Tibet. Der tibetische Kreidekreis - ein Konflikt um Selbstbestimmung?


Facharbeit (Schule), 2000

10 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Tibet. Der tibetanische Kreidekreis- ein Konflikt um Selbstbestimmung?

1. Einleitung

Wäre Tibet nicht das 'Dach der Welt' mit einer durchschnittlichenHöhe von etwa 4500m ü.NN, würde das tibetische Volk aller Wahrscheinlichkeitnach schon sehr lange unter einer seine einmalige Kultur verändernden Fremdherrschaft stehen. Aber gerade die Höhe des größten und höchsten bewohnten Plateaus der Welt hat dieses Volk in den letzten Jahr-hunderten geschützt, da die dort herrschenden klimatischen Bedingungen für potentielle Eroberer, die diese Bedingungen nicht gewohnt waren, einen Eroberungszug stark behin-derten. Jedoch seit 1950 hat auch dieser Schutz des eigenwilligen Klimas versagt und Chi-na übernahm die Macht über Tibet.

Die Aufgabenstellung „ Tibet. Der tibetanische Kreidekreis- ein Konflikt um Selbstbestimmug?“ bezieht sich auf das Oberthema „ Internationale Konflikte“ . Somit wird nicht nur das Land Tibet, sondern auch China in dieser Facharbeit eine Rolle spielen. Dabei soll Tibet in den Vordergrund gestellt werden, also wird bei z.B. historischen Betrachtungen der sinotibetischen Beziehungen die Sichtweise Tibets gewählt. Die Position Chinas wird dafür meist getrennt dargestellt.

Zur Erfüllung der Aufgabenstellung wird die Geschichte des Kreidekreises auf Tibet bezogen, wofür es als nötig erscheint, die Historie der sinotibetischen Beziehungen näher zu beleuchten. Daran anschließend sollen die Begrifflichkeiten 'Konflikt' und 'Selbstbestimmung' differenziertbetrachtetwerden, um dann Überlegungen darüber anstellen zu kön-nen, ob und inwieweit es sich um einen tibetanischen Kreidekreis als Konflikt um Selbst-bestimmung handelt.

2. Die Antagonisten Tibet und China

2.1 Tibet

Geographisch gesehen liegt Tibet im zentralen Asien. Das Staatsgebiet Tibets vor der Einwanderung und Annektierung durch China war etwa 2.5 Millionen km² groß. Es bestand aus den drei Provinzen Amdo, Kham und U-Tsang. Der westliche Teil von Kham und die Provinz U-Tsang bilden heute die Autonome Region Tibet, der restliche Teil von Kham ist von China in die Provinzen Sichuan, Yunnan und Qinghai eingeteilt worden. Zu Qinghai und Sichuan gehören noch Teile des ehemaligen Amdo, außerdem entstand daraus weiterhin die Provinz Gansu.

Tibet hat eine eigenständige Sprache, Schrift, Geschichte, Religion und damit auch eine eigene Kultur, basierend auf der Philosophie des Buddhismus. Vor der chinesischen Über-nahme hatte Tibet eine theokratische Staatsform, d.h. es regierte jeweils der ranghöchste Religionsrepräsentant, der Dalai Lama. Das Leben war stark geprägt von dem buddhistischen Glauben, auch wenn es nur einem kleinen Teil der Bevölkerung gestattet war, an Klöstern zu studieren. Der buddhistische Glauben beinhaltetdas Bestreben eines jeden, durch Reinkarnationen bis zur Selbsterlö-sung nach dem Erlangen der Erleuchtung, in das Nirwana zu kommen. Dabei spielen die Lamas eine große Rolle, wie z.B. der Dalai Lama, die Wiedergeburt Buddhas, der diese Erleuchtung schon erlangte, sich jedoch dafür entschied, trotzdem wiedergeboren zu wer-den, bis er allen anderen Menschen dabei geholfen hat, ins Nirwana zu kommen. Gleichzeitig ist der Buddhismus auch eine Religion der Gewaltlosigkeit, was sich auch in der heutigen Haltung der Tibeter gegenüber den Chinesen zeigt.

Seit 1950 ist Tibet von China besetzt und wird in dessen Gebiet eingegliedert. Die tibetische Kultur soll einem sozialistischen Bewußtsein für die Volksrepublik China weichen.

Die ursprünglichetibetische Nationalflagge ist aufgrund der chinesischen Besetzung in Tibet strengstens verboten, ebenso wie öffentliche Darstellungen des Dalai Lamas.

Das Wort Tibet hat heute für Befürworter verschiedener Ansichten über die Tibet-Frage unterschiedliche Bedeutungen. Chinesen bezeichnen lediglich die Autonome Region Tibet als 'Tibet', die mittlerweile in das Chinesische Staatsgebiet einverleibten restlichen ursprünglichen Teile werden nicht mehr automatisch mit Tibet erwähnt. Die Exilregierung des Dalai Lama spricht von dem gesamten Gebiet vor der chinesischen Übernahme. Da es keine genauen Statistiken gibt, wurde die Einwohnerzahl auf etwa sechs Millionen Tibeter berechnet, 2,1 Mio. in der Autonomen Region Tibet und ca. 4 Mio. in Kahm und Amdo.

2.1 China

Das in Ost-Asien gelegene China ist heute das drittgrößteund meistbevölkertste Land der Erde: es leben 1,16 Milliarden Menschen auf etwa 9,5 Mio. km².

Die Bevölkerung Chinas besteht zu über 90% aus Chinesen. Daneben leben noch 55 andere nationale Minderheiten wie z.B. Uiguren, Kasachen, Tibeter, Mandschu und Mongolen in China.

