Kriege der dritten Art


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsübersicht

I. Einleitung

II. Was ist Krieg?

III. Das Staatsstärke-Dilemma und Kriege der dritten Art
III.1 Die Kriegstypen
III.1.1 Institutionalisierte Kriege (1648-1789)
III.1.2 Totaler Krieg (1789-1945)
III.1.3 Kriege der dritten Art (1945 bis heute)
III. 2 Das Staatsstärke-Dilemma
III.2.1 Vertikale und horizontale Legitimität
III.2.2 Staatsschwäche und Staatsgründung
III.2.3 Das Staatsstärke-Dilemma
III.2.4 Failed states
III.3 Von ,,zones of war" zu ,,zones of peace"?

IV. Holstis Ansatz im Vergleich

V. Die Bedeutung des Ansatzes für die Theorie der internationalen Beziehungen

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Hoffnung, die Welt würde nach Ende des Ost-West-Konflikts friedlicher, hat sich nicht erfüllt. Kriege sind weiterhin ein Element internationaler Beziehungen. Allerdings hat sich der Charakter der Kriege geändert. Seit 1945 findet ein Großteil der Kriege nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb von Staaten statt. Diese intranationalen Auseinandersetzungen sind wiederum häufig Quelle von Interventionen, die intranationalen Kriege weiten sich also zu internationalen Kriegen aus. Kalevi J. Holsti hat in seinem 1996 erschienenen Buch1 Ursachen für intranationale Kriege untersucht und für diese Kriege einen neuen Kriegstypus eingeführt, die Kriege der dritten Art. Dieser Ansatz und seine Relevanz für die Theorie der internationalen Beziehungen werden in dieser Hausarbeit dargestellt und kritisch gewürdigt.

Bevor man sich mit Kriegsursachen auseinandersetzen kann, muss erst geklärt werden, was Krieg im Allgemeinen und ein Krieg der dritten Art im Besonderen ist. Daher beschäftigt sich meine Hausarbeit zum Einstieg mit Begriffsbestimmungen: Zum einen wird die nur scheinbar einfach zu beantwortende Frage problematisiert, was überhaupt Krieg ist, wobei sich die Darstellung auf eine kleine Auswahl aus der Fülle von Kriegsdefinitionen beschränkt. Zum anderen wird ausführlich Holstis Kriegsmorphologie vorgestellt; die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kriegstypen werden herausgearbeitet.

Bei der Darstellung und Bewertung von Holstis Kriegsätiologie greife ich auch auf andere Autoren zurück, um die empirische Evidenz von Holstis Untersuchung zu belegen oder um Punkte kritisch zu hinterfragen. Ist die Ätiologie herausgearbeitet, folgt die Wertung: Haben Holstis Ergebnisse neue Erkenntnisse gebracht für die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit von intranationalen Kriegen und Interventionen? Eine Antwort liefert der Vergleich von Holstis Ansatz mit anderen scheinbar ähnlichen und recht populären Ansätzen zur Erklärung von Kriegen in der Dritten Welt. Nach der Einordnung von Holstis Ansatz zwischen andere Kriegstheorien folgt als letzter Schritt die Einordnung in den übergeordneten theoretischen Gesamtzusammenhang: Was leistet Holstis Ansatz für die Theorie der internationalen Beziehungen?

II. Was ist Krieg?

Eine allseits akzeptierte Kriegsdefinition existiert bis heute nicht.2 Selbst im Völkerrecht wurde keine eindeutige Begriffsbestimmung entwickelt.3 Kein Wunder also, dass die Ergebnisse von Kriegsstatistiken voneinander abweichen - je nachdem, welche Definition zugrunde gelegt wird, je nachdem, welcher Zeitabschnitt untersucht wird. Eine der einfachsten Definitionen stammt von Carl von Clausewitz: ,,Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen."4 Und weiter: ,,So sehen wir also, dass der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln."5 Während für von Clausewitz Krieg lediglich ein politisches Instrument von Staaten war, haben kommunistische Denker die Clausewitzsche Definition auf Klassen und Völker erweitert: Krieg ist demnach die Fortsetzung der Politik von Staaten, Völkern, Klassen, Nationen oder Koalitionen mittels organisierter bewaffneter Gewalt zur Durchsetzung ökonomischer Interessen und politischer Ziele.6

Hedley Bull nahm das Element Zielgerichtetheit aus der Definition heraus. Für ihn ist Krieg ,,organised violence carried on by political units against each other"7, egal, ob ein bestimmter Zweck dahinter steht. Alle drei Definitionen lassen offen, wie die bewaffnete Gewalt auszusehen hat - reicht ein Schuss oder werden an die Gewalttätigkeit weitere Kriterien angelegt? Daniel Frei nimmt sich des Problems an und definiert Krieg als ,,besonders heftige, von verschiedenen unerwünschten Nebenerscheinungen - vor allem Menschenopfern und großen Sachschäden - begleitete Form von Konflikten zwischen Großgruppen"8.

Doch wie operationalisiert man ,,groß" oder ,,heftig"? Es gibt zahlreiche voneinander abweichende Ansätze, die mit Variablen wie Dauer, Truppenstärke oder Verluste arbeiten. Eine recht gebräuchliche Definition stammt beispielsweise von J. David Singer und Melvin Small, gemäß der mindestens eine Kriegspartei Nation und Mitglied des internationalen Systems sein und die Zahl der gefallenen Soldaten mindestens 1.000 betragen muss. Ziel der Auseinandersetzung ist das Schwächen des Feindes, auf dass er aufgeben muss.9 Hier fallen allerdings viele bewaffnete Auseinandersetzungen durch das Raster.

Die AKUF, die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg, hat in Anlehnung an István Kende eine andere Definition entwickelt, die mehr bewaffnete Konflikte einschließt:10

Krieg ist demnach ein gewaltsamer Massenkonflikt, für den Folgendes gilt:

a) Mindestens zwei bewaffnete Streitkräfte sind an ihm beteiligt, mindestens eine davon ist eine reguläre Armee einer Regierung.
b) Auf beiden Seiten ist ein Mindestmaß an zentral gelenkter Organisation des Kampfes erkennbar.
c) Die bewaffneten Operationen finden mit einer gewissen Kontinuierlichkeit statt.

Kriterien wie ,,zentral gelenkte Organisation" sind zwar nicht so eindeutig wie das Kriterium ,,1.000 Tote", dafür umfasst die Definition eine größere Bandbreite gewalttätiger Auseinandersetzungen. Die Kriege ordnet die AKUF drei Klassen zu: internationalen Kriegen, intranationalen Kriegen und Mischkriegen (sowohl inter- wie intranational). Unter die intranationalen Kriege fallen Antiregime-Kriege (Kampf um die Herrschaft) und sonstige inneren Kriege (beispielsweise Sezession, Krieg gegen Minderheiten). Internationale Kriege teilen sich auf in zwischenstaatliche Kriege und Dekolonisationskriege.

Erfüllt ein Krieg gleichzeitig mehrere Kategorien, spricht das AKUF von Simultan- Mischtypen, wechselt der Typ während der Kampfhandlungen, handelt es sich um SukzessivMischtypen. Desweiteren kann bei allen Typen noch unterschieden werden, ob dritte Staaten mitkämpfen oder nicht, ob also Fremdbeteiligung vorliegt.11

Kalevi J. Holsti hat die Gründe für Kriege untersucht. Eine Beschränkung der Studie auf Kriege mit mehr als 1.000 Toten gemäß Small und Singer hielt er nicht für zweckmäßig, da auch bewaffnete Auseinandersetzungen mit weniger Toten Aufschluss über typische Kriegsursachen liefern. Die Definition nach Small und Singer hätte kleinere intranationale Auseinandersetzungen nach 1945 durch das Raster fallen lassen. Und gerade intranationale Auseinandersetzungen waren besonders wichtig für Holstis Studie. Er verwandte folgende Definition:12

Kriege sind gewalttätige bewaffnete Auseinandersetzungen, für die gilt:

a) Mindestens eine Kriegspartei war anerkanntes Mitglied im internationalen System (belegt beispielsweise durch UNO-Mitgliedschaft).
b) Mindestens eine Partei hat Soldaten in einer Region eingesetzt, in der sonst nicht diese Soldaten stehen.
c) Die Soldaten waren in dieser Region mindestens zwei Wochen präsent. (Das schließt Phänomene wie die Bombardierung Libyens durch die USA 1986 aus.)

