Der Verfall der deutschen Sprache


Referat / Aufsatz (Schule), 1998

3 Seiten, Note: 12


Leseprobe


Der Verfall der deutschen Sprache

Die sinnlose Anfütterung der deutschen Sprache mit Amerikanismen ist nicht übersehbar und längst zum Ärgernis geworden.

Nie zuvor wurde so verschwenderisch mit Wörtern und Begriffen aus dem Englischen und Amerikanischen umgegangen wie heute.

Es gibt Leute, die in dieser Entwicklung nichts negatives sehen, ja sie sogar befürworten, da sie angeblich eine Bereicherung für die deutsche Sprache darstelle, etwa aufgrund der Griffigkeit und Lockerheit vieler moderner englischer Lehnwörter gegenüber möglichen deutschen Entsprechungen. Und gegen diese Spracherweiterung wäre auch nichts einzuwenden, wenn diese maß- als auch sinnvoll geschehen würde, so daß der Organismus der Sprache nicht geschädigt würde. Denn auch Goethe stellte schon seinerzeit fest, daß sich die Kraft einer Sprache darin auszeichne, daß sie Fremdwörter nicht ausmerzt, sondern sie ,,verschlingt" und damit den Wortschatz erweitert.

Aber der Umfang und die Geschwindigkeit, mit denen sich das Amerikanische in der deutschen Sprache breitmacht, kann von ihr nicht bewältigt werden, und das umso weniger, als diesem Vorgang in den meisten Fällen jeder Sinn abgesprochen werden muß. Denn die Übernahme des Wortguts aus anderen Sprachen dient ja bekanntlich der Würzung und, wenn man so will, Erfrischung der eigenen Sprache und trägt zu deren Wachstumsprozeß bei. Genau davon, meine Damen und Herren, kann aber nicht die Rede sein, wenn deutsche Begriffe einfach massenweise durch Amerikanismen bzw. Anglizismen ersetzt werden.

Die Sprache wird dabei nicht gewürzt oder bereichert, sondern in ihrer Entwicklung gestört und vergiftet. Man kann diesen Prozeß mit dem Biertrinken vergleichen. Wenn man zwei, drei Glas Bier trinkt, verkraftet das der Körper gut, die Wirkung kann sogar erfrischend sein. Trinkt man aber zehn Glas Bier hintereinander, so wird man besoffen. In beiden Fällen ist der Organismus letztendlich vergiftet - hier der menschliche, dort der sprachliche.

Die gedankenlose Übernahme englischer Ausdrücke in Fällen, in denen bereits vorhandene deutsche Äquivalente mindestens genauso gut und ästhetisch wären (wie z. B: joggen statt laufen, traben, recyceln statt wiederverwerten oder Ticket statt Fahrkarte) zeigen, daß es hier weder um das griffige Wort noch um den klassischen Fall der Übernahme von Sachen mit ihren Namen geht, sondern um den Versuch ein bestimmtes, als modern empfundenes Image zu vermitteln.

Es ist der amerikanische ,,Life style", der hier kopiert wird. Der deutsche Lebensstil wird plötzlich nicht mehr als attraktiv empfunden. Deswegen wundert es mich gar nicht, daß viele Leute meinen, die früher gebrauchten deutschen Ausdrücke seien hausbacken., unmodern und überholt. Es empört mich, und ich glaube, es wird Ihnen ähnlich gehen, meine Damen und Herren, daß aus irgend einem, mir nicht verständlichen Grund viele ein mit Amerikanisch verpapptes Deutsch als frischer, spannender, ,,fetziger" empfinden.

Natürlich passiert es, daß wenn ich mir die eigene Sprache abgewöhne und sie mir dann irgend wann wieder höre, sie mir sie mir seltsam fremd und altmodisch oder, um im Kitsch der Zeit zu sprechen, ,,out" erscheint. Nun verraten Sie mir doch bitte, meine Damen und Herren, wieso ,,Highlight" attraktiver und moderner als ,,Höhepunkt" sein soll, oder warum ein Lied nun auf ein Mal zu einem Song geworden ist? Etwa weil es zu lang und unästhetisch ist? Nein, meine Damen und Herren, ich kann und will das nicht verstehen!

