Hautsinne, Schmerz und EDA


Ausarbeitung, 2001

28 Seiten


Leseprobe


1. Hautsinne

(Alexandra Hofmann)

1.1 Einleitung

Die Haut hat folgende Funktionen: Sie verhindert, dass Körperflüssigkeiten verloren gehen und sie schützt den Körper zugleich vor Bakterien, chemischen Substanzen und Schmutz. Sie schützt so das Innere des Körpers gegen äußere Einflüsse und vermittelt gleichzeitig Informationen über verschiedene Reize, die auf den Körper einwirken. In der Haut, den Skelettmuskeln, den Sehnen, Gelenken und den Eingeweiden liegen Sensoren, die Signale aus der Umwelt oder aus dem Körper aufnehmen und dem ZNS mitteilen. Die Gesamtheit dieser Sinnessysteme bezeichnen wir als somatoviscerale Sensibilität. Wie man in Abb. 18-1. sehen kann, wird die somatoviscerale Sensibilität unterteilt in somatische Sensibilität und viscerale Sensibilität. Die Hautsinne ermöglichen die bewusste Empfindung der Reizqualitäten Berührung, Druck, Temperatur, Schmerz und Vibration und deren Lokalisation. Unter Somatosensorik fasst man Empfindungen zusammen, die durch Reizungen verschiedenartiger Sensoren unseres Körpers hervorgerufen werden. Dieses Sinnessystem umfasst die Wahrnehmungsfunktionen der Haut, der inneren Organe und des Bewegungssystems. Die Sensoren (Sinnesrezeptoren) werden in 4 Grundtypen unterteilt: Mechanorezeptoren, Thermorezeptoren, Chemorezeptoren und Nozirezeptoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 18-1. Übersicht über die Anteile der somatovisceralen Sensibilität (oben) ihre Lokalisation im Körper (mitte) und über die vier Grundtypen somatovisceraler Sensoren mit Bei- spielen ihrer adäquaten Reize. (aus: Birbaumer & Schmidt,1991)

1.2 Mechanorezeption

1.2.1 Eigenschaften der Mechanorezeptoren

Die Untersuchung der Mechanorezeptoren ergibt 4 Qualitäten: Druck-, Berührungs-, Vibra- tions- und Kitzelempfindungen. Die Erforschung des Tastsinnes begann durch Max von Frey. Die Haut ist nicht auf ihrer ganzen Fläche, sondern nur punktförmig mechanosensibel. Diese Punkte nannte er Tastpunkte. An der Hand gibt es etwa 20 Tastpunkte pro Quadratzentimeter. Hautregionen mit vielen Tastpunkten sind Fingerkuppen und Lippen, während die Oberarme, Oberschenkel und Rücken wenig Tastpunkte aufweisen. Der Tastsinn trägt wesentlich zur Ge- staltwahrnehmung und Raumvorstellung bei. Man bezeichnet die Fähigkeit der Gestalt- und Raumwahrnehmung durch Betasten als Stereognosie. Der Verlust dieser Fähigkeit heißt Astereognosie oder taktile Agnosie. Die Hand ist somit eines der wichtigsten Sinnesorgane unseres Körpers.

Das setzt voraus:

- empfindliche Mechanosensoren,
- die Fähigkeit unseres ZNS, die Informationen aus benachbarten Sensoren zu dif- ferenzieren, um ein räumliches Muster zu erfassen,
- die Fähigkeit des ZNS, den sensorischen Einstrom mit der Tastmotorik zu ver- rechnen und die Vorstellung der Gestalt eines Gegenstandes zu erzeugen. (Schmidt, 1995).

Die minimal notwendige Eindrucktiefe der Haut, die zu einer wahrnehmbaren Berüh- rungsempfindung führt, beträgt 0.01 Millimeter. An den Fingerspitzen sind die Schwellen deutlich geringerer. Blinde haben keine Schwellenabsenkung, sondern haben gelernt, mit ihrer Sensibilität besser umzugehen. Als Mass für das räumliche Auflösungsvermögen werden die räumlichen Unterschiedsschwellen herangezogen. Sie messen den Abstand zwischen 2 tak- tilen Reizen, bei dem diese gerade noch als getrennt wahrgenommen werden. Werden beide Spitzen eines Zirkels gleichzeitig auf die Haut aufgesetzt, also die simultane Raumschwelle geprüft, ergeben sich die Werte wie in Abb.18-4. Sie sind ein Mass für das räumliche Auflösungsvermögen der Haut für taktile Reize in der jeweiligen Körperregion. Simultane Raumschwellen der Zungenspitze, Fingerkuppen und Lippen sind besonders niedrig (1–3 mm) und in der Längsachse der Extremitäten deutlich höher als senkrecht dazu. (Birbaumer & Schmidt,1991).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 18-4: Simultane Raumschwellen (Zweipunktschwellen) des Erwachsenen.