III. Das Staatsstärke-Dilemma und Kriege der dritten Art

,,...anarchy within states rather than between states is the fundamental condition that explains the prevalence of war since 1945."

Kalevi J. Holsti

In seiner Studie von 1996 untersucht Kalevi Jaakko Holsti Kriege von 1648 bis 1995 und teilt sie in drei Gruppen ein. Eine Gruppe - die dominierende seit 1945 - sind Kriege der dritten Art, also intranationale Auseinandersetzungen, die um die Legitimität von Herrschaft in meist jungen Staaten geführt werden und die sich - unter anderem durch Interventionen - zu internationalen Kriegen ausweiten können. Ursache der Kriege dritter Art ist Staatsschwäche, ein Mangel an Legitimität. Insofern setzt Holstis Studie weitgehend auf der Ebene der kollektiven Akteure an: Eigenschaften der Akteure und nicht bestimmte Konstellationen im internationalen System sind Ursache von Kriegen dritter Art.13

Holsti arbeitet dann Kriterien heraus, anhand derer man Staatsstärke und -schwäche erkennen kann. In einem weiteren Schritt zeigt er auf, dass insbesondere Nationenbildungsprozesse Staatsschwäche verursachen. Desweiteren untersucht er, inwieweit Kriege der dritten Art neben dem internen Staatsschwächeproblem auch externen Einflüssen unterliegen. Im letzten Schritt werden angemessene Antworten des internationalen Staatensystems auf Kriege der dritten Art gesucht.

III.1 Die Kriegstypen

Holsti hat für seine Studie über Kriege der dritten Art bewaffnete Konflikte von 1945 bis 1995 untersucht, dabei griff er auf Daten seiner früheren Studie über Kriege von 1648 bis 1989 zurück14. Seine Definition von Kriegen wurde im Kapitel II vorgestellt. Holsti teilt die Kriege von 1648 bis 1995 in drei Typen ein, die er schwerpunktmäßig bestimmten historischen Abschnitten zuordnet15:

1. Institutionalisierte Kriege (auch begrenzte Kriege genannt)
2. Totale Kriege
3. Kriege der dritten Art

Er benennt drei Kriterien zur Unterscheidung:

1. das Kriegsziel
2. die Rolle der Zivilisten während des Krieges
3. die Institutionen (im Sinne von Regeln und Sitten) des Krieges

Unterscheidet sich ein Krieg in mehr als einem Kriterium von den bisher bekannten Kriegen, muss man nach Holsti von einem neuen Kriegstypus sprechen16.

III.1.1 Institutionalisierte Kriege (1648-1789)

Die Jahre zwischen westfälischem Frieden und französischer17 Revolution waren ein Zeitalter begrenzter Kriege von professionellen stehenden Heeren der Monarchen. Die Herrscher der mehr und mehr zentralisierten Territorialstaaten waren die einzigen, die sich stehende Heere leisten konnten; die Zeiten, wo Adelige innerhalb dieser Staaten mit ihren eigenen kleinen Armeen Kriege geführt haben, waren so gut wie vorbei.

Es ergibt sich folgende Zuordnung zu dem Kriegstypen-Schema von Holsti:

1. Kriegsziel18:

a) auf dem Schlachtfeld: Nicht die Vernichtung der feindlichen Armee, sondern das Erzwingen der Aufgabe des Feindes war das Ziel.
b) politisch: Die Ziele der Herrscher waren begrenzt: ein neues Territorium oder Herrschaft über Seewege, nicht die Umgestaltung der Gesellschaft des eroberten Landes.

2. Rolle der Zivilisten: Sie waren vom direkten Kriegsgeschehen nicht betroffen, mussten nur unter Plünderungen durch durchmarschierende Soldaten leiden. Krieg wurde ausschließlich zwischen Armeen geführt.

3. Institutionen: Es gab weitgehend inoffizielle, jedoch allgemein anerkannte Verhaltensregeln im Krieg, die Taktik war standardisiert. Krieg war lediglich ein Job für den Soldaten, der Monarch war nur sein Arbeitgeber; der Söldner hasste den Feind in der Regel nicht.

Holsti bezeichnet diese Kriege als ,,institutionalized wars"19 - vergleichbar einem verregelten Duell zwischen Ehrenmännern.

III.1.2 Totaler Krieg (1789-1945)

Die französische Revolution und der sich20 langsam entwickelnde Nationalstaat änderten die Form der Kriege. An die Stelle begrenzter Kriege professioneller Söldnerheere der Monarchen traten nun die entfesselten Kriege des französischen Volksheeres (levée en masse), das den Feind vernichten, das eroberte Land plündern und ihm ein neues politisches System aufoktroyieren wollte. Die Regeln der institutionalisierten Kriege wurden gebrochen. Nach 1815 schlug das Pendel zurück; es begann eine Phase der Codifizierung, durch welche die entfesselten Kräfte des Krieges wieder in Schranken gewiesen werden sollte21. Die Regeln wurden allerdings nicht bei den Kriegen in den Kolonien beachtet. Dass die einmal entdeckte ungeheure Durchschlagskraft von Nationalheeren in zukünftigen europäischen Kriegen nicht mehr genutzt würde, erschien jedoch schon dem Zeitgenossen Carl von Clausewitz als unwahrscheinlich.22

Der Erste Weltkrieg setzte dann auch wieder bei Napoleons Kriegsführung an. Die ganze Bevölkerung wurde für den Krieg mobilisiert, auch nicht-militärische Ziele wurden angegriffen, beispielsweise Industrien. Es gab aber kaum gezielte Angriffe auf Zivilisten. Im Zweiten Weltkrieg wurde Terror gegen die Zivilbevölkerung dagegen planmäßig als Instrument der Kriegsführung eingesetzt. Ziel des Krieges war keine Verbesserung der Verhandlungsposition bei Friedensverhandlungen, sondern die bedingungslose Kapitulation des Feindes. Die Gesellschaft des eroberten Landes sollte komplett umgestaltet werden (wobei ,,Umgestaltung" ein sehr euphemistischer Ausdruck ist für das Verhalten der Deutschen und Japaner in ihren eroberten Gebieten).

Fasst man die Ergebnisse zusammen und vernachlässigt der Einfachheit halber die wenig nachhaltige Phase der Codifizierung von 1815 bis 1914 in Europa, ergibt sich folgende Zuordnung zu dem Kriegstypen-Schema von Holsti:

1. Kriegsziel:

a) auf dem Schlachtfeld: die Vernichtung des Gegners
b) politisch: die Umgestaltung der Gesellschaft des eroberten Landes

2. Rolle der Zivilisten: Sie waren in die Kriegsführung ihrer Nationen voll eingebunden, und sie waren mehr oder minder ein Angriffsziel des Feindes.

3. Institutionen: Es gab kaum allgemein anerkannte Regeln. Es wurde Hass gegen den Feind geschürt.

III.1.3 Kriege der dritten Art (1945 bis heute)

Als Kriege der dritten Art bezeichnet Holsti23 intranationale Kriege, die um Eigenstaatlichkeit, Regierungsgewalt und die Rolle und den Status von Völkern und Gemeinschaften innerhalb der Staaten geführt werden: ,,The wars ... are about statehood, governance, and the role and status of nations and communities within states."24 Sie sind die vorherrschende Kriegsform nach 1945: Rund 77 Prozent der 164 Kriege, die Holsti zwischen 1945 und 1995 zählt, sind interne Konflikte. Und in seinem Buch von 1991 stellte Holsti fest, dass 52 Prozent der Kriege zwischen 1945 und 1989 explizit um die Gründung von Nationalstaaten geführt wurde25. Intranationale Kriege gab es zwar auch vor 1945, aber ihr Anteil an den gesamten Kriegen eines Zeitraums war nicht in so groß26. Zugleich ist die Zahl zwischenstaatlicher Kriege pro Staat stark gesunken in den vergangenen 300 Jahren.

