbeite ich märchenhafte Elemente in Kinderbüchern. Hierzu habe ich eine Definition zu dem Begriff ,,Märchen," sowie ,,Motiv" gegeben.

Die Motivation, die mich zu diesem Thema führte, war die Tatsache, dass ich schon als Kind diese Bücher gelesen und im Fernsehen bzw. im Hörfunk verfolgt habe, jedoch nicht tiefer durchschauen konnte. Durch diese Arbeit werden Prinzipien und Elemente, die auf den ersten Blick auch für so manchen Erwachsenen unerkennbar sind, deutlicher.

Im Grunde war diese Darstellung aber auch zeit - und arbeitsaufwendig, da zu diesen Werken so gut wie keine Interpretationshilfen und Informationen jeglicher Art, sei es im Internet noch in der Bibliothek, aufzufinden waren. Die Literaturwissenschaft befasst sich kaum mit diesen Bucher. Daher hatte ich wenig Möglichkeit auf fremde Hilfe zurückzugreifen.

Aber ich möchte auch hervorheben, dass es möglicherweise gerade diese Herausforderung war, die mich begeistert hat. Ich konnte mich mit den Hintergründen von diesen drei Kinderbüchern anvertrauen, sie durchleuchten und analysieren, ohne mich von , Profis' beeinflussen zu lassen.

Besonders bei der Auflistung der Elemente konnte ich einige Aspekte nur kurz streifen, da es den maximalen Umfang der Facharbeit bei Weitemüberschritten hätte.

Außerdem empfand ich es schwierig, mich bei den drei verschiedenen Elementen, sowie auch bei den drei unterschiedlichen Kinderbüchern nicht zu wiederholen und somit eine Überschneidung zu vermeiden; ich bemühte mich, einen Mittelweg zu finden, um einerseits den Leser nicht zu langweilen und meine Arbeit eintönig erscheinen zu lassen, aber jedoch andererseits die Parallelen bei meiner Analyse verständlich zu machen.

2. Erklärung des Begriffes: ,,Märchen"

Es gibt viele Definitionen, die es verstehen, das Märchen [mittelhochdeutsch mære, ,,Kunde, Erzählung"] zu umschreiben; doch allumfassend kann man es als eine ,,kurze Prosaerzählung, die von phantastischen Zuständen und Vorgängen berichtet" (BERTELSMANN LEXIKON 2000) einordnen. Folgende Merkmale sind Beispiele für die Abgrenzung zwischen dem Märchen und seinen verwandten Formen, wie Sagen, Legenden, Fabeln und Schwänke:

- Die Naturgesetze sind aufgehoben, das Wunder tritt an ihre Stelle.
- Die auftretenden Personen besitzen - selbst wenn sie Namen aufweisen - nur selten Individualität, sondern repräsentieren Typen.
- Die Figuren in Märchen vertreten beispielhaft richtiges und falsches Verhalten auf Grund einer einfachen Weltordnung: der Böse wird bestraft, der Gute belohnt.
- Am Schluss soll der Leser und Zuhörer das Gefühl haben, dass die Welt von einer ausgleichenden Gerechtigkeit durchdrungen ist.
- Die bekanntesten Volksmärchen, die mündlichüberliefert wurden, sind von den Gebrüder Grimm (1812/14) gesammelt worden.

3. Erklärung des Begriffes: ,,Motiv"

Ein Motiv [lateinisch] ist ,,im Gegensatz zum Stoff das von jeder individuellen Bestimmtheit abstrahierte Grundschema eines Vorgangs oder einer Situation; ein typischer Zustand, der sich unter verschiedenen Umständen wiederholen kann." (BERTELSMANN LEXIKON 2000) Folglich soll der Beweggrund des Werkes beleuchtet werden. Es soll die einen Erklärungsansatz für dessen Mitteilungen gegeben werden. Das Leitmotiv tritt immer wieder innerhalb einer Handlung und deren wichtigen Positionen auf.

