Sozialisierung oder Restauration


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Lage nach dem Zweiten Weltkrieg

3. Sozialisierung als wirtschaftspolitischer Ansatz
3.1 Sozialisierungsabsichten in der Sozialdemokratie
3.2 Die Rolle des „christlichen Sozialismus“ in der CDU

4. Warum scheiterte die Sozialisierung?

5. Wirtschaftliche Konzepte und Maßnahmen der Besatzungsmächte in Deutschland, insbesondere die Rolle der USA, ein kurzer Überblick
5.1 Der Wandel der Amerikanischen Besatzungspolitik
5.2 Einfluß der Amerikanischen Militärregierung auf die endgültige Entscheidung bezüglich des Wirtschaftssystems
5.3 Sozialisierungsartikel in der Hessischen Verfassung

6. Die Rolle der CDU in Großhessen bezüglich der Verfassungsdiskussion

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Mitte 1952 „ein sich selbsttragendes Wachstum existierte“, daß auch in den folgenden Jahren anhalten sollte, war die „soziale Marktwirtschaft“, egal, „ob sie nun real existierte oder nicht“ zur bundesdeutschen „Leitideologie“ geworden. Dieses Wirtschaftssystem wurde von immer weniger Menschen in Frage gestellt, „alle Vorstellungen von gesellschaftlichen Reformen“, gerade was die Wirtschaftsordnung betraf, fanden immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung.[1]

Dabei existierten unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges Vorschläge bezüglich künftiger Wirtschafsordnungen, die sich nicht am Prinzip der „freien Marktwirtschaft“, wo das Privateigentum im Vordergrund steht orientieren. Da diese „Alternativen“ zeitweilig sogar große Zustimmung in der Bevölkerung fanden,[2] bleibt zu untersuchen, warum das alte System, wenn auch mit gewissen Veränderungen, „restauriert“ wurde.

2. Die Lage nach dem Zweiten Weltkrieg

Nachdem das totalitäre nationalsozialistische System im Mai 1945 zusammengebrochen war und damit die staatliche Existenz des Deutschen Reiches endete, herrschte „im Westen“ und bei den großen Parteien (SPD und CDU/CSU) Übereinstimmung darin, daß sich ein Neubeginn nur „im Rahmen einer parlamentarisch-bürgerlichen Verfassung vollziehen konnte.“[3]

Im Zuge dieser Debatte stellte sich zudem die Frage, ob die Demokratie auch Bestandteil einer zukünftigen Wirtschaftsordnung sein sollte und in diesem Zusammenhang das bisherige System der Privatwirtschaft durch eines der Gemeinwirtschaft ersetzt werden sollte.

Viele Intellektuelle erkannten als Strukturfehler der Weimarer Republik den Widerspruch zwischen einer demokratischen Verfassung - die schließlich für jeden die gleichen Rechte garantieren soll – und dem diesem Prinzip widersprechenden starken Einfluß wirtschaftlicher Machtgruppen in der Realität. Walter Dirks, Mitherausgeber der „Frankfurter Hefte“ behauptete, daß die Demokratie machtlos gewesen sei, da „sie nur den Staat, nicht aber die Wirtschaft zu demokratisieren unternahm.[4]

Doch nicht nur diese „Vordenker“, sondern auch viele andere Menschen hatten nach dem Krieg ein Gespür dafür entwickelt, daß die tiefe Krise des privatkapitalistischen Systems und die antidemokratische, antiparlamentarische und antisozialistische Politik der meisten Unternehmer großen Anteil am Sieg des Nationalsozialismus hatten“. Zudem erkannten viele Menschen, daß die Unternehmer durch den Nationalsozialismus „weniger Einbußen an Einfluß und Lebenschancen erlitten als andere Klassen“.[5]

3. Sozialisierung als wirtschaftspolitischer Ansatz

Angesichts dieser Stimmungslage gab es verschiedene Theorien, die durch Sozialisierungsmaßnahmen eine Kontrolle über die Industrie anstrebten, um auf diese Weise die Demokratie auch in diesem Bereich zu verwirklichen.