Kriege der dritten Art nach 1945 kann man in eine der folgenden vier Untergruppen einteilen27:

1. Nationale Befreiungskriege, die illegitime Fremdherrschaft beenden sollen. Diese Dekolonialisierungskriege hatten das Ziel, Kolonien in souveräne Staaten zu transformieren.
2. Nationale Vereinigungskriege, um Gemeinschaften, die durch Staatsgrenzen getrennt sind, zu vereinigen.
3. Sezessionskriege, welche die Löslösung einer Gemeinschaft aus einem Staatswesen zum Ziel haben. Wie bei Nationalen Befreiungskriegen soll als illegitim empfundene Fremdherrschaft beendet werden.
4. Kriege um die Regierungsmacht, wenn die bisherige Herrschaft einer Gruppe als illegitim empfunden wird. Diese Untergruppe hat der Autor eingeführt. Holsti nennt diese Kategorie nicht explizit, obwohl er solche Kriege auch als Beispiele für Kriege dritter Art anführt.

Holsti bezeichnet Kriege dritter Art als de-institutionalisierte Kriege. Diese häufig auch Bürgerkriege oder Volkskriege genannten Auseinandersetzungen werden zumindest auf einer Seite von Guerillaeinheiten und anderen Truppen geführt, die in institutionalisierten Kriegen als nicht-regulär gelten würden; es gibt häufig keine klaren Frontverläufe; geschriebene oder ungeschriebene Regeln des Kriegshandwerks werden gebrochen, zum Beispiel werden Kriegsgefangene als Geiseln für politische Zwecke benutzt. Um den Krieg zu finanzieren, setzen die Guerillas auch auf kriminelle Aktivitäten oder die Unterstützung von anderen Staaten oder transnationalen Akteuren.

Der Krieg unterliegt auf Seiten der Aufständigen keinem ausgeprägten Kosten-Nutzen- Kalkül, im Gegenteil: Er wird oft zum Selbstzweck, um die Massen zu politisieren und - im Falle von Befreiungskriegen - zu loyalen Staatsbürgern eines nach dem erhofften Sieg zu gründenden Staates zu transformieren. Es gibt folglich keine Trennung von Armee und Zivilisten: Jeder Zivilist ist Kriegsteilnehmer - weil er die Guerillas unterstützt oder weil er die Guerillas eben nicht unterstützt; weil er bei ethnischen Säuberungen der falschen Ethnie angehört oder weil er das falsche Staatsmodel bevorzugt: ,,Peoples´ wars are fundamentally about people, not ´interests´;..."28 Dementsprechend hoch ist der Blutzoll unter der Zivilbevölkerung.

Es ergibt sich folgende Zuordnung zu dem Holsti-Schema:

1. Kriegsziel:

a) auf dem Schlachtfeld: Ausschaltung der Menschen, die nicht das eigene Staatsbild teilen, egal, ob sie Angehörige regulärer Truppen sind oder nicht.
b) politisch: Gründung oder Teilung eines Staates oder Umgestaltung des Systems eines Staates sowie die Politisierung der Bevölkerung

2. Rolle der Zivilisten: Sie sind Kriegsteilnehmer, ob sie wollen oder nicht.

3. Institutionen: Es gibt keine anerkannten Regeln.

Ein Vergleich von Holstis Kriegstypologie mit der der AKUF führt zu folgenden Ergebnissen: Die zwischenstaatlichen Kriege der AKUF können bei Holsti sowohl unter institutionalisierten als auch unter totalen Kriegen subsummiert werden, je nach Form des Krieges. Die Anti-Regime- und sonstigen inneren Kriege (Sezession u. a.) sowie die Dekolonisationskriege können als Kriege dritter Art bezeichnet werden. Sie werden wegen Legitimitätsmängeln von Staaten geführt.

III. 2 Das Staatsstärke-Dilemma

Kriege - vor allem die der dritten Art, aber auch andere - brechen laut Holstis Untersuchung vor allem in sogenannten schwachen Staaten aus. Diese Kriege provozieren dann wiederum Interventionen: ,,The relationship of state strength to war, however, is emerging; since 1945 most wars of all types have originated within and between weak states. Strong states have warred against the weak, but not against each other."29 Doch was ist ein schwacher Staat? Holsti beantwortet diese Frage nicht mit Blick auf militärische und wirtschaftliche Kapazitäten, sondern mit Blick auf die Legitimität des Staates.

III.2.1 Vertikale und horizontale Legitimität

Ein schwacher Staat besitzt wenig horizontale und vertikale Legitimität, ein starker viel30. Vertikale Legitimität kreist um die Frage, wie weit die Bürger die Autorität des Staates anerkennen: Ist das ,,right to rule" akzeptiert, gibt es einen Grundkonsens unter der Bevölkerung, dass das bestehende politische System erhaltungswürdig ist? Horizontale Legitimität fragt danach, ob alle gesellschaftlichen Gruppen in das politische System eingebunden sind: Gibt es Gruppen im Staat, die sich nicht zugehörig zu dem Staat fühlen? Werden bestimmte Gruppen von der politischen Teilhabe systematisch ausgeschlossen, selbst wenn sie de jure gleichberechtigt sind?

Holsti hat acht Quellen der beiden Legitimitätsarten benannt31:

1. Vorhandensein eines impliziten Gesellschaftsvertrags: Der Staat fordert Loyalität und Steuern ein, dafür bietet er den Bürgern Dienste an und lässt sie an Entscheidungen über die Verteilung von Werten teilhaben. Wenn die Forderungen nach Output das Input übersteigen, geraten der Vertrag und somit die vertikale Legitimität des Staates in Gefahr.
2. Vorhandensein eines ideologischen Konsens´: Die Tagespolitik ist von Pragmatismus geprägt, sie behandelt technische Fragen. Grundlegende ideologische Fragen spielen in der Tagespolitik von Staaten mit großer horizontaler und vertikaler Legitimität keine Rolle.
3. Vorhandensein eines Konsens´ über die politischen Spielregeln: Sie stehen meist in der Verfassung. Der Konsens fördert horizontale und vertikale Legitimität.
4. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen Zugang zu politischer Macht haben, und sie dürfen nicht von den Leistungen des Staates ausgeschlossen sein, da sonst die horizontale Legitimität leidet.
5. Die Herrschenden müssen Staatswohl und eigenes Wohl trennen. Dient der Staat nur zu deren persönlichen Bereicherung (Kleptokratie), schadet dies der vertikalen Legitimität.
6. Vorhandensein von effektiver Kontrolle des Militärs: Ein Staat im Staate oder gar eine Militärregierung untergraben beide Legitimitätsarten.
7. Der Staat muss effektive, innere Souveränität besitzen: Er muss das Gewaltmonopol haben und so Sicherheit und Ordnung gewährleisten, sonst leiden beide Legitimitätsarten.
8. Der Staat und seine Grenzen müssen internationale Legitimität genießen. Ist dies nicht der Fall, werden beide inneren Legitimitätsarten untergraben. An Hand dieses Punktes erkennt man, dass Holsti seine Untersuchung nicht ausschließlich auf der Akteursebene ansiedelt. Die Legitimität eines Staates und seiner Grenze wird international tendenziell um so weniger angezweifelt, je mächtiger ein Staat verglichen mit anderen Staaten im internationalen System ist. Staatsschwäche und damit laut Holsti Kriegswahrscheinlichkeit hängen also auch ab von der Machtverteilung im internationalen System.

