Die Körperbehindertenpädagogik der DDR


Hausarbeit, 2001

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Die Körperbehindertenpädagogik in der DDR

Einleitung

Die DDR und ihre gesellschaftlichen Entwicklungen sind damals wie heute Gegenstand vieler Kontroversen. Auch das Bildungswesen der DDR stand oft im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen. Dabei war die Frage nach den Werten der pädagogischen Konzepte, insbesondere die Anerkennung von DDR-Abschlüssen vorrangiges Thema. Aber auch das Sonderschulwesen der DDR und der Umgang mit Behinderten wurde in zahlreichen Betrachtungen sehr kritisch reflektiert.

Auffallend bei vielen Veröffentlichungen sind dabei die undifferenzierten Bewertungen sowohl der Autoren aus der DDR als auch der Verfasser aktueller Lektüre. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich meine Suche nach objektiven Darstellungen der sonderpädagogischen Situation in der DDR schwierig. Die DDR-Literatur erwies sich zwar als sehr informationsreich, aber auch als stark ideologisch geprägt. Bildungs- ziele und -konzepte sind eng mit politischen Aufgaben verknüpft und so fällt es an manchen Stellen schwer, zum Kern der bildungstheoretischen Aussagen vorzustoßen. Auch aktuelle Literatur ist eher von pauschalen Wertungen, als von einer objektiven Darstellung der Sachverhalte geprägt, nur das diese Einschätzungen eine ganz andere Richtung als die der ostdeutschen Literatur einschlagen und teilweise ein durchweg negatives Bild entstehen lassen. Es schien mir, als ob sich diese Autoren zu sehr von ideologischen Formulierungen ehemaliger Gesetzgebungen haben abschrecken lassen.

Aus diesen Gründen sowie angesichts der Tatsache, daß kein Buch einen zusammen- hängenden Geschichtsabriß der Sonderschulpädagogik für Körperbehinderte der DDR bieten konnte, war meine Literaturauswahl sehr aufwendig. Meine historische Darstellung der Entwicklung der Körperbehindertenpädagogik der DDR ist daher aus vielen Teilinformationen verschiedener Bücher zusammengestellt. Neben diesem historischen Abriß möchte ich auf die Konzepte des Sonderschulwesens für Körperbehinderte der DDR eingehen, indem ich Bildungseinrichtungen, den entspre- chenden Schülerbestand sowie Bildungsziele und -methoden beschreibe. Inwieweit diese Konzepte tatsächlich in der Realität Geltung fanden und wie die tatsächliche Arbeit an einer Körperbehindertenschule organisiert war, versuche ich am Beispiel der Sonderschuleinrichtung für Körperbehinderte Berlin-Buch darzustellen.

Da gerade in der heutigen Zeit die Integrationsfrage eine der bedeutendsten im Sonderschulwesen, insbesondere in der Rehabilitationspädagogik ist, möchte ich das Konzept der Integration in der DDR einer Betrachtung unterziehen. Entsprechende persönliche Schlußfolgerungen werde ich in meiner Schlußbetrachtung vornehmen.

Ich möchte jedoch betonen, das ich in dieser Ausarbeitung ausschließlich auf die Pädagogik für Körperbehinderte in der DDR eingehen werde. Informationen zu Entwicklungen nach der Wende, sowie Darstellungen der sehr kontroversen Thematik der Hilfsschulpädagogik (Pädagogik für Geistigbehinderte und Verhaltensgestörte) können dieser Arbeit nicht entnommen werden.

1 Die Entwicklung der Körperbehindertenpädagogik in der DDR

Der Auf- und Ausbau des Bildungswesens für Körperbehinderte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der daraus entstandenen DDR erfolgte im wesentlichen in vier Phasen:

- 1945-1949: Antifaschistisch-demokratische Schulreform mit dem „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ von 1946
- 1949-1962: Aufbau der sozialistischen Schule mit dem „Schulpflichtgesetz“ von 1950 und die Umsetzung des „Gesetzes über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens der Deutschen Demokratischen Republik“ von 1959
- 1963-1970: Gestaltung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems und seine durch das „Bildungsgesetz“ (1965) festgelegte Charakteristik
- Entwicklungen nach 1970: Ausbau des bestehenden Systems.

