Assistenz (Selbstbestimmtes Leben)


Referat (Ausarbeitung), 1999

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Thema des Referates

2. Hauptteil
2.1 Geschichte der Independent Living Bewegung in Amerika
2.2 Independent Living
2.3 Peer Support
2.4 Besondere Themen im Peer Support
2.5 Geschichte der Independent Living Bewegung in Deutschland
2.6 Grundsätze der ISL e.V
2.7 Anwendung von Peer Support

3. Schlußteil
3.1 Eigene Gedanken zum Thema

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung :

1.1 Thema des Referates

Das Thema dieser schriftlichen Ausarbeitung ist die Assistenz.

Zunächst möchte ich auf die Assistenz in Amerika eingehen und erst anschließend vergleichend dazu die Assistenz in Deutschland vorstellen. Allgemein ist jedoch zu bemerken, daß die Möglichkeiten der Assistenz für Behinderte Menschen sehr weit gefächert sind. Neben vielen verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Assistenz gibt es auch eine grobe Unterscheidung zwischen Assistenz von Nicht-Behinderten ausgeführt und Assistenz von Behinderten ausgeführt. Ich möchte mein Hauptaugenmerk auf die letztere Form der Assistenz, die von behinderten Menschen geleistet wird, richten.

Den betroffenen Behinderten geht es vorrangig darum, daß sie sich mit anderen betroffenen über alltägliche Probleme wie z.B. Einkaufen oder ähnliches austauschen können. Oft fällt es ihnen schwer, sich Nicht-Behinderten anzuvertrauen, da diese mit den Problemen nicht vertraut sind und es zu Mißverständnissen kommen kann.

Durch den Austausch mit „Gleichgestellten“ werden manche behinderte Menschen selbständiger und lösen sich aus der Bevormundung der Familie, die es oft zwar gut meint, den betroffenen aber keine Chance gibt, sich frei zu entfalten.

Früher gab es keine Institutionellen Möglichkeiten eines solchen Austausches. Das Aufeinandertreffen von Behinderten blieb dem Zufall überlassen und geschah deshalb auch sehr selten. Immer öfter jedoch stellten die Betroffenen fest, daß der Austausch mit Gleichbetroffenen sehr hilfreich und nützlich war, und da die traditionellen Behindertenverbände sich scheinbar mit der Aussonderung und Entmündigung Behinderter arrangiert hatte, da es Gang und Gäbe war, behinderte Kinder in Sonderschulen und behinderte Erwachsene in Behindertenwerkstätten zu schicken, wurde es notwendig für die Behinderten, sich institutionell zusammen zu schließen. So enstand 1972 das erste von Behinderten betriebene und geleitete Beratungszentrum „ Centre for Independent Living “ in Berkeley / Kalifornien, das auf dem Prinzip des Peer Support, also der Unterstützung Behinderter durch Behinderte, basierte, auf das ich später noch näher eingehen werde.

2. Hauptteil :

Im Hauptteil werde ich die Geschichte der Independent Living Bewegung aufzeichnen, sowie die Begriffe „Independent Living“ und „Peer Support“ erläutern. Außerdem möchte ich auf besondere Themen des Peer Support in USA eingehen.

Anschließend werde ich die Geschichte der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung in Deutschland darstellen und die Grundsätze der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben erläutern. Zum Schluß werde ich auch die Anwendung des Peer Support in Deutschland zeigen.

2.1 Geschichte der Independent Living Bewegung in Amerika

In folgendem Kapitel werde ich die Geschichte der bereits erwähnten Independent Living Bewegung aufzeichnen.

Die Independent Living Bewegung gibt es schon seid etwa 1962, auf ihr basiert das spätere Centre for Independent Living. In Jahr 1962 wird erstmals vier schwerbehinderten Studierenden ermöglicht, aus einer Privatklinik auszuziehen, die abgelegen vom Campus liegt, und in Wohnungen zu ziehen, die nahe dem Campus liegen und behindertengerecht modifiziert sind. Außerdem erkämpft sich im selben Jahr Ed Roberts , an Armen und Beinen gelähmt und an ein Beatmungsgerät angewiesen, die Zulassung zur University of California in Berkeley. Er wird somit zum „Vater“ der Bewegung.