Holstis acht Quellen sind die Verfeinerung eines Konzepts von Barry Buzan. Buzan geht davon aus, dass ein Staat aus drei Komponenten besteht: der Idee des Staates (Nationalität, Geschichte, Tradition, Kultur, Ideologie), seiner physischen Basis (Territorium, Bevölkerung, Ressourcen, Wohlstand) und seiner institutionellen Ausformung (Gesetze, Bürokratie). In starken Staaten sind alle drei Komponenten gut ausgeprägt; sie sind miteinander verknüpft und harmonieren32. Für schwache Staaten gilt das Gegenteil.

Holsti stellt dagegen die Variable Legitimität (in beiden Arten) in den Mittelpunkt. Diese vierte Variable Legitimität ist eng mit den drei Komponenten verknüpft. Die acht Quellen der Legitimität kann man nämlich Buzans drei Komponenten zuordnen: Quelle eins und zwei der Idee des Staates, drei bis sechs der institutionellen Ausformung, sieben und acht der physischen Basis. Sind bei einem Staat die drei Komponenten gut ausgeprägt, gilt gleiches für die Quellen der Legitimität. Insofern ist Legitimität eine abhängige Variable der drei Komponenten. Buzans drei Komponenten müssen nicht in jedem starken Staat perfekt ausgebildet sein, aber am Ende müssen sie zumindest so gut funktionieren, dass sie genügend horizontale und vertikale Legitimität für Staatsstärke schaffen.33

Doch perfekte starke Staaten gibt es kaum. Und Staatsstärke ist kein statischer Wert. Alle Staaten bewegen sich auf einer Ordinalskala von sehr schwach oder gescheitert (failed) bis zu sehr stark. Die Skala gibt auch die Wahrscheinlichkeit für Kriege der dritten Art - und damit potenziell für Interventionen - an.34

III.2.2 Staatsschwäche und Staatsgründung

Dass die Zahl der Kriege der dritten Art nach35 1945 stark zugenommen hat, liegt laut Holsti an der Zahl neuer Staatsbildungsprozesse. In den Jahren nach 1945 haben nationale Befreiungsbewegungen versucht, die Kolonien zu Nationalstaaten zu transformieren; in den Jahren nach 1990 strebten die Staaten, die im Sowjetreich unter Zwang zusammengeschlossen waren, nach Eigenständigkeit.36 Das europäische Staatsmodell wurde kopiert, ohne Rücksicht darauf, ob es zu den gegebenen politischen Strukturen passt. Das Ergebnis war daher häufig nur die Erkämpfung der Unabhängigkeit (internationale Legitimität), nicht aber die Erlangung großer horizontaler oder vertikaler Legitimität im Innern.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Beispielsweise existierte nur wenig Nationalbewusstsein in den neuen Staaten, da in den Kolonien (und damit in den neuen unabhängigen Staaten) meist viele Gemeinschaften zusammenlebten, die vor der Unabhängigkeit von den Kolonialherren nach dem Prinzip ,,divide et impera" gegeneinander ausgespielt worden waren. Der neu geschaffene Staat und seine Grenze knüpften zum anderen an keine alte politische Tradition an, dem Staat fehlte Buzans Idee staatlicher Zusammengehörigkeit. Die Befreiungskrieger waren zudem häufig untereinander zerstritten und teilten kein gemeinsames Staatsbild. Ihre Legitimation schöpften die neuen Herrscher meist nur aus ihrem militärischen Sieg (charismatische Herrschaft); die UN erkannte jede Regierung an, egal, wie schmal die legitimatorische Basis der neuen Herrscher war. Die schlechte wirtschaftliche Performance und die damit verbundenen mangelhaften Leistungen des Staates waren ein weiterer Faktor, der Gesellschaftsverträge zum Scheitern brachte.

Die Folge: Dem Befreiungskrieg gegen die Kolonialmächte schlossen sich Vereinigungs- und Sezessionskriege von solchen Gemeinschaften an, welche die Legitimität des neuen Staates in Frage stellten. Auch der Kampf um die Regierungsmacht wurde häufig militärisch ausgetragen. Holsti fasst die Kettenreaktion von Staatsgründungen über Kriege zu immer neuen Kriegen schon in seinem Buch von 1991 zusammen: ,,The birth of nations often starts with war, culminates with war, and helps produce post-independence armed conflicts."37

Die Kriegsparteien suchten bei befreundeten Nachbarstaaten oder Großmächten um Hilfe nach und weiteten den Krieg so zu einem internationalen Krieg aus, oder diese Staaten nutzten den Krieg dritter Art von sich aus als Begründung für eine Intervention.38 Die Herrscher schwacher Staaten könnten auch selber versucht sein, einen Krieg gegen einen Nachbarstaat zu beginnen, um ihre Legitimationsbasis zu verbreitern. Den Ratschlag, durch einen externen Krieg seine interne Macht zu stärken, gab bereits Niccolò Machiavelli.39 Außerdem besitzen Flüchtlingsströme ein Potenzial zur weiteren Destabilisierung schwacher Nachbarstaaten, also zur Kriegsausweitung. Damit kann die Staatsschwäche eines Landes eine ganze Region destabilisieren und auch das internationale System beeinflussen.40

Allerdings können aus neugegründeten, kriegsgeplagten schwachen Staaten auch friedliche, starke Staaten werden: Die europäischen Nationalstaaten haben sich über einen langen Zeitraum und in Begleitung von vielen Kriegen entwickelt - sie waren anfangs schwache Staaten, die inzwischen zu mehr oder minder starken Staaten aufgestiegen sind.41 Ehemalige Kolonien, die in den Jahren nach 1945 als schwache Staaten gestartet sind, sind heute gescheitert (Somalia) oder stärker geworden (Tunesien). Das Ergebnis ist nicht determiniert. Doch warum gelingt es so vielen schwachen Staaten nicht, ihre innere Legitimationsbasis zu verbreitern und so die Wahrscheinlichkeit von intranationalen Kriegen und Interventionen zu verringern?

III.2.3 Das Staatsstärke-Dilemma

Ein schwacher Staat ist in einem Teufelskreis42 gefangen: ,,It does not have the resources to create legitimacy by providing security and other services. In its attempt to find strength, it adopts predatory or kleptocratic practices or plays upon and exacerbates social tensions between the myriads of communities that make up the society. Everything it does to become a strong state actually perpetuates its weakness Attempts to increase state strength generate resistance that weakens the state. In attempts to overcome resistance, governments rely on coercive measures against local power centres of various types, as well as against communal/religious/ethnic groups."43 Das ist das Staatsstärke-Dilemma. Der Versuch, die Legitimationsbasis zu erweitern, provoziert Gewalt zwischen Zentralregierung und Gemeinschaften sowie zwischen den Gemeinschaften, da die Regierung bestimmte Gemeinschaften als Sündenböcke nutzt, um ihre eigene Macht zu sichern. Das schwächt den Staat weiter.

Das ist ein typisches Phänomen von Nationenbildungsprozessen, daher sind neu gegründete Nationalstaaten in der Regel schwache Staaten, selbst wenn ihre Startbedingungen nicht so ungünstig sind wie die im vorigen Abschnitt geschilderten der ehemaligen Kolonialstaaten.44 Beim Gründungsprozess besteht nämlich häufig einen Widerspruch zwischen den Interessen des Staates, der stärker werden will, und denen einzelner Gemeinschaften: ,,The great state- making project ... requires the ´taming´ of groups, sometimes entailing their forced assimilation into a majority society, and also the frequent expropriation and exploitation of their historic lands For the groups involved, however, armed resistance and secession may be the only or most attractive response available."45 Auch wenn Gemeinschaften über Jahre in Frieden miteinander gelebt haben, kann eine Gemeinschaft durch eine Änderung der Status quos des Staates ihre relative Position im Staatsgefüge gefährdet sehen und zu den Waffen greifen, um sich abzuspalten oder eine Änderung der Staatsprinzipien zu verhindern.