4. Märchenhafte Elemente dargestellt an Astrid Lindgrens Pippi in Taka-Tuka-Land

4.1. Eindimensionalität:

Pippi Langstrumpf ist eine Heldin, die in ihren jungen Jahren unglaubliche physische und psychische Stärke aufweist; sie erkennt ihre Gaben unerschüttert an und nutzt sie nur, um sich und ihre dieseits-Freunde Thomas und Annika zu schützen oder zu helfen. Pippis wunderbare Gabe bringt die drei auf die Insel Taka-Tuka, auf der Suche nach Abenteuern. Ihr Vater, Kapitän und König Efraim I. Langstrumpf, ohne Wunderkräfte, und die weiteren menschlichen Nebenfiguren gehören dem Jetzt an. Eindimensionalität ist somit gegeben, dass die Figuren im Märchen, sowie in Pippi Langstrumpf nebeneinander stehen; das Diesseitige ,,hat nicht das Gefühl im jenseitigen einer anderen Dimension zu begegnen." (LÜTHI 1981, S.12)

4.2. Flächenhaftigkeit:

In einem Märchen gibt es nach Lüthi keine ,,räumliche, zeitliche, geistige und seelische Tiefengliederung," (S.23) welches auch in diesem Kinderbuch widergespiegelt wird. Die Figuren eines Märchens kennen keine starken Emotionen und somit geht ihre Tiefe verloren. Bei Pippi ist diese mangelnde Tiefe beispielsweise durch ihre immense Kraft ausgedrückt, die weder Tränen, noch Leidenschaft zulassen. Besonders in Bezug auf ihren Vater, der auf der Taka-Tuka-Insel einen ganzen Stamm regiert und seine Tochter ohne Bezugsperson in ihrer Villa aufwachsen lässt, begreift man Pippis innere Stärke. Nach außen hin beweist sie diese Selbstverständlichkeit durch Mutproben, z.B. setzt sich in eine Tonne und saust mit hoher Geschwindigkeit einen Wasserfall hinunter und verschwindet im Wasser.

Ein Prinzip, das oft in Märchen entdeckt werden kann, ist das Wanderprinzip. Es geht hierbei um die Befriedigung der Abenteuerlust um das ,,Wesentliche" (LÜTHI, 1981, S. 18) zu finden. Sie lebt und zieht umher ohne elterliche Autorität, ohne verwandtschaftliches Gefüge, ohne eine gewisse Tiefe und Liebe aufzubauen. Ihre Beziehung zum Vater ist nur so lange von Relevanz wie sie als Impetus für die Handlung (auf der Taka-Tuka-Insel) dasteht.

Eine weitere fehlende Dimension ist die Zeit, die sowohl im Märchen als auch in Lindgrens Werk fehlt. Nach Lüthi besitzen die Helden ,,ewige Jugend," (S.21) denn auch Pippi, auf Grund ihrer unerschöpflichen Fantasie, versteht es z.B. aus gewöhnlichen Erbsen Wunder-,,Krummeluspillen" (LINDGREN, 1986, S.174) zu kreieren, die ein weiteres Wachstum verhindern sollen. Dieses Wunderding, was kennzeichnend für Märchen ist, wird nur einmal benutzt und danach nie wieder gebraucht. Der Wunsch der Kinder wird hiermit erfüllt. Mögliche Indikatoren von Schicksalsschlägen und Leidenswegen werden zu verhindern versucht; eine Alterung wäre undenklich.

4.3. Abstrakter Stil:

Diese Art von Stilisierung stellt das Märchen, oder Lindgrens Werk, als eine heilige Geschichte dar. Die Schilderung vorweg entfällt; die Schriftstellerin ist darauf bedacht, Pippi abenteuerlustig und zielstrebig umherwandern zu lassen, ohne genaue Einzelheiten z.B.über die Beschaffenheit der Taka-Tuka-Insel preiszugeben.

Mineralien und Metalle werden, wie im Märchen, gebraucht, um der Geschichte eine feste Form zu gewähren. Die Kinder finden Perlen, der König trägt eine Krone, Pippi bekommt ihren eigenen Thron und besitzt Goldstücke als Zahlungsmittel.