Die erste Organisation behinderter Studierender formiert sich Ende der sechziger Jahre zu den „ Rolling Quads “, den rollenden Tetraplegikern1, woraufhin 1970 das Physically Disabled Students Program an der University of California in Berkeley aufgebaut wird. Somit wird den Behinderten ermöglicht, ein Leben in der Gemeinde zu führen.

1972 wird wie schon erwähnt das erste „ Centre for Independent Living “ ebenfalls in Berkeley gegründet. Die Notwendigkeit dieses Centres besteht, da viele betroffene bereits zu Ende studiert haben und somit keinen Anspruch mehr auf die angebotenen Dienstleistungen der Universität haben. Man erschafft für diese also ein Dienstleistungssystem außerhalb der Universität, in der Gemeinde und für die Gemeinde.

Diese Centres verbreiten sich sehr schnell in ganz Amerika, so entstehen z.B. auch in Houston, Chicago oder Boston diese Institutionen.

Nach langen Demonstrationen und einer 27-tägigen Besetzung des Department of Health, Education and Welfare in San Francisco durch 150 Behinderte tritt 1977 das Gesetz PUBLIC LAW 93-112, SECTION 504 in Kraft. Es besagt:

„ Kein ansonsten qualifizierter Behinderter darf auf Grund seiner

Behinderung ausgeschlossen werden von der Teilhabe an einem

Programm oder einer Aktivit ä t, die finanzielle Unterst ü tzung durch den Bunde erh ä lt. Ihm d ü rfen weder deren Vorteile vorenthalten werden, noch darf er Diskriminierungen ausgesetzt sein. “

Bereits 1986 existieren in ganz USA mehr als 300 Zentren, die jedoch nicht alle den Grundsätzen der Bewegung entsprechen.

Eine erneute Verabschiedung eines Gesetztesvorhabens wird 1990 errungen. Es geht hier um ein Verbot gegen Diskriminierung von Seiten privater Organisationen. Dieses Gesetz besagt unter anderem, daß alle öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse, Züge und auch deren Haltestellen und Bahnhöfe behindertengerecht umgebaut werden müssen. Auch neue Einrichtungen wie etwa Restaurants müssen so gebaut, und alte umgebaut werden, daß ein Behinderter Mensch sie ohne jegliche fremde Hilfe benutzen kann. Und Arbeitgeber müssen darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine Diskriminierung Behinderter bei der Einstellung nicht nur verboten ist sondern auch mit Sanktionen für den Arbeitgeber belegt wird.

Dieses Amerikanische Gesetz trägt dazu bei, das sich auch in Deutschland eine Bewegung für ein Gleichstellungs- und Anti-Diskriminierungsgesetz für Behinderte formiert.

2.2 Independent Living

In diesem Kapitel möchte ich wie bereits erwähnt das Independent Living näher erläutern.

Man kann es mit „Selbstbestimmtes Leben“ übersetzen, worauf die Behinderten auch großen Wert legen. Denn eine Übersetzung mit „selbständig“ oder „unabhängig“ bezieht sich eher auf physische Aktivitäten, wogegen sich „selbstbestimmt“ auf einen Entscheidungsprozess bezieht. Treffend hat es Judith Heuman vom World Institute on Disability formuliert:

„Für uns bedeutet Independent Living nicht die eigenständige Ausübung von physischen Tätigkeiten. Es bedeutet, in der Lage zu sein, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen. Es ist ein Denkprozess, unabhängig von einem ‚normalen Körper‘.“.

Auch Frieden, Richards, Cole und Bailey haben eine passende Definition von Independent Living, die 1979 vom Institute for Rehabilitation and Research (TIRR) veröffentlicht wurde. Darin heißt es:

„Independent Living bedeutet Kontrolle über das eigene Leben [...]. Dies umfaßt die Regelung der eigenen Angelegenheiten, die Teilnahme am alltäglichen Leben in der Gemeinde, die Ausübung einer Reihe von sozialen Rollen, das Treffen von Entscheidungen die zur Selbstbestimmung führen, und die Minimierung von physischen und psychischen Abhängigkeiten von Anderen.“