Schätzungen zufolge sind über 70% der chinesischen Bevölkerung konfessionslos, die gläubige Bevölkerung setzt sich zusammen aus einem vom Konfuzianismus und Daoismus beeinflußten

Buddhismus, in Tibet und in der inneren Mongolei werden noch der lamoistische Buddhismus praktiziert. Außerdem sind auch der Islam und das Christentum in China verbreitet.

China hat eine reiche kulturelle Tradition, die geprägt ist durch eine jahrtausendalte Geschichte. Über das verschieden große und einflußreiche China herrschten bis Anfang des 20.Jh. verschiedene Dynastien, die nachweisbarerste war die Shang-Dynastie seit dem 18.Jh. v.Chr.Geb. Ab 1949 wird China nicht mehr von einer Dynastie beherrscht, sondern ist zu einer kommunistischen Volksrepublik geworden, die im eigentlichen Sinne aber von der Kommunistischen Partei regiert wird.

Die Volksrepublik China sah in Tibet einen konservativen Mönchstaat, der eine überkommene feudale Wirtschaftsordnung hatte. Offiziell galt es, diese Gesellschaftsordnung, die zur Unterdrückung und Verarmung des Volkes führen sollte, zu befreien. Der Gedanke liegt allerdings nahe, dass China diese Begründung der Übernahme Tibets nur als Vorwand für die Erfüllung territorialer Expansionsbestrebungen nutzte.

3. Politische Beziehungen zwischen Tibet und China

Tibet und China, beides Länder mit einer weit zurückgreifenden Geschichte, haben schon seit der Vereinigung der tibetischen Stämme zu einem großtibetischen Reich politisch gesehen immer wieder wechselnde Verhältnisse zueinander gehabt.

3.1 Die Historie der sino-tibetischen Beziehungen

Tibet existierte als Staat erstmals ab dem 7.Jh., als sich nomadische Hochlandstämme unter der Herrschaft Songtsän Gampos zusammenschlossen und eine eigenständige Kultur, Religion und Schrift entwickelten. Songtsän Gampo heirateteim Jahre 641 eine chinesische Prinzessin, um die Beziehungen zu China zu verbessern. Im Jahre 758 griffen die Tibeter China an. Nachdem China mehrmals zurückgeschlagen hatte, wurde 821 ein Friedensabkommen zwischen den beiden Staaten geschlossen.

In der folgenden Zeit ist vor allem die Geschichte des Buddhismus interessant: die von Lhasa aus regierenden Könige förderten diesen, während der Adel die ältere Bon-Religion praktizierte.Tibet zerfiel in Fürstentümer, als der Adel Oberhand gewann, nachdem der letzte tibetische König ermordet wurde. Es entwickelten sich mehrere Bürgerkriege, die durch ein Eingreifen der Mongolen im 13.Jh. eingedämmt wurden.

Während der Herrschaft der Mongolen wurde der Buddhismus restauriert und die Institution der Priesterherrschaft des Dalai Lamas geschaffen, die die Verknüpfung geistiger und weltlicher Macht beinhaltet.

1368-1644 herrschte in China die Ming-Dynastie, die Anspruch auf die Obherrschaft Ti-bets stellte, sich aber nicht gegen die Mongolen durchsetzen konnte. 1717 wurde Tibet von den Dsungaren erobert, die jedoch von den Chinesen im Jahre 1720 wieder vertrieben wurden. Das hatte zur Konsequenz, dass China ab diesem Zeitpunkt Tibet als ihr Protektorat behandelte, die Regierung des Dalai Lama blieb aber weiterhin bestehen. Diese nominale Herrschaft Chinas über Tibets erhielt sich bis 1904, Tibet wurde jedoch beinahe unabhängig behandelt. Das sino-tibetische Verhältnis von damals wird heute als eine

`Patron-Priester-Beziehung' bezeichnet, die eher auf eine spirituelle Verbindung als auf eine politische Abhängigkeit zurückzuführen war.

1904 wurde Tibet von britischen Truppen besetzt. In einen biliteralesAbkommen zwi-schen China und Britannien - ohne Mitspracherecht Tibets - erkannte England die Ober-herrschaft Chinas über Tibet an. Die Briten zogen nun nach und nach ihre Truppen aus Ti-bet ab. 1910 marschierten chinesische Truppen unter der Herrschaft der Quing-Dynastie in Tibet ein, wurden jedoch aus Tibet vertrieben, nachdem diese Dynastie 1912 durch eine Revolution gestürzt wurde.

1914 fand eine Konferenz in Simila statt, an der Vertreter von Britannien, Tibet und China

teilnahmen, nachdem der damalige 13. Dalai Lama Thubten Gyatso versucht hatte, eine Unabhängigkeit Tibets zu erreichen. Britannien wollte nun eine Autonomie Tibets durchsetzen, unter der Oberhoheit Chinas. China lehnte dieses Abkommen jedoch ab. Durch seine in der Folgezeit innenpolitisch bedingte Schwäche wurde der größte westliche Teil Ti-bets nun faktisch unabhängig, der östliche Teil des Landes blieb unter chinesischer Herrschaft.

Dieser Zustand blieb bis 1950 bestehen. In dieser Zeit herrschte in China eine Auseinandersetzung zwischen Nationalisten und Kommunisten, die die Kommunisten 1949 zu ihren Gunsten beendeten. Die Volksrepublik China unter Führung Mao Zedongs wurde am 1.Okt1949 gegründet. Die neue Regierung nannte es als eines der wichtigsten Ziele, das Mutterland zu einigen und in diesem Zuge Tibet zu China zu holen.