Des Weiteren hebt sich z.B. Pippi ganz klar in Bezug auf ihräußeres Erscheinungsbild von denübrigen Figuren ab; sie ist ,,ein Mädchen mit vielen Sommersprossen im Gesicht und zwei roten Zöpfen, die vom Kopf abstanden." (LINDGREN, 1986, S.12) Eine ausdrucksvolle Farbe wie Rot bewirkt, dass der Leser ganz besonders aufmerksam auf die Heldin wird. Es gibt jedoch nur wenige genannte Farben im Märchen, sonst würde die konsequente Kontinuität verloren gehen; außerdem hebt sich die farblich beschriebene Gastalt von den restlichen ab.

Weiteres Kennzeichen des abstrakten Stils sind, nach Lüthi, die ,,starren Formeln," (S.33) womit er meint, dass Zahlen schon immer von phantastischer Bedeutung und Stärke waren. In diesem Fall handelt es sich z.B. um die Dreiheit Pippi, Thomas und Annika; Pippi, mitübernatürlichen Kräften, ist der leitende Pol in der Clique, doch ihre Freunde folgen ihr mit Begeisterung.

Inbegriff dieser starren Formeln schätzt Pippi Langstrumpf, wie auch das Märchen, alles Extreme oder auch Gegensätzliche. Pippi sieht es nicht ein zur Schule zu gehen, Thomas und Annika jedoch gehen freiwillig und gerne dorthin; Pippi lebt unkontrolliert mit ihren tierischen Freunden in ihrer Villa Kunterbunt, im Gegensatz zu Annika und Thomas, die mit ihren Eltern zusammen wohnen; Pippi ist couragiert und selbstsicher, wobei Annika und Thomasängstlich und empfindlich sind.

Es gibt keine zufällige Anordnung oder Willkür von Farben, Zahlen oder Extremen; stattdessen verfolgt die Handlung mit Klarheit und Beharrlichkeit ihr Ziel und hält diese scharf bestimmten Gesetze auch ein.

5. Grundmotiv dargestellt an Astrid Lindgrens Pippi in Taka-Tuka-Land

Pippi Langstrumpf, das rebellische Kind, eine Kinder -Ikone, die als irreale Figur in die Gegenwart eindringt. Sie tritt als farbenfrohe, fröhliche Person in eine starre, graue, leblose Welt ein, die, nach eigener Aussage, von ,,großen Menschen...[mit einem] Haufen langweiliger Arbeit und komischen Kleider und Hühneraugen und...Kommunalsteuern" (LINDGREN, 1986, S.167) gesteuert wird. Sie sucht nach einer Veränderung in ihrer Umwelt, sieäußert Kritik an der heutigen Gesellschaft und stellt sie mit ihrem anormalen Verhalten auf den Kopf (sie schläft mit den Füßen auf dem Kopfkissen).

Außerdem ist Pippi, trotz ihrer inneren undäußeren Kraft, ein Mädchen, dass ihr Herz am rechten Fleck besitzt. Sie philosophiertüber die Möglichkeit zu Überleben, "wenn das Herz nur warm ist und schlägt." (LINDGREN, 1986, S. 159) Dies ist ein kindlicher Optimismus, der die Leser von einer positiveren Einstellung gegenüber sich selber und ihren Mitmenschenüberzeugen möchte. So will sie Thomasüberzeugen, dass man keine Heizung braucht, obwohl es kalt ist.

Annika und Thomas stehen zwischen den Fronten und können durch ihre Ambivalenz, entgegengesetzt dem märchenhaften Prinzip des Extremen, zeitweise, dank Pippi aus dieser starren Welt fliehen, aber gleichzeitig auch die lieben und braven Kinder ihrer Eltern sein. Die Freunde ist das gesellschaftliche Motiv, welches Pippi Langstrumpf Pippi stellt, wie auch im Märchen, die Welt so dar, wie sie in Wirklichkeit ist: sie will sie nichtändern, sondern den Lesern die Augenöffnen.