Das Independent Living, bzw. das Selbstbestimmte Leben wird erst durch die „Persönliche Assistenz“ ermöglicht. Auch hier wird großen Wert auf die Begriffswahl gelegt. Würde man den Begriff „Helfer“ benutzen würde man die Behinderten mit „hilflos“ assoziieren, doch nur diese wissen, welche Hilfe sie benötigen. Sie befinden sich also in einer Arbeitgeberrolle mit all ihren Rechten und Pflichten. Die Behinderten die eine persönliche Assistenz benötigen haben also die Aufgabe, selbst diesen Assistenten auszusuchen, ihre Forderungen selbst zu stellen, sich um die Bezahlung des Assistenten zu kümmern, sie haben aber auch das Recht, dem Assistenten eventuell zu kündigen, sollte er ihren Forderungen nicht zu ihrer Zufriedenheit nachkommen. Sie sind also keineswegs hilflos.

2.3 Peer Support

Auch auf den Begriff des „Peer Support“ möchte ich im folgenden näher eingehen.

Übersetzen läßt er sich mit „Unterstützung durch Ebenbürtige oder Gleiche“.

1981 hat die Study Group on Peer Counseling as a rehabilitation resource folgende Definition herausgebracht:

„Peer Support ist Hilfe, die von einer behinderten Person zur Verfügung gestellt wird, die über behinderungsbedingte Erfahrungen und Kenntnisse sowie über Fähigkeiten, mit der eigenen Behinderung umzugehen, verfügt. Sie assistiert anderen behinderten Individuen und entscheidenden anderen Personen im Umgang mit ihren behinderungsspezifischen Erfahrungen.“

Die Idee des Peer Support ist jedoch nichts neues in der Geschichte der Menschheit. Schon immer haben sich Menschen mit ähnlichen Schwierigkeiten zusammen geschlossen um sich bei der gegenseitigen Überwindung der Probleme zu unterstützen, als Beispiel gäbe es da die Anonymen Alkoholiker, die Kriegsveteranen, Spieler, Homosexuelle und noch viele andere mehr. Bis diese Idee aber die Behindertenarbeit erfaßte dauerte es einige Zeit. Dann jedoch wurde sie zu einem wichtigen Stützpfeiler in der Bewegung.

Neben dem Peer Support werden auch andere Dienstleistungen in der Bewegung angeboten, wie z.B. die Bereitstellung von

Gebärdensprachdolmetschern, Vorlesern, oder Assistenten, die Notizen während des Unterrichts machen und bei Laborarbeiten und in der Bibliothek assistieren. Auch soll gewährleistet sein, daß alle Veranstaltungen für Behinderte zugänglich sind.

2.4 Besondere Themen im Peer Support

Es gibt im Peer Support bestimmte Punkte die eine besondere Aufmerksamkeit und Bearbeitung erfordern.

Da wäre zuerst einmal die Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung. Sie steht ganz am Anfang jedes Peer Support und es ist äußerst wichtig, daß die Behinderten ihre eigene Situation richtig auffassen und einschätzen lernen. Sie müssen ihre individuellen wie auch die kollektiven Probleme erfassen um sich über deren Lösungsmöglichkeiten Gedanken machen zu können.

Auch das erlernen von sozialen Fähigkeiten ist sehr wichtig, da dies oft durch eine Überbehütung der Familie vernachlässigt und erschwert wird. Viele Behinderten hatten nicht die Möglichkeit, als Kinder mit anderen Kindern, behindert oder nicht-behindert, zu spielen. So kommt es auch immer wieder zu Verständigungsproblemen, da die Behinderten nicht wissen, wie sie anderen vermitteln können was sie selbst können und wo sie Hilfe brauchen. Andererseits wissen Nicht-Behinderte durch den mangelnden Kontakt mit Behinderten nicht, wie sie mit der zu erbringenden Hilfe umgehen sollen.

Die Erfüllung der Grundbedürfnisse, wie z.B. eine behindertengerechte Wohnung, finanzielle Unterstützung oder auch ein passender Arbeitsplatz gehören zu den existentiell wichtigen Fragen, die natürlich auch im Peer Support aufgegriffen und bearbeitet werden. So wird das Auftreten der Behinderten durch Rollenspiele etwa geübt.

Selbstverständlich muß auch die Persönliche Assistenz organisiert werden. Nur wenn gesellschaftliche Rahmenbedingungen, in dem Gesetz von 1990 bereits erwähnt, erfüllt werden kann eine gleichberechtigte Teilnahme am öffentlichen Leben erst ermöglicht werden.