III.2.4 Failed states

Einige Staaten bleiben in dem46 Teufelskreis des Staatsstärke-Dilemmas gefangen. Ihre legitimatorische Basis wird schwächer und schwächer, daher erhöht die Zentralregierung den Druck auf die widerspenstigen Gemeinschaften noch stärker, um den siechenden Staat zu retten. Doch Druck erzeugt Gegendruck. Wenn der Statt derart diskreditiert ist, dass die Funktionen des politischen Systems nicht mehr vom Staat, sondern von lokalen Clanchefs, Priestern oder Provinzfürsten ausgeführt werden, wenn die Regierungsinstitutionen - wenn überhaupt - nur noch in der Hauptstadt funktionieren, wenn die Armee sich auflöst und in die Dienste verschiedener sich bekriegender Clans tritt, dann spricht man von failed states, gescheiterten Staaten wie Somalia.47 Der Staatsbildungsprozess ist gescheitert. Selbst wenn sich diese Staaten de jure nicht auflösen, sind sie nur Hüllen ohne jede Souveränität. Juristischer Status und politische Realität passen in dem Fall nicht zueinander.

III.3 Von ,,zones of war" zu ,,zones of peace"?

Wie dargelegt, führt Holsti Kriege der dritten Art auf innenpolitische Ursachen zurück. Einflüsse aus der Region oder dem internationalen System spielen eine untergeordnete Rolle.48 Faktoren wie Waffenhandel, die unausgeglichene Weltwirtschaftsordnung, Supermachtkonkurrenz49 oder auch die Tatsache, dass die Grenzen der neuen Staaten von den Kolonialherren vorgegeben waren, mögen manchen Konflikte in den nach 1945 gegründeten Staaten geschürt und den Ausgang der Kriege beeinflusst haben. Auf der anderen Seite mögen Entwicklungshilfe und die internationale Anerkennung den neuen Staaten oft den Rücken gestärkt haben. Die tiefere Ursache für Kriege dritter Art - und damit auch für deren internationale Ausweitung durch Interventionen - liegt laut Holsti jedoch immer im Innern der Staaten: im Mangel an horizontaler und vertikaler Legitimität.

Schwache und gescheiterte Staaten aggregiert Holsti daher zu einer ,,zone of war", starke Staaten zu einer ,,zone of peace"50. Und in der Tat zeigen Holstis Kriegsstatistiken, dass zum Beispiel in einer Region mehr oder minder starker Staaten wie Westeuropa die Kriegshäufigkeit pro Staat zwischen 1945 und 1995 deutlich unter der Kriegshäufigkeit von Regionen wie Afrika, Süd- und Südost-Asien oder dem Mittleren Osten liegt, also Regionen, in denen viele Staaten mit Legitimationsmangel zu kämpfen haben.51 Fazit: Wer Kriege zurückdrängen will, muss schwache Staaten stärker machen.52 Werden die Kriege nicht zurückdrängt, wird die Stabilität der Region gefährdet.53 Flüchtlingsströme tragen die Kriegsfolgen bis in die Friedenszonen hinein.

Holsti warnt vor scheinbar einfachen Patentrezepten wie der Förderung von Demokratie und Föderalismus. Sie können die Legitimität erhöhen, aber auch untergraben - je nach spezifischer Situation. Als Vorbilder, bei denen einiges nachahmenswert ist, können relativ erfolgreiche Staatsgründungen wie Tunesien oder Indien dienen. ,,Civic states", Staatsbürgernationen wie die USA, bei denen die Zugehörigkeit zum Staat nicht von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk oder einer bestimmten Religion abhängt, hält Holsti für weniger konfliktbeladen als Nationalstaaten oder Religionsstaaten. Doch wird es sehr schwierig sein, den Einwohnern der zerrissenen failed states das Konzept des civic state nahezubringen. Insofern ist die Umwandlung in einen civic state auch kein gangbarer Weg zur Befriedung eines schwachen Staates.

Den Vereinten Nationen rät Holsti, eine eindeutige Linie zu finden, wie mit Kriegen dritter Art, zum Beispiel Sezessionskriegen, umzugehen ist. Der UNO muss klar sein, in welchen Fällen sie sich mit Interventionen auf die Seite von Separatisten schlagen will - um den Preis, dass ein bestehender westfälischer Staat zerschlagen wird und die Separatisten einen neuen schwachen Staat gründen. Und wann sie die Einheit und die Unberührbarkeit der Grenzen des bestehenden Staates als höheres Gut einstufen will - um den Preis, dass die Abspaltungswilligen ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht bekommen und im schlimmsten Fall ihre Menschenrechte vom bestehenden Staat verletzt werden.54 Für failed states gilt, dass eine Intervention immer langfristig angelegt sein muss, da, wie oben geschildert, für eine nachhaltige Befriedung innenpolitische Probleme gelöst werden müssen. Holsti zeigt in seiner Studie keine allgemeingültigen Lösungen auf, sondern stellt lediglich Zusammenhänge her und weist auf Probleme hin. Nur eins ist klar: Das Phänomen der Kriege der dritten Art wird die Welt auch in den nächsten Jahrzehnten in Atem halten. Es gibt noch genügend schwache Staaten.

IV. Holstis Ansatz im Vergleich

Holstis Ansatz, Ursache von Kriegen in der Verfasstheit von Staaten zu suchen, ist nicht neu. Für ihn ist Legitimität die entscheidende Variable. Ein andere These, die auf Anhieb große Ähnlichkeit mit Holstis zu haben scheint, ist die vom demokratischen Frieden. Sie geht auf Immanuel Kant zurück und besagt, dass Demokratien keinen Krieg gegeneinander führen. Die Institution Demokratie (oder auch demokratischer Verfassungsstaat) wird häufig als Kriterium genutzt, um zu erklären, wieso die Peripheriestaaten kriegsanfälliger sind als die Demokratien im Zentrum.

Die Analogien zwischen beiden Ansätzen sind offensichtlich: Zum Beispiel bezeichnet Dieter Senghaas genau wie Holsti die OECD-Welt als eine Friedenszone. Anders als Holsti hebt Senghaas aber nicht auf Legitimität ab; für ihn sind der demokratische Verfassungsstaat und die durch ihn mitermöglichte Leistungsfähigkeit der Ökonomie die Grundlage für inneren Frieden, was wiederum zu Frieden zwischen den OECD-Staaten führt.55 Frank R. Pfetsch ist genau wie Holsti der Meinung, dass civic states, Staatsbürgernationen, weniger krisenanfällig sind als Staaten, die auf ethnischen oder religiösen Grundlagen aufgebaut sind. Wichtige Voraussetzung für civic states ist für Pfetsch deren demokratische Organisation, die aber in vielen Peripheriestaaten nicht gegeben ist - wieder Demokratie als kritische Variable.56 Am klarsten offenbart sich die These vom demokratischen Frieden - und vom Krieg in der weniger demokratischen Dritten Welt - in einem Aufsatz von R. Tetzlaff: ,,Vor allem aber ist die Dritte Welt zum Schauplatz zahlreicher Kriege geworden, während sich die europäischen Metropolen zu demokratischen Rechtsstaaten gemausert haben und untereinander Frieden halten."57

Ist Holstis Ansatz also nur eine unnötige Verkomplizierung der These vom demokratischen Frieden? Demokratie schafft Legitimität schafft inneren Frieden schafft äußeren Frieden? Das Problem ist, dass Demokratie eben nicht automatisch die Legitimität erhöht und nicht- demokratische Organisationsformen nicht per se die Legitimität untergraben. Liegen starke Cleavages vor, legitimieren und zementieren demokratische Wahlen lediglich die Mehrheits- und Minderheits-Position. Sieht die Minderheit keine Chance, durch Wahlen angemessene politische Teilhabe zu erlangen, ist die horizontale Legitimität des Staates nach Einführung von Wahlen genauso niedrig wie vorher. Auf der anderen Seite können nicht-demokratische politische Systeme (beispielsweise Theokratien mit einer religiös recht homogenen Bevölkerung) durchaus große Legitimität genießen, also starke Staaten sein.