3.2 Die Übernahme 1950/1951

Die Volksbefreiungsarmee aus China drang von Osten her in die tibetischen Gebiete ein, woraufhin im November 1949 der 14. Dalai Lama frühzeitig im Alter von 15 Jahren inthronisiert wurde, um das Volk gegen die vorrückenden chinesischen Truppen zu rüsten. Gegen diese leistete Tibet nur geringen Widerstand, zum einen aus ideologischen Gründen, zum anderen, weil nur eine sehr kleine, schlecht ausgerüstete Anzahl von Soldaten vorhanden war. Tibet war also schlichtweg hilflos, vor allem nachdem ein Aufruf an die UNO, einzuschreiten, nicht erhört wurde.

Es wurde eine Delegation nach Peking geschickt, die ohne Rücksprache mit dem Dalai Lama ein von den Chinesen kompromißlos ausformuliertes 17-Punkte-Abkommen unterschreibenmußte. Dieses Abkommen bedeutete für Tibet endgültig den Verlust der Unabhängigkeit an China. Allerdings wurden den Tibetern in dem Abkommen auch Zugeständ-nisse gemacht wie z.B. Ausübung nationaler

Autonomie, die Beibehaltung der Funktion des Dalai Lamas, die Respektierung der Religion und vor allem die Zusicherung, Reformen nach eigenem Ermessen durchführen zu können. Seit diesem Abkommen unterstanden die Tibeter den Chinesen das erst Mal in einer direkten zentralen Form.

3.3 Der Aufstand 1956 und seine Folgen

Nach der Übernahme verfolgte China unter der Führung Mao Zedongs eine Politik der

„ demokratischen Reformierung“. China sollte ein einheitlicher, nach Maos kommunistischen Ideen strukturierter Staat werden. Tibet wurde in die visionäre Polik Maos des 'Gro-ßen Sprung nach vorne' (schnelle Wirtschaftsentwicklung)miteinbezogen. Beinahe alle Großgrundbesitzer wurden enteignet und deren Land zunächst den Bauern zugeteilt, dann jedoch Volkskommunen gegeben. Hier sollten die Bauern harte Aufbauarbeiten für den Staat leisten. Diese Maßnahmen schürten Widerstand und Unwillen beim Volk, der am offensten in Tibet gezeigt wurde.

1956 begannen in Tibet antikommunistische Aufstände und Guerillakämpfe. Mao gab daraufhin bekannt, dass das Volk noch nicht reif sei für die Errichtung eines kommunistischen Regimes. Die Aktivitäten der Tibeter weiteten sich langsam weiter aus und erreichten im März 1959 Lhasa, wo sie sich zu einer Rebellion entwickelten.

Der Dalai Lama floh nach Indien, da sein Volk sich um seine Sicherheit in Tibet sorgte, und gründete dort eine demokratische Exilregierung. Nachdem die Chinesen den Aufstand gewaltsam niedergeschlagen hatten, wurde der Pantschen Lama, der zweitwichtigste religiöse Führer des tibetischen Volkes, an Stelle des Dalai Lamas bis zu dessen damals noch erwarteten Rückkehr als Staatsoberhaupt eingesetzt. Die UN- Vollversammlung verabschiedete daraufhin im Herbst 1959 eine unverbindliche Resolution,in der China

aufgefordert wurde, die Menschenrechtssituation in Tibet zu verbessern. Aber weder diese noch eine ähnliche folgende Resolution aus dem Mai 1961 verbesserte die Lage für die Tibeter.

3.4 Politische Entwicklungen bis heute

Nachdem der Dalai Lama nach Indien geflüchtet war, folgten ihm bis heute ca. 130 Tausend Tibeter ins Exil. Der größte Teil lebt in Indien, aber auch in Nepal, Buthan, Schweiz, Kanada und der USA sind Flüchtlinge angesiedelt. Noch heute ist der Dalai Lama das Staatsoberhaupt der in Dharamsala gegründeten Exilregierung.

In Tibet jedoch wurde die Politik Chinas fortgesetzt. Nach Publikationen der chinesischen Botschaft etc. beschreibt China das Eingreifen in die tibetischen Angelegenheiten als eine „ friedliche Befreiung“ , und zwar von der bis 1950 herrschenden „ überkommenen feudalen Gesellschaftsordnung “ . In diesem Sinne wurde die Gesellschaft und Wirtschaft nach dem Muster der sozialistischen Volksrepublik Chinas neugeordnet.

1965 wurde Tibet von der Volksrepublik China zur Minderheitenregion Chinas namens „ Autonome Region Tibet“ erklärt. Die Bezeichnung der Autonomie erfüllte jedoch nie den wahren Sinn, denn die VR China nahm zu großen, die Tibeter in ihrem Leben stark einschränkenden Teilen, Einfluß an der politischen und auch kulturellen Entwicklung des tibetischen Volkes.

Zunächst einmal gilt Religion für die chinesische kommunistische Ideologie als „ Gift“ , da die Religion das Volk an der Auslebung des Kommunismus hindert. Daher verfolgte die Volksrepublik China in Bezug auf diesen Punkt eine Politik der Unterdrückung der Religion. Dies äußerte sich in Tibet besonders stark, da die ursprüngliche Kultur des tibetischen Volkes durch Religion grundlegend geprägt war und ist.

Untersuchungen der 'Internationalen Juristenkommission' ergaben schon 1959 und 1960, dass die Volksrepublik China die „ systematische Absicht“ verfolge, „ die Tibeter als besondere Nation ganz oder teilweise sowie die buddhistische Religion in Tibet zu zerstören“ .

Diese Absicht äußerte sich durch Verfolgung der Religion in Form von Zwang zum Abschwören der Religion, teilweise Tötungen von Repräsentanten des Buddhismus etc..