Wie ich schon mehrmals angesprochen habe müssen die Behinderten selbst die Kontrolle über die Dienstleistungen haben um sicher zu gehen, daß sie sich frei entwickeln können.

Auf die Überbehütung der Eltern, die nicht einschätzen können, was ihr Kind wirklich kann und was nicht, bin ich bereits eingegangen. Diese Überbehütung kommt oft durch die Schuldgefühle der Eltern oder auch durch negative Gefühle dem Kind gegenüber zustande. Es kann aber auch zur Vernachlässigung kommen, dann nämlich, wenn die Eltern ihr Kind als nicht Förderungsunwürdig ansehen und ihm weniger zutrauen als es kann. Durch den Peer Support soll den behinderten Menschen also vermittelt werden, wozu sie in der Lage sind, und das sie sich selber auch mehr zutrauen sollen.

Ein letztes großes Thema ist die Sexualität und Partnerschaft, denn meistens wird den behinderten Menschen jegliche Sexualität abgesprochen. Sie werden als asexuell2 oder sexuelle Neutren betrachtet. Auch dies ist ein Zustand der durch die Überbehütung der Eltern bewirkt wird. Die Kinder bzw. die Jugendlichen bekommen nicht die Chance, erste sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Sie müssen oft selbst lernen, daß sie ein Recht auf Sexualität, und zwar auf ihre individuelle Form der Sexualität, haben.

2.5 Geschichte der Independent Living Bewegung in Deutschland

Im folgenden Abschnitt möchte ich auf die Geschichte der „Selbstbestimmt Leben Bewegung“ in Deutschland eingehen.

Bereits in den 50. Jahren gibt es Behindertenverbände, die jedoch hauptsächlich für Kriegsbehinderte zugänglich sind. Erst in den 60. Jahren werden verstärkt Verbände für sogenannt „Zivilbehinderte“ eingerichtet, wie z.B. LEBENSHILFE und SPASTIKERVEREIN.

Diese Verbände verstärken aber die Unzufriedenheit der Behinderten, da sie hauptsächlich von den Eltern behinderter oder auch anderen Nicht-Behinderten geführt werden. Daher gründen die Behinderten die Organisation Clubs Behinderter und ihrer Freunde (CeBeeF’s). Ihr vorderstes Ziel ist die gemeinsame Freizeitgestaltung von Behinderten und Nicht-Behinderten. Bald aber stoßen sie durch unzugängliche öffentliche Gebäude und die Vorurteile vieler Menschen an ihre Grenzen. Um auf diese Grenzen aufmerksam zu machen wird 1974 erstmals ein Volkshochschulkurs „ Bew ä ltigung der Umwelt “ von einem Behinderten und einem Nicht-Behinderten in Frankfurt am Main angeboten.

Den nächsten Höhepunkt bildet eine Bühnenbesetzung bei den Feierlichkeiten 1981 zum UNO-Jahr der Behinderten, um auf ihre Kritik an der bestehenden Behindertenarbeit- und Politik aufmerksam zu machen.

Mitte der 70.Jahre werden auch einige Gruppen gegründet, die die Zusammenarbeit mit Nicht-Behinderten strikt ablehnen. Sie tun dies, um das Verhältnis Behinderter untereinander zu klären.

Erst 1982 kommt die bundesdeutsche Behindertenbewegung mit den Idee der Independent Living Bewegung der USA in Berührung, woraufhin auch erste Versuche gestartet werden, ähnliche Beratungsangebote anzubieten. Zunächst jedoch scheitern sie, woraufhin einige interessierte Behinderte die Initiative ergreifen und sich in Amerika mit der Bewegung und ihren Methoden vertraut machen. Diese gründen dann auch 1986 in Bremen das erste Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.

1989 formiert sich das European Network on Independent Living, ENIL, indem sich Menschen mit Behinderung und auch „ Selbstbestimmt - Leben - Organisationen “ aus ganz Europa zusammenschließen.

Im nächsten Schritt dann gibt es 1990 den Zusammenschluß der bundesdeutschen Selbstbestimmt - Leben - Initiativen zur Interessenvertretung Selbstbetsimmt Leben in Deutschland - ISL e.V..