A Meßmethode: die abgestumpften Spitzen eines Stechzirkels werden mehrmals mit unterschied- lichem Abstand auf die Haut gesetzt. Gesucht wird der minimale Abstand zwischen den Spitzen, bei dem die beiden Reizpunkte gerade noch als getrennt wahr-genommen werden können. B Verteilung der Zweipunktschwelleder Haut an verschie-denen Körperstellen des Menschen. Messwerte von E. H. Weber, Arch. Anat. Physiol. wiss. Med. 1835, S. 135, nach [17] aus M. Zimmermann in [21]

(Birbaumer & Schmidt, 1991)

1.2.2 Mechanosensoren - Struktur und Lage

Die Unterschiede der Rezeptoren in ihren physischen Eigenschaften, ihrem Ort in der Haut und der Größe ihrer rezeptiven Felder bewirken, dass die mit ihnen verknüpften Nervenfasern optimal auf verschiedene Arten von Reizen ansprechen und damit die verschiedenen Empfindungen der Hautsinne erzeugen.

Abb. 18-5

(erster Teil)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 18-5: Schematische Darstellung der Struktur und Lage von Mechanosensoren in der unbehaarten Haut (A) und in der behaarten Haut (B) des Menschen. Unten in der Abbildung sind die verschiedenen Sensoren nach ihrem Adaptationsverhalten zusammengefasst. Gleichzeitig dient diese Darstellung als Schlüssel für die Benennung der verschiedenen Sensortypen in A und B. Diese Sensoren werden alle von schnelleitenden, markhaltigen Nervenfasern der Gruppe II versorgt (vgl. Tabelle 12-1, S. 195). Aus [18] (aus: Birbaumer & Schmidt,1991)

- Merkel- Zellen liegen an der Epidermis- Dermis- Grenze und zeichnen sich durch einen ge- lappten Kern aus. Sie enthalten viele Mitochondrien und Bläschen, die möglicherweise ein Neuropeptid enthalten. Mit ihnen nehmen Axone Kontakt auf, die von markhaltigen Ner- venfasern ausgehen.
- Ruffini- Kolben sind spindelförmige Gebilde, die man in den oberen Dermisschichten findet.
- Meissner- Zellen liegen ebenfalls an der Epidermis- Dermis- Grenze. Der Sensor wird vom Ende einer markhaltigen Nervenfaser gebildet, die in diesem komplexen Gebilde aus Epi- thelzellen endet.
- Vater- Pacini- Körperchen findet man in der Subcutis, deutlich tiefer als Meissner- und Merkel-Zellen (Schmidt,1995).

Alle Sensortypen sind von schnellleitenden, markhaltigen Nervenfasern versorgt, was sicher- stellt, dass jeder von ihnen ausgehende Impuls in wenigen Millisekunden im RM eintrifft. Bemerkenswert ist der insgesamt hohe Anteil der Meissner-Körperchen (43%) und deren be- trächtliche Dichte (etwa 140 pro cm2) in den Fingerspitzen. In der behaarten als auch der unbehaarten Haut liegen jeweils Rezeptoren, die einerseits nach ihrem Verhalten auf konstan- te Druckreize als langsam, mittelschnell und sehr schnell adaptierend bezeichnet werden können und die andererseits in bezug auf ihren adäquaten Reiz jeweils einen der drei Para- meter eines mechanischen Reizes, nämlich Intensität, Geschwindigkeit und Beschleunigung, bevorzugt übertragen – wie in Tabelle 18-1. dargestellt ist. (Birbaumer & Schmidt,1991). Man hat ebenfalls vier getrennte neuronale Subsysteme unterschieden, die man als mecha- norezeptive Fasern bezeichnet. Es gibt schnell adaptierende (RA, „rapidly adapting“) oder lang-sam adaptierende (SA, „slowly adapting“) Fasern.