6. Märchenhafte Elemente dargestellt an Otfried Preußlers Der Räuber Hotzenplotz

6.1. Eindimensionalität:

Der Räuber und der Zauberer sind die Antagonisten von Kasperl und Seppel; Seppel wird in einer Höhle gefangengehalten, wenn in der Zwischenzeit der Räuber den Kasperl gegen Schnupftabak beim Zauberer eintauscht. Der Zauberer verkörpert also das Jenseitige, der ,,mit Leichtigkeit einen Menschen in jedes beliebige Tier verwandeln" kann. (PREUßLER, 1962, S.43) Auch dieses Buch weist eindeutig auf, dass die Protagonisten des Werkes der diesseitigen Sphäre zugehören; sie empfinden weder Neid noch Furcht und sehen den Zauberer gleichwertig an.

6.2. Flächenhaftigkeit:

Dem Räuber Hotzenplotz und seinen Figuren fehlt es an einer Innenwelt; sie werden geformt von einem seel-, zeit-, räumlichen und geistigen Defizit, die den Typen im Märchen sehrähnlich kommen. Der Räuber als Unmensch ist ein Beispiel für eine Figur, die ohne jegliche Moral oder Gefühlsregung den Kasperl gegen Schnupftabak eintauscht; wie schon Lüthi zu berichten weiß, dass ,,Märchenfiguren...im Grunde immer kühl" (S.17) handeln.

Auch märchenartig lässt Preußler seine Helden in die Weite wandern und erwähnt nichts von einerörtlichen Bindung. Kasperl, zum Beispiel, endet in Zwackelmanns Zauberschloss, gelegen hinter einem Wald als ,,Grenzgebiet zwischen Sinnes- und Geisteswelt." (LENZ, 1984, S. 246) Nur die einfache Weltordnung bringt ihn wieder aus der numinosen Welt in das Großmutter'sche Diesseits zurück, weil nun der Böse bestraft und der Gute gesiegt hat.

Die Figuren in dieser ,,flächenhaften Welt des Märchens" (LÜTHI, 1981, S.20) erleben keine Alterung, trotz ihrer nervenauftreibenden Begegnungen mit dem Räuber bzw. dem Zauberer. Diese Abenteuer bringen die Freunde nicht seelisch, bloßäußerlich voran; sie lernen nichts aus den negativen Erfahrungen, sondern führen die Handlung fort.

6.3. Abstrakter Stil:

Der abstrakte Stil des Märchens spiegelt sich auch in vielen Punkten am Räuber Hotzenplotz wider und verleiht Preußlers Werk ,,hohe Formkraft," einen ,,festen Umriss und sublime Leichtigkeit." (LÜTHI, 1981, S.36)

In diesem Buch treten Metalle und Mineralien nicht unbedingt vordergründig auf, wie es dagegen im Märchen ist. Der Wunschring, den die Fee den beiden Helden gibt, ist an dieser Stelle als Bespiel zu nennen.

Glanz und Farbe ist ein wichtiges Element der Stilisierung, da sie dem Märchen Reinheit, Seltenheit und Kostbarkeit verleiht. Das Beispiel der Verwandlung von einer Unke zu einer Fee, macht besonders aufmerksam. Durch ihr langes, goldenes Kleid und dem Vergleich zu einer Sonne tritt sie in einen Kontrast zu ihrem vorherigen tierischen, doch sehr hässlichen Auftreten, und denübrigen Figuren. Diese Verwandlung zu einem ,,Bild kosmischer Kräfte" (LENZ, 1984, S.262) erscheint dem Leser wirklichkeitsfern und irreal.