1966 spitzte sich dieser Teil der chinesischen Politikführung zu, als die Phase der 'Kulturrevolution' begann. Diese Kulturrevolution verfolgte ein von Lenin entworfenes Konzept, das von Mao aufgegriffen wurde, um nach dem Scheitern des 'Großen Sprungs nach vorne' - das ihm viel politische Macht gekostest hatte- wieder an die Macht zu kommen. Die Idee der Kulturrevolution liegt in der Bekämpfung der „ Vier Alten“ , nämlich der alten Bräuche, der alten Gewohnheiten, der alten Kultur und Denkmuster, wodurch die Menschen des Staates neu, d.h. sozialistisch geformt werden sollen. Die Kulturrevolution hatte in Tibet zur Folge, dass die Religionsausübung gewaltsam unterdrücktwurde: alle bis auf 13 der Tausenden von Klöstern, die es in Tibet gab, wurden zerstört. Es gab Programme zur Umerziehung der Menschen, in denen sie dem Buddhismus abschwören sollten, um die sozialistische Ideologie aufzunehmen. Sehr viele Tibeter kamen während dieser Zeit um, man spricht von etwa einem Fünftel der vorherigen tibetischen Bevölkerung. Diese Opfer starben entweder durch Gewaltakte der Chinesen oder schlichtweg durch Hunger, der sich durch die Wirtschaftspolitikder Chinesen begründete, die die Umwälzung der Landwirtschaft beinhaltete.

1979 endete die Kulturrevolution, und die chinesische Regierung sah im Nachhinein ein, dass die Ausmaße zu große Formen angenommen hatten. Offiziell schob man die Schuld allerdings der 'Viererbande' zu, die aus vier chinesischen Spitzenpolitikern bestand. Diese Politiker wurden für ihre rigorose Politik später verurteilt.

Die Kulturrevolution zerstörte zwar den Großteil des buddhisischen kulturellen Erbes und kostete einer unheimlich großen Zahl Tibetern das Leben, dennoch schaffte sie es nicht, den buddhistischen Glauben an sich zu zerstören, denn in den Köpfen und Herzen der Tibeter existierte und exestiert er weiterhin.

Anfang der 80er Jahre kehrte zeitweilig eine gemäßigtere Politik ein, in Tibet wurden mehrere Klöster restauriert. Da das Tempo dieser Aufbauarbeiten den Chinesen allerdings zu schnell ging, wurde 1994 die

Zahl der Mönche festgelegt, und man kann seitdem nur noch Mönch werden, wenn man strenge Bedingungen der Chinesen erfüllt wie z.B. die Anerkennung der kommunisischen Ideologie oder die nachweisbarefür China sprechende politische Vergangenheit der Mönchsanwärter.

1989 entwickelten sich aus zunächst friedlichen Demonstrationen in Lhasa andauernde Unruhen, woraufhin die chinesische Regierung das Kriegsrecht über die Autonome Region Tibet verhängt. Trotzdem fanden in der Folgezeit Demonstrationen statt, die durch Verhaftungen hart gestraft wurden. Nachdem ab dem 1.März1990 wieder Touristen in das Land einreisen durften und in Bezug darauf keine Zwischenfälle stattfanden, hob die chinesische Regierung das Kriegsrecht am 1.Mai1990 wieder auf.

Heute nimmt die chinesische Regierung immer noch Einfluß auf die religiöse Freiheit der Tibeter und schränkt diese stark ein. Eine besondere Form dieser Einflußnahme ist auch die Kontrolle und Mitwirkung der Chinesen bei der Auffindung der verschiedenen Rein-karnationen der Lamas. Ein Beispiel dafür ist der Pantschen Lama, der 1989 verstarb. Der 14.Dalai Lama ernannte daraufhin seine Reinkarnation, jedoch ein von der chinesischen Regierung ernanntes Kommitee revidierte dieses Ernennung, entführte den von dem Dalai Lama ernannten neuen Pantschen Lama und setzte einen anderen Jungen dafür ein.

Der Pantschen Lama zählt heute als der jüngste politische Gefangene auf der Welt.

Auch die Ernennung der Reinkarnation des 1997 verstorbenen Reting Rinponche wurde von der chinesischen Regierung bestimmt. Das Ziel dieser Politik bezieht sich aller Wahrscheinlichkeitnach auf die in den nächsten Jahrzehnten bevorstehende Auffindung der Reinkarnation des jetzigen Dalai Lamas, der immerhin auch schon 65 Jahre alt ist. Sollte es der chinesischen Regierung gelingen, diese Reinkarnation zu bestimmen, würde eine wichtige Position des Widerstandes gegen die Politik in Bezug auf Tibet verlorengehen, die heute durch Aufklärungsarbeit der Exilregierung unter der Führung des Dalai Lamas geleistet wird.

Ab 1983 begann eine Bevölkerungspolitik der Chinesen, in der das Ziel verfolgt wird, die Tibeter in ihrem eigenen Land zur Minderheit zu machen. Das ist mittlerweile geschehen, denn es leben heute ca. 7,5 Mio. Chinesen und 6 Mio. Tibeter in Tibet, wobei die chinesische Bevölkerung auf dem neuen Arbeitsmarkt bevorzugt wird, unter den Tibetern herrscht eine große Arbeitslosigkeit.

Die Folgen dieser Sinisierungspolitik stellt wieder eine große Bedrohung für die tibetische Kultur dar, da die Überzahl der Chinesen eine Unterdrückung der Kultur zur Folge hat.

Ergänzend zu der Bevölkerungspolitik in Bezug auf das Ziel, die Tibeter zu einer Minderheit im eigenen Land zu machen, müssen sich auch die Tibeter der strengen Geburtenkontrolle unterwerfen.Hierzu gibt es viele Berichte über Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, die grobe Verstöße gegen die Menschenrechte darstellen.