Wenzel beschäftigte sich mit wirtschaftspolitisches Neuansätzen als Reaktion auf die Krisenerscheinungen des kapitalistisches Systems. er nennt in diesem Zusammenhang Neoliberalismus, demokratischer Sozialismus und katholische Gesellschaftslehre als „konzeptionelle Generallinien“.[6]

Da der Neoliberalismus stark am Privateigentum festhält, es aber in den anderen Konzepten verschiedene Sozialisierungsansätze gibt, sollen diese nun näher dargestellt werden.

3.1 Sozialisierungsabsichten in der Sozialdemokratie

Kurt Schumacher, nach dem Krieg Vorsitzender der SPD, behauptete, daß der Faschismus auf ökonomischen und sozialen Voraussetzungen beruhe.[7][8] Deshalb könne Deutschland in Zukunft „nur dann demokratisch sein, wenn die Wirtschaft sozialistisch ist“.[9] Diese Aussage macht deutlich, daß Demokratie und Sozialismus nicht als Gegensätze angesehen werden sollten. Im Gegenteil, es wurde nach einem „dritten Weg“ gesucht, der ein „demokratisch-sozialistisches Deutschland“ zwischen den beiden Machtblöcken existieren läßt.[10]

Mit dieser Konzeption versucht man sich nicht nur vom kapitalistischen amerikanischen System, sondern auch vom Bolschewismus, der antidemokratisch ausgerichtet war, abzugrenzen.

Eine Gruppe innerhalb der Sozialdemokratie, die für konsequente Vergesellschaftung plädierte, formierte sich um Victor Agartz.

Laut Agartz „ist das kapitalistische System mit erheblichen funktionalen Systemfehlern behaftet, die seine Überwindung zur unabweisbaren Notwendigkeit machen“. Deshalb dürfe in Zukunft „ über den Umfang, über die Richtung und über die Verteilung der Produktion“ lediglich „der demokratische Rechtsstaat entscheiden“. Die „staatliche Planung“ solle das „privatkapitalistische Gewinnstreben“ ablösen. Es sollte durch dieses Wirtschaftssystem Vollbeschäftigung und Bedarfsdeckung erreicht werde, jedoch kein „Maximum, sondern ein Optimum an Versorgung“ angestrebt werden. Auch wolle die SPD keine Planwirtschaft zum „Selbstzweck“, deshalb müßten sich die Eingriffe des Staates „auf das jeweils erforderliche Maß“ beschränken.[11]

In dieser Aussage spiegeln sich die Befürchtungen vieler Sozialdemokraten wieder. Da Planung immer einen gewissen Apparat benötigt, besteht natürlich auch die Gefahr, daß dieser zu mächtig werden könnte. Doch es sollte keine „bürokratische Staatsmaschinerie“, sondern eine demokratische Kontrolle über die Wirtschaft entstehen.[12] Schließlich sollte die Sozialisierung eine Diktatur verhindern und keine neue schaffen.

Diese Form des „demokratischen Sozialismus“ sollte „Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit in Mittel und Ziel garantieren“.[13]

Auf dem ersten SPD-Parteitag der Westzonen 1946 konnte Agartz seine Vorstellungen noch durchsetzen. Doch danach ging sein Einfluß zurück und die Gruppe um Gerhard Weisser konnte sich durchsetzen. Diese „betonten mehr die Mitbestimmung der Produzenten und Konsumenten“. Zudem sollte die Planung des Staates „nur noch Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung setzen“.[14]

3.2 Die Rolle des „christlichen Sozialismus“ in der CDU

Während weite Teile der Sozialdemokratie die Sozialisierung (in welcher Intensität auch immer) befürworteten, um wie gezeigt, die Demokratie auch auf dem wirtschaftlichen Sektor verwirklichen zu können, plädierten nach dem Zweiten Weltkrieg auch Teile der neugegründeten CDU für Vergesellschaftung.