Besonders zur Geltung kommen die magischen Rundzahlen, obwohl Kasperl und Seppel als Helden hier zu zweit auftreten und, nicht wie im Märchen, alleine, zu dritt, siebt oder gar zwölft. Aber in diesem Kinderbuch dominiert grundsätzlich die Dreiheit (z.B. Märchen, in denen drei Riesen, drei Zwerge, drei Drachen oder drei Wunschringe, erscheinen), die dem Werk eine Gliederung geben: Kasperl versucht drei Mal aus dem Schloss zu fliehen, drei Mal wird er vom Zauberer zurückgehalten; drei verschlossene Türen muss er durchdringen, um zu der im Keller gefangengehaltenen und verzauberte Fee zu gelangen und drei Wünsche hatten Kasperl und Sepperl auf Grund ihres Wunderringes frei; der Heldäußert die Dreizahl auch selber, in dem er das Sprichwort ,,drei Finger aufs Herz! " (PREUßLER, 1962, S.75) benutzt, um die Wahrheit zu bezeugen. Des Weiteren taucht, wie oft auch in Märchen, die Zahl sieben auf (sieben Raben, sieben Wünsche oder sieben Geißlein), denn die Fee wurde z.B. schon vor sieben Jahren gefasst und verhext.

Außerdem sorgt eine Wiederholung für eine Strukturierung und Auflockerung im Märchen, die sich auch in diesem Kinderbuch wiederfinden lässt. Schließlich sorgt der Magier mit seinen Zaubersprüchen, zwar immer in etwas abgeänderter Form, aber doch mit einem sehrähnlichem Sinn und einer verwandten Art, für Aufruhe. Fortwährend stößt er ebenso Flüche hervor, die von dem Teufel, Satan oder Schwefel handeln und somit wiederkehren.

Wie das Märchen, so auch Der Räuber Hotzenplotz, fokussiert auf die Extreme, denn seine Typen haben entweder nur Böses im Sinn (Räuber, Zauberer) oder haben eine gute Gesinnung und sorgen für Recht und Ordnung (Kasperl, Seppel, Polizist). Kasperl steht dem Abenteuer mutig entgegen, die Fee aber ist dem Zauberer - bis zu ihrer Rettung - wehrlos ausgeliefert. Die Fee, Figur der numinosen Welt, steht dem Kasperl des Diesseits entgegen.

Abschließend möchte ich noch dieses Wunder hervorheben, denn es ereignet sich ganz im Sinne des Märchens. Die Umgestaltung der Unke zur wunderschönen Fee, verursacht durch fiktives Feenkraut, ist ein unglaubliches Ereignis, dass den Magier zur Resignation bringt. Wie schon Lüthi bezüglich dem Märchen feststellt, ,,je mechanistischer, je extremer die Verwandlung, desto sauberer und präziser steht sie vor uns," (S.36) so geschieht es in diesem Kinderbuch.

7. Grundmotiv dargestellt an Otfried Preußlers Der Räuber Hotzenplotz

Im Wesen dieses Kinderbuches steht die einfache Weltordnung des Märchens. Kasperl und Seppel erleben die unterschiedlichsten Abenteuer, um die gestohlene Kaffeemühle der gutmütigen Großmutter wieder zu finden und retten dabei noch die durch Zwackelmanns Neid als Unke verzauberte Fee. Die Mitteilung ist eindeutig und der Leser lernt, dass der Unschuldige, für das Recht kämpfende befreit wird und siegt, jedoch der Schuldige verurteilt wird und dadurch verliert; die Welt ist von einer ausgleichenden Rechtlichkeit durchdrungen. Selbst der Räuber wird im Endeffekt für seine Missetaten bestraft und zu einem Vogel verwandelt bzw. später verhaftet wird und der Zauberer stürzt in die Tiefe (auch symbolisch, ins Unendliche, hinab in die Hölle), im Gegensatz zu Kasperl und Seppel, die mit einem Wunderring beschenkt werden.