Verhandlungsversuche des Dalai Lamas, in denen er die Suzeränität gegenüber China anerkennen würde, wenn die chinesische Regierung im Gegenzug die Innenpolitik der Autonomen Region Tibets durch die Tibeter selbst bestimmen lassen würde, scheiterten wiederholt an der Kompromißlosigkeit und an der mangelnden Gesprächsbereitschaft der chinesischen Regierung. Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass die chinesische Regierung auf das Ableben des Dalai Lamas hofft, da sie davon ausgeht, dadurch Tibet endgültig an sich binden zu können. Dazu ein Zitat eines vertraulichen Dokumentes, dass von einem chin. Kader verfasst und dann in einer tibetischen Tageszeitung Ende `99 in In-dien veröffentlicht wurde:

„ ...Der Dalai Lama ist nun ziemlich alt. Spätestens in 10 Jahren wird er sterben. Wenn er tot ist, ist die Tibet-Frage für immer geklärt...“

Der Dalai Lama setzt sich heute durch Öffentlichkeitsarbeit und Publikmachung seiner gewaltlosen Vorstellungen dafür ein, dass die Menschenrechtssituation in Tibet zur Kenntnis genommen wird. 1987 stellte er einen '5-Punkte-Plan' vor, in dem er seine Vorstellung für die Lösung der Tibet-Frage erläutert. Dazu gehört die Umwandlung Tibets in eine Zone der Gewaltlosigkeit, das Beenden der

chinesischen Sinisierungspolitik, Menschenrechte und demokratische Freiheiten für das tibetische Volk, Umweltschutz und die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Tibet und China.

Für seinen Einsatz für die gewaltlose Lösung der Tibet-Frage erhielt der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis.

4. Der tibetanische K reidekreis

Der Begriff des 'tibetanischen Kreidekreises' ist kein allgemein gebräuchlicher, sondern es handelt sich hier um die symbolische Anwendung der Kreidekreisgeschichte auf die Situa-tion in Tibet.

4.1 Der Kreidekreis

Die Kreidekreishandlung ist eine in mehren literarischen Werken behandelte Konfliktbe-trachtung, die eine Entscheidungs möglichkeit im Antagonismus Macht-Liebe besetzt. Chronologisch geordnet trat der Sinn der Kreidekreishandlung das erste Mal in einer Bibelgeschichte namens 'Salomons Urteil' auf. In dieser Geschichte urteilt Salomon, der neue Herrscher des jüdischen Volkes über den Streit zweier Frauen um ein Kind. Die Art seines Urteils bewies dem Volk seine Weisheit, wodurch er eine besondere Achtung erhielt. Eine weitere Kreidekreishandlung findet man in dem chinesischen Drama 'Hui-Lan Chi' von Li Ch`ien-Fu aus dem 13.Jahrhundert. 1925 schrieb Klabund das Spiel 'Der Kreidekreis', dessen Handlung er von dem chinesischen Drama aufnahm, dabei aber die Charaktere feiner zeichnete, während sie in dem Drama von Li Ch`ien-Fu eher typenhaft beschrieben sind. 1954 brachte Bertold Brecht sein Werk 'Der kaukasische Kreidekreis' heraus, in dem er ebenfalls die Rahmenhandlung erhielt, diese jedoch verfeinerte und weiter ausbaute.

Die Kernhandlung der Kreidekreisprobe läßt sich folgendermaßen beschreiben: Es geht um zwei Frauen, die im Streit um ein Kind stehen. Dazu ist es gekommen, weil eine der Frauen, die nicht die leibliche Mutter ist, Anspruch auf das Kind erhebt, da sie es sozusagen aufgezogen hat und sich als wahre Mutter für das Kind sieht. Als die beiden Frauen diese Frage gerichtlich klären wollen, macht der Richter eine Kreidekreisprobe: Er läßt einen Kreidekreis auf den Boden malen und stellt das Kind in die Mitte des Kreises. Beide Frauen sollen es nun jeweils an einer Hand nehmen und dann versuchen, es auf ihre Seite aus dem Kreis herauszuziehen.Die wahre Mutter des Kindes erkennt der Richter nun daran, dass sie das Kind losgelassen hat, um es nicht zu verletzen, da sie es liebt. Die andere Frau jedoch zog das Kind zu sich, bekam es aber vom Richter dennoch nicht zugesprochen, da er erkannte, dass ihr ihre Bedürfnisse, nämlich das Kind zu bekommen, wichtiger waren als das Wohlergehen des Kindes.

4.2 Bezug Tibets auf die Kreidekreisprobe

Ausgangspunkt der sino-tibetischen Auseinandersetzung ist der Souveränitätsanspruch Chinas auf das tibetische Staatsgebiet. Dabei sind also das tibetische Volk einerseits und die chinesische Militärmacht andererseits die Parteien im Widerstreit um Tibet.

Das tibetische Volk hat eine eigene, von China unabhängige Religion, Sprache, Schrift etc. und damit Kultur. Sein Wunsch ist es, diese Kultur ungestört und ungehindert ausüben zu können. Da das Volk schon seit beinahe 2000 Jahren in dem Hochland des Himalajas, dem Staatsgebiet lebt, befinden sich dort auch wichtige traditionelle und kulturelle, vor allem religiöse Stätten wie Klöster, Tempel etc..