Der Eindruck ist, und das muß ich jetzt leider feststellen, daß sich die deutschen selbst von ihrer Muttersprache abwenden, so nach dem Motto ,,was deutsch ist, ist nicht modern, und was modern ist, ist nicht deutsch", wobei man meint, daß mit dem Verzicht auf die eigene Sprache und damit auf die eigene Kultur Weltoffenheit und Internationalismus demonstriert werden könne.

Die deutschen vertreten ihre Muttersprache nicht selbstbewußt nach außen und lassen sie nach innen verkommen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, daß die deutsche Sprache, obwohl Kommunikationsmittel der größten Sprachgemeinschaft Europas, in den Organisationen und Institutionen des zusammenwachsenden Europas mehr als stiefmütterlich behandelt und blockiert wird.

Es ist nicht die Wortschatzerweiterung, sondern etwas anderes, was die deutsche Sprache bedroht: und zwar ihre Preisgabe zugunsten des Englischen, ihre Nichtverwendung in immer mehr Kommunikationsbereichen, vor allem als Sprache der Wissenschaft und der Technik. Dies erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, daß die deutsche Sprache zum Anfang des 20.Jahrhunderts als Technik - und Wissenschaftssprache schlechthin galt und ein so hohes Ansehen besaß, daß es schon fast undenkbar war, daß ein Wissenschaftler oder Universitätsprofessor nicht Deutsch konnte. Um 1920 erschienen weitaus mehr wissenschaftliche Publikationen aus aller Welt auf Deutsch als auf Englisch. Die deutsche Sprache hatte zu dieser Zeit einen erheblichen Einfluß auf andere Sprachen Europas gehabt. So gibt es auch in meiner Muttersprache sehr viele deutsche Begriffe und Ausdrücke nicht nur im Bereich der Technik oder Wissenschaft.

Doch diese führende Stellung in der wissenschaftlichen Kommunikation verlor Deutsch in den späten 30-er und den 40-er Jahren, also in der Zeit des Nazismus. Der NS-Staat und sein Antisemitismus, schließlich die deutsche Kriegsaggression und der Holocaust im 2.Weltkrieg führten nicht nur zu einer internationalen Abwendung von der deutschen Sprache. Es war auch die Flucht vieler deutscher (oft jüdischer) Wissenschaftler und der sich nach dem Kriegsende fortsetzende ,,brain drain" in die USA, der dem Deutschen als Wissenschaftssprache zunächst auch personell Grundlage entzog. Dazu kam in der Nachkriegszeit eine sich steigernde Hinwendung zum Englischen unter den Wissenschaftlern der Nachbarländer.

Die immer öftere Nichtverwendung der eigenen Sprache seitens deutscher Wissenschaftler bei Publikationen oder Kongressen hat diesen Rückgang des Deutschen in der Wissenschaft auch von innen heraus beschleunigt. Denn wenn immer häufiger deutsche Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse nur noch in Englisch veröffentlichen (obwohl sie auch in Deutsch zur Kenntnis genommen würden), dann entfällt mit der Zeit für ausländische Wissenschaftler oder Professoren die Motivation, eine Sprache zu erlernen, die die Deutschen selbst nicht mehrt gebrauchen; sie entfällt auch wenn Fachkongresse in Deutschland die eigene Sprache nicht mehr als Konferenzsprache vorsehen, oder wenn Politiker oder Geschäftsmänner im internationalen Kontakt auf die deutsche Sprache verzichten.

Die Verantwortung für diesen Skandal tragen u.a. die Mächtigen in den Medien und die fehlende Führung durch eine politische und gesellschaftliche Schicht, die sich der Muttersprache und damit der Kultur verantwortlich fühlt. In Frankreich zum Beispiel gibt es diese Schicht, und von dort aus werden die Deutschen gemahnt, ihre Sprache genauso zu verteidigen wie es die Franzosen mit der ihrigen tun.

In Deutschland hingegen wartet man vergeblich auf den ,,Ruck", den sich die politische Führung geben müßte, um die deutsche Sprache zu retten. Im Gegenteil, von der Produktwerbung in den Medien fasziniert, wand sich die CDU bei den letzten Bundestagswahlen auf Englisch mit ,,keep Kohl" an die Wähler. Eine Werbeschrift ihrer Jugendarbeit lautete: ,,let's talk abot you".

