Wo liegt die Gefahr einer Demokratie: in einer Tyrannei der Mehrheit oder der Minderheit?


Trabajo Escrito, 2001

7 Páginas, Calificación: noch keine


Extracto


Wo liegt die Gefahr einer Demokratie: in einer Tyrannei der Mehrheit oder der Minderheit?

Rousseau

Rousseau sieht die Gefahren der Demokratie in der Tyrannei der Mehrheit gegenüber einer Minderheit. Er fügt dazu aber an, dass es niemals eine echte Demokratie gegeben hat oder geben wird, erstens weil die Vorraussetzungen für eine wahre Demokratie - ständige Versammlung der Mehrheit, allgemein anerkannte Normen und Werte sowie die soziale und materielle Gleichheit - nicht theoriegemäß umgesetzt werden können und zweitens weil aus diesen Gründen eine Mehrheitsherrschaft der natürlichen Ordnung widerspricht. Dazu ein Satz des Autors: „Wenn es ein Volk von Göttern gäbe, würde es sich demokratisch regieren. Eine so vollkommene Regierung passt für Menschen nicht“ (Rousseau 1977: 74)

Da Rousseau von den Grundsätzen der Vertragstheorie ausgeht, bei denen der Mensch seine natürliche Freiheit vertraglich an einen Souverän übergibt, erschließt sich für ihn ein Gemeinwillen der sowohl für das Volk als auch den Souverän eine Handlungsvorgabe darstellt. Wenn sich dann allerdings eine Minderheit weigert diesem Willen zu folgen, hat Rousseau keine Furcht vor einer Mehrheitstyrannei. Er sieht im Gesellschaftsvertrags sogar eine stillschweigende Vereinbarung ein „die allein die anderen ermächtigt, dass, wer immer sich weigert, dem Gemeinwillen zu folgen, von der gesamten Körperschaft dazu gezwungen wird, was nichts anderes heißt, als dass man ihn zwingt, frei zu sein“ (Rousseau 1977: 21). Das soll aber nicht als eine Unterdrückung der Minderheit verstanden werden, eher als Wahrung des Gesellschaftsvertrages um einen Missbrauch der Bedingungen zu verhindern und die unteilbare Abhängigkeit gegenüber dem Staat zu erhalten, da dieser Vorgang sonst zu einer Tyrannei dieser Minderheit führt.

Der wichtigste Punkt im Gesellschaftsvertrag ist für Rousseau die Herausbildung des Gemeinwillens, des „volonté général“. Er meint damit den Willen der sich bei jedem Mitglied der Gesellschaft in der selben Interessenlage entwickelt. Doch es bilden sich oft Parteien, Minderheiten, die gegenüber dem Staat ihre Interessen im besonderen Maße vertreten. Wenn eine Vereinigung dann die anderen in Größe und Macht übertrifft und ihre Interessen ohne die anderen durchsetzen kann, ist der Gesellschaftsvertrag ungültig und der Souverän in seiner Macht beschnitten und dadurch handlungsunfähig.

Demzufolge ist die Demokratie sowohl der Gefahr einer Mehrheits-, als auch einer Minderheitstyrannei ausgesetzt. Rousseau sieht beide als gleich gefährlich an, da beide eine Auflösung des Gesellschaftsvertrages zur Folge haben. Er sieht die Demokratie als eine äußerst herausfordernde Regierungsform, da ihre Verwaltungen sich ständig verändern und deshalb darauf geachtet werden muss, dass keine der Demokratie zuwiderlaufende Änderungen stattfinden.

Madison

Madison sieht die Gefahr der Demokratie in der Tyrannei einer Mehrheit. Er geht davon aus, dass, aufgrund von religiösen, politischen oder sozialen Gegebenheiten, sich Menschen immer wieder zu Interessengruppen zusammenschließen um diesen speziellen Interessensgegenstand verstärkt in ihre Richtung zu lenken. So erschließt sich für ihn, dass es zwecklos wäre die Bildung dieser Parteiungen verhindern zu wollen, Madison setzt eher auf Kontrolle zur Prävention.