China dagegen erhebt Anspruch auf Tibet aus angeblichen traditionellen Gründen der schon langandauernden festen Bindung Tibets an China, die jedoch durch viele Darstellungen und Untersuchungen dementiert ist, da feststeht, dass Tibet bis zur Besetzung durch China faktisch unabhängig gewesen ist und einen souveränen Staat darstellte.Dies zeigt sich auch schon allein durch die Errichtung eines tibet. Amtes für auswärtige Angelegenheiten in Lhasa, als sich 1943 die diplomatischen Tätigkeiten zu einer Dimension entwik-kelten, die ein solches Amt benötigte. Außerdem wurden zu dieser Zeit auch tibetische Pässe als allgemein gültige Ein- und Ausreisepapiere auf der ganzen Welt behandelt, was man als globale Anerkennung der Souveränität Tibets sehen kann (Denn wäre es nicht aus- gesprochen inkonsequent, einen Staat als nicht souverän zu bezeichnen, dessen Pässe man

allgemeingültig akzeptiert?).

Das Kind, um das es bei der Auseinandersetzung der Frauen in den Kreidekreisgeschichten geht, ist symbolisch auf die Tibet-Frage bezogen die Souveränität über Tibet in politischerund ideologischer Hinsicht.

Die 'wahre' Mutter des Kindes in der Kreidekreisgeschichte ließ bei der Kreidekreisprobe das Kind los, um den größten Schaden, nämlich eine Verletzung körperlicher Art zu vermeiden. Dadurch zeigte sie Größe, da sie ihre eigenen Bedürfnisse, nämlich das Kind bei sich zu behalten, zurückstellte und dafür das kleinere Übel für das Kind (die Mutterschaft der anderen Frau) zugelassen hätte. So war für sie das primäre Wohlergehen des Kindes sichergestellt.

Bei der symbolischen Übertragung ist nun das tibetische Volk unter der Führung des Dalai Lamas mit der 'wahren' Mutter gleichsetzen. Denn als es zu der Situation des Zerrens um das Kind, also Tibet kam, erfolgte vor allem ab 1959 kaum nennenswertergewaltsamer Widerstand. Das tibetische Volk fügte sich der ihnen gegenüberstehenden chinesischen Macht, und stellte das Bedürfnis, die Souveränität über Tibet zu behalten, hintenan, um den Fortbestand der tibetischen Kultur, insbesondere der Religion des

Buddhismus, zu-mindest in den Herzen und Köpfen der Tibeter, sicherzustellen.

China hingegen riss die Souveränität über Tibet gewaltsam an sich und ist so mit dem symbolischen Charakter der das Kind nicht verdienenden Frau gleichzusetzen.

Gerade durch sein gesamtes Handeln gegenüber der tibetischen Kultur beweist China, dass es die Souveränität und Herrschaft über Tibet nicht verdient. China setzt seine Vorstellungen in Bezug auf die Anerkennung seiner Ideologie und des Erreichens eines perfekt funktionierenden sozialistischen Staates auf eine brutal machtpolitische Weise durch Gewaltakte durch, ohne Rücksicht auf die tibetische Kultur. Diese Kultur stellt für China sogar eine Bedrohung dar, da sie durch ihre Philosophie der kommunistischen Ideologie im Wege steht. Die Zerstörung dieser Kultur und Ideologie des Lebens hat nichts mit Liebe oder Anerkennung für das tibetische Volk zu tun.

Es bleibt noch die symbolische Position des Richters zu klären: bisher gab es keine dem Kreidekreis entsprechende Richterfigur oder - institution, die ein vergleichsweise weises, die Tibet-Frage beendendes Urteil gesprochen hat.

Allerdings gibt es Institutionen, die die Aufgabe hätten, gemäß den Maximen des Kreidekreisrichters zu handeln:

Zunächst einmal regelt das Völkerrecht zwischenstaatliche Beziehungen. Das Völkerrecht ist verfasst worden durch die UNO. Und hier stellt sich ein Problem: China hat Verstöße gegen Gesetze und Bestimmungen wie das Völker- und auch das Menschenrecht begangen, obwohl sie beide anerkannt und unterzeichnethat. Somit fällt die Behandlung dieser Angelegenheit unter das Aufgabengebiet der UNO. Jedoch diese ist hier handlungsunfähig, da China eines der fünf Mitglieder des ständigen Sicherheitsrates der UNO ist und dadurch einen großen Machtfaktor in Bezug auf die Handlungen der UNO darstellt (Vetorecht).

Auch außerhalb der UNO hat China faktisch gesehen ein großes Machtpotential, schon alleine durch seine hohe Bevölkerungsanzahl und militärische Größe. Daher wagen es die Staaten dieser Welt nicht, sich gegen China aufzubäumen und dadurch ein großes Risiko der internationalen Sicherheit einzugehen. Der wirtschaftliche Faktor spielt ebenfalls eine große Rolle, da es einige Staaten gibt, die von China abhängig sind (auch für Deutschland ist China wirtschaftlich gesehen relativ wichtig). Auch der Versuch der wirtschaftlichen Isolation z.B. durch die USA, die für die chinesische Wirtschaft eine große Rolle spielt, zur Durchsetzung der Achtung der Menschenrechte wäre risikohaft, da dies erhebliche negative Konsequenzen für unschuldige und nicht am Konflikt beteiligtePersonen haben würde.

5. K onflikt um Selbstbestimmung

5.1 Definition Selbstbestimmung

Selbstbestimmung ist die Möglichkeit zu individuellen gesellschaftlichen oder politischen Handlungen. Dies ist nur möglich, wenn eine eventuell herrschende Fremdbestimmung aufgehoben worden ist, und bedeutet dann, dass ein autonomes Objekt (Gesellschaft oder Staat) die Möglichkeit hat, frei gemäß der eigenen Vernunft zu handeln und in diesem Zuge Gesetze, Normen und Regeln dieses Handelns selber zu entwerfen.