Die kritische und sich ständig verändernde, sprich: dynamische, Variable für Staatsstärke ist die Legitimität, nicht das statische Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein der Institution Demokratie.58 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Gruppe der starken Staaten im Sinne Holstis und die Gruppe der demokratischen Staaten große Überschneidungen aufweisen. Im übrigen ist die These vom demokratischen Frieden äußerst kritisch zu beurteilen.59

Andere Theorien versuchen, die überproportionale Kriegshäufigkeit in der Dritten Welt mit ökonomisch-systemischen Ursachen zu erklären wie der ungerechten Weltwirtschaftsordnung (Dependenzia-Theorie) und der daraus folgenden Unterentwicklung oder den inneren Konflikten durch den aufoktroyierten Transformationsprozess von nicht-kapitalistischen zu kapitalistischen Gesellschaften.60 Holsti weist dagegen darauf hin, dass ökonomische Faktoren keine hinreichenden Bedingungen für Staatsschwäche sind. Natürlich schadet Unterentwicklung Staaten, aber einige Staaten sind trotz schlechter ökonomischer Bedingungen zu Staaten mit großer Legitimität geworden, manche haben auch die ökonomische Schwäche überwunden.61 Mir A. Ferdowsi zeigt richtigerweise auf, dass jeder Entwicklungsprozess - sei es in einem unterentwickelten oder einem entwickelten Staat, sei es ein ausgeglichener Prozess oder nicht - zu Konflikten führt. Wäre es richtig, dass Konflikte durch gesellschaftliche Transformationsprozesse hinreichende Bedingung für Staatsschwäche sind, dürfte es keine starken Staaten geben.62 Die Prozesse mögen eine Belastung sein, aber entscheidend für die Frage, ob ein Staat stark oder schwach ist, ist seine Legitimität.

V. Die Bedeutung des Ansatzes für die Theorie der internationalen Beziehungen

Kalevi J. Holstis Verdienst besteht darin, eine Variable gefunden zu haben, die den überwiegenden Teil der Kriege nach 1945 - nämlich die Kriege der dritten Art (plus die internationalen Kriege, die auf Staatsschwäche beruhen) - erklärt: die Legitimität von Staaten. Legitimität determiniert Staatsstärke, und Staatsstärke korreliert stark negativ mit der Wahrscheinlichkeit von Kriegen der dritten Art. Kriege der dritten Art wiederum provozieren häufig Interventionen.

Nachteil des Ansatzes ist, dass Legitimität schwer zu operationalisieren ist. Zwar benennt Holsti acht Quellen von Legitimität, die sich zum Teil besser operationalisieren lassen (zumindest ordinal). Die Frage ist aber, mit welcher Gewichtung die empirisch ermittelten Werte in die Legitimitätsgleichung eingehen sollen. Andere Ansätze wie die These vom demokratischen Frieden sind viel einfacher zu operationalisieren, dafür sind sie unterkomplex. Sie beschäftigen sich nur mit einer von vielen Quellen für Legitimität und lassen daher keine eindeutigen Aussagen zu über das Verhältnis von untersuchter Variable und Staatsstärke.

Neben Holstis Kriegsätiologie ist auch seine -morphologie schlüssig. Das Einführen von Kriegen der dritten Art dient dem Erkenntniszweck der Studie, die Abgrenzung zu den anderen Kriegstypen ist klar.

Allerdings darf man die Bedeutung des Staatsstärke-Dilemmas und der Kriege der dritten Art für das internationale System nicht überbewerten. Wenn Holsti schreibt, Allianzen wie der Golf-Kooperationsrat würden nicht gegen äußere, sondern innere Gegner gebildet, so hat er damit Recht.63 Wenn er schreibt, dass ein Großteil der Kriege nicht durch die Anarchie zwischen, sondern in den Staaten erklärt wird, so hat er damit Recht. Wenn er schreibt, dass neo-realistische Ansätze, die internationale Politik durch Großmachtsinteressen, balances of power und der Systemstruktur erklären, für die Erklärung von Kriegen dritter Art nicht ausreichen, so hat er damit auch Recht.64

Nur: So verheerend Kriege der dritten Art auch sein mögen, so groß ihr Anteil an den Gesamtkriegen ist - sie prägen das globale internationale System nicht entscheidend. Wenn Afrika südlich der Sahara im Chaos versinkt, wenn im Balkan Völkermord stattfindet, ist das ein Problem für das regionale internationale System, es hat aber keine großen Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik der ökonomischen und militärischen Großmächte, die das globale internationale System prägen. Flüchtlingsströme aus Bosnien, Selbstverbrennungen kurdischer Separatisten auf deutschen Autobahnen, Fernsehbilder von verwüsteten Landstrichen und Leichenbergen in Somalia/Ruanda/Afghanistan sorgen für Betroffenheit und können politisches Handeln der Großmächte induzieren - bis hin zu Interventionen. Die Bedrohungsperzeption und die zu erwartende Reaktion sind aber marginal verglichen mit dem Fall, dass Russland auch nur eine neue Mittelstreckenrakete in Königsberg stationiert oder dass die USA ihre Truppen schneller als erwartet aus Europa abziehen oder dass China Ansprüche auf ein japanisches Atoll anmeldet. Die internationalen Beziehungen werden von Großmächten geprägt und nicht von failed states. Daher spielen für das globale System die Anarchie im System, die relative Machtverteilung, Sicherheitsdilemmata, balance of powerÜberlegungen und Allianzen gegen andere Staaten weiterhin die entscheidende Rolle und nicht Legitimitätsmängel innerhalb von Staaten.

Auch bei der Frage, wie Großmächte oder regionale Hegemone in Kriege der dritten Art intervenieren, sind die traditionellen neo-realistischen Überlegungen entscheidend. In Tschetschenien oder in Südafrika unter dem Apartheidsregime wurde nicht militärisch interveniert, da die relative Macht der einen Kriegspartei wegen ihrer Atomwaffen zu groß war. Serbien wurde nur bombardiert, ein Einmarsch wurde wegen der erwarteten hohen Verluste nicht gewagt. Wie sich Kriege der dritten Art ausweiten, kann also nur mit Rückgriff auf neo-realistische Ansätze erklärt werden.

Das Handeln eines schwachen Staates kann ebenfalls nicht losgelöst von systemischen Überlegungen betrachtet werden. Eine schwache Regierung mag großes Interesse daran haben, den Nachbarstaat anzugreifen, um die Loyalität der Bevölkerung zu stärken - wenn der Nachbarstaat militärisch mächtiger oder in einer mächtigen Allianz ist, wird die Regierung davor zurückschrecken. Selbst bei der Auswahl der innerstaatlichen Gemeinschaft, die eine schwache Regierung zum Sündenbock erklären und verfolgen will, muss die Regierung abschätzen, wie mächtig die Gemeinschaft ist und ob sie im Ausland mächtige Verbündete hat.

Fazit: Der Ansatz des Staatsstärke-Dilemmas ergänzt neo-realistische Erklärungsmuster, aber ersetzt sie nicht. Holstis Überlegungen liefern Erklärungen, wieso manche Staaten anfällig für Bürgerkriege sind. Wie sich schwache Staaten im internationalen System verhalten, ob interveniert wird, wie sich Kriege der dritten Art ausweiten und die Region oder gar das globale internationale System beeinflussen, ist aber nicht ohne Rückgriff auf neo-realistische Überlegungen zu prognostizieren.

Die Bedeutung des Staatsstärke-Dilemmas wird trotzdem im internationalen System zunehmen. Denn die obige Aussage ,,Internationale Beziehungen werden von Großmächten geprägt und nicht von failed states." wirft eine Frage auf: Was, wenn militärische Großmächte zugleich schwache Staaten sind? Die Aufrüstung, vor allem die nukleare, in schwachen Staaten und die zunehmende Staatsschwäche einiger bestehender Nuklearmächte (China, Russland, Israel, Indien, Pakistan) belegen die Relevanz dieser Frage.