8. Märchenhafte Elemente dargestellt an Joanne K. Rowlings Harry Potter und der Stein der Weisen

8.1. Eindimensionalität:

Dem Märchenähnlich, unterscheidet Rowling in ihrem Werk zwischen diesseitigen und jenseitigen Mächten, d.h. der Divergenz zwischen Familie Dursley und Harry Potter, sowie seinen Zauberfreunden und -feinden (Lord Voldemort). Harry verkörpert einen menschlichen Helden, dem schon seine Eltern Zauberkraft vererbt haben; er ist aber erst an seinem 11.Geburtstag durch Kontakt zu der jenseitigen Figur Hagrid in Kenntnisüber dieseübermenschliche Fähigkeit gesetzt worden. Der Unheld, hier der Cousin Dursley, wird nie diese magische Stärke besitzen.

Aber ganz dem Märchen entgegengesetzt, haben in diesem Roman die diesseitigen Figuren das Gefühl von der numinosen Welt bedroht zu werden bzw. sie geben nicht den Versuch auf, den Zauber durch ihren rational begreifbaren Verstand zu vernichten (z.B. geben sie Harry nicht die ihm zugesandten Briefe, S. 41). Es ist eindeutig, dass Mrs. Dursley neidisch auf die magischen Talente ihrer Schwester war, die deswegen von ihren Eltern bevorzugt worden ist.

8.2. Flächenhaftigkeit:

An der Figur und dem Roman Harry Potter wird deutlich, dass es, ebenso wie im Märchen, an einer lokalen, zeitlichen und emotionalen Tiefengliederung fehlt.

Harry stört demnach das Geschehen nie mit Empfindungen, sondern handelt viel eher. Nur spärlich werden die Gefühle Harrys genannt; nur dann, um den Leser in Harrys Position hineinzuversetzen und sich zu identifizieren. Beispielsweise verlässt er die Familie Dursley auf dem Bahnhof ohne jegliche Gefühlsregung zu zeigen. Seine Wutüber seine Familie wird nur zum Ausdruck gebracht, damit ein Treffen mit dem jenseitigen Begleiter Hagrid stattfinden kann. Wie das Märchen, so kennt auch Harry Potter erbarmungslose Strafen, die ihm von seiner Familie auferlegt werden (er muss im Kleiderschrank schlafen), jedoch von Rache ist nie die Rede.

Wie der Märchenheld, wird auch Harry in die Weite getrieben, nämlich zu der Zauberschule und Internat Hogward. Das Prinzip des Wanderns, nicht räumlich oder familiär gebunden zu sein, ist, was ihn auszeichnet. Die Figuren des Diesseits verlieren sich im Laufenden, sobald sie keinen Ansto ßmehr für die Geschichte sind. Harry Potter ist dem Märchen auch hinsichtlich der Tatsacheähnlich, da Hagrid mit denübernatürlichen Kräften meist aus dem Nichts auftaucht, jedoch dort nicht wieder verschwindet, ,,er wird einfach nicht mehr erwähnt." (LÜTHI, 1981, S.19)

Genauso wie die Typen des Märchens, besitzt auch Harry Potter keine Umwelt. Rowling zeigt uns sehr gerne wie er seine Stadt verlässt und zum Wanderer wird. Am Ende des Romans wird erklärt, wie Harry wieder zurück zu den Dursleys reist. Für diese Reise gibt Lüthi die Erklärung, dass es die Handlung fordert und nicht, ,,weil eräußerlich oder innerlich an diesen Ort gebunden wäre." (S.18)

Im Folgenden fehlt außerdem der zeitliche Einordnungsfaktor, was ohne Innenwelt nur zutreffen kann; es wird kein Prozess dargestellt, in dem eine Alterung stattfindet, es gibt entweder junge oder alte, jedoch keine alternde Figuren. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass Harry Potter direkt die Problematik der immerwährenden Jugend anspricht. Der Stein der Weisen ist schließlich eine Ingrediens für das ,,Elixier des Lebens," (ROWLING, 1998, S.318) damit sich Voldemort einen eigenen Körper erschaffen kann und weiterhin Böses schaffen kann. Jedoch wird der Stein am Ende zerstört und das märchenhafte Prinzip des Unsterblichkeit wird vernichtet.