Führend in der Formulierung dieser neuen sozialistischen Gedanken waren die Frankfurter Intellektuellen um die Herausgeber der „Frankfurter Hefte“, Eugen Kogon und Walter Dirks. In der Ausgabe vom Juni 1946 findet sich in den „Frankfurter Heften“ ein von Knappstein verfaßter Artikel mit der Überschrift „Die Stunde der Sozialreform“, worin sich grundlegende Gedanken des „christlichen Sozialismus“ findet.

So entspreche eine „politische Zusammenarbeit der Christen mit der Arbeiterbewegung zur praktischen Verwirklichung sozialistischer Forderungen...dem Gebot der geschichtlichen Stunde“. Durch eine Sozialisierung „des privaten Groß- und Schlüsselkapitals“ solle der politische „Mißbrauch wirtschaftlicher Macht“ verhindert sowie den „eigentumslosen Millionenmassen“ ein angemessenes Leben gewährleistet werden“. Allerdings wurde auch vor zuviel Verstaatlichung gewarnt. Zwar heißt das „zweite Kernstück“ dieses Sozialismus Planwirtschaft, allerdings sollte sich diese auf „eine Planung der Wirtschaft im Großen“ beschränken.[15]

Ziel war also ebenfalls eine demokratische Kontrolle über bestimmte „Schlüsselindustrien“. allerdings muß man sagen, daß die Frankfurter Intellektuellen innerhalb der hessisches CDU in keine führenden Ämter gelangten und ihr Einfluß sich deshalb innerhalb der Partei kaum niederschlug.[16]

[...]


[1] Dietrich Thränhardt, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt/Main 1996, S.76-78.

[2] In einem Artikel in den „Frankfurter Heften“ geht der Autor von der Grundvoraussetzung aus, daß die Mehrheit der Bevölkerung Sozialisierung in irgendeiner Form befürwortet.

[3] Wolfgang Benz, Die Bundesrepublik Deutschland. Geschichte in drei Bänden (Band 1). Frankfurt Main 1983, S.27.

[4] Karlheinz Niclauß, Demokratiegründung in Westdeutschland. München 1974, S.30.

[5] Rolf Steininger, Deutsche Geschichte seit 1945 (Band 1). Frankfurt/Main 1996, S.54.

[6] Rolf Wenzel, Wirtschafts- und Sozialordnung. In: Josef Becker, Theo Stammen, Peter Waldmann (Hrsg.), Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. München 1979, S. 293-339.

[7] Wenzel beschreibt, daß es in den Nachkriegsjahren keinen einheitlichen Sozialismus gab. Einige Theorien waren stark marxistisch orientiert, andere standen dem Neoliberalismus näher.

[8] Ernst-Ulrich Huster und andere, Determinanten der westdeutschen Restauration 1945-1949. Frankfurt/Main 1972, S.30.

[9] Steininger, Deutsche Geschichte seit 1945 (Band 1), S.53.

[10] Günter Plum, Versuche gesellschaftspolitischer Neuordnung, S.106.

[11] siehe bezüglich aller Thesen von V.Agartz: „ Viktor Agartz über sozialistische Wirtschaftspolitik, Mai 1946“. In: Hans- Jörg Ruhl (Hrsg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949. München 1982, S.411-421.

[12] Niclauß, Demokratiegründung in Westdeutschland, S.33.

[13] Wenzel, Wirtschafts- und Sozialordnung, S.313.

[14] Ruhl, Neubeginn und Restauration, S.404.

[15] Karl Heinrich Knappstein, Die Stunde der Sozialreform. In: Frankfurter Hefte, Heft 3/1946, S. 1-3.

[16] Manfred Dörr, Restauration oder Demokratisierung. Verfassungspolitik in Hessen 1945/1946, S.115-117. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, H.!/1971. S.99ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Sozialisierung oder Restauration
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Insitut für Politik)
Veranstaltung
Politik in Deutschland von 1945 - 1949
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
19
Katalognummer
V10211
ISBN (eBook)
9783638167079
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik Sozialisierung Restauration Deutschland 1945-1949 zweiter Weltkrieg
Arbeit zitieren
Torben Schmidt (Autor:in), 2000, Sozialisierung oder Restauration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10211

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