Tabelle 11.2: Arten von mechanoreceptiven Fasern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(aus: Goldstein, 1997, Wahrnehmungspsychologie)

1.2.2.1 Drucksensoren (Intensitätssensoren)

Langsam adaptierende Sensoren messen die Stärke oder die Eindrucktiefe eines mechani- schen Hautreizes (Merkel-Zellen). Sie liegen in kleinen Gruppen in den untersten Schichten der Epidermis. In behaarter Haut liegen sie in besonderen, punktförmig über die Haut heraus- ragenden Tastscheiben. Weitere langsam adaptierende Mechanosensoren sind Ruffini- Kör- perchen, welche auf senkrechte Druckreize auf die Haut und Hautdehnung antworten und Informationen über die Richtung und Schwerkraft vermitteln.

1.2.2.2 Berührungssensoren (Geschwindigkeitsdetektoren)

Die Haarfollikel– Sensoren registrieren vor allem die Bewegung des Haares selbst, genauer die Geschwindigkeit der Bewegung. Auch in der unbehaarten Haut gibt es solche Sensoren, nämlich die Meissner- Körperchen. (Birbaumer &Schmidt,1991).

1.2.2.3 Vibrationssensoren (Beschleunigungsdetektoren)

Diese Sensoren sind die Pacini- Körperchen. Sie antworten auf mechanische Reize mit je einem Impuls zu Beginn und am Ende des Reizes. Sie adaptieren also sehr schnell und lassen sich besonders gut erregen. Sie sind funktionell Beschleunigungsdetektoren, die vor allem Vibrationsreize aufnehmen. Außer in der Unterhaut finden sie sich noch in wechselnder Anzahl an den Sehnen und Fascien der Muskeln, an der Knochenhaut und in den Gelenk- kapseln. (Birbaumer & Schmidt,1991).

Tabelle 18-1. Klassifikation cutaner Mechanosensoren nach ihrem Adaptionsverhalten (Säulen- überschriften) und ihrem adäquatem Reiz (Säulenunterschriften)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(aus: Birbaumer & Schmidt,1991)

1.2.3 Empfindungsschwellen

Für die Fingerinnenflächen der menschlichen Hand stellte sich heraus, dass die Erregung eines einzelnen Meissner- Körperchens bereits zu einer Berührungsempfindung führt. Bei Vi- brationsreizen über 60 Hz genügt ebenfalls die Erregung eines oder weniger Paccini-Kör- perchen, um eine Vibrationsempfindung auszulösen. Die Merkel-Zellen und Ruffini- Körper- chen spielen für die Wahrnehmung solcher kleinen Reize keine Rolle.

(Birbaumer & Schmidt,1991).

1.3 Tiefensensibilität (Proprioception)

Wir sind im Wachzustand jederzeit über die Stellung unserer Glieder zueinander orientiert und nehmen aktive und passive Bewegungen unserer Gelenke wahr. Diese Fähigkeit nennt man Tiefensensibilität, da die dafür verantwortlichen Sensoren weniger in der Haut , als in den Muskeln, Sehnen und Gelenken liegen. Diese Sensoren nennt man Propriozeptoren.

1.3.1 Qualitäten der Tiefensensibilität

1.3.1.1 Stellungssinn

Die Stellung und Lage der Glieder zueinander kann man auch im Dunkeln nachvollziehen und zwar mit dem Stellungssinn. Genauer genommen orientiert uns dieser Sinn über die Win- kelstellung der Gelenke und Glieder. Dieser Sinn adaptiert also wenig oder nicht.

1.3.1.2 Bewegungssinn

Wenn wir ohne visuelle Kontrolle eine Gelenkstellung ändern, bspw. den Unterarm im Ell- enbogengelenk beugen oder strecken, nehmen wir sowohl die Richtung wie auch die Ge- schwindigkeit der Bewegung wahr. Diese Qualität der Tiefensensibilität bezeichnen wir als Bewegungssinn. Es gibt aktive und passive Gelenkbewegungen. Die Wahrnehmungsschwelle des Bewegungssinnes hängt vom Ausmaß der Winkeländerung und deren Geschwindigkeit ab.

1.3.1.3 Kraftsinn

Der Kraftsinn erlaubt es uns, z.B. die Schwere gehobener Gewichte mit etwa 3-10% Genau- igkeit abzuschätzen. Wir schätzen dabei das Ausmaß an Muskelkraft ab, das wir aufwenden müssen, um die Gegenstände anzuheben und freischwebend zu halten.

(Birbaumer & Schmidt,1991).

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Details

Titel
Hautsinne, Schmerz und EDA
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Autor
Jahr
2001
Seiten
28
Katalognummer
V102143
ISBN (eBook)
9783640005321
Dateigröße
736 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Biopsychologie
Arbeit zitieren
Paul Sebastian Hesse (Autor:in), 2001, Hautsinne, Schmerz und EDA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102143

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