Holstis Ansatz ermöglicht Prognosen, in welchen Nuklearmächten die Regierungen unter starken Legitimitätsdruck geraten können und in welchen Nuklearmächten Bürgerkriege drohen. Geraten Nuklearwaffen in die Hände von Warlords oder verfolgen Staatsführungen wegen des großen inneren Drucks keine rationale Sicherheitspolitik mehr gegenüber den Nachbarstaaten, hilft auch keine balance of power mehr. In dem Fall gefährdet das Staatsstärke-Dilemma nicht mehr nur die Stabilität der Region, sondern das Überleben der Menschheit.

VI. Literaturverzeichnis

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Thesenpapier zum Referat über Kriege der dritten Art

Hauptseminar ,,Interventionen als Instrument von Weltordnungspolitik", WS 00/01 Referent: Björn Finke

Datum: 07.02.2001

I. Zusammenfassung des Erklärungsansatzes

- Er wurde entwickelt von Kalevi J. Holsti auf Grundlage empirischer Studien über Kriege.
- Holsti führt einen neuen Kriegstyp ein: Kriege der dritten Art. Kriege der ersten Art sind institutionalisierte (begrenzte) Kriege, Kriege der zweiten Art sind totale Kriege. Kriege der dritten Art definiert Holsti als intranationale Kriege, die um Eigenstaatlichkeit, Regierungsgewalt oder die Rolle und den Status von Völkern und Gemeinschaften innerhalb von Staaten geführt werden. Kriege der dritten Art sind die vorherrschende Kriegsform seit 1945. Sie sind brutaler, regelloser und fordern relativ betrachtet mehr zivile Opfer als die anderen beiden Kriegstypen. Durch Interventionen können sie sich zu internationalen Kriegen ausweiten.
- Ursache der Kriege der dritten Art ist Staatsschwäche, der Mangel an Legitimität von Staaten. Gemeinschaften innerhalb von Staaten erkennen die Legitimität des Staates nicht an und greifen zu den Waffen. Staatsschwäche dient als Indiz dafür, in welchen Staaten Bürgerkriege ausbrechen können - und welche Staaten damit potenzielle Schauplätze von Interventionen sind.
- Schwache Staaten sind in einem Staatsstärke-Dilemma gefangen. Sie versuchen, mehr Legitimität zu erlangen, in dem sie ihre Kompetenzen ausweiten und den Druck auf widerspenstige Gemeinschaften erhöhen. Das provoziert Widerstand. Der Versuch, stärker zu werden, schwächt den Staat also weiter.
- Nimmt die Legitimität eines Staates immer weiter ab, endet er als failed state (Somalia).
- Staatsschwäche ist eine typische Begleiterscheinung von Nationenbildungsprozessen. Daher sind viele der unabhängig gewordenen Kolonien und ehemaligen Sowjetrepubliken schwache Staaten. Auf Unabhängigkeitskriege folgten häufig Kriege um die Legitimität der neuen Staaten.

II. Diskussionsthesen

- Die in diesem Hauptseminar besprochenen Interventionen sind alle direkt oder indirekt auf Legitimitätsmangel von Staaten zurückzuführen.
- Auch im neuen Jahrtausend werden Kriegsstatistiken von innerstaatlichen und nicht von zwischenstaatlichen Kriegen geprägt sein. Es gibt genügend schwache Staaten.
- Durch Interventionen in innerstaatliche Kriege nachhaltigen Frieden schaffen zu wollen, ist illusorisch. Die Ursache von innerstaatlichen Kriegen ist Legitimitätsmangel. Eine Intervention kann nur dann nachhaltig Frieden schaffen, wenn sie die Legitimität des Interventionsopfers erhöht. Das ist nur mit teuren langfristigen Engagements möglich. Mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Kalkül erscheint es rationaler, lediglich humanitäre Hilfe zu leisten und Schutzkorridore einzurichten, um Flüchtlingsströme einzudämmen, sowie ein Ausbreiten auf Nachbarstaaten militärisch zu unterbinden. Fazit: besser kleine, kurzfristige Lösungen als den großen Wurf.
- Separatistische Bestrebungen sollten nur in Ausnahmefällen durch Interventionen unterstützt werden. Es besteht die Gefahr, dass Separatisten einen neuen schwachen Staat gründen. Die Teilung eines bestehenden Staates trägt somit die Saat weiterer Kriege in sich.

[...]


1 Holsti, Kalevi J.: The State, War and the State of War, Cambridge 1996

2 Vgl. Siegelberg, Jens: Kapitalismus und Krieg. Eine Theorie des Krieges in der Weltgesellschaft, Münster/Hamburg 1994, S.17

3 Vgl. Schlochauer, Hans-Jürgen (Hrsg.): Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, 2. Auflage, Berlin 1961, S. 330

4 von Clausewitz, Carl: Vom Kriege. 19. Auflage, Bonn 1980, S. 191f

5 von Clausewitz (Anm. 4), S. 210

6 Vgl. Lutz, Ernst: Lexikon zur Sicherheitspolitik, München 1980, S. 149. Er zitiert aus dem Militärlexikon der DDR.

7 Bull, Hedley: The Anarchical Society. A Study of Order in World Politics, London/Basingstoke 1977, S. 184

8 Frei, Daniel: Kriegsverhütung und Friedenssicherung. Eine Einführung in die Probleme der internationalen Beziehungen, Frauenfeld/Stuttgart 1970, S. 15

9 Für einen kurzen Überblick über die verschiedenen Operationalisierungen empfiehlt sich Gantzel, Klaus Jürgen: System und Akteur. Beiträge zur vergleichenden Kriegsursachenforschung, Düsseldorf 1972, S. 85-87

10 Vgl. Gantzel, Klaus Jürgen/Schwinghammer, Torsten: Die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 bis 1992. Daten und Tendenzen, Münster 1995, S. 31-35.

11 Vgl. Gantzel, Klaus Jürgen/Schwinghammer, Torsten (Anm. 10), S. 40-42

12 Vgl. Holsti, Kalevi J.: Peace and war: Armed Conflicts and International Order, 1648- 1989, Cambridge 1991, S. 271-279

13 Kriegstheorien lassen sich nach Kenneth N. Waltz schwerpunktmäßig einer von drei Analyseebenen zuordnen: Individuum, kollektiver Akteur und Staatensystem. Vgl. Meyers, Reinhard: Begriff und Problem des Friedens, Opladen 1994, S. 113-147

14 Vgl. Holsti (Anm. 12)

15 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 19-40.

16 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 26

17 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 28-32

18 Hier erscheint eine weitere Unterteilung der Kriterien sinnvoll, die Holsti - zumindest explizit - nicht macht: zwischen den kurzfristigen Zielen des Oberbefehlshabers auf dem Schlachtfeld und den langfristigen Zielen, die als Hauptmotiv hinter dem Krieg stehen.

19 Holsti (Anm. 1), S. 30

20 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 32-36. Der totale Krieg ist nicht mit dem sprachlich ähnlichen absoluten Krieg zu verwechseln. Absoluter Krieg ist eine Steigerung des totalen Krieges: ein totaler Krieg ohne politische Ziele, der zum Selbstzweck geworden ist und der von Militärs geführt wird, die keiner politischen Kontrolle unterliegen. Vgl. Parkinson, Roger: Encyclopedia of modern war, London/Henley 1977, S. 1

21 Der Anteil von totalen Kriegen an den gesamten Kriegen war von 1815 bis 1914 deutlich niedriger als in allen anderen Zeitabschnitten ab 1648. Vgl. Holsti (Anm. 12), S. 319f

22 Er schreibt: ,,...- nachdem alle diese Fälle gezeigt haben, welch ein ungeheurer Faktor in dem Produkt der Staats-, Kriegs- und Streitkräfte das Herz und die Gesinnung der Nation sei, - nachdem die Regierungen alle diese Hilfsmittel kennengelernt haben, ist nicht zu erwarten, dass sie dieselben in künftigen Kriegen unbenutzt lassen werden,...". Aus: von Clausewitz (Anm. 4), S. 413