8.3. Abstrakter Stil:

Der abstrakte Märchenstil wird an Stellen des Harry Potters beansprucht, um ihm eine scharfe Bestimmtheit zu geben und starren Gesetze in ihm zu formieren, die nicht von Willkür und Unberechenbarkeit handeln.

Nach Lüthi verfolgt der Held im Märchen sein Ziel ,,ohne links oder rechts zu blicken und ohne die geringste Regung von Verwunderung," (S.25) was aber erst mal im Fall von Harry nicht zutrifft. Die ersten Konfrontationen mit dem Unglaublichen, sprich Zaubersprüchen, -stäben, Eulen als Nachrichtenübermittler, Kobolden etc., verwirren ihn und lassen ihn vorübergehend erstarren, doch im Verlauf der Geschichte gewöhnt er sich an die Magie und lebt seine Abenteuerlust im Internat aus.

Die Reise des Jungen, der Sprung zwischen realer und numinoser Welt, knüpft an dem Wanderprinzip des Märchens an. Rowling lässt ihren Protagonisten in die Weite wandern, alleine, nur ein einziger Diener, Hagrid, darf ihn abholen und begleiten.

In diesem Buch fallen Metalle und Mineralien auf, die den Blick auf sich ziehen. Es ist beispielsweise von einem ,,goldenen Schlüssel" (ROWLING, 1998, S.82) die Rede, der Harry die Tür zu seinem Vermögenöffnet oder von dem silbrigen Blut eines Einhorns. Ebenso gibt der Stein der Weisen, im Kern des Geschehen, dem Märchen ihre feste Gestalt.

Der Wald spielt auch hier eine wichtige Rolle; es dominieren jedoch keine grünen Bäume, sondern in diesem Fall schwarze. Dieser magische Ort spiegelt ein dunkles, mystisches Reich wider, in dem die Katastrophe wartet, was auch grundlegend für viele Märchen der Gebrüder Grimm ist (z.B. Hänsel und Gretel, Schneewittchen). Hier ist ein verletztes Einhorn im Wald und der Lehrer Quirrell trinkt dessen Blut.

Parallel zum Märchen, gibt es auch in Harry Potter die Neigung dazu, Kontraste und Extreme zu setzen. Rowling fundiert den Gegensatz in ihren Figuren: Harry ist absolut gut, Voldemort jedoch abschreckend böse; die Familie Dursley ist vollkommen gegen die Zauberkünste und lässt sich auf keinen Kompromiss ein; Harry Potter ist ein ungewöhnlich junger Held, der sich von seinem jenseitigen Berater Hagrid unterscheidet, da dieser auf Grund seines fortgeschrittenen Alters einen weiten Erfahrungshorizont hat und zudem noch, als weiteres Extrem, ein Riese ist.

Weiterführend des Extremen gibt es die Wunder, die auch in diesem Roman vorkommen. Lehrer Quirrell ist für Harry ursprünglich ein alltäglicher Lehrer, jedoch trägt er die Seele vom teuflischen Lord Voldemort in sich. Durch diese doppelte Seelenbesetzung wird eine solche Macht auf den Lehrer ausgeübt, dass sein Körper anschließend sterben muss; der Geist von Voldemort lebt jedoch weiter. Diese offensichtliche Verwandlung in eine schizophrene Figur, ist für den Leser sehr wirklichkeitsfern, aber dieses Extrem rundet das Märchen sauber ab.

9. Grundmotiv dargestellt an Joanne K. Rowlings Harry Potter und der Stein der Weisen

Im Grunde handelt dieses Buch von der Bekämpfung der weißen (Harry) mit der schwarzen (Voldemort) Magie, was durch den 11jährigen, ungeliebten und schlecht behandelten Pflegesohne Harry, einer reichen Spießbürgerfamilie zugehörig, geschehen soll. Hier wird nun auch wieder eine klare Linie zwischen Gut und Böse gezogen, und das letztere wird zu bekämpfen versucht und somit eine Verbindung zu Märchenmotiven hergestellt. Harry wird aus der normalen (Muggel-) Welt in eine fantastische Welt gezogen, sozusagen ist dies die ,Konstituierung einer neuen Welt' für den Helden selbst, aber auch für den Leser. Durch diesen Sprung in eine fremde Dimension wird das Motiv klar: Harry hat Vorbildfunktion für die Leser; einerseits ist es eine Flucht vor dem Ungeliebten, andererseits aber auch eine Rettung davor und Befriedigung der auch märchenhaften Neugier etwas Unbekanntes kennen zu lernen.

