Ost-West Konflikt und der Mauerbau


Facharbeit (Schule), 1999

19 Seiten, Note: 1+


Leseprobe


Was hat uns die Wiedervereinigung gebracht?

I. Einleitung

Berlin markierte in den Ost-West-Beziehungen zwischen den Supermächten und den beiden deutschen Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen markanten Kristallisationspunkt. Die Stadt schöpfte ihre Bedeutung jedoch weniger aus sich selbst heraus, sondern aus der Rolle, die sie für den Ost-West-Konflikt spielte. Kraft und Gegenkraft, ausgehend von der BRD, der DDR und deren Verbündeten USA und Sowjetunion stießen hier besonders augenscheinlich zusammen. Vom Beginn der offenen Konfrontation der USA und der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Wiedervereinigung Deutschlands und dem Wegfallen des Berlinproblems lassen sich an diesem Ort die Dominanz-, Eindämmungs-, Befreiungs-, Konfrontations- und Entspannungsperioden in der Politik der beiden deutschen Staaten betrachten.

Die Entstehung von West- und Ost-Berlin

Am 12. September 1944 einigten sich die Alliierten im "Londoner Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin" über die Teilung Berlins in einen englischen, amerikanischen und sowjetischen Sektor und die Einrichtung einer interalliierten Regierungsbehörde, der "Kommandantur", welche dem Alliierten Kontrollrat unterstehen sollte, der Regierungsbehoerde Deutschlands. Am 1. Juli 1945 räumten die USA die von ihnen in Sachsen und Thüringen eroberten Gebiete und zogen in Berlin ein. Als die Westmächte schließlich am 11. Juli 1945 in den Westsektoren der Stadt die Befehlsgewalt in Berlin übernahmen, erwartete sie eine boese Überraschung. In Berlin hatte schon einen Tag nach der Kapitulation der deutschen Truppen, die von Moskau unterstützte "Initiativgruppe" unter der Leitung Walter Ulbrichts mit dem Aufbau von Verwaltung, Parteien und Gewerkschaften begonnen. Dieser funktionsfähige Verwaltungsapparat war in seinen Schlüsselstellungen fast durchgehend mit Kommunisten besetzt. Jedoch in kurzer Zeit wurden die entsprechenden Stellen neu besetzt und die Verwaltung in den westlichen Besatzungszonen entsprechend umgeformt. Während die Sowjetunion ihren Magistrat unterstützte, verfolgten die Westmächte mit der Stärkung ihrer Bezirksverwaltungen eine genau entgegengerichtete Politik. Während in den Westsektoren die Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses fortschritt, konnte die KPD ihren Einfluß im Ostsektor rasch ausbauen. Sie gelangte schon bald an die Staerkung durch das Volk, indem sie sich mit der SPD zur SED (Sozialistischen Einheitspartei Deutschland's) zusammenschloss. Sie Separation Ost und Westberlins bgann damit, dass Firmen in den Westsektoren bevorzugt Geschäftsbeziehungen zum Westen aufnahmen. Im Gegenzug versuchte die Sowjetunion den Westmächten ihre Anwesenheit in Berlin zu verleiden. Behinderung der Versorgung der Westsektoren, Beschlagnahmungen von westlichen Zeitungen, Behinderung des Verkehrs und Verhaftungen von amerikanischem Militärpersonal waren an der Tagesordnung. In Berlin verschärften sich ab April 1948 die Zustände. Auf die Ankündigung einer Währungsreform für die westlichen Besatzungszonen am 18.6.1948 erklärte der sowjetische Miltärgouverneur Sokolowski, daß ganz Berlin wirtschaftlich ein Teil der Sowjetzone sei und die Einführung einer neuen Währung nicht geduldet werde. Ab dem 24.6.1948 kursierten in Berlin zwei Währungen(die DM ost und die DM west)

Am 24.6.1948 erfolgte ausserdem die vollständige Blockade aller terrestrischen Verkehrswege von und nach Berlin. Präsident Truman befahl am folgenden Tag die Verlegung von B-29 Atombombern(die sogenannten Rosinenbomber)nach Deutschland und die Aufnahme einer Luftbrücke zur Versorgung Berlins. Fortan erfolgte die Versorgung der 2 Millionen Westberliner mit Versorgungsgütern durch die einzige offene Verkehrsverbindung. Am 4. Mai 1949 musste die Sowjetunion einsehen, dass sie verloren hatte und hob die Berliner Blockade auf.

Die Blockade Berlins hatte den Entschluß der Westmächte beschleunigt, in den Westzonen einen neuen, freiheitlichen Staat entstehen zu lassen. Im Gegensatz zur Situation in der Ostzone wurde aufgrund des Status von Berlin, die Stadt als möglicher Sitz einer westdeutschen Regierung ausgeschlossen. Es stellte sich jedoch die Frage, wie es möglich sein koennte, die als Insel in der SBZ liegende Stadt in die neue westdeutsche Republik zu integrieren. Berlin sollte als zwölftes Bundesland in den Geltungsbereich des Grundgesetzes einbezogen werden, wogegen sich aber die Westzonen wehrten. Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland erfolgte am 21.9.1949 und das Entstehen der DDR am 19.7.1949. Berlin wurde Haupstadt Deutschlands. Mit der Gründung der BRD und der DDR war die Teilung Deutschlands auch staatlich zementiert worden.

Im östlichen Teil Deutschlands entwickelte sich ein genau gegenläufiges Weltbild. In einem konsequent antifaschistischen Selbstverständnis sah man sich als Staat der Opfer des Nationalsozialismus oder zumindest

BACK deutsche Regierung NEXTals der Staat, in dem der wahre und gute Deutsche, der aus dem Faschismus gelernt hatte, sich am friedlichen Aufbau Deutschlands beteiligte. Diesem Weltbild der DDR stellte sich das Feindbild der in ihren Augen imperialistischen USA und der BRD entgegen, in der profit- und kriegslüsterne Kapitalisten das Volk unterdrückten. Für die DDR galt es vor allem, Einkreisungsversuchen und Unterwanderungen durch diese Kräfte zu widerstehen. Setzt man dieses Bewußtsein voraus, so schien es offensichtlich zu sein, daß alleine der Westen die Teilung Berlins verschuldet hatte und im Falle einer Wiedervereinigung der Stadt oder des ganzen Landes nur die Übernahme der Gesellschaftsform der DDR in Frage käme. Die Bildung dieses Weltbildes wurde mit dem Integrationsprozeß von Ost-Berlin in die DDR deutlich unterstützt. Berlin sollte, durch massive Aufbauleistungen begünstigt, seinen alten Symbolwert als Hauptstadt ganz Deutschlands wiedergewinnen und diesen dem Westen vor Augen halten. Das Fernziel dieser Berlin-Politik der DDR war die Schaffung von Voraussetzungen, um eines Tages West-Berlin in die DDR einzugliedern. In der Bevölkerung der DDR fand dieses Weltbild jedoch nicht überall Anklang.