2.6 Grundsätze der ISL e.V.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland basiert auf sechs Grundsätzen, die ich nun darstellen werde.

Der erste Grundsatz ist der der Gleichstellung und Anti-Diskriminierung Behinderter. Oft werden die Behinderten Menschen erst durch die Diskriminierung von außen behindert, wie das Sprichwort besagt „Behindert ist man nicht - behindert wird man“. Daher muß Behinderung als gesellschaftliches Unrecht betrachtet werden. Die bestehende Behindertenarbeit muß sich reformieren und Diskriminierungen abbauen, da sie sie selbst oft produziert und für sie eintritt.

Grundsatz Nummer zwei ist die Abkehr vom medizinischen Krankheitsbild. Das bedeutet, daß durch die Gleichsetzung von Behinderung und Krankheit der Behinderte in die Rolle des passiven, hilflosen Patienten gedrängt wird dem geholfen werden muß. Der Behinderte ist aber keineswegs hilflos und sollte auch nicht passiv sein. Wie bereits mehrmals angesprochen ist er der Arbeitgeber der am besten weiß wo er Hilfe benötigt. Er bestimmt selbst über sein Leben. Die Behinderung wird daher als ein Problem ungleicher Machtverhältnisse betrachtet, da sogenannte Experten Entscheidungen treffen die ihrer Meinung nach am besten für den Behinderten sind. Seine Meinung wird gar nicht gesehen und ist oft auch gar nicht erwünscht.

Die Behindertenorganisationen haben sich bereits nach ihren Krankheitsbildern aufgesplittert, was leider zu einer Trennung der einzelnen Behindertengruppen führt, die oft sogar unverständlicher Weise in Konkurrenz zueinander treten.

Integration und Nicht-Aussonderung ist der dritte Grundsatz. Auch heute ist es vollkommen normal, behinderte Kinder in Sonderschulen zu stecken, und behinderte Erwachsene in Behindertenwerkstätten unter zu bringen. Sie werden auf Grund von Vorurteilen aus der Gesellschaft ausgesondert und somit der Selbstbestimmung und der Entwicklungsmöglichkeiten beraubt.

Die schon erwähnte Kontrolle über die eigenen Organisationen ist Grundsatz Nummer vier. In verschiedenen Organisationen, wie zum Beispiel der Frauenbewegung ist es üblich, das der Vorstand aus weiblichen Mitgliedern besteht und ein Mann würde sich dort nur zum Gespött machen. Nicht so ist es in vielen Behindertenorganisationen, wo immer noch hauptamtliche Stellen und Vorstände von Nicht-Behinderten besetzt sind. Daher können in der ISL e.V. nur Organisationen Mitglied werden, bei denen ausschließlich Behinderte das Stimmrecht haben und somit alle Vorstandsmitglieder ebenfalls behindert sind. Auch die Kontrolle über die Dienstleistungen für Behinderte gehört zu den Grundsätzen der ISL e.V., da in der Regel Nicht-Behinderte das Sagen über das Erbringen von Dienstleistungen für Behinderte haben. So kommt es vor, das Behinderte Menschen sich an die Dienstpläne und institutionellen Zwänge anpassen müssen anstatt umgekehrt. Oft stehen Fahrdienste z.B. nur bis 22.00 Uhr zur Verfügung, oder haben Ambulante Dienste am Wochenende geschlossen. Es wird keine Rücksicht auf die Behinderten genommen, die auch am Wochenende alltägliche Hilfen wie zum Beispiel beim aufstehen morgens, oder beim waschen brauchen.

Der letze Grundsatz ist der des Peer Support, also der Beratung Behinderter durch Behinderte. Er ist der wichtigste Grundsatz und das Ziel der Organisation. Behinderte Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, sich mit gleichfalls betroffenen austauschen zu können.

2.7 Anwendung von Peer Support

Behinderte Menschen bekommen in der Interessenvertretung die Möglichkeit, sich bei verschiedenen Freizeitangeboten, bei Vereinstreffen, bei Wochendendseminaren und auch bei politischen Veranstaltungen über Themen die sie betreffen auszutauschen.

Die Verknüpfung mit Ambulanten Hilfsdiensten wird abgelehnt, da es nicht zu Abhängigkeiten der Ratsuchenden kommen soll, und da außerdem eine Versorgung auch am Wochenende gewährleistet werden soll, die bei Ambulanten Hilfsdiensten manchmal nicht besteht.

Es ist sehr schwer, geeignete Behinderte Beschäftigte zu finden, die die Grundgedanken der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben von Behinderten teilen. Viele sind noch nicht mit dem Gedanken an ein selbstbestimmtes Leben vertraut da dieser in Deutschland noch relativ neu ist und viele noch unter dem Einfluß der Familie und anderen Organisationen stehen, so daß sie nicht die Möglichkeit bekommen, ihr Leben zu ändern. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis es selbstverständlich sein wird, daß behinderte Menschen eigenständig in der Gemeinschaft leben und das ihnen die Barrieren, die heutzutage noch bestehen, genommen werden.

3. Schlußteil :

3.1 Eigenen Gedanken zum Thema

Das Thema der Assistenz hat mich sehr stark beeindruckt, da ich zwar schon mehrmals auch an der Universität die Möglichkeit hatte, behinderte Menschen mit ihren Assistenten zu beobachten, mir aber nie Gedanken machte, wie diese Assistenz eigentlich aufgebaut ist. Ich dachte meistens, die Person die mitschreibt, wäre eine Freundin oder ein Freund der zufällig gerade Zeit hat. Nie hatte ich mir überlegt, daß sie bezahlt werden, und daß der Behinderte sie jederzeit „entlassen“ kann wenn er mir ihrer Arbeit unzufrieden ist.

Auch war ich sehr überrascht, daß diese Id ee der Beratung Behinderter durch Behinderte erst so spät nach Deutschland kam und es so viele Probleme gab, sie durchzusetzen. Wenn man nicht selbst betroffen ist sieht man die Probleme der anderen oft nicht. Erst jetzt mache ich mir Gedanken, wenn ich zum Beispiel am Bahnhof stehe, wie ich als Rollstuhlfahrer wohl in den Zug käme, oder auch in manche Geschäfte wie ich meine Einkäufe aus dem Rollstuhl heraus erledigen könnte.

Die Aussonderung der Behinderten Kinder in Sonderschulen finde ich auch nicht in allen Fällen die beste Lösung. Sicher gibt es viele Fälle, wo eine Sondereinrichtung die Person am besten unterstützen kann. Andererseits habe ich persönlich miterlebt, wie ein Kind mit Trisomie 21 an einer Regelgrundschule eingeschult wurde und sich prächtig entwickelte. Viele Kinder mit diesem Symptom habe ich aber auch an Geistigbehindertenschule angetroffen, die sich dort langsamer entwickelten als die in Regelgrundschulen. Man sollte jeden Fall gesondert betrachten und nicht gleich die Sonderschule als Regel ansehen. Auch sollte man einigen Behinderten Erwachsenen die Möglichkeit geben, nicht nur in Behindertenwerkstätten zu arbeiten. Sie sind zwar eine sehr sinnvolle Einrichtung, doch einige der betroffenen könnte man auch an anderen Arbeitsplätzen einstellen. Diese Chance wird jedoch selten gegeben.

Ich bin auch der Meinung, daß die Eltern besser aufgeklärt werden sollten.

Wenn sie ein behindertes Kind haben müssen sie nicht nur die Behinderung sehen. Natürlich ist es schwer, als Nicht-Behinderte Ratschläge zu geben, aber wenn man die Eltern besser aufklären würde, am besten durch Behinderte mit ähnlicher Behinderung wie ihr Kind sie hat, würden sie bestimmt anders mit ihrem Kind umgehen als Eltern die keine Aufklärung erhalten. Erst wenn die Eltern sehen, das ihr Kind erwachsen werden kann mit seiner Beeinträchtigung, und das es selbstbestimmt leben kann in einer eigenen Wohnung vielleicht, geben sie ihm mehr Chancen Erfahrungen zu sammeln, die ihm das erwachsene Leben ermöglichen. Aber nicht nur die Eltern behinderter Kinder sollten aufgeklärt werden. Auch Eltern „normaler“ oder „gesunder“ Kinder müssen sehen, daß der Umgang mit behinderten Kindern nicht schädlich für ihre Kinder ist. Wenn Kinder von klein auf lernen, wie sie mit Behinderten umgehen sollen, wird es auch später nicht mehr so große Probleme geben bei der Arbeitsuche für Behinderte zum Beispiel, da der Arbeitgeber aus seiner Erfahrung weiß, was er dem Behinderten alles zutrauen kann.

Auch würde die neue Generation der integrativ aufgewachsenen Kinder bestimmt nicht auf die Idee kommen, und z.B. öffentliche Verkehrsmittel so bauen, daß ein Behinderter sie nicht betreten kann.

In der Behindertenarbeit gibt es noch sehr viel zu tun, und ich hoffe, daß sich mehr Menschen Gedanken darüber machen, daß auch in der heutigen Zeit noch so viele Menschen ausgesondert aus der Gesellschaft leben müssen.

4. Literaturverzeichnis :

Miles-Paul, Ottmar, Wir sind nicht mehr aufzuhalten, München, 1992

Wahrig, Fremdwörterlexikon, München, 1999

[...]


1 Tetraplegie= Lähmung aller vier Gliedmaßen

2 asexuell=sexuell nichts empfindend, sexuell zurückgeblieben

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Assistenz (Selbstbestimmtes Leben)
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Veranstaltung
Einführung in die Behindertenpädagogik
Autor
Jahr
1999
Seiten
18
Katalognummer
V102415
ISBN (eBook)
9783640007981
Dateigröße
360 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zu dieser Hausarbeit habe ich auch ein Referat gehalten und eine Vordiplomsprüfung zu diesem Thema gemacht. Habe daher noch mehr Unterlagen die ich per e-mail zuschicken kann.
Schlagworte
Assistenz, Leben), Einführung, Behindertenpädagogik
Arbeit zitieren
Katharina Lisek (Autor:in), 1999, Assistenz (Selbstbestimmtes Leben), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102415

Kommentare

  • Gast am 12.5.2013

    Hallo!

    Ich suche in Amerika eine Rollstuhlfahrerin die seit kurzem eine Schäferhündin Kimba vom Schaaletal schwarz braun hat. Ich selbst bin auch Rollstuhlfahrerin und würde mich gerne mit Ihr in Verbindung setzen.Bitte bitte helft mir, es ist mir so wichtig Kimba zu finden.

    Danke im vorraus
    Barbara

  • Gast am 20.2.2002

    assistenz(selbstbestimmtes leben) Katherina Lisek.

    hi.!
    dein text is ech super und ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht material für ein referat schicken kannst.wär echt lieb,
    gruß susi

  • Gast am 20.2.2002

    assistenz(selbstbestimmtes leben) Katherina Lisek.

    hi.!
    dein text is ech super und ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht material für ein referat schicken kannst.wär echt lieb,
    gruß susi

  • Gast am 26.6.2001

    assistenz für menschen, die sich per gestützter kommunikation mitteilen?.

    Hallo,
    als Mutter und Betreuerin einer behinderten 23-jährigen habe ich mit Interesse Ihre Hausarbeit gelesen. Zur Zeit bin ich auf der Suche nach den gesetzlichen Grundlagen, aufgrund derer ich die Möglichkeit habe, für meine Tochter, die sich per PC bzw. Buchstabentafel über Gestützte Kommunikation/FC mitteilt, eine/n StützerIn zu bekommen für die Schule und zur Durchführung von Integration. Daher fände ich es prima, wenn ich noch weitere Infos per E-Mail bekommen könnte - damit ich als Elternteil mich schlau machen kann ...
    Vielen Dank!!
    monika

  • Gast am 20.6.2001

    Selbstbestimmtes Leben.

    Hallo Katharina
    Ich habe mit großer Aufmerksamkeit Deinen Beitrag zu diesem Thema gelesen. Du schreibst das Du noch mehr Material hast. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn Du etwas zu diesem Thema mir zukommen lassen könntest. Ich suche etwas zu diesem Thema " Wie wird Selbstbestimmtes Leben im Behindertenwohnheim praktiziert".
    "Ist dieses überhaupt realisierbar? u.s.w. Vielleicht könntset Du mir helfen? Ich danke Dir im voraus


    Danke Simone

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Titel: Assistenz (Selbstbestimmtes Leben)



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