Außerdem wird Kritik an der heutigen Gesellschaft geübt, die laut Dumbledore nach dem falschen strebt, nämlich ,,Geld und Leben" (ROWLING, 1998, S.323), denn der Tod sei nur ein Abenteuer. Mit anderen Worten, man solle sich nicht davor fürchten und den Zeitpunkt des Todes versuchen mit Elixieren zu verlängern, sondern ihn hinnehmen und akzeptieren.

10. Ergebnis

Zusammenfassend habe ich also festgestellt, dass die drei Kinderbücher Pippi Langstrumpf, Der Räuber Hotzenplotz und Harry Potter, untersucht auf ihre Elemente und ihr Grundmotiv, zum größten Teil auf dem Märchen basieren. Im Grunde repräsentieren sie das Märchen in einer modernen Fassung, denn die Helden wandern abenteuerlustig in einer irrealen, geheimnisvollen und numinosen Welt umher, wobei sie doch auf klare Gesetze achten.

Des Weiteren ist das Märchen eine wichtige Erfahrung für das Kind, um einen Sinn im Leben zu finden und auch eine Hilfestellung zur Erklärung von fantastischen Phänomenen, wie unbekannten und unverständlichen Sinneswahrnehmungen, gibt. Sie zeigen aber auch Lösungsmöglichkeiten auf, auf die das Kind selber nicht gekommen wäre.

Pippi Langstrumpf erklärt auf wunderbare Art und Weise wie sie ein Abenteuer nach dem anderen angeht; der böse Räuber Hotzenplotz schafft es einfach nicht dem guten Kasperl und Seppel auf den Leim zu gehen; Harry Potter setzt sich gegen die lästige Autorität durch und schafft es aus der Muggelwelt zu fliehen.

Jeder dieser Helden spricht den einen oder anderen Wunsch des Kindes an und verkörpert dessen Sehnsüchte. Probleme oder Gefahren von dem einzelnen werden aufgegriffen und es wird versucht diese Ängste zu umgehen.

Bibliografie

Bertelsmann Lexikon 2000. Koch Media. CD Rom.

Lenz, Friedel. Bildsprache der Märchen. Stuttgart: Urachhaus. 1984

Lindgren, Astrid. Pippi Langstrumpf. Hamburg: Oetinger. 1986

Lüthi, Max. Das europäische Volksmärchen. München: Francke.1981

Preußler, Otfried. Der Räuber Hotzenplotz. Stuttgart: Thinemann. 1962

Rowling, Joanne K. Harry Potter und der Stein der Weisen. Hamburg: Carlsen. 1998

Erklärung

Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literatur - und Quellenverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ort, Datum Unterschrift

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Märchenhafte Grundmotive am Beispiel von Pippi Langstrumpf, der Räuber Hotzenplotz und Harry Potter (Stein der Weisen)
Note
1- (13)
Autor
Jahr
2001
Seiten
8
Katalognummer
V102733
ISBN (eBook)
9783640011131
Dateigröße
363 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Meine Kommentare und Behauptungen zu "Harry Potter" - nicht ohne weiteres als Grundlage übernehmen, es wurde schon teilweise negativ hinterfragt. Aber trotzdem: 1- :-)
Schlagworte
Märchenhafte, Grundmotive, Beispiel, Pippi, Langstrumpf, Räuber, Hotzenplotz, Harry, Potter, Weisen)
Arbeit zitieren
Claudia Stamm (Autor:in), 2001, Märchenhafte Grundmotive am Beispiel von Pippi Langstrumpf, der Räuber Hotzenplotz und Harry Potter (Stein der Weisen), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102733

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