Diese Kontrolle will Madison durch das „republikanische Prinzip“ erreichen. So setzt er darauf, dass eine Minderheit niemals die verfassungsrechtliche Macht in einem Staat erreichen könne. Er fügt aber gleichzeitig an, dass diese Minderheiten den behördlichen Ablauf behindern und die Gesellschaft beeinflussen können, davon scheint aber für Madison kaum Gefahr auszugehen.

Wenn allerdings eine Mehrheit ihre Interessen über das Gemeinwohl stellt, sind für Madison die Grundfesten der Verfassung im Schwanken begriffen. „Das Gemeinwohl und die privaten Rechte gegen die Gefahr einer solchen Parteiung zu sichern, zugleich aber den Geist und die Form der Volksregierung zu bewahren, ist daher das große Ziel, das wir mit unserer Untersuchung verfolgen“ (Madison 1993: 97).

Als Verfechter des föderalistischen Staatsmodells sieht Madison zwei Wege die Bildung von Mehrheitsparteien zu unterbinden, erstens durch Verhinderung von gemeinsamer Interessensbildung bei der Mehrheit oder durch Verhinderung der Durchsetzung ihrer Absicht durch geographische Verteilung dieser Mehrheit. Auch sei es sinnvoll, den Staat - falls es sich um eine größere Republik handelt - auszudehnen und zu gliedern, um der drohenden Gefahr gegenüber gewappnet zu sein.

De Tocqueville

Tocqueville sieht eine Mehrheitstyrannei als die größte Gefahr der Demokratie an, dennoch hat laut seiner Auffassung die Mehrheit die sittliche und materielle Gewalt und ist der Ursprung aller Gewalten. Trotz dieser Diskrepanz ist er ein Befürworter demokratischer Regierungen, allerdings nur wenn die souveränen Grundrechte des Volkes beachtet werden und sich die Mehrheit nicht über das Prinzip der Gerechtigkeit stellt.

Die Basis der Tyrannei ist nach Tocquevilles Meinung der herrschenden Autorität uneingeschränkte Macht zu verleihen, dabei ist es nicht von Belang in welcher Regierungsform dieser Souverän regiert. In einer Gewaltenteilung bei der die Legislative nicht über die anderen Gewalten verfügt sieht er das Mittel zur Verhinderung einer Tyrannei. Er schreibt dazu: „Stellt euch dagegen eine gesetzgebende Körperschaft vor, die in ihrer Zusammensetzung die Mehrheit vertritt, ohne notwendig Sklave ihrer Leidenschaften zu sein; eine ausübende Gewalt, die eine ihr eigene Stärke besitzt, und eine Gerichtsgewalt, die von den beiden anderen Gewalten unabhängig ist; ihr habt immer noch eine demokratische Regierung, aber die Tyrannei hat da fast keine Aussichten“ (Tocqueville 1976: 292).

