Kulturelle Einflüsse auf die Gestaltung von Mensch-Maschine Systemen


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: o.B.


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Warum kulturorientierte Gestaltung von MMS

2. Kultur: Versuch einer Definition

3. Kultur in der Psychologie

4. Kultur in der Mensch-Maschine Interaktion

5. Beispiele aus Forschung und Praxis

6. Literatur

1. Einleitung

Entwickler interaktiver Mensch-Maschine Systeme sind in Zeiten der Globalisierung mit einer immer heterogeneren Nutzergruppe und einem zunehmend kulturübergreifenden Nutzungskontext für ihre Produkte konfrontiert. Die Produktentwicklung fand schon immer im kulturellen Kontext des entsprechenden Landes statt, in dem ein technischen Produkt realisiert wurde. Lange Zeit galt dies auch für die Benutzung eines Produkts. Sind Quell- und Zielkultur identisch, ergeben sich allein aus diesem Zusammenhang noch keine Bedienprobleme. Wird ein Produkt aber in einer Kultur benutzt, für die es nicht konzipert ist, kann es zu massiven Schwierigkeiten oder sogar Fehlern bei der Bedienung kommen. Diesen Zusammenhängen wird von Produktentwicklern zunehmend Rechnung getragen.

Praktische Hinweise und empirische Untersuchungen zu interkulturellem Design gibt es schon seit ca. 1975, die Anzahl der Veröffentlichungen fiel in den Folgejahren aber drastisch. Erst in den 90ern wird das Thema von Software-Entwicklern wieder aufgegriffen, die eine Internationalisierung ihrer Produkte anstreben. Seit ca. 1995 steigt die Anzahl der Veröffentlichungen zum Thema "Internationales Usability Engineering" kontinuierlich an. Die Suche nach Kulturmodellen tritt seit

1998 in den Vordergrund, der Anteil an Internationalisierungsleitlinien geht zurück; grundlegende Probleme scheinen hier gelöst zu sein (Honold, 2000).

2. Kultur:

a.) Versuch einer Definition

Kultur ist i.A. ein unscharfer Begriff und wurde zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaften mit verschiedenen Konnotationen versehen. Eine von Kroeber & Kluckhohn (1963) vorgenommene Inhaltsanalyse zeigte, dass sich verschiedene psychologische Kulturdimensionen in inhaltliche Kategorien zusammenfassen lassen:

- Kultur als eine Form des Anpassens oder des Problemlösens
- Kultur als erlerntes Verhalten
- Kultur als gewohntes Verhalten
- Kultur als Triebsimulation

Weitere für die MMS interessante Unterkategorien sind:

- Kultur als Artefakt des Menschen
- Kultur als eine Idee
- Kultur als alles, was durch Symbole vermittelt wird

Kroeber & Kluckhohn hatten zum Ziel, eine integrative Definition von Kultur zu finden. Ihre Kulturdefinition lautet:

"Culture exists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments of artifacts; the essential core of culture exists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of actions, on the other hand as conditioning elements of further action."

(Kroeber & Kluckhohn, 1963, S.357; zitiert nach Honold, 2000)

Insgesamt scheint es aber für die einzelnen Forschungsvorhaben produktiver zu sein, die Definition von Kroeber & Kluckhohn lediglich als Meta-Definition zu betrachten und eine auf das konkrete Forschungsvorhaben zugeschnittene Definition von Kultur zu formulieren, die die jeweils relevanten Aspekte des Konstruktes akzentuiert.

b.) Konstrukte der Ermittlung und Vermittlung von Kultur

Die zentrale Frage bei interkulturellen Untersuchungen oder Untersuchungen zu Einflüssen von Kultur auf Verhalten ist, wie "Kultur" und "kulturelle Inhalte" ermittelt werden können.

- Kulturdimensionen: Besonders einflussreich auf das Verständnis von Kultur als Abgrenzung zwischen Angehörigen verschiedener kultureller Gruppen haben sich die Kulturdimensionen von Geert Hofstede erwiesen. Unterschiedliche Kulturen lassen sich so durch eine relative Anordnung auf bipolaren Skalen anschaulich darstellen. Hofstede führte zwischen 1968 und 1974 umfangreiche Studien zu Arbeitswerten in 60 Ländern durch. Anhand einer Faktorenanalyse ermittelte er fünf Kulturdimensionen, die er "Machtdistanz", "Unsicherheitsvermeidung", "Maskulinität/Feminität", "Individualismus/Kollektivismus" und "Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung (bzw. konfuzianistische Dimension)" nannte.
- Kulturstandards: Nach Thomas (1991, 1996; zitiert nach Honold, 2000) konstituiert sich Kultur aus Kulturstandards. "Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von einer Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere

als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf Grundlage dieser Kulturstandards reguliert. ... Die individuelle und gruppenspezifische Ausprägung von Kulturstandards kann innerhalb eines gewissen Toleranzbreiches variieren. ... Zentrale Kulturstandards einer Kultur können in einer anderen Kultur völlig fehlen oder nur von peripherer Bedeutung sein. Verschiedene Kulturen können ähnliche Kulturstandards aufweisen, die aber jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen können, in unterschiedlichen Handlungsfeldern wirksam werden und unterschiedlich weite Toleranzbereiche aufweisen." Kulturstandards beschreiben das typische kulturelle Orientierungssystem einer Kultur aus der Sicht einer anderen Kultur. Sie werden durch Untersuchungen bikultureller

Interaktionssituationen ermittelt.

- Kulturelle mentale Modelle und Schemata: Shore (1996, zitiert nach Honold, 2000) beschreibt Kultur als die Interaktion zwischen (inneren) Kognitionen und (äußerem) Handeln. Das konkrete Erleben und Handeln innerhalb einer bestimmten Umwelt liefert die Grundlage für jede weitere Form des Wahrnehmens, Denkens und Handelns. Institutionalisierte Modelle sind Abstraktionen und Generalisierungen dieses konkreten Erlebens, die für alle Mitglieder einer bestimmten Kultur offen zugänglich sind. Als Basis-Schemata bezeichnet Shore stark abstrahierte Modelle, die von den Mitgliedern einer Kultur meist völlig internalisiert sind und in sehr heterogenen Lebensbereichen wirksam sind. Diese drei Bereiche (konkretes Erleben, institutionalisierte Modelle und Basis- Schemata) beeinflussen sich wechselseitig durch Assimilation und Akkomodation (vom konkreten Erleben zum institutionalisierten Modell zum Basis-Schema und umgekehrt). Erst durch Erinnern und bedeutungssuchendes Analogiebilden des einzelnen Individuums und erst durch sein Handeln in der Welt

werden kulturelle Modelle konkret wirksam. Somit wird der dynamische Aspekt von Kultur betont.

3. Kultur in der Psychologie

Honold (2000) beschreibt verschiedene Forschungstraditionen, die sich unterschiedlich mit dem Konzept "Kultur" auseinandersetzen:

a. die kulturvergleichende Psychologie, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Vertretern verschiedener Kulturen untersucht und versucht, diese auf Ursachen und Wirkungszusammenhänge zurückzuführen,
b. Kulturpsychologie, die zum Ziel hat, die Wechselwirkungen zwischen Individuum und spezifischem kulturellem System zu verstehen, und
c. interkulturelle Psychologie, die interkulturelle Überschneidungssituationen mit den daraus resultierenden Fragestellungen untersucht.

a.) Kulturvergleichende Psychologie

Innerhalb der kulturvergleichenden Psychologie wird Kultur als externe Variable betrachtet, die das Verhalten von Menschen in verschiedenen Ländern beeinflusst. Die Welt wird als großes Labor betrachtet, das unterschiedliche Bedingungen für vergleichbares Verhalten (etwa Erziehung oder Führungsverhalten) schafft. Somit kann Kultur Unterschiede im Verhalten erklären und vorhersagen.

Die kulturvergleichende Psychologie versucht, die kausal wirkenden Faktoren zu isolieren, um Kultur auf ein Bündel messbarer Variablen zurückzuführen. Dieser Annahme liegt zugrunde, daß es universale Gesetzte des menschlichen Wahrnehmens, Denkens, Verstehens und Handelns gibt, die sich wissenschaftlich ermitteln lassen. Die kulturvergleichende Psychologie hat sich v.a. mit der kulturellen Angemessenheit verschiedener Erhebungsmethoden beschätigt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kulturelle Einflüsse auf die Gestaltung von Mensch-Maschine Systemen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Psychologie)
Veranstaltung
Seminar Psychologie und Technik
Note
o.B.
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V1027
ISBN (eBook)
9783638106306
Dateigröße
1597 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Usability, Kultur, Interface Design, Schnittstelle, Hofstede
Arbeit zitieren
Thomas Vöhringer-Kuhnt (Autor:in), 2002, Kulturelle Einflüsse auf die Gestaltung von Mensch-Maschine Systemen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1027

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