Die Junge Union (JU) rief unterdessen der deutschen Jugend zu: ,,Touch the future".

Der Erfolg dieser erstaunlichen Strategie, den dt. Wähler in fremder Sprache anzureden, bleibt zumindest fraglich.

Denn in der deutschen Öffentlichkeit besteht ein viel größeres Empfinden für die eigene Sprache als es in die Köpfe dieser Werbestrategen will. 60 Prozent der deutschen halten nämlich die gegenwärtige Sprachentwicklung für ,,bedenklich", und diejenigen, die darüber erfreut sind, erreichen nicht einmal die 5 Prozent.

Fest steht jedenfalls, daß eine lebende Sprache, vergleichbar mit einem Organismus, nur dann voll leistungsfähig bleiben kann, wenn alle ihre Funktionen regelmäßig genutzt werden. Anderenfalls kommt es zu Degenerationserscheinungen und zum Absterben bestimmter Funktionen. Ist aber dieses Stadium erst einmal eingetreten, besteht die Gefahr, daß auch andere Funktionsbereiche betroffen werden oder gar die Sprache als Kommunikationsmittel ausstirbt.

Läuft daher die Sprachentwicklung in Deutschland weiter wie bisher, muß nach Einschätzung des Tokioter Soziolinguisten Florian Coulmas die Möglichkeit anerkannt werden, daß die deutsche Sprache durch ihren ständig zurückgehenden Gebrauch auf lange Sicht Funktionseinschränkungen erleidet, die zu ihrer Wertminderung führen können.

Aber die Tatsache, daß sich in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit in erstaunlich kurzer Zeit ein kritisches Bewußtsein gegenüber der Verschmutzung und Vergiftung unserer Umwelt in Politik und Wirtschaft herausgebildet hat, läßt hoffen, daß die Gesellschaft früher oder später auch erkennt, daß man mit der Vernachlässigung und der nicht selbstbewußten Vertretung der eigenen Sprache keine Weltoffenheit und Internationalismus demonstrieren kann, sondern so die Zerstörung der deutschen Kultur und des deutschen Nationalbewußtseins bewirkt.

Man muß verhindern, meine Damen und Herren, daß Deutsch, die älteste lebende Schrift- und Kultursprache in Europa, die eine so große Rolle in der Weltkultur und -geschichte gespielt hat und einen enormen Einfluß auf andere Sprachen gehabt hat, in Bedeutungslosigkeit gerät oder sie gar das gleiche Schicksal ereilt wie Latein.

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Der Verfall der deutschen Sprache
Note
12
Autor
Jahr
1998
Seiten
3
Katalognummer
V102503
ISBN (eBook)
9783640008858
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ich frag` mich wann die Leute endlich kapieren werden, dass kein Volk ohne Besinnung zu seiner Kultur auf lange Sicht existieren kann. Und die Tatsache, dass die deutschen ihre eigene Sprache verpöhnen, zeugt nicht gerade von so oft zitiertem "gesunden Nationalstolz", den doch all die Politiker statt dem unbeliebten und dabei doch so neutralen "Nationalismus" zu pflegen bevorzugen. Es! verwundert mich immer wieder, dass ich - gebürtiger Russe - mir mehr Sorgen über die Zukunft der deutschen Nation mache, als die meisten Deutschen selbst. Denkt mal drüber nach Leute.
Schlagworte
Verfall, Sprache
Arbeit zitieren
Viktor Weinberg (Autor:in), 1998, Der Verfall der deutschen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102503

Kommentare

  • Gast am 4.10.2002

    Ein alter Pascal-Hase.

    Na da hab ich mich ja gefreut als ich deine Arbeit hier gefunden hab. Sie ist ausgeprochen gut und hilft mir wirklich, wirklich weiter. Ein kleiner Denkanstoß und noch dazu von einen alten Pascaler, so wie ich einer bin. Das macht mich doch froh und da schwelgt man gleich wieder in Erinnerungen an das gute, alte Pascal-Gymnasium in Berlin. hach ja... :)
    Danke schön!

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Titel: Der Verfall der deutschen Sprache



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