Als ebenso gefährlich wie die absolute Herrschaft der Mehrheit über alle Gewalten stuft Tocqueville die Einschränkung der geistigen Freiheit durch die sittliche Macht der Mehrheit. Durch diese Eingrenzung des möglichen Meinungsspektrums werden Gedanken die zur Veränderung beitragen schon abgewiesen bevor sie überhaupt gedacht werden können. Auch hierzu möchte ich aus dem mir vorliegenden Text noch ein paar Erkenntnisse des Autors anfügen: „Unter der unumschränkten Alleinherrschaft schlug der Despotismus in roher Weise den Körper, um die Seele zu treffen; und die Seele, die diesen Schlägen entwich, schwang sich glorreich über ihn hinaus; in den demokratischen Republiken jedoch geht die Tyrannei nicht so vor; sie übergeht den Körper und zielt gleich auf die Seele. Der Herrscher sagt nicht mehr: entweder du denkst wie ich oder du bist des Todes; er sagt: du bist frei, nicht so zu denken wie ich; du behältst dein Leben, deinen Besitz, alles; aber von dem Tage an bist du unter uns ein Fremdling. Du behältst deine Vorrechte in der bürgerlichen Gesellschaft, aber sie nützen dir nichts mehr; denn bewirbst du dich um die Stimme deiner Mitbürger, so werden sie dir diese nicht geben, und begehrst du bloß ihre Achtung, so werden sie tun, als ob sie dir auch diese verweigerten. Du bleibst unter den Menschen, aber du büßest deine Ansprüche auf Menschlichkeit ein. Näherst du dich deinen Mitmenschen, werden sie dich wie ein unreines Wesen fliehen; und selbst die an deine Unschuld glauben, werden dich verlassen, denn auch sie würden gemieden. Ziehe hin in Frieden, ich lasse dir das Leben, es wird aber für dich schlimmer sein als der Tod“ (Tocqueville 1976: 295). Damit wird klar eine soziale Ausgrenzung und Isolation angesprochen, wie sie zum Beispiel im Kalten Krieg in Amerika auf kommunistisch oder sozialistisch überzeugte Menschen angewendet wurde. Tocqueville sieht zur Begrenzung der Gefahr der geistigen Mehrheitstyrannei nur eine Möglichkeit, niemanden die oberste Gewalt zuzugestehen und somit einer Entwürdigung der Menschen vorzubeugen.

Auch sieht Tocqueville es als gefährlich an eine Demokratie in Staaten einzusetzen, in denen ein Herrscher bereits eine Verwaltungszentralisation herbeigeführt hat, weil diese dann bereits die Möglichkeiten zur Tyrannei beinhaltet. Wie oben bereits erwähnt ist eine Gewaltenteilung für den Autor die einzige Möglichkeit die Freiheit zu erhalten, da dann despotische Anwandlungen einer Gewalt durch die anderen untergraben und damit kompensiert werden können.

Marx und Engels

Marx und Engels sehen die größte Gefahr der Demokratie, wie in allen anderen existierenden Gesellschaftsformen, in der Unterdrückung einer Mehrheit durch eine Minderheit. Ihrer historischen Betrachtungsweise nach standen sich seit dem Beginn der überlieferten Geschichte Unterdrücker und Unterdrückte in einem grundsätzlich feindseligen Verhältnis gegenüber. Durch die Verfügung über den größten Teils des materiellen Besitzes hat die tyrannisierende Klasse immer wieder neue Wege gefunden, die gesellschaftlich unter ihnen stehenden Klasse auszubeuten.

Das „Manifest der kommunistischen Partei“ von Marx und Engels wurde mit dem Ziel veröffentlicht, die zu ihrer Zeit unterdrückte Klasse, das Proletariat, zu einem offenen Kampf gegen die zu ihrer Zeit unterdrückende Klasse ,die Bourgeoisie, aufzufordern. Die Bourgeoisie benutze das Mittel der Arbeit in Fabriken, womit der Proletarier einerseits von der Bedeutung seiner Tätigkeit entfremdet werden sollte, auf der anderen Seite gestanden ihm die Fabrikbesitzer die Mittel zu, die zum Ernähren und Vermehren nötig sind um den Arbeiter materiell zu binden.

Marx und Engels weisen aber auch darauf hin, dass sich die Bourgeoisie von einer der unterdrückten Klassen infolge von politischen Umwälzungen zu einer herrschenden Gesellschaftsschicht geformt hat. Ihre laut den Autoren des Textes führende Position in damalig existierenden verfassungsmäßigen Demokratien will ich an einem Zitat belegen: „ Jede dieser Entwicklungsstufen der Bourgeoisie war begleitet von einem entsprechenden politischen Fortschritt. Unterdrückter Stand unter der Herrschaft der Feudalherren, bewaffnete und sich selbst verwaltende Assoziation in der Kommune, hier unabhängige städtische Republik, dort dritter steuerpflichtiger Stand der Monarchie, dann zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der ständischen oder in der absoluten Monarchie, Hauptgrundlage der großen Monarchien überhaupt, erkämpfte sie sich endlich seit der Herstellung der großen Industrie und des Weltmarktes im modernen Repräsentativstaat die ausschließliche politische Herrschaft. Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisieklasse verwaltet“ (Marx, Engels 1945: 7).