Im Völkerrecht ist das Selbstbestimmungsrecht ein zu den Grundrechten eines jeden Staates oder einer jeden Nation gehörendes Recht, dass beinhaltet, dass diese Staaten und Nationen das Recht haben, sich selber politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell frei zu bestimmen.

Die UN-Charta hat das Recht der Selbstbestimmung zu einem ihrer grundlegenden Ziele erklärt. Außerdem hat die KSZE dieses Recht 1975 in seiner Schlußakte bekräftigt.

Die tibetische Exilregierung beschreibt Selbstbestimmung als das Recht der Menschen, „ to determine their own political status and to determine their econemic, social and cultural development“, wobei sie sich auf die 'International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights' und auf die 'Intenational Covenant on Civil and Political Rights' bezieht.

5.2 Selbstbestimmung?

Das Recht des auf Selbstbestimmung ist dem tibetischen Volk seit der Übernahme durch China entsagt worden. China nahm die Entscheidungsgewalt in nahezu sämtlichen Gebieten der Gesellschaft an sich und bestimmte nach seinen Vorstellungen das politische System und die ökonomische, kulturelle und soziale Entwicklung Tibets. Somit entsagte die chinesische Regierung dem tibetischen Volk sein völkerrechtlich festgelegte Recht auf Selbstbestimmung.

Die tibetische Exilregierung schildert in einem Dokument namens 'The Status of Tibet' ih-re Position gegenüber dem Begriff 'Selbstbestimmung', vor allem im Bezug auf die ihr selbst wiederfahrene Situation. Es wird beschrieben, dass dem tibetischen Volk die Wahl über seine Lebensweise genommen worden ist. Diese Wahl hätte dem Volk aber zugestan-den, was auch UN-Resolutionen, in denen China aufgefordert wurde, in seiner Tibet-Poli-tik die Rechte auf Menschenrechte, Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung mitein-zubeziehen, zeigen.

Auch die Internationale Juristenkommision beschäftigtesich 1992 mit dem Recht der Selbstbestimmung des tibetischen Volkes, und kam zu dem Schluß, dass ihm das Recht der Selbstbestimmung entsagt worden wäre, das ihm jedoch zustände. Stattdessen wird Tibet durch die Fremdherrschaft der Chinesen verwaltet.

Die gewaltlose Haltung und auch die Öffentlichkeitsarbeit des Dalai Lamas drücken den Wunsch nach Selbstbestimmung in Form von der Möglichkeit, die autonome Region Tibet eigenmächtig verwalten zu können, aus. Diese Position Tibets wird auch durch verschiedene Zitate des Dalai Lamas deutlich, z.B.: “ Wie ich schon viele Male gesagt habe, will ich lediglich, dass das tibetische Volk die Gelegenheit zu echter Selbstbestimmung erhält, um seine Zivilisation zu bewahren und die einmalige tibetische Kultur, Religion, Sprache und Lebensart zu pflegen und zu entwickeln“

Aufgrund dieser Informationen läßt sich sagen, dass die Selbstbestimmung ein wichtiges Kriterium für das tibetische Volk ist. Denn es geht den Tibetern schon länger gar nicht mehr darum, ihre volle Souveränität über Tibet wiederzuerlangen, sondern viel größer ist der Wunsch, sich selber bestimmen zu können.

Dieses Anliegen wird von den Chinesen allerdings nahezu komplett ignoriert. In einem von der chinesischen Regierung herausgebrachtensogenannten Weißbuch, in dem die angeblichen Verbesserungen in den menschenrechtlichen Verhältnissen in Tibet und China beschrieben sind, wird die Selbstbestimmung gar nicht angesprochen. Auch ansonsten war es nicht möglich, Zitate oder Stellungnahmen über die Selbstbestimmung der Tibeter von den Chinesen zu bekommen. Dies verdeutlicht, dass die chinesische Politik eine große Ignoranz gegenüber den tibetischen Bedürfnissen

beinhaltet, denn ohne Rücksicht auf den Willen des Volkes wurde und wird eine Politik nach sozialistisch- diktatorischenGrundla-gen geführt, deren Ergebnisse als Fortschritte in der tibetischen Gesellschaft propagiertwerden. Die Tatsache, dass die Mittel dieser Politik die Selbstbestimmung der Tibeter un- tergraben und dass es sich um Mittel handelt, die der Natur der tibetischen Kultur wider-sprechen, verdeutlicht die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Positionen in Bezug auf die Einstellung gegenüber der Notwendigkeit der Selbstbestimmung des tibetischen Volkes. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die chinesische Regierung den Tibetern die Selbst-bestimmung entsagt, da sie befürchtet, durch die Zulassung derselben die Kontrolle über Tibet zu verlieren, da dies sicherlich eine andere Gesellschaftsform als erwünscht zur Kon-sequenz hätte.

5.1 Definition 'Konflikt'

Das Wort 'Konflikt' kommt aus dem lateinischen (confligere) und bedeutet dort „ zusammenschlagen, zusammenstoßen, aneinandergeraten “ .

Es beschreibt einen Zwiespalt, eine Auseinandersetzung oder einen Streit zwischen Personen, Staaten, Gruppen o.ä.. Ein Konflikt kann aber auch die Bezeichnung für einen inneren Widerstreit von Motiven, Wünschen und/oder Bestrebungen sein.

Ein Konflikt entsteht aus einem Interessengegensatz, woraus Auseinandersetzungen unterschiedlicher Intensität und Gewaltsamkeit zwischen Personen, Gruppen, Organisationen, Gesellschaften, Staaten oder Staatengruppen folgen. Die Interessengegensätze können aus unterschiedlichenAnsichten über Werte, Lebensziele, Status-, Macht-, oder Verteilungs-verhältnisse entstehen, aber auch aus gegensätzlichen Motivationen und psychischen An-trieben oder durch verschiedene Meinungen über Ansprüche an gesellschaftliche Ord-nungen.