23 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 19-27, 36-40

24 Holsti (Anm. 1), S. 21

25 Vgl. Holsti (Anm. 12), S. 311

26 Zudem waren die Verheerungen wegen der eingeschränkten Waffentechnik nicht so groß wie heute. Heutige Bürgerkriege, die mit modernen Waffen geführt werden, können Staaten komplett zerstören und ganze Regionen mit Flüchtlingen überschwemmen. Vgl. Holsti (Anm. 12), S. 324 und Holsti (Anm. 1), S. 204

27 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 26f

28 Holsti (Anm. 1), S. 39

29 Holsti (Anm. 1), S. 91

30 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 84

31 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 91-98

32 Vgl. Buzan, Barry: People, States & Fear: An Agenda for International Security Studies in the Post-Cold War Era, 2. Auflage, Hertfordshire 1991, S. 57-111

33 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 97f

34 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 90f

35 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 61-81

36 Die starke positive Korrelation zwischen Staatsgründungen und intranationalen Kriegen beweist ein Blick in Holstis Statistiken: In Afrika, dem Mittleren Osten, Süd- und Südostasien ist die Zahl der intranationalen Kriege pro Staat für den Zeitraum von 1945 bis 1995 zum Teil stark überdurchschnittlich. Der Wert für die Staaten der ehemaligen UdSSR liegt zwar nur bei der Hälfte des Durchschnitts. Bedenkt man aber, dass diese Zahl nur auf Kriegen von 1990 bis 1995 beruht, während der Gesamtdurchschnitt Kriege von 1945 bis 1995 einfließen lässt, muss man diese Zahl doch als recht hoch einschätzen. Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 24

37 Holsti (Anm. 12), S. 322

38 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 126-128

39 Machiavelli präsentiert den König von Spanien als Vorbild: ,,... er beschäftigte ... (mit dem Krieg) die Gemüter des kastilischen Adels, der über diesen Krieg den Wunsch nach Neuerungen vergaß, und erwarb dadurch zwischenzeitlich Ansehen und Macht über ihn Derart unternahm und plante er stets große Dinge, welche die Gemüter seiner Untertanen in Spannung und Bewunderung sowie in Erwartung ihres Ausgangs hielten." Aus: Machiavelli, Niccolò: Der Fürst, Frankfurt am Main 1997, S. 107

40 Selbst wenn sich Kriege regional eingrenzen lassen, sind Flüchtlingsströme, Umweltzerstörung, Terrorismus und das Zerstören ökonomischer Strukturen Faktoren, die auch weit entfernte Großmächte berühren können. Vgl. Matthies, Volker: Regionale Anarchie als globales Problem, in: Kaiser, Karl/Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.) : Weltpolitik im neuen Jahrhundert, Bonn 2000, S. 222-232 (226)

41 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 41-60

42 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 116-126

43 Holsti (Anm. 1), S. 117

44 Vgl. zu den Zusammenhang von Staatenbildung und Krieg auch die kompakte Übersicht von Mir A. Ferdowsi: Ferdowsi, Mir A.: Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Knapp, Manfred/Krell, Gert (Hrsg.): Einführung in die internationale Politik, 3. Auflage, München/Wien 1996, S. 306-333 (320-327)

45 Holsti (Anm. 1), S. 125f

46 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 119-122

47 Ob das Fehlen staatlicher Autorität zu Zusammenstößen zwischen traditionellen Clans oder zu einem Kampf von kriminellen Banden um die Macht führt, wie Robert Kaplan in seiner Chaostheorie prognostiziert, spielt für das blutige Ergebnis keine Rolle. Vgl. Pfetsch, Frank R.: Die Rolle des Krieges in der neuen Epoche, in: Kaiser/Schwarz (Hrsg.) (Anm. 40), S. 186-192 (188)

48 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 128-140

49 Wobei es fraglich ist, ob die Supermachtkonkurrenz die Kriegswahrscheinlichkeit erhöhte oder nicht. Zumindest ist die Zahl der Kriege in Zeiten, in denen die beiden Supermächte ihren Konflikt regressiv bearbeiteten (Kalter Krieg), laut Daniel Frei niedriger als in Zeiten der Entspannung. Vgl. Frei, Daniel: Einführung, in: Frei, Daniel (Hrsg.): Konflikte unserer Zeit - Konflikte der Zukunft, Zürich 1981, S. 7-15 (7). Und Barry Buzan kommt zu dem Schluss, dass das Ende der Supermachtkonkurrenz 1990 die Sicherheitsprobleme der Peripheriestaaten eher verschärft hat. Einer von mehreren Gründen dafür ist der Verlust an Legitimation: Der Ost-West-Konflikt lieferte einigen Peripheriestaaten Legitimation, da sie sich als Stellvertreter der einen oder anderen Seite in ihrer Region präsentieren konnten und von der entsprechenden Supermacht gestützt wurden. Die ideologische Legitimation fällt nun weg, genau wie die großzügige Hilfe der Supermächte. Vgl. Buzan, Barry: New Patterns of Global Security in the 21st Century, in: International Affairs, Nr. 3/1991, S. 431-451

50 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 141. Die Staaten der zone of peace führen kaum Kriege gegeneinander und sind nicht so häufig Opfer von Bürgerkriegen. In der zone of war kämpfen diese Staaten aus der Friedenszone aber durchaus in vielen Kriegen mit.

51 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 24

52 Diese Erkenntnis teilen politische Eliten in der zone of peace. So wies der damalige deutsche Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger 1996 darauf hin, dass militärische Interventionen alleine nicht ausreichen, um Kriege der dritten Art nachhaltig zu beenden. Da die Kriegsursachen in der Entwicklung der Gesellschaft begründet sind, müssen laut Spranger Entwicklungs- und Sicherheitspolitik verzahnt werden. Vgl. Spranger, Carl-Dieter: Krisenprävention: eine Aufgabe der Entwicklungspolitik, in: Internationale Politik, Heft 4, 51. Jg. (1996), S. 1-6 (2)

53 Dass die Gefahr ernst genommen wird, zeigt eine Aussage von Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Er hält Kriege der dritten Art für gefährlich, da sie die internationale Staatengemeinschaft belasten. Vgl. Loreck, Jochen: ,,Krisen entstehen innerhalb des Staates", in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.12.2000, S. 5

54 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 183-205

55 Vgl. Senghaas, Dieter: Friedenszonen, in: Kaiser/Schwarz (Hrsg.) (Anm. 40), S. 404-413 (407)

56 Vgl. Pfetsch (Anm. 47), S. 186-192 (189f)

57 Tetzlaff, R.: Die Dekolonisation und das neue Staatensystem, in: Kaiser/Schwarz (Hrsg.) (Anm. 40), S. 48

58 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 144f, 183f

59 So weist Gantzel auf mangelnde empirische Evidenz hin. Vgl. Gantzel (Anm. 9), S. 128, 207. Und selbst wenn es stimmt, dass demokratische Staaten untereinander keinen Krieg führen, so sind sie doch eindeutig von den intranationalen Kriegen dritter Art betroffen (zum Beispiel in Nordirland), um die es in Holstis Studie in erster Linie geht. Vgl. Hubel, Helmut: Regionale Krisenherde der Weltpolitik, in: Kaiser/Schwarz (Hrsg.) (Anm. 40), S. 414-427 (415)

60 Vgl. zu dem neo-marxistischen Ansatz Siegelberg (Anm. 2), S. 134-166

61 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 136-140

62 Vgl. Ferdowsi (Anm. 44), S. 318-320

63 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 128

64 Vgl. Holsti (Anm. 1), S. 205-209

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Kriege der dritten Art
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
30
Katalognummer
V101927
ISBN (eBook)
9783640003327
ISBN (Buch)
9783640115587
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die meisten Kriege heutzutage sind Bürgerkriege. Ursache dieser so genannten Kriege der dritten Art ist der Legitimitätsmangel von Staaten.
Schlagworte
Kriege, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Björn Finke (Autor:in), 2000, Kriege der dritten Art, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101927

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