Durch den Erhalt der politischen Macht war die Bourgeoisie dann in der Lage das Produktionskapital in ihren Händen zu vereinen und das Proletariat durch die Einführung der Lohnarbeit materiell zu unterdrücken. Durch Revolutionierung der Produktionsverfahren konnten immer mehr Produkte zur Verfügung gestellt werden, darauf entwickelte sich beim Arbeiter ein Konsumbedürfnis, für dessen Erfüllung er aber wiederum seine Produktionskraft zur Lohnarbeit bereitstellen musste. Die Bourgeoisie sorgt mit einer stetigen Entwicklung für eine dauerhafte Überproduktion für den ständigen Erhalt der politischen Macht. Sie ist laut Marx dafür verantwortlich das aufgrund ihrer grenzenlosen Ausbeutung der Natur und der Menschen die Gesellschaft in sich wiederholende, immer größer werdende Krisen hineingesteuert wird.

Nun sind Marx und Engels aber der Meinung in der Entwicklung des Proletariats eine Parallelität zu der der Bourgeoisie feststellen zu können. So sehen sie Wege die demokratisch legitimierte Minderheitstyrannei zu stürzen. Das Proletariat sei aber die einzige unterdrückte Klasse die eine Revolution voranbringen könne, den der Mittelstand wäre aufgrund der Furcht um seine Existenz nur auf Erhaltung der Zustände bedacht.

Marx und Engels wollen jetzt, dass das Proletariat, welches für sie die Mehrheit der Gesellschaft darstellte, sich vereinigt und zur Herrschaft erhebt und dadurch eine komplette Revolutionierung sozialer Verhältnisse durchgeführt wird. Auch hierzu möchte ich ein Zitat anfügen: „Alle bisherigen Bewegungen waren Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne dass der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird“ (Marx, Engels 1945: 14).

Ich kann bei Marx und Engels hier keinerlei Angst vor der Tyrannei einer Mehrheit erkennen. Im Gegenteil, wenn man davon ausgeht dass ihre geschichtliche Politikbetrachtung auf eine Abfolge von Minderheitstyranneien reduziert werden kann, will Marx sich ausschließlich durch die Abschaffung der Eigentumsverhältnisse gegen tyrannische Praktiken absichern. Ob damit aber auch eine geistige Unterdrückung verhindert werden kann, bleibt offen.

Marx und Engels sehen die Demokratie als Mittel des Proletariers, um durch die Teilhabe an der politischen Macht den Bourgeois zu enteignen. Diese soll aber nicht zu einer neueren Tyrannei, gleich ob durch eine Mehrheit oder eine Minderheit, führen sondern schließlich in einer unpolitischen Gesellschaft ohne Eigentumsverhältnisse gipfeln, den Marx und Engels als Kommunismus bezeichnen. „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Marx, Engels 1945: 23). Doch die Verwirklichung dieser Utopie liegt auch nach seinem Tod noch in ferner Zukunft.

Final del extracto de 7 páginas

Detalles

Título
Wo liegt die Gefahr einer Demokratie: in einer Tyrannei der Mehrheit oder der Minderheit?
Universidad
Dresden Technical University
Curso
Einführung in die politische Theorie
Calificación
noch keine
Autor
Año
2001
Páginas
7
No. de catálogo
V101780
ISBN (Ebook)
9783640001934
Tamaño de fichero
336 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Gefahr, Demokratie, Tyrannei, Mehrheit, Minderheit, Einführung, Theorie
Citar trabajo
Markus Benke (Autor), 2001, Wo liegt die Gefahr einer Demokratie: in einer Tyrannei der Mehrheit oder der Minderheit?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101780

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