Ausgestattet mit diesen weitgehend gefestigten Negativ- und Feindbildern folgte der Kampf der beiden Gesellschaften um die Konsolidierung des eigenen Machtbereiches und die Eroberung desjenigen des Gegners. Welch wichtige Bedeutung Berlin für den gegenseitigen Unterminierungskampf hatte, wurde an der Äußerung des regierenden Bürgermeisters deutlich, der 1951 Berlin (West) als "Pfahl im Fleische" der DDR und als "Türklinke" bezeichnete mit der das Tor nach Osten aufgestoßen werden könne.

Der Unterschied des Lebensstandards zwischen Ost und West hatte in der DDR einen erheblichen ideologischen Einfluß auf große Teile der Bevölkerung. Es war der Führung nicht gelungen, das DDR-eigene Weltbild so stark in der Bevölkerung zu verankern, daß widrige Lebensumstände ohne weiteres hingenommen wurden. Als am 28.5.1953 die wichtigsten Arbeitsnormen um mindestens 10% angehoben wurden, kam es zu Unruhen. Am 16.6.1953 protestierten Bauarbeiter in der Berliner Stalinallee durch Arbeitsniederlegung gegen die Normerhöhungen. Nachdem die Regierung nicht gewillt war, mit den Demonstranten zu sprechen, wurde für den nächsten Tag der Generalstreik ausgerufen. 350.000 Arbeiter traten am 17. Juni in Streik und auch in anderen Städten der DDR kam es zu Protestkundgebungen. Als sich zeigte, daß die DDR Behörden die Kontrolle über die Geschehnisse zu verlieren begannen, verhängte die Sowjetunion gegen Mittag den Ausnahmezustand und schlug die Demonstrationen nieder. Die Grenze zwischen Berlin (Ost) und Berlin (West) wurde für drei Wochen hermetisch abgeriegelt.

4. Berlinkrise und Mauerbau (1957-1961)

Der DDR-Führung war es trotz umfangreicher Propagierung der Einheit Deutschlands, der Ausnutzung von Ost-Berlin als Symbol für die Einheit Deutschlands und der Unterstützung oppositioneller Kräfte in der BRD nicht gelungen, den westdeutschen Staat zu destabilisieren. Im Westen glaubte die überwiegende Mehrheit, die Einheit Deutschlands könne in absehbarer Zeit nur durch die Einverleibung der DDR realisiert werden. Die Westberliner sahen sich mehr denn je als "Vorposten der Freiheit" und "Schaufenster des Westens" In der DDR gab man die Bemühungen, die Bundesrepublik über eine Konföderation für den Sozialismus zu gewinnen, mehr und mehr auf. Als 1956 Unruhen in Polen und Ungarn die Instabilität des sozialistischen Lagers deutlich machten, wandte man sich einer Absicherung der inneren Stabilität zu. Um die hohen Flüchtlingszahlen einzudämmen, verabschiedete die Volkskammer am 11.12.1957 ein Gesetz, in dem die Republikflucht unter Strafe gestellt wurde. Der Reiseverkehr zwischen den deutschen Staaten wurde weiter erschwert, Bundesbürger brauchten fortan eine Aufenthaltserlaubnis, um in die DDR reisen zu können.

In der Mitte des Jahres 1960 spitzten sich die wirtschaftlichen und politischen Probleme in der DDR zu. Formell knüpfte das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zwar an die sozialistischen, solidarischen Ideen der Arbeiterbewegung an, doch die politische Diktatur, Rechtsunsicherheit und fehlende Freiheiten verzerrten diese Ideen.36 Bürokratische Ineffizienz, aber auch Reparationen und Mißwirtschaft behinderten das Wirtschaftswachstum beträchtlich. Die Fixierung der DDR-Bürger auf die Bundesrepublik mit ihrer freiheitlich parlamentarischen Demokratie und ihrem "Wirtschaftswunder" sorgte für eine rasch ansteigende Zahl der Flüchtlinge. Den Handwerkern, die im Frühjahr den staatlichen Kollektivierungsbemühungen entgehen wollten, folgten im Sommer überwiegend die Vertreter der Intelligenz.37

Das Politbüro der SED reagierte auf die Zuspitzung der Lage mit der Ausweitung der parteilichen Machtbefugnisse. Nach Beschlüssen des Poltibüros und des Staatsrates im Juli 1960 wurde bindend bestimmt, daß die Staatsorgane die Beschlüsse der SED auszuführen hätten. Dies bedeutete, daß die SED nunmehr ihr Machtmonopol total durchgesetzte und sich alle Autorität staatlicher Macht völlig unterordnete. Ulbricht ging es dabei nicht um die zeitweilige Maßnahme eines Krisenmanagements, sondern darum, die Krise zu nutzen, um den Machtanspruch des Politbüros langfristig in solch absoluter Art im politischen System der DDR zu verankern wie es in den fünfziger Jahren wegen des Widerstandes der Blockparteien nicht möglich gewesen war. Folgerichtig vervielfachte sich der Parteiapparat der SED in kurzer Zeit, um seiner Weisungsbefugnis gegenüber den staatlichen Organen nachkommen zu können.38 Daß die politische Motivation Ulbrichts in der zweiten Berlinkrise allein auf Machterhalt ausgelegt war, zeigte sich auch in der Abschaffung des Präsidentenamtes der DDR zugunsten eines Staatsrates, dessen Vorsitzender er im September 1960 wurde. Da Ulbricht außerdem Erster Sekretär der ZK der SED war und sich im Februar 1960 zum Vorsitzenden des Verteidigungsrates hatte wählen lassen, war ihm die Okkupation entscheidender Machtpositionen gelungen. Es erfolgte eine bis dahin nicht gekannte Unterordnung, Konzentration und Gleichschaltung aller politischen Führungsinstanzen und - kräfte des Landes unter dem Ersten Sekretär des ZK der SED. Diese Position galt es in der Krise, mit allen Mitteln zu verteidigen.

"Ich verstehe Ihre Frage so, daß es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, daß wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, daß eine solche Absicht besteht. [...] Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten".