5.3 Konflikt?

In der sino-tibetische Beziehung stehen sich Antagonisten gegenüber, die Interessen in verschiedenen Ebenen der Geisteshaltung vertreten. Tibet geht es, wie oben schon beschrieben, um Selbstbestimmung zur Auslebung seiner Kultur. Dieses Ziel soll durch eine Haltung der Gewaltlosigkeit und durch Dialoge erreicht werden. China hingegen hat das Ziel, Tibet völlig in seinen Staat einzubeziehen, was bedeutet, dass die tibetische Kultur der Chinesischen weichen soll. Um dies zu erreichen, wird vor militärischer Gewalt nicht ge-scheut.

Daher läßt sich sagen, dass es sich hier um einen Interessengegensatz in Bezug auf unterschiedliche Ansichten über die 'richtige' Staats- und Gesellschaftsform Tibets geht. Diese unterschiedlichenAnsichten und Geisteshaltung führten zu einer Auseinandersetzung, die durchaus als Konflikt bezeichnetwerden kann.

Allerdings gibt es an diesem Konflikt eine Besonderheit: da die Antagonisten verschiedene Geisteshaltungen in Bezug auf Anwendung von Gewalt vertreten, handelt es sich nicht um einen Konflikt, bei dem mit gleichen Mitteln bzw. Waffen gekämpft wird.

Chinesische militärische Gewalt steht einer Gewalt verabscheuenden Ideologie gegenüber. Somit findet der Konflikt auf zwei verschiedenen Ebenen statt: zum einen wird das tibetische Volk gewaltsam unterdrücktund dem äußeren Anschein nach in die chinesische Staatsform gepresst, da die Tibeter gegen diese Form der Gewalt machtlos sind. Andererseits kann China nichts gegen die gewaltlose Geisteshaltung des tibetischen Volkes unternehmen, da diese Haltung eine 'leise Macht' darstellt, die die Chinesen nicht beherrschen. Somit wird die Ideologie der tibetischen Kultur von den Chinesen in den Herzen der Tibeter nicht zerstört werden können.

5.5 Konflikt um Selbstbestimmung?

Für Tibet geht es um das Bedürfnis nach Selbstbestimmung. China hat vor allem ein Interesse an Machtexpansion, infolgedessen auch daran, daß Tibet sich nicht selbst bestimmt. Denn eigentliches Ziel

Chinas ist es, Tibet völlig unterzuordnen.

Da es sich also um unterschiedlicheAnsichten über den Gegenstandsbereich der Selbstbestimmung Tibets handelt, muß man von einem 'Konflikt um Selbstbestimmung' reden.

Allerdings wird dieser Konflikt nicht mit gleichen Mitteln ausgetragen, denn die chinesische Militärgewalt steht einer leisen Macht der unzerstörbarentibetischen Ideologie gegenüber.

6. Fazit

Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass man es bei den sino-tibetischen Beziehungen sowohl mit einem kreidekreisähnlichen Konfliktumgang als auch mit einem Konflikt um Selbstbestimmung zu tun hat:

Die wahre Mutter der Kreidekreishandlung wird von dem tibetischen Volk unter der Führung des Dalai Lamas dargestellt,die das Kind, nämlich die Bestimmung über Tibet, nicht verdienende Frau ist China. Eine mögliche Richterinstanz für die Kreidekreishandlung konnte in der Institution der UNO dargestellt werden, die jedoch in der Abwägung einer singulären gegenüber einer globalen Interessenvertretung sich bisher zugunsten der letzteren entschieden hatte.

Mit dem Andauern des Konfliktes ließ Tibet zunehmend mehr vom Gegenstand des zu Bestimmenden los

- es blieb vor allem der ideologische Anteil - , hier vor allem die Religion des Buddhismus, während auf der anderen Seite China seine Machtexpansion weiter ausdehnt, wobei es Gefahr läuft und wohl auch bewußt riskiert, Volk und Kultur von Tibet zu zerstören.

Eine Sicht in die Zukunft läßt den Fortgang dieser tibetischen Kultur und Menschen ungewiß erscheinen - der machtpolitische Versuch eines Zugriffes Chinas auch auf die tibetische Religion durch Einflußnahme auf die Ernennung der Reinkarnationen von hochgestelltenLamas ist sicher nur ein ohnmächtiger Versuch der Kontrolle auch über diesen Bereich.

Möglicherweise müßte man sehr weit in die Zukunft sehen können, um eine Prognose über den Fortbestand der buddhistischen Idee anstellen zu können. In dem ungleichen Kampf von Liebe (zum Buddhismus) gegen Macht (über das Territorium) mag sich durchaus ersteres langfristig durchsetzen.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Tibet. Der tibetische Kreidekreis - ein Konflikt um Selbstbestimmung?
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2000
Seiten
10
Katalognummer
V102611
ISBN (eBook)
9783640009916
Dateigröße
359 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Facharbeit bezieht die Geschichte des Kreidekreises auf den Konflikt in/ um Tibet. Daher wird zunächst der tibetische Konflikt erläutert und später auf die Kreidekreisgeschichte bezogen.
Schlagworte
Tibet, China, Kreidekreis
Arbeit zitieren
Sabine Klein (Autor:in), 2000, Tibet. Der tibetische Kreidekreis - ein Konflikt um Selbstbestimmung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102611

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Tibet. Der tibetische Kreidekreis - ein Konflikt um Selbstbestimmung?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden