Sucht


Ausarbeitung, 2001

13 Seiten


Leseprobe


Sucht

Einleitung

Sucht ist ein Thema, über das in der Gesellschaft ungern gesprochen wird. Vor allen Dingen nicht, wenn man selber abhängig ist, oder jemanden in der Verwandtschaft hat, der süchtig ist. Jedem Menschen kann es passieren, daß er n Abhängigkeit gerät. Deswegen ist es wichtig, über Süchte informiert zu sein, um diesen erst gar keine Chance zu geben.

Definition

Der ältere Begriff "Sucht" wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch den Begriff der "Abhängigkeit" ersetzt. Eine allgemeine Definition von Sucht gibt es nicht. Sucht war in der deutschen Sprache ursprünglich das Wort für Krankheit. Heute versteht man darunter eine krankhafte, zwanghafte Abhängigkeit von Stoffen; das Verlangen nach einer ständig erneuten Einnahme dieser Stoffe, um ein bestimmtes Lustgefühl zu erreichen oder Unlustgefühle zu vermeiden. Dieser Zustand tritt nach einer längeren Phase der Gewöhnung ein, wenn regelmäßiger oder dauernder Konsum zu einer physischen und/oder psychischen Abhängigkeit geführt hat.

Was ist Sucht, und welche Formen der Sucht gibt es

Der Begriff Sucht läßt sich auf alle Formen eines zwanghaften Verhaltens anwenden. Es wird heftig darüber diskutiert, was man als Sucht bezeichnen kann und was nicht. Süchte werden in zwei Kategorien eingeteilt, einmal die "stoffgebundene Sucht" und auf der anderen Seite die "Verhaltenssucht". Einige sprechen bei Verhaltenssüchten lieber von "Zwängen".

Zur Gruppe der "stoffgebundenen Sucht" zählen Alkoholismus, Medikamentensucht, Drogensucht, Eßstörungen und Nikotinsucht. Die "Verhaltenssucht" schließt pathologisches Spielen, Fernsehsucht, Arbeitssucht und neuerdings auch Internetsucht mit ein. Streng genommen kann man von fast jeder Substanz oder jeder Tätigkeit süchtig werden, aber diese Süchte sind im eigentlichen Sinne mehr eingefleischte Gewohnheiten bzw. harmlose Ticks, die nicht solche schwerwiegenden Folgen hervorrufen wie die eingangs beschriebenen. Beide Suchtformen haben das gleiche Ziel und verfolgen den gleichen Zweck.

Stoffgebundene Süchte:

- Kokain-Typ

Am weitesten verbreitet sind Kokain und Crack. Es entsteht eine starke psychische aber keine körperliche Abhängigkeit. Die akute Kokainwirkung äußert sich in einem "Kick" mit euphorischem Glücksgefühl, Abbau von Hemmungen und reduziertem Hunger,- Durst-, und Schlafgefühl. Dem anschließenden Rauschstadium, in dem Halluzinationen in den Vordergrund treten, folgt ein depressives Stadium mit Angst und Depressionen. Das Verlangen nach erneuter Einnahme setzt ein, um diesen negativen Zustand zu beenden. Bei chronischem Kokainkonsum kommt es häufig zu Impotenz, Herzrasen, vermehrten Halluzinationen und Verfolgungswahn. Beim Entzug stellt sich depressive Stimmung ein. Die Folgen von Crack-Konsum können sehr schwerwiegend sein, so treten z.B. irreparable Herz-Kreislauf- Schäden auf, die zum Tod führen können,

- Cannabis-/Marihuana-Typ:

Hierbei entwickelt sich eine psychische, aber keine körperliche Abhängigkeit mit nur geringer Tendenz zur Dosissteigerung. Ein charakteristisches Entzugssyndrom gibt es nicht. Cannabis-Konsum kann zu Euphorie, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, Feinhörigkeit, Unruhe und Herzrasen führen. Relativ häufig treten akute Angstreaktionen auf, es kann auch zu einem Nachrausch ohne Einnahme der Droge kommen. Chronischer Cannabis-Konsum kann Teilnahmslosigkeit und Passivität zur Folge haben.

- Amphetamin-Typ:

Diese synthetisch hergestellten stimulierenden Substanzen werden zur Antriebsund Leistungssteigerung (Doping) und als Appetitzügler eingenommen. Hierzu zählt auch die vollsynthetisch im Labor hergestellte Droge Ecstasy. Es entsteht eine psychische, aber keine körperliche Abhängigkeit. Es gibt kein typisches Entzugssyndrom. Psychische Symptome sind Unruhe, Enthemmung, Euphorie, auch das Gefühl, verfolgt zu werden, kann auftreten. Körperliche Auswirkungen sind Appetitzüglung und Blutdruckanstieg.

- Halluzinogen- (LSD)-Typ:

Hier besteht starke psychische Abhängigkeit mit Tendenz zur raschen Dosissteigerung, es bildet sich aber keine körperliche Abhängigkeit. Die Substanzen sind teils synthetischen, teils pflanzlichen (Pilze, Kakteen) Ursprungs. Der Rauschzustand ist gekennzeichnet durch Gefühlsintensivierung, optische Halluzinationen sowie Veränderungen des Körpergefühls und Raum-Zeit- Erlebens. Relativ häufig kommt es auch zu akuten Angstreaktionen und Nach- Rausch. Körperliche Symptome umfassen den Anstieg von Puls und Blutdruck und eventuell Übelkeit.

- Schnüffelsucht (organischeLösungsmittel):

Hier wird ein Rauschzustand durch Inhalation von Klebstoff, Lösungsmitteln oder Lacken herbeigeführt. Es entsteht psychische, aber keine körperliche Abhängigkeit. Nach einem kurzen Erregungsstadium mit Reizung der oberen Atemwege tritt ein Traumzustand mit Bewußtseinstrübung auf. Neben Euphorie kommt es im akuten Rausch zu Desorientierheit und optischen Halluzinationen. Als körperliche Folgen treten Herzrhythmusstörungen, Nervenschädigungen, Leber- und Nierenschäden und Schädigungen der Atemwege auf.

- Polytoxikomanie:

Unter dieser Bezeichnung versteht man eine Mehrfachabhängigkeit. So konsumieren viele Drogenabhängige zusätzlich Alkohol und Medikamente als Ersatzstoffe gegen Entzugserscheinungen. Dadurch wird die Entzugsbehandlung erheblich erschwert.

Nicht stoffgebundene Süchte

- Die Arbeitssucht

Die Arbeitssucht wird auch die respektable Sucht genannt. Schließlich sind Arbeitssüchtige äußerst tüchtige Arbeitnehmer. Innerlich jedoch mögen sie eine gewisse Leere verspüren. Durch ihre Arbeit versuchen sie, sich von schmerzlichen Gefühlen abzulenken oder aber ihrem Wunsch nach Anerkennung wie besessen nachzujagen.

Die Eisschicht bewahrt den Schlittschuhläufer davor, im Wasser zu ertrinken; die Arbeit bewahrt den Arbeitssüchtigen davor, in einen Strudel von Gefühlen hineingerissen zu werden. Wie der Schlittschuhläufer, so kann auch der Arbeitssüchtige eine glänzende Show abziehen. Doch der Schein trügt. Wie sieht es hinter den Kulissen aus? Die psychologische Beraterin Linda T. Sanford schreibt: "Wird der Arbeitssüchtige nicht völlig von seiner Arbeit in Anspruch genommen, bricht womöglich eine Flut bestürzender Empfindungen auf ihn herein - Depressionen, Angst, Zorn, Verzweiflung und innere Leere."

Da der Arbeitszwang bei vielen Arbeitssüchtigen so tief sitzt, vermutet man, daß es sich hierbei um ein bereits seit langem bestehendes Charakteristikum handelt, das möglicherweise in der früheren Erziehung des Süchtigen wurzelt.

Die Fernsehsucht

- Übermäßiges Fernsehen zählt ebenfalls zu den Süchten. Genau wie der Alkohol gestattet auch das Fernsehen dem Zuschauer, die wirkliche Welt auszulöschen und in einen angenehmen und passiven psychischen Zustand zu versinken. · Natürlich ist nichts Verkehrtes daran, sich von den alltäglichen Pflichten vorübergehend abzulenken. Manche Fernsehkonsumenten finden hingegen nicht mehr in die Realität zurück. Viele beschreiben ihr zwanghaftes mit folgenden Worten: "Ich will gar nicht soviel fernsehen, aber ich kann einfach nicht anders. Ich muß es einfach tun."

- Unkontrollierter Fernsehkonsum beeinträchtigt das Denkvermögen. Viele dieser "Fernsehsüchtigen" schrecken davor zurück und werden nervös, wenn es plötzlich um sie herum still ist. Und sie fürchten sich davor, mit ihren Gedanken allein zu sein. Deswegen suchen sie ganz verzweifelt nach irgend etwas, um dieses Vakuum auszufüllen. Das Fernsehen wird zu einer schnell verfügbaren Droge. Bestenfalls ist es jedoch nur ein Ersatz für das wirkliche Leben.

Pathologisches Spielen

- Das Glücksspiel entspringt der Habgier. Beim zwanghaften Spielen dagegen geht es häufig um mehr als nur um Geld. Spieler brauchen ganz einfach diesen Kick, um der Realität zu entfliehen. Die Wirkung ist die gleiche, als wenn man Drogen genommen hätte. Für den pathologischen Spieler ist der Spielvorgang an sich oft schon eine Belohnung. Die Folgen sind für ihn nicht von Belang. Viele verlieren dabei Freunde, Familie oder die Gesundheit. Und eigentlich alle verlieren ihr Geld. Doch nur wenige finden ein Ende, denn es geht nicht darum, ob man gewinnt oder verliert.

Zahlen und Fakten zum Drogenproblem

- Vorbemerkung

Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 1980, 1990 und 1997, soweit vorhanden. Falls für diese Jahrgänge keine Zahlen vorliegen, wurden Zahlen verwendet, die zeitlich möglichst nahe liegen.

- Drogenkonsum und Abhängigkeit

Konsum illegaler Drogen aufgrund der Schweizerischen Gesundheitsbefragungen 1992 und 1997 (15-39jährige), mindestens einmal im Leben konsumiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Angaben beruhen auf einer telefonischen Haushaltbefragung. Da sozial schlecht integrierte Personen mit dieser Methode nur ungenügend erfasst werden können, sind die Zahlen der Konsumentengruppe, insbesondere für den Konsum harter Drogen, Unterschätzungen der tatsächlichen Prävalenzen. (Quelle: Bundesamt für Gesundheit und Schweizerische Fachstelle für Alkoholund andere Drogenprobleme)

Konsumerfahrung der 14 bis 16-jährigen Schüler mit illegalen Drogen (Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*Frage nicht gestellt

1994 haben deutlich mehr Schüler Erfahrung mit Cannabisprodukten als 8 Jahre zuvor. Der Konsum harter Drogen ist in dieser Altersgruppe jedoch nach wie vor geringfügig.

(Quelle: Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme)

- Ecstasykonsum

Laut einer 1998 durchgeführten Befragung der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme haben 4 bis 5 Prozent der 15- bis 30- jährigen Personen in der Schweiz Ecstasyerfahrung. Die Mehrheit der EcstasyKonsumenten (65%) schlucken ihre Pillen an Rave-Parties; der Anteil der Ecstasy-Konsumenten, welche die Droge auch zu Hause konsumieren, hat sich in den letzten Jahren jedoch verdoppelt.

Symptome

Abhängigkeit äußert sich durch vielfältige körperliche und psychische Störungen. Auf der psychischen Seite sind häufig Interessenverlust, Stimmungsschwankungen, Gleichgültigkeit, ängstliche Unruhe, Spannung usw. zu beobachten. Körperliche Symptome sind u.a. Schwitzen, Übelkeit, Gewichtsverlust, Schlafstörungen, neurologische Ausfälle. Typische Erscheinungsbilder sind Vergiftungserscheinungen bis hin zum Koma und das Entzugssyndrom, häufig mit Krampfanfällen. Es gibt charakteristische Verhaltensweisen wie Beschönigung, Verleugnung und Verheimlichungstendenzen. Abhängigkeit hat auch häufig soziale Auswirkungen wie Kriminalität oder beruflichen Abstieg. Die Selbstmordgefahr ist bei Abhängigen hoch.

Folgen

Ob es sich um eine Verhaltenssucht, also eine süchtig machende Freizeitbeschäftigung oder eine stoffgebundene Sucht handelt - beide können unbeschreiblichen Schaden auf geistigem, seelischem und sittlichem Gebiet anrichten. Da sich ein Jugendlicher oder Ehepartner zur Finanzierung seiner Sucht häufig aufs Lügen, Betrügen und Stehlen verlegt, leidet ganz sicher das Verhältnis zu seinen Angehörigen darunter. In der britischen Zeitschrift Young People Now heißt es: "Durch das Bewußtsein, die Menschen, die man liebt und von denen man geliebt wird, bestohlen und angelogen zu haben sowie ihnen auf der Tasche zu liegen, sinkt die Selbstachtung." Daher überrascht es nicht, daß pathologische Spieler für "schwere Depressionen und Angstsyndrome" anfällig seien sowie für körperliche Beschwerden wie "Verdauungsprobleme, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, erhöhten Blutdruck, Asthma, Rückenschmerzen und Brustschmerzen".

Die psychische Abhängigkeit bei stoffgebundenen Süchten wiederum führt zu sozialen Problemen, die häufig mit Konflikten am Arbeitsplatz verbunden sind. Der Abstieg, in dem sich zwanghaft das ganze Denken nur noch um den Alkohol oder die Droge dreht, beginnt. Damit beginnt oftmals dann ein sogenannter Teufelskreis, der zur gesellschaftlichen Isolation führen kann. Ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Folgen: Schwere Hirnschäden, Nervenentzündungen und chronische, lebensbedrohende Organfunktionsstörungen sind die Spätfolgen.

Nicht viel besser sieht es bei der Nikotinsucht aus. Weltweit verursacht der Tabakgenuß 5 Prozent aller Todesfälle. In Europa und in den Vereinigten Staaten gehen 20 Prozent aller Todesfälle auf sein Konto. In Kanada sind es 17 Prozent. Gemäß einer Studie des Worldwatch Institute in Washington (D. C.) "sterben zufolge des Tabakgenusses 13mal mehr Amerikaner als zufolge des Genusses harter Drogen", heißt es, "und 8mal mehr, als im Straßenverkehr ums Leben kommen."

Jedes Jahr bezahlen mehr Menschen den Tabakgenuß mit dem Leben, als es gefallene amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg gab.

Im Worldwatch-Bericht heißt es ferner: "Gegen die Produktion von Marihuana und Opium gehen die Staaten mit paramilitärischen Operationen vor, nicht aber gegen etwas weit Gefährlicheres, den Tabak." Raucher setzen nicht nur ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Mehr als zehn Studien, die weniger als ein Jahr zurückliegen, beweisen, daß passives Rauchen - das Einatmen des Zigarettenrauches, den andere erzeugen - bei nicht rauchenden Ehepartnern von Rauchern Lungenkrebs ausgelöst hat. Forschungen in Japan, in den Vereinigten Staaten, in Griechenland und in der Bundesrepublik Deutschland deuten an, daß "Ehepartner von Rauchern im Vergleich zu Partnern von Nichtrauchern mit einem doppelten bis dreifachen Lungenkrebsrisiko belastet sind".

Kinder in Raucherfamilien sind häufiger erkältet und erkranken öfter an Grippe, Bronchitis, Asthma oder Lungenentzündung. Außerdem ist die Auffassungsgabe der Kinder von Raucherinnen herabgesetzt. Studien haben gezeigt, daß die fraglichen Kinder langsamer lesen und daß sie in der Schule gegenüber Kindern von Nichtraucherinnen um Monate zurück sind. Raucherinnen bringen auch doppelt so oft untergewichtige Kinder zur Welt wie Nichtraucherinnen.

Ursachen:

Wie entsteht Sucht?

Warum wird ein junger Mensch drogenabhängig? Warum wird ein Familienvater Alkoholiker? Warum ist die Nachbarin tablettenabhängig? Warum raucht die Freundin, obwohl sie sich der Gefahren bewußt ist?

Die Antworten auf diese Fragen sehen immer wieder anders aus. Sucht hat nie eine einzige Ursache, sondern entsteht aus einem komplexen Ursachengefüge, in einem Prozeß und nicht von heute auf morgen.

Wurzeln können in der Persönlichkeit des Betroffenen liegen, wenn er nicht gelernt hat, schwierige Situationen zu bewältigen, wenn er sich nicht dagegen wehren kann, von Gefühlen wie Angst, Wut, Scham, Langeweile, Einsamkeit erdrückt zu werden.

Wurzeln können aber auch im sozialen Umfeld liegen, in Kindheitserfahrungen oder in Ereignissen, die bedrohlich und ausweglos erscheinen, wie Trennung von einer geliebten Person, Verlust des Arbeitsplatzes, Geldnot, Schulprobleme, Schwierigkeiten in der Familie.

Das Zusammentreffen mehrerer belastender Faktoren kann den Einstieg in den Drogenkonsum begünstigen. Dabei spielt natürlich auch die Verfügbarkeit der Droge eine Rolle.

Hat man in einer schwierigen Situation einmal die Erfahrung gemacht, daß durch Drogen im engeren oder weiteren Sinne schlechte Gefühle abgestellt und gute Gefühle hervorgerufen werden, ist die Gefahr groß, immer wieder zu diesem Mittel zu greifen, sich "per Knopfdruck" Erleichterung zu verschaffen, bis ein wohlbefinden ohne diese Hilfe nicht mehr möglich ist. Aber auch Leichtfertigkeit im Umgang mit Suchtstoffen, Selbstüberschätzung ("...ich kann schon damit umgehen, ich werde schon nicht abhängig...") sind oft der Einstieg in eine Suchtkarriere.

Im medizinischen Bereich hat sich verstärkt die Anschauung von körperlicher Abhängigkeit hin zu psychischer Abhängigkeit verändert. Während man früher die "negative reinforcement-Hypothese" als Erklärung für Sucht heranzog, stellt man heute das Gegenteil, die "positive reinforcement-Theorie" in den Mittelpunkt. "Negative reinforcement" geht davon aus (stark vereinfacht, Anm.d.Verf.), daß durch längerfristigen Konsum z.B. von Opiaten körperbiologische Umbildungsprozesse stattfinden. Der Abhängige versucht durch Stoffzufuhr nun die Wirkungen eines Entzuges zu dämpfen bzw. zu vermeiden. Zahlreiche experimentelle lassen sich aber mit dieser Theorie allein nicht erklären.

"Positiv reinforcement" stellt die positiv belohnenden und Euphorie erzeugenden Eigenschaften von Suchtmitteln in den Mittelpunkt. Hier geht man davon aus, daß eine positive Belohnung gesucht wird.

Ein im Gehirn vorhandenes Belohnungssystem konnte gefunden werden. Man geht davon aus, daß dieses Belohnungssystem als Verstärker für Verhaltensweisen arbeitet, die dem Überleben des Individuums (z.B. Nahrungsaufnahme) und dem Überleben der Art dienen (z.B. Sexualverhalten).

Dieses System steigert die Lernbereitschaft, bei Zerstörung fallen lebenserhaltende Handlungen aus.

Heute geht man davon aus, daß Drogen über die Neurotransmittersysteme das natürliche Belohnungssystem beinflußen. Auch wenn verschiedene Drogen unterschiedliche Neurotransmitter beeinflußen.

Vor allem Dopamin und Endorphine vermitteln die natürliche Belohnung. 1) Der Ansatz der Psychoanalyse geht von einer Störung der frühkindlichen (0 bis 8 Monate) Beziehung zu den Eltern aus .

Das Kind "halluziniert" seinen Ersatz für emotionale Verluste u.ä.. Wird diese Problematik nicht gelöst, kann die Droge später als Ersatzbefriedigung benutzt werden. Sozusagen eine Regression in die orale Phase.

Eine starke Verwöhnung im Kindesalter kann ebenfalls Suchttendenzen begründen. Hier findet eine Fixierung auf eine Lebensphase statt, in der man alles hatte und sich keine Sorgen machen mußte.

Die Droge kann außerdem als Ersatz für Defizite in der Persönlichkeit dienen. Menschen die aufgrund von frühkindlichen Beziehungsstörungen unter emotionelen Störungen Leiden (z.B. Depressionen), könnten die Droge dazu benutzen, die negativen Gefühle damit zu "betäuben". Es können mit Hilfe der Droge unangenehme Situationen gemieden werden, Angst gelindert werden etc.. Dies entspricht einer Flucht vor der Realität und einer Aufgabe der Außenwelt zugunsten der Innenwelt.

Es wird außerdem davon ausgegangen, daß die Droge ein Mittel ist um vorhandene Autoaggressionen auszuleben.

Nach dieser Theorie wird Drogenkonsum - wie anderes Verhalten auch - erlernt. Es gibt dabei drei Lernprinzipien:

- Imitationslernen: Eine bestimmte Handlungsweise wird übernommen weil beobachtet wurde, daß jemand anderes in einer ähnlichen Situation damit Erfolg hatte

- Operantes Konditionieren: Wenn einem Verhalten ein bekräftigender Reiz folgt - positive Verstärkung - wird man dieses Verhalten wiederholen um die Verstärkung zu erhalten.

- Konditionieren: Ein neutraler Reiz wird mit einem anderen Reiz verknüpft und kann nach einiger Zeit den selben Effekt wie dieser auslösen, auch ohne Verknüpfung.

- Dieser Ansatz kann z.B. beim Konsum Jugendlicher eine Rolle spielen. Der Jugendliche "lernt" z.B: "ich werde anerkannt, bewundert wenn ich bestimmte Drogen konsumiere". Oder umgekehrt: "Ich werde ausgegrenzt wenn ich nicht konsumiere".

- In einer Gesellschaft können Bedingungen entstehen unter denen die allgemein angestrebten Werte und Ziele nicht mehr für jeden erreichbar sind.

- Durch gesellschaftliche Bedingungen wird ein Teil der Menschen auf sich anbietende Abwege abgedrängt. Einer dieser Abwege ist Drogenkonsum, als ein passives Anpassungsmuster mit Rückzugstendenzen.

- Abhängig von individuellen Faktoren übernimmt das Individuum eine Mischung aus abweichenden und nichtabweichenden Elementen und orientiert sich im Laufe der Zeit in eine der beiden Richtungen.

- Ì Ein Teufelskreis beginnt:

Der Wunsch nach Hochgefühl, Entlastung, Erleichterung, Flucht wird mit Hilfe der Droge befriedigt, das Verlangen danach wird größer, die Dosis wird gesteigert. Schuldgefühle entstehen; man versucht sich zu rechtfertigen, sich selbst und andere zu täuschen, zu vertuschen; Vorsätze und Versprechungen werden nicht eingehalten; die Familie und Freunde werden belogen, bestohlen; das Suchtmittel wird Dreh- und Angelpunkt des Lebens. Die Sucht hat die ursprünglichen Probleme überlagert und neue geschaffen, die dem Betroffenen unüberwindlich scheinen.

Hilfen:

- Therapie

Generelle Behandlungsziele sind die Nachreifung und Stabilisierung der Persönlichkeit und die Rehabilitation und Reintegration des Abhängigen. Entscheidende Elemente sind dabei die Motivierung des Abhängigen und Maßnahmen zur Vorbeugung von Rückfällen.

Die Behandlung gliedert sich in:

- Kontakt- und Motivationsphase,

- Entgiftungsphase (körperlicher Entzug), · Entwöhnungsbehandlung,

- Nachsorge- und Rehabilitationsphase und Rückfall-Vorbeugung.

Am Beispiel der Alkoholabhängigkeit läßt sich dieser Behandlungsablauf folgendermaßen beschreiben: In der ersten Phase geht es darum, den Alkoholismus zu erkennen, was aufgrund der Tendenz zur Veheimlichung der Sucht oft erst sehr spät geschieht. Der Betroffene muß dann zur Therapie motiviert werden, dabei ist u.a. der Einfluß von Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern sehr hilfreich. In der Entgiftungsphase, die meist stationär durchgeführt wird, muß besondere Aufmerksamkeit auf Abstinenzerscheinungen gerichtet werden. Unter Umständen kann es zu einem Delir kommen, das sich sowohl in psychischen Anzeichen wie Desorientiertheit, Halluzinationen und Stimmungsschwankungen als auch körperlich mit Erbrechen, Blutdruckschwankungen, Zittern und eventuell sogar epileptischen Anfällen zeigt. Die Entzugsbehandlung dauert meist 1 - 4 Wochen. In der Entwöhnungsphase soll der Betroffene lernen, ohne Alkohol zu leben; es werden vielfältige psychotherapeutische Maßnahmen eingesetzt. Der Betroffene soll beispielsweise durch die Gruppentherapie erneut Eigenverantwortung entwickeln und größeres Selbstbewußtsein aufbauen. In der Arbeit mit Angehörigen wird versucht, die oft gestörten familiären Beziehungen zu verbessern. Diese Phase kann 6 Wochen, aber auch bis zu 6 Monaten dauern. In der folgenden Nachsorge- und Rehabilitationsphase geht es um eine langfristige Stabilisierung des Betroffenen, dabei spielt die Unterstützung beim Wiedereinstieg in den Beruf und das gewohnte Umfeld eine entscheidende Rolle. Zur Vorbeugung von Rückfällen ist das Treffen mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oft sehr hilfreich.

Bei der Behandlung von Abhängigkeit arbeiten also verschiedene Stellen eng zusammen: Der erste Kontakt erfolgt meist durch Drogenberatungsstellen, Hausärzte und Psychiater. Die Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung wird dann überwiegend in Kliniken mit ärztlicher und psychologischer Unterstützung durchgeführt. Bei der anschließenden Nachsorge und Rehabilitation kommt Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern eine entscheidende Bedeutung zu. Der Wiedereinstieg in den Beruf wird in der Regel von Sozialarbeitern unterstützend begleitet.

Allgemein ist bei der Behandlung von Abhängigkeit zu beachten, daß Appelle an die Vernunft und abschreckende Hinweise meist wirkungslos bleiben. Dem Abhängigen sollte nicht vermittelt werden, daß er die Substanz nicht mehr zu sich nehmen darf, sondern daß er sie nicht braucht. Bei Alkoholikern werden manchmal Medikamente eingesetzt, die zu einer erhöhten Empfindlichkeit für oder zur Abneigung gegen Alkohol führen. Der Entzug sollte bei den meisten Substanzen abrupt und ohne Überbrückungsmittel erfolgen, es besteht sonst die Gefahr, daß eine Mehrfachabhängigkeit entsteht. Bei einigen Substanzen wird der Entzug allerdings üblicherweise mit medikamentöser Unterstützung durchgeführt, um die Entzugserscheinungen zu mildern, da viele Abhängige sonst nur schwer zur Therapie zu motivieren sind. Substitutionsprogramme, wie die Ausgabe von Methadon, sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit umstritten, es besteht aber die Hoffnung, daß so die beruflich-soziale Wiedereinbindung erleichtert wird und die Beschaffungskriminalität und die Zahl der HIV -Infektionen zurückgeht.

Quellen:

- Fachverband Drogen und Rauschmittel (FDR) e.V. · Bundesamt für Gesundheit, CH-3003 Bern · DHS (Drogenhilfestelle)

- Böllinger/Stöver, Seite 40-42, Stand: 01. Oktober 1997 · Nervenheilkunde, S.23-27

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sucht
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V102329
ISBN (eBook)
9783640007127
Dateigröße
357 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sucht
Arbeit zitieren
Sabrina Haag (Autor:in), 2001, Sucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102329

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