Obwohl genau dieses Zitat nach dem Bau der Mauer der BRD die Möglichkeit gab, der DDR nach belieben den Spiegel der "Verlogenheit" vorzuhalten, läßt sich jedoch bis heute nicht schlüssig beweisen, daß Ulbricht bewußt die Unwarheit sagte. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme und der hohen Flüchtlingszahlen mußte Ulbricht in kurzer Zeit eine Lösung finden. Doch ist nicht auszuschließen, daß er zu diesem Zeitpunkt noch an einen Verhandlungserfolg der Sowjetunion mit ihren Friedensvertragsplänen glaubte.46 Selbst wenn für ihn erweiterte Grenzkontrollen unumgehbar schienen, konnte er den Entschluß einer vollständigen Abriegelung der Grenzen nicht im Alleingang fällen.

seine Absperrpläne Ost-Berlins. In der Nacht vom 12. auf den 13.8.1961 errichteten Volkspolizei und NVA entlang der quer durch Berlin verlaufenden Sektorengrenze Stacheldrahtverhaue und Steinwälle, die in der folgenden Zeit zu einer durchgehenden Mauer ausgebaut wurden. Gleichzeitig wurden Polizei- und Armee-Einheiten in Ost-Berlin eingesetzt, um Demonstrationen zu verhindern.

Situation anch mAUERBAU

Die Errichtung der Absperrmaßnahmen kam für Bundesregierung, Berliner Senat und Westalliierte überraschend. Obwohl Bundeskanzler Adenauer am Abend des 13. August im Fernsehen zu Ruhe und Besonneheit aufrief, blieb die Situation unübersichtlich. Die Westalliierten zeigten demonstrative Gelassenheit und fanden sich nicht bereit, mehr als eine Beobachtung der Aktivitäten an der Grenze einzuleiten. Diese viel kritisierte Zurückhaltung der Westmächte, aber auch der Bundesregierung nach der Abriegelung der Grenze, resultierte daraus, daß man mit noch sehr viel weitergehende Maßnahmen rechnete. Gefürchtet wurde nicht nur ein Aufstand in der Ostzone mit unkalkulierbaren Auswirkungen, sondern auch ein unmittelbares Vorgehen der DDR gegen die Verbindungswege nach West-Berlin. Bis dahin hatte die DDR nur zu Mitteln gegriffen, welche die Rechte der Westmächte in Berlin nicht verletzten. Auf westalliierter Seite ging man davon aus, daß ein zu brüskes Vorgehen gegen die Absperrmaßnahmen der Sowjetunion nur einen willkommenen Anlaß für Blockademaßnahmen oder für die Einnahme Berlins gegeben hätte.48 Noch 1948 war die atomare Unverwundbarkeit der USA eine entscheidende Trumpfkarte gewesen, doch die Aufrüstung beider Seiten mit Interkontinentalrakten hatte ein atomares Patt der Supermächte ergeben.

Die Stimmung der Bürger in Berlin brach indessen vollends zusammen. Empörung, Enttäuschung über die Untätigkeit des Westens und die Furcht vor einer ungewissen Zukunft führten zu großen Proteskundgebungen. Schließlich sandte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, einen Brief an Präsident Kennedy, dessen Inhalt und Diktion deutliche Schritte unausweichlich machten.49 Aber erst als diese auch für den auf Hochtouren laufenden Bundestagswahlkampf bedeutsame negative Entwicklung schon offenbar war, ergriff man in Bonn

BACK deutsche Regierung NEXTund Washington psychologische Gegenmaßnahmen. Der Deutsche Bundestag wurde zu einer Sondersitzung einberufen, um eine Erklärung des Bundeskanzlers entgegenzunehmen, in der er die DDR scharf verurteilte.50 Präsident Kennedy ordnete eine demonstrative Verstärkung der amerikanischen Truppen in Berlin an und sandte Vizepräsident Lyndon B. Johnson und General Lucius D. Clay zu einem Blitzbesuch nach Bonn und Berlin. Johnson, Clay und die Soldaten wurden von der Berliner Bevölkerung stürmisch begrüßt. Die Depression wich einer neuen Zuversicht in die Entschlossenheit des Westens, in Berlin zu bleiben und direkter Aggression zu begegnen.

Die Reaktionen in der DDR waren wider Erwarten außerordentlich vielfältig. Manche DDR- Bürger hofften auf das Versprechen der SED-Propaganda, daß es sich um vorläufige Maßnahmen bis zum Abschluß des Friedensvertrages handele, andere fühlten sich erleichtert, weil nun die DDR nicht weiter ausbluten konnte. Sie gingen davon aus, daß bei hohen Wachstumsraten die BRD in einigen Jahren doch noch in der Arbeitsproduktivität überholt werden könnte.51

Doch die Errichtung der Mauer bedeutete noch nicht das Ende der zweiten Berlinkrise, da Chruschtschow weiterhin versuchte, seine Ziele durchzusetzen. Ab 23.8.1961 spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Ost und West weiter zu. Die Sowjetunion bestritt in einer Note an die Westmächte das Recht der Alliierten auf freie Benutzung der Luftkorridore nach West- Berlin. Auf beiden Seiten erfolgte die Verstärkung der Streitkräfte in Europa. Doch erst nachdem der sowjetische Versuch der Stationnierung von Mittelstreckenrakenten in Kuba gescheitert war, lenkte Chruschtschow ein und erklärte, daß die Sowjetunion nicht weiter auf dem 31.12.1961 als Termin für die Unterzeichnung des Friedensvertrages bestünden. Das Ende der Kuba-Krise am 28. Oktober bedeutete daher zugleich das Ende der Berlin-Krise.52 Die konzeptionelle Perpetie bestand darin, daß die Existenz West-Berlins einerseits und die Existenz der Mauer andererseits stillschweigend als vorerst unveränderbare Bestandteile des Status quo anerkannt wurden. In der Phase nach der Kuba-Krise ging es nun darum, den Berlin-Konflikt auch vertraglich "einzukapseln" und die beiden deutschen Staaten mit ihren spezifischen Sonderkonflikten in den internationalen Prozeß einzubeziehen.

Die Bedeutung des Mauerbaus für die DDR

Mit der Errichtung des "Antifaschistischen Schutzwalles"war in den Augen der DDR der "Krisenbrandherd Berlin" unter zuverlässige Kontrolle gebracht worden. In offiziellen Darstellungen wurde dabei immer die volle Unterstützung der Bevölkerung für die Errichtung der Absperrmaßnahmen betont:

"Die Mehrheit der Werktätigen der DDR begrüßte und unterstützte die Sicherungsmaßnahmen. Zahlreiche Berliner besuchten in den darauffolgenden Tagen die im Einsatz befindlichen Angehörigen der Bewaffneten Organe. Delegationen aus Betrieben und viele einzelne Bürger brachten Geschenke und Blumen, um auf diese Weise ihren Dank auszudrücken. [...] Durch die Sicherung der Staatsgrenze war es nun nicht mehr möglich, die Werktätigen um die Früchte ihrer eigenen Arbeit zu bringen und die DDR ungestraft auszuplündern."54

Die Bundesrepublik war auf sich selbst zurückgeworfen worden und die DDR konnte sich konsolidieren, denn erst die Mauer gab Ulbricht die volle Gewalt über die Bürger seines Staates.55 Damit bestand für die DDR-Führung die gleiche Ausgangsposition wie für andere kommunistische Regierungen: Die Menschen, die nicht mehr einfach abwandern konnten, weil ihnen jede Form demokratischen Mitwirkens in de DDR verwehr wurde, mußten sich mit dem Regime arrangieren. Es gab nun keine Alternative mehr zur Anpassung an den sozialistischen Staat und seine Gesellschaft. Das Bewußtsein, auf unabsehbare Zeit eingesperrt zu sein, machte viele Menschen in der DDR "mauerkrank". Abgrenzungskampagnen konnten weder verwandtschaftliche Beziehungen zertrennen noch das Gefühl für nationale Zusammengehörigkeit beseitigen. Wirkte der Mauerbau 1961 noch auf eine Konsolidierung der DDR und den Machterhalt der SED hin, so wirkte sich die Mauer letztendlich traumatisch für die DDR aus.

4. 7. Die Bedeutung des Mauerbaus für die BRD und West-Berlin

Der Mauerbau war für die westdeutsche Politik ein tiefer Einschnitt. Konrad Adenauers deutschlandpolitische Konzeption hatte den größten Schlag erhalten. Die "Politik der Stärke", die Vorstellung, das System der DDR sei durch Druck von außen zu verändern, schien gescheitert. Aufgrund seines harten politsichen Kurses gegenüber den realistischeren Ansätzen Kennedys, geriet der Bundeskanzler immer mehr ins Kreuzfeuer der Politik. Der junge amerikanische Präsident hatte erkannt, daß dem Westen keine kurzfristige Möglichkeit blieb, den Bau der Mauer rückgängig zu machen und plädierte für die Erhaltung des "status quo" auf der Grundlage seiner nach wie vor bestehenden "three essentials" um einen "modus vivendi" zu finden. Dies beinhaltete aber auch die Annahme der Mauer als Faktum, um politischen Spielraum für die Zukunft zu gewinnen. Das Scheitern Adenauers Poltik der Härte gegenüber der DDR spiegelte sich auch bei den Wahlen am 17. September 1961 wieder, als die CDU ihre absolute Mehrheit verlor, und der Adenauer Chruschtschow der Wahlkampfhilfe für Willy Brand bezichtigte.56

Doch die Existenz der Mauer gab auch Ansatzpunkte zu einer Neuorientierung der Ost- Politik. Egon Bahr, der Leiter des Presse- und Informationsamtes des Berliner Senats, entwickelte am 15. Juli 1964 anläßlich eines Referats vor der Evangelischen Akademie in Tutzing die Formel : "Wandel durch Annäherung". Dahinter verbarg sich die Vorstellung, daß das kommunistische Regime in der DDR aus Angst und Selbsterhaltungstrieb BACK deutsche Regierung NEXTdie Mauer errichtet hatte und die Auflockerung der Grenzen durch eine deutsch-deutsche Entspannung möglich werde.57 Trotz vieler Bedenken, auch in der SPD, fand Bahr Unterstützung bei Willy Brand, der im Februar 1964 Parteivorsitzender der SPD geworden war.

Trotz der Abkehr des offenen Konfrontationskurses gegüber dem anderern deutschen Staat, wurde Berlin und die Mauer jedoch zum zentralen Integrationselement für die Gesellschaft der BRD. Die Mauer machte das gemeinsame "Feindbild" aller Westdeutschen möglich, bot eine einfache, leicht zu verstehende politsische Positionsbestimmung für jeden an. Westlich der Mauer existierte die BRD mit ihrer freiheitlich demokratischen Grundordnung, östlich davon, getrennt von einem unmenschlichen Bauwerk, errichtet von einem undemokratischen System, lag die DDR und hielt ihre eigenen Bürger gefangen. Diese hier recht simplifizierte Darstellung wurde bis zum Ende der DDR mehrfach abgewandelt und relativiert, behielt jedoch aufgrund ihrer zutreffenden Kernaussage immer Aktualität.

5. Erste Enspannungstendenzen nach Ende der 2. Berlinkrise (1962-1964)

Mit dem Ende der 2. Berlinkrise und dem Bau der Mauer hatte sich der Ost-West-Konflikt auf weltpolitischer Ebene deutlich entspannt. USA und Sowjetunion respektierten ihre jeweiligen europäischen Situationen und suchten nach Möglichkeiten den Zustand vertraglich zu fixieren. Für die beiderseitigen Positionen in Berlin bedeutete dies, daß eine Übereinkunft gefunden werden mußte, die es West-Berlin erlaubte, abgesichert durch enge Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und den Westmächten, seine Brennpunktfunktion aufzugeben. Für Ost-Berlin bedeutete solch eine Übereinkunft die faktische Bestätigung der Zugehörigkeit zur DDR und die Anerkennung seiner Hauptstadtfunktion.

5. 1. Berlin (West)

Die politische Führung von West-Berlin leitete nach dem Bau der Mauer einen langsamen Umdenkungsprozeß ein, welcher der Bevölkerung behutsam klar machen sollte, daß sich die westlichen Garantien nur auf den Westteil der Stadt bezogen und die Hoffnungen und Illusionen der letzten Jahre weitgehend verloren waren. Berlin sollte eine "Brückenfunktion" zwischen Ost und West erhalten und die Kommunikation zwischen den Völkern Ost- und Westeuropas ermöglichen. Dennoch galt es den meisten West-Berlinern nach wie vor als unverzeihliche Naivität oder Unverfrorenheit, Gesprächsbreitschaft mit dem Osten zu zeigen. Der regierende Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt begann mit seiner "Politik der kleinen Schritte", die mit einer Kontaktaufnahme zu östlichen Behörden, vor allem den Berliner Bürgern praktische Erleichterung bringen sollte. Der Besuch Präsident Kennedys im Juni 1963 stützte Brandts Politik und beendete die Vertrauenskrise zu den Westmächten.58 Er schaffte es nicht nur mit seiner "Ich bin ein Berliner"-Rede, das trotzige "dennoch"-Gefühl der Bevölkerung wiederzubeleben, sondern verknüpfte auch die Existenz der Mauer mit der Einheit Deutschlands.

"Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens. [...] Was von Berlin gilt, gilt von Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet werden, solange jedem vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In sechzehn Jahren des Friedens und der erprobten Verläßlichkeit hat diese Generation der Deutschen sich das Recht verdient, frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nationen in dauerhaftem Frieden wieder vereint zu sehen im guten Willen gegen jedermann."59

In diesen Worten spiegelte sich die Grundüberzeugung nicht nur BACK Regierung deutsche NEXTdes amerikanischen Präsidenten, sondern auch der Westdeutschen Regierung wieder, daß allein die Mauer, das Scheitern des sozialistischen Oststaates verhindere. Ihre Existenz machte die undemokratische Struktur eines Systems offensichtlich, dessen Führung als letztes Mittel sein eigenes Volk internierte, um abgeschlossen von störenden Einflüssen eine sozialistisch autoritäre Herrschaft zu errichten. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt absehbar war, ob die Mauer als notwendige Bedingung für die Existenz der DDR auch in der Zukunft ihre Berechtigung haben würde, so erhielten hier doch Mauer- und Einigungsfrage ihre enge Verknüpfung, die sie bis zur Lösung beider Probleme auch behalten sollten.

In der westdeutschen und westberliner Politik erleichterte die Mauer die eigene moralische Standortbestimmung. Solange die Mauer bestand, konnte jedem demokratie- und freiheitsliebenden Bürger der Welt klar werden, auf welcher Seite Freiheit und auf welcher Unterdrückung herrschte. Entsprechend diesem Punkt an dem die moralische Überlegenheit des Westens so deutlich zu Tage trat, wurden bis zum Fall der Mauer unzählige ausländische Gäste, Politiker und Staatsoberhäupter an die Mauer in Berlin geführt.

Doch eine alleinige Konzentration auf Konfrontation aus moralischer Überlegenheit machte humanitäre Verbesserungen in der unerträglichen Situation Berlins fast unmöglich. Erst nach den Senatswahlen von 1963, in der erstmals SPD und FDP eine mehrheitsfähige Koalition erreichten, konnte der neue Senat vom harten politischen Kurs gegenüber der DDR abweichen. Trotz der Umstrittenheit dieses politischen Kurswechels zeigten BACK Regierung deutsche NEXTsich bald erste Resultate. Nach mühsamen Verhandlungen mit der Regierung in Ost-Berlin konnte im Dezember des gleichen Jahres mit der DDR ein Passierscheinabkommen ausgehandelt werden, das es den West-Berlinern erstmalig nach Schließung der Grenze erlaubte, den Ostteil der Stadt wieder zu besuchen; ein Paradebeispiel für die Möglichkeit, durch das Ausklammern gegensätzlicher Grundsatzpositionen humanitäre Angelegenheiten zu verwirklichen.60

5. 2. Berlin (Ost)

Der DDR-Führung im Osten war es mittlerweile gelungen, die Abneigung der Bevölkerung von Ost-Berlin gegenüber der DDR-Provinz abzubauen und auf die Entwicklung eines Hauptstadtbewußtseins zu wenden. Mit erheblichen finanziellen und propagandistischen Mitteln wurde der Wiederaufbau des alten preußischen Berlins vorangetrieben. In den fünfziger Jahren hatten die Westmächte eine "Zuordnung" Ost-Berlins zur DDR stillschweigend in dem Maße hingenommen, in dem sie selbst die "Zuordnung" West-Berlins zur Bundesrepublik für geboten hielten. Sie erhoben Einwände immer nur dann, wenn die östliche Seite weiter ging als die westliche, z.B. als im Januar 1962 die allgemeine Wehrpflicht auch in Ost-Berlin eingeführt wurde. Seit Beginn der sechziger Jahre war die

DDR bemüht, bei allen politischen Sprachregelungen die Hauptstadtrolle Ost-Berlins hervorzuheben. Obwohl die DDR-Führung bis zum Oktober 1962 noch gehofft hatte, daß der Bau der Mauer destabilisierend auf das Bewußtsein der Westberliner wirken würde, erklärte Ulbricht beide Staaten sollten ihre Lehren aus dem Kubakonflikt ziehen. Nach einer Auseinandersetzung mit den sowjetischen Parteiführern hatte Ulbricht zuvor von seinen Maximalforderungen bezüglich Berlin abrücken müssen. Das auf dem 6. Parteitag der SED verabschiedete Programm vom 18.1.1963 drohte nicht mehr mit einem Friedensvertrag und auch das Konzept der Freien Stadt Berlin war endgültig fallengelassen worden.

Nach dem Bau der Mauer war es der SED zunächst gelungen, die Stärkung der Ökonomie in den Vordergrund zu rücken. Es gelang ihr tatsächlich mit einer groß propagierten Produktionskampagne eine wirtschaftliche Aufbruchsstimmung in der DDR erzeugen. Mit dem Weichen der unmittelbaren Existenzangst lockerte die Staatsführung ihr Regime. Für Universitäten und Künstler erschloß sich ein bisher nicht gekannter Freiraum für ihr Schaffen. An diesem Punkt stellte sich die Frage, ob in Auseinandersetzung mit den Sonderinteressen der bürokratischen Apparate der SED und der Blockparteien sowie des Staates es möglich sein würde, die Wirtschaftsreform in Einheit mit einer Reform des politischen Systems durchzuführen. Nur solch eine moderne DDR hätte die Chance gehabt, in absehbarer Zeit die Mauer überflüssig zu machen.61

6. Berlin als Ort deutsch-deutscher Koexistenz (1964 -1972)

Bis 1966 waren weitere wichtige Schritte in Richtung auf ein Konfliktbeseitigung in Mitteleuropa getan worden. CDU und CSU hatten sich bereiterklärt, auf die sowjetisch- amerikanische Politik der Konfliktbeseitigung einzuschwenken, um die unter den Regierungen Adenauer und Erhard entstandene Isolierung der BRD in Ost und West aufzubrechen.62 Unter der Großen Koalition begannen erste Gespräche mit der Regierung der DDR, die jedoch vorerst ohne Erfolg blieben.

Verhandlungen der Bundesregierung mit der Sowjetunion über einen Gewaltverzicht im Jahre 1967 scheiterten insbesondere daran, daß man auf östlicher Seite Berlin als dritten Staat auf deutschem Boden ansah, und sich genötigt fühlte, in Berlin der demonstrativen BACK Regierung deutsche NEXTBundespräsenz entgegenzutreten. So verbot die DDR- Regierung am 10.3.1968 Mitgliedern der NPD die Benutzung der Transitstrecken und ordnete am 13.4.1968 an, daß Ministern und leitenden Beamten der Bundesregierung die Benutzung der Transitstrecken nicht mehr gestattet werden kann.63 Schließlich erfolgte am 5.3.1969 der Visazwang für alle transitreisenden Bundes- und Berlin-Bürger. Diese Reaktion auf die steigende Bundespräsenz in West-Berlin kann um so eher verstanden werden, als daß in der seit April geltenden DDR-Verfassung, in Artikel 1, Berlin ausdrücklich als Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und nicht mehr ganz Deutschlands bezeichnet wurde.64

Die im Oktober 1969 gebildete sozialliberale Koalition in Bonn nutzte im Zuge der weltpolitischen Entspannung die Möglichkeit, auch die Beziehungen zum Osten weiter auszubauen. Willy Brands Ostpolitik, die letztendlich von Bahrs "Mauererfahrung" beeinflußt war, konnte nun endlich zur Anwendung kommen. So wurden schon am 12. August 1970 das Gewaltverzichtsabkommen der BRD mit der Sowjetunion, der Moskauer Vertrag und am 7. Dezember 1970 der Warschauer Vertrag abgeschlossen. Parallel zu diesen Verhandlungen hatten sich im März bzw. im Mai 1970 Bundeskanzler Brandt und Ministerpräsident Stoph in Erfurt bzw. in Kassel zu Gesprächen getroffen. Da die Bundesregierung jedoch entscheidenden Wert darauf legte, daß Verhandlungen zwischen der DDR und der BRD über den Berlin-Verkehr auf der Grundlage der bestehenden Verantwortung der Vier Mächte für die Sicherung des Berlin-Zugangs erfolgen müsse, formulierten sie im Zusammenwirken mit den Westmächten ein Junktim zwischen dem Inkrafttreten des Moskauer Vertrages und einer befriedigenden Berlin-Regelung, die für die westliche Seite unverzichtbarer Ausgangspunkt für Ost-West-Verträge und Entspannung war.65 Zwar akzeptierte die Sowjetunion kein formelles Junktim, fand sich aber zu Viermächte-Verhandlungen über Berlin bereit.

In der DDR vollzog sich dagegen 1971 die Wende von Walter Ulbricht zu Erich Honecker, nachdem sich herausgestellt hatte, daß der Versuch, die BRD wirtschaftlich zu überholen, gescheitert war und der Kommandosozialismus nicht die Aufgaben der technologischen Umwälzung zu meistern vermochte. Der neue Mann begrub jegliches Reformkonzept. An die Stelle von Ökonomie traten bei ihm Politik und Ideologie. Andererseits wurde in vielen Fragen ein früher nicht gekannter Pragmatismus praktiziert. Honecker erkannte den Vorsprung des Westens an. Neue Überholversuche wurden nicht mehr erwogen. Top- Funktionäre der Partei und höhere Offiziere in den Militär- und Sicherheitsapparaten bedienten sich in Sonderläden für Ost-Mark mit Waren, die für die Bevölkerung nicht ohne weiteres zugänglich waren.66 So entstanden verschiedene Kategorien Privilegierter, und sozialpsychologische Spannungen waren unvermeidlich. Es stellte sich die Frage, wie lange noch große Teile der Bevölkerung an die "Überlegenheit des Sozialismus" würden glauben können. Die Politik Honeckers, mit den Mitteln der Sozialpolitik sein konservatives System zu stabilisieren, führte zu einer eklatanten Vernachlässigung der Akkumulation in der DDR- Wirtschaft und damit zum langfristigen Abbau der wirtschaftlichen Grundlagen der DDR. Angesichts dieser Situation war die DDR-Führung einerseits bereit, mittels "humanitärer" Zugeständnisse vor allem in Berlin wirtschaftliche Zuwendungen aus der BRD zu erreichen, andererseits versuchte das marode Regime dabei unter allen Umständen das Gesicht der Souveränität und der politisichen Gleichberechtigung zu wahren. Beide Punkte ließen sich in deutsch-deutschen Abkommen verwirklichen, die dem Vier-Mächte-Abkommen folgten.

6. 1. Das Vier-Mächte-Abkommen

Die Unterzeichnung des Vier-Mächte-Abkommens am 3. September 1971 im Berliner Kontrollratsgebäude markierte eine Etappe in den Annäherungen zwischen Ost und West, deren Bedeutung weit über die geteilte Stadt hinausreichte. Das Abkommen war Kernbestandteil der Entspannungspolitik zwischen West und Ost in Europa Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Die Politische Koppelung einer befriedigenden BerlinRegelung durch die Bundesregierung und ihre westlichen Verbündeten mit einer Ratifizierung der Ostverträge und der Teilnahme an einer KSZE in Form eines Juktims zeigte den hohen Stellenwert dieses Problemfeldes für die Ost-West-Beziehungen.67

Es folgte am 17. Dezember das für Berlin besonders wichtige Transitabkommen, das den Transitverkehr zwischen der BRD und Berlin (West) erstmals auf eine völkerrechtliche Basis stellte. Die Vereinbarung vom 20. Dezember BACK Regierung deutsche NEXT1971 zwischen der DDR-Regierung und dem Senat von Berlin, worin Reise- und Besuchsregelungen, sowie Vereinbarungen über einen Gebietsaustausch festgelegt wurden, brachte eine weitere Entspannung der politischen Lage.68 Am 21.12.1972 folgte schließlich als vorläufiger Abschluß der Normalisierung des Verhältnisses der Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Republiken, in dem vor allem ein Gewaltverzicht und die gegenseitige Anerkennung als eigenständige Staaten ausgesprochen wurde. Man einigte sich ebenfalls über den Austausch von "ständigen Vertretungen" in Berlin (Ost) und Bonn. Der Begriff "ständige Vertretung" wurde auf Wunsch der Bundesregierung gewählt, welche die DDR mit der Entsendung eines Botschafters formell als Staat anerkannt hätte. Rechtstechnisch blieb das Berlin-Abkommen jedoch ein Kuriosum, ohne einheitliche Namen, ohne vereinbarten Geltungsbereich, voll umständlich verklausulierter Ortsbezeichnungen und fast nur aus einseitigen Erklärungen bestehend.

Obwohl die DDR-Führung erst nach einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die BRD in Verhandlungen mit der Bundesregierung treten wollte, hatte sie sich der politischen Gesamtkonstellation beugen müssen. Die Sowjetunion war zu sehr an einem Gewaltverzichtsabkommen mit der BRD und an der Festschreibung des Status quo in Europa interessiert und hatte die DDR gedrängt, ihre Vorbedingungen fallenzulassen.69 Spätestens mit diesem Abkommen wurde deutlich, daß keine der vier Mächte auf ihre Rechte in Berlin verzichten und der DDR die Eingliederung des Westteiles in ihr Staatsgebiet ermöglichen würde.70 Selbst wenn aufgrund der weiterhin unterschiedlichen Rechtspositionen der Streit über die "richtige" Auslegung der Verträge nicht ausbleiben konnte, war nach dem Abschluß und Ratifizierung der Verträge der Berlin-Konflikt "eingekapselt" und als solcher für die Erhaltung eines entspannten Zustandes in Europa nicht mehr bedrohlich.

7. Bewährung der Koexistenz

Auf die zwischen den Großmächten getroffene Vereinbarung zur Konfliktbeseitigung kam ab 1973 in einer sich rasch wandelnden politischen, militärischen und wirtschaftlichen Lage die Bewährung zu. Vor allem Berlin wurde wieder zum Brennpunkt von Argwohn beider Seiten, der jeweils andere könnte nicht mehr gewillt sein, den Anfang der siebziger Jahre getroffenen Interessenausgleich einzuhalten. Im Juli 1973 erhielt

BACK deutsche Regierung NEXTdas deutsch-deutsche Verhältnis einen schweren Stoß, als das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil die BRD nicht als "Rechtsnachfolger" des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Deutschen Reich und im Bezug auf seine Ausdehnung teilidentisch mit ihm bezeichnete.71 Damit waren der de-facto- Anerkennung der DDR im Grundlagenvertrag enge Grenzen gesetzt. Nach diesem Urteil ging die DDR neuen Vereinbarungen mit der BRD zunächst aus dem Weg und wandte sich massiv gegen die Bindungen von West-Berlin an die BRD. Obwohl im Viermächte-Abkommen festgelegt war, daß die Bindungen und Verbindungen zwischen Berlin (West) und der BRD nicht nur fortbestehen, sondern auch "entwickelt" werden könnten, forderte die SED bald den Abbau der in West-Berlin bestehenden Bundeseinrichtungen. Nach Ansicht der DDR- Führung bezog sich der englisch-russische Originaltext des Abkommens nur auf "Verbindungen" mit der Stadt und nicht auf "Bindungen".72

9. Der Fall der Mauer und das Ende der Berlinfrage

1989 hatte sich die politische Krise in der DDR drastisch verschärft. Als die ungarischen Behörden am 10./11. September ohne Absprache mit

BACK Regierung deutsche NEXTder DDR-Regierung allen Fluchtwilligen, die sich in ihrem Land aufhielten, die Ausreise gewährte, kam es zu einem lawinenartigen Exodus wie einst vor dem Bau der Berliner Mauer 1961. Dieses Loch in der Mauer um die DDR, durch das bis Ende September 25.000 Übersiedler in die BRD gelangten, leitete den Zusammenbruch des DDR-Regimes ein.80 Analog zur Situation in der Zweiten Berlinkrise, ließen die Flüchtlingsströme ein Ausbluten der DDR in kurzer Zeit vermuten. Die zeitgleich in der DDR stattfindenden Bürgerdemonstrationen gegen das Regime setzten die SED-Führung so weit unter Druck, daß nur noch mit der Schließung der Grenzen zu den "sozialistischen Bruderstaaten" und rigorosen polizeilichen Maßnahmen der Machterhalt hätte gewährleistet werden können. Doch solch ein Schritt hätte blutige Aktionen nach dem Vorbild des 17. Juni erfordert und die DDR weltweit, auch im sozialistischen Lager isoliert.

Am 9. November 1989 gab das Politbüromiglied Günter Schabowski in einer Pressekonferenz die neue Reisefreiheit für DDR-Bürger bekannt und bestätigte damit das Nachgeben der SED- Führung. Diese Aussage leitete das Ende der Mauer ein. Noch in der selben Nacht sollte die Mauer in Berlin, wo sie 28 Jahre lang ihr unmenschliches Gesicht am offensten gezeigt hatte, ihren Schrecken verlieren. Obwohl für die Reisefreiheit der DDR-Bürger noch keine formellen Regelungen getroffen waren, mußten sich die Grenzposten dem Ansturm tausender Ost-Berliner beugen, die in den Westteil der Stadt strömten und dort begeistert empfangen wurden. Am Brandenburger Tor, bei dem Präsident Reagan im Juni 1987 Gorbatschow aufgefordert hatte, das Tor zu öffnen, erklommen Ost- und Westberliner die Mauer und feierten das Ende der Trennung.

Der faktische Fall der Mauer ermöglichte in den folgenden Wochen Millionen von DDR- Bürgern den Besuch der BRD und West-Berlins, wobei die unmittelbare Anschauung der Lebensverhältnisse die Menschen tief prägte. Die Vorstellungen, die DDR reformieren zu können, wichen bald dem Wunsch nach einer alsbaldigen Vereinigung.Nach dem Ende der Mauer sollte auch bald Berlin seine exponierte Stellung zwischen den beiden deutschen Staaten verlieren. Den ersten freien Wahlen in der DDR im März 1990 folgte die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der BRD im Juli desselben Jahres.82 Am 23. August 1990 stimmte die Volkskammer der DDR für einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 GG und nur wenige Tage später, am 31. August 1990 wurde der Einigungsvertrag unterzeichnet. Auf internationaler Ebene hatte der sowjetische Präsident Gorbatschow im Februar 1990 grundsätzlich der deutschen Vereinigung zugestimmt, wenige Tage später wurde auf der "Open-Skies-Konferenz" in Ottawa die "Zwei-plus-Vier" Formel geboren: Die beiden deutschen Staaten verhandelten in der Folge mit den vier ehemaligen Alliierten des Zweiten Weltkrieges über die äußeren Aspekte der deutschen Einheit in einer Serie von Konferenzen, die Anfang Mai in Bonn begann und im September mit der Unterzeichnung des "Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" endete.83 Die Regelung der inneren und äußeren Aspekte der deutschen Einheit wurde mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 abgeschlossen. Für Berlin bedeutete dies den Wegfall des Viermächtestatus und aller damit verbundenen Rechte der Alliierten. Der im Jahre 1994 vollendete Abzug aller alliierter Streitkräfte aus der Stadt ermöglichte die vollständige politische Normalisierung der Stadt, deren Probleme sich jetzt vor allem auf wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Vereinigung verlagerten. Berlin hatte seine Funktion als politischer Brennpunkt der Ost-West-Beziehungen im positiven wie auch im negativen Sinne verloren.

An der Frage, ob Berlin, Hauptstadt des Deutschen Reiches und Hauptstadt der DDR, jetzt Hauptstadt eines vereinigten Deutschlands werden solle, entzündeten sich jedoch bald innenpolitische Kontroversen. Befürworter betonten Berlin als einziges mögliches gesamtdeutsches Symbol, während Gegner vor Traditionen des Kaisertums und des Nationalsozialismus warnten, sowie die gigantischen Kosten eines Umzuges von Bonn nach Berlin darstellten. Die Entscheidung der Bundestagsabgeordneten könnte dabei als Sehnsucht nach einem nationalen Symbol betrachtet werden, daß Deutschland in den letzten 50 Jahren seiner Geschichte verwehrt worden war. Berlin steht in seiner neueren Geschichte für Kampf, Selbstbehauptung, Trennung durch Mauer, Wille zur Freiheit und zur Einheit. Damit repräsentiert die Stadt sowohl bestehende als auch neue Ideale, die an der Gründung positiver Traditionen des Wiedervereinigten Deutschland mitwirken können. Damit besteht aber keinesfalls ein Mandat, zentralistisch zu wirken, was unweigerlich zu Reibungen mit dem föderalen System führen würde. Ebenso würde ein Mandat, ein homogenisiertes deutsches Kulturbild zu schaffen, wie dies in Frankreich mit Paris der Fall ist, an den föderalen Traditionen und Strukturen scheitern.

III. Schlußbetrachtung

Abschließend kann gesagt werden, daß es während der ganzen Zeit der Teilung Berlins nie eine totale Isolation zwischen den beiden Stadthälften gab. Der Warenaustausch zwischen den beiden Stadtteilen wurde nie ganz unterbrochen und funktionierte unter dem Dach des sogenannten "Interzonenhandels". Trotz Mauer gab es zu keinem Zeitpunkt die totale Kommunikationsblockade.

Die deutsche Frage stand tatsächlich solange offen, wie die Mauer und damit die Teilung Berlins bestand. Berlin war mit seiner freiheitlichen Existenz des Westteiles und mit der davon ausgehenden Ausstrahlung faktisch "Pfahl im Fleisch" der kommunistischen Herrschaft in der DDR. Die Stadt war aber ebenso die "offene Wunde" der BRD, die immer wieder das Drama der deutschen Teilung vor Augen führte. Berlin und die Mauer stellten vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes ein zentrales Integrationselement für die Gesellschaft der Bundesrepublik dar. Der Verlust dieses gemeinsamen Mittelpunktes nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands sind bis heute in der gesellschaftlichen und weltpolitischen Standortsuche der Deutschen sichtbar.

Resumee:

Als sogenannter "Ureinwohner" der Stadt Berlin habe ich die Maueroeffnung und die Wiedervereinigung miterelebt und war sicherlich auch am Anfang einer der Befuerworter dieses Schrittes. Mittlerweile hat sich aber meine Weltbild geandert (ich war damals 7 Jahre alt) und ich habe auch die Kehrseite der Medaille mitbekommen. Am Anfang war jeder euphorisch und hat sich von den berauschenden Bildern im Fernsehen und auch von der durchgehend heiteren Stimmung in diesen Tagen mitreissen lassen. Ich weiss noch sehr genau, wie ich mit meiner Familie das erste mal in den "Osten" gefahren bin. Die Menschen haben sich in den 10 Jahren gewandelt und mit ihnen auch ihre Ansichten. Ich bin heutzutage der Meinung, dass man die Mauer ruhig wieder aufbauen koennte. Ich habe schon immer im Westteil gewohnt und musste mir nach der Wiedervereinigung anhoeren, wie gerne die "Ostler" ihre Mauer wiederhaetten, es waere doch alles viel besser gewesen unter der SED! Es haette Arbeit gegeben, keine Gewalt und immer genung Geld fuer jeden, dass sie aber die Subventionen Monat fuer Monat von den Weststaaten der Bundes Republik Deutschland bekommen, vergessen sie. Ich habe schon einige Beispiele von Geldverschwenderei gesehen, die meine Mutter und die restlichen Westdeutschen mitfinanzieren muessen, mit dem sogenannten Solidaritaetszuschlag. Es faengt schon an, dass in dem Westteil von Berlin die Haeuser verfallen, wenn in dem Ostteil der Stadt Kreuzungen errichtet werden, wo nicht einmal Strassen vorhanden sind!

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ost-West Konflikt und der Mauerbau
Veranstaltung
DeutschGK 12.Kl Sem.2
Note
1+
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V102012
ISBN (eBook)
9783640004102
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit habe ich in England verfasst und fungierte dort als Abschlussarbeit in Deutsch! Sie beschreibt sehr detailliert die Vorgänge und Handlungen während des Konfliktes...auch wie er sich auflöste und den Mauerfall mit sich brachte! Das Resumee ist aus meiner Sicht ge! schrieben. Klar hab ich deshalb sicherlich eine andere Sicht der Dinge als ihr (ich bin Berlinerin). Der Text ist jedoch sehr neutral und objektiv gehalten...also absolut Referattauglich!! Viel Spass damit...
Schlagworte
6154 Wörter zur Problematik des Konfliktes! Entstehung, Sicht beider Seiten sowie Agitationen und Resumee sind enthalten.
Arbeit zitieren
Kristina Krutzek (Autor:in), 1999, Ost-West Konflikt und der Mauerbau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102012

Kommentare

  • Gast am 15.10.2001

    erstmal gut.

    eine sehr gute arbeit, konnte ich gut für mein plakat gebrauchen. erstmal lob!

    doch dann muss ich als ossi sagen: die meisten ossis sind froh, im westen zu sein. was du als beispiel anführst, sind absolute ausnahmen!

Blick ins Buch
Titel: Ost-West Konflikt und der Mauerbau



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