1.1 1. Etappe: 1945-1949

Nach dem Ende des II. Weltkrieges waren alle vier Besatzungszonen in Deutschland mit einem Schulwesen konfrontiert, das durch eine Vielzahl von Problemen, wie z.B. Lehrermangel, Raummangel und Unsicherheit gegenüber den Erziehungszielen, gekennzeichnet war. Dies betraf das Sonderschulwesen in besonderem Maße. Die Ideologie des Nazismus, seine Rassengesetze, das Ariertum, Euthanasie u.a. haben das Sonderschulwesen fast zum Erliegen gebracht. So mußte neben dem Aufbau des Bildungswesens quasi auch ein völliger Neuaufbau des Sonderschulwesens realisiert werden.

Bereits zwei Monate nach der Kapitulation Deutschlands im II. Weltkrieg wurden auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Maßnahmen eingeleitet, um eine schulische Ausbildung für Kinder und Jugendliche wieder zu ermöglichen. Einen Monat nach der Gründung der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) im Juli 1945 wurde die „Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung“ gegründet. Es folgte im August desselben Jahres der Befehl Nr. 40 der SMAD, der die Wiederaufnahme des Unterrichts zum 1. Oktober 1945 festlegte. Die politische Forderung dieses Beschlusses bestand in der Veränderung des gesamten bestehenden Bildungswesens und in diesem Zusammenhang in einer Entnazifizierung der Unterrichtsinhalte und der Lehrerschaft. Durch diesen Schritt entstand ein enormer Bedarf an Neulehrern, der für die Regel- und Sonderschulen von ähnlichem Ausmaß war. Zwar konnte man auf heilpädagogische Konzepte der Weimarer Republik zurückgreifen, verfügte aber bei weitem nicht über genügend Lehrer mit Sonderschul- befähigung und -erfahrung (Hübner 2000, S.64 f.).

Als am 1. Oktober 1945 an mehr als 10.000 Schulen, darunter auch an einigen Sonderschulen, der Unterricht wieder aufgenommen wurde (Werner 1999, S.26), diente dies zunächst der Erfüllung der Schulpflicht (Werner 1999, S.55).

Im Mai 1946 trat auf dem Gebiet der SBZ das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ in Kraft, welches eine „rechtliche Grundlage für die sich vollziehende antifaschistisch demokratische Schulreform“ bildete, indem es eine humanistische Bildung für alle Bürger zu verwirklichen versuchte (Becker; 1984, S.57) und die Schule von Elementen des Imperialismus, des Militarismus, des Rassenhasses und der Völkerverhetzung befreien sollte (Hettwer 1976, S.29).

Mit diesem Gesetz wurden alle Privatschulen verboten, da man sich für ein staatliches Schulmonopol entschieden hatte, d.h. von 1946 an war die gesamte schulische Erziehung ausschließlich Angelegenheit des Staates. Zudem wurde die Trennung zwischen Schule und Kirche vollzogen, welche aber auch negative Auswirkungen auf das Sonderschulwesen hatte, da die Betreuung von Menschen mit Behinderungen traditionell ein wichtiger Bestandteil der diakonischen und karitativen Arbeit war (Hettwer 1976, S.29). Dennoch existierten gerade im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR viele Fördereinrichtungen für schwerst behinderte Menschen, die von der Kirche finanziert wurden (Pehnke 1996, S.230).

Durch das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ entstand eine achtjährige Einheitsschule in der SBZ. § 6 dieses Gesetzes enthält einen Verweis zur Leitung und Aufsicht der Sonderschulen, welche durch das Volksbildungssamt nach Richtlinien der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der SBZ ausgeübt werden sollte. In diesem § 6 sowie in dessen Ausführungsbestimmungen von 1947 wurde fest-gelegt, welche Sonderschulen eingerichtet werden sollten und welches die Populati-onskriterien dieser Schulen waren. Als Vorreiter der späteren Sonderschule für Körper- behinderte wurde mit dieser Festlegung eine Schule für „körperlich Gebrechliche“ ins Leben gerufen, zu dessen Schülerpopulation der „Krüppel“ gehören sollte (Hübner 2000, S.66).

Die Ausführungsbestimmungen von 1947 waren ein Ergebnis der Tätigkeit des ebenfalls 1947 gegründeten Referates für Sonderschulen, welchem folgende Aufgaben gestellt waren:

- Erfassung des Bestandes an Sonderschulen
- Erarbeitung von Richtlinien für die Sonderschularten und deren Aufnahme- verfahren
- Lenkung der Arbeit an den Sonderschulen
- Initiierung der Erarbeitung von Schulbüchern für Sonderschulen
- Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten von Fachkräften für das Sonder- schulwesen (Becker 1984, S.60).

Auch in den Einrichtungen des Gesundheitswesens zeigten sich ab 1946/1947 erste Bemühungen für die Bildung von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen Behin- derungen. Der Aufbau von Sonderschuleinrichtungen erfolgte zunächst an größeren orthopädischen Kliniken, Tuberkuloseeinrichtungen und Krankenhäusern, in denen langfristig erkrankte, stationär behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche pädago- gisch betreut werden sollten (Berndt 1986, S. 18). Die häufigsten Krankheitsbilder der Kinder waren durch den beendeten Krieg gekennzeichnet. So mußten hauptsächlich Kinder, die wegen ihrer Kriegsverletzungen in den orthopädischen Kliniken lagen, die unter verschiedenen Formen der Tuberkulose litten oder an Kinderlähmung erkrankt waren, an diesen Einrichtungen medizinisch und pädagogisch betreut werden. Die Unterrichtsbedingungen waren materiell und organisatorisch anfangs sehr bescheiden. Die Pädagogen hatten nur sehr wenig Erfahrungen und mußten auf Krankenzimmern oder in den Aufenthaltsräumen von Stationen ohne spezielle Lehr- und Lernmittel unterrichten (Berndt 1986, S.18).

Aufgrund des extremen Mangels an qualifizierten Lehrkräften und nun angestellten Planungen über die Erweiterung des Sonderschulwesens wurde im Herbst 1947 an der pädagogischen Abteilung der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Ausbildung von Sonderschullehrern begonnen. Diese Ausbildung war als Zusatzstudium für Lehrer konzipiert und dauerte zwei Semester. Ab 1949 erhielt die Abteilung Sonderschul- wesen an der HU Berlin den Status eines Institutes und beschäftigte sich anfangs mit dem Feststellen der Population behinderter Kinder in der DDR (Hübner 2000, S.72). Da dem Institut für Sonderschulwesen der HU Berlin nur ein kleiner Kreis an Lehrbeauftragten zur Verfügung stand, mußte der wissenschaftliche Nachwuchs aus den Reihen der eigenen Absolventen gewonnen werden.

1.2 2. Etappe: 1949-1962

Am 7. Oktober 1949 erfolgte die Gründung der Deutsche Demokratische Republik (DDR) und damit auch die Ablösung der „Deutschen Zentralverwaltung für Volks- bildung“ durch das „Ministerium für Volksbildung der DDR“. In der Verfassung wurde ein Recht auf gleiche Bildung für alle Kinder und Jugendliche festgelegt. Die Situation im Sonderschulwesen zu Beginn der 2. Etappe war noch von starken Schwierigkeiten gezeichnet. Zum einen gab es Probleme bei der Erfassung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, gerade auch in den ländlichen Gebieten. Dort waren die Verkehrsmöglichkeiten zu ungenügend, als das ein Kind mit Behinderungen eine Schule hätte aufsuchen können und Internatsplätze standen in diesen Gebieten nicht zur Verfügung. Zum anderen konnte man davon ausgehen, daß ein nicht geringer Prozentsatz von erfaßten schulpflichtigen Kindern mit Behinderungen überhaupt nicht oder nur unzureichend unterrichtet wurde, da Behinderte nicht an den Regelschulen beschult wurden und die Anzahl der sonderpädagogischen Einrichtungen mit 120 Schulen insgesamt weit unter dem Bedarf lag. In dem „Schulpflichtgesetz“ von Dezember 1950 wurde die Verantwortung des Staates für die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen in der DDR festgesetzt. Dies bedeutete für Kinder mit körperlichen und anderen Behinderungen, daß ihre Bildung und Erziehung in der Verantwortung des Staates lag und sie in staatlichen Schulen unterrichtet werden sollten.

Das „Ministerium für Volksbildung“ erließ im Oktober 1951 die Durchführungsbestim- mungen zu § 6 des „Schulpflichtgesetzes“ in Form der „Verordnung über die Beschu- lung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen physischen oder psychischen Mängeln“. Diese Verordnung hat das in der Verfassung festgelegte Recht auf gleiche Bildung für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen näher festgelegt und die Ausführungsbestimmungen von 1947 weiterentwickelt (Becker 1984, S.65).

Im § 1 dieser Verordnung wird darauf verwiesen, daß jene Schüler an Sonderschulen zu bilden und zu erziehen sind, die eine so starke Behinderung haben, daß sie im Normalunterricht nicht genügend gefördert werden können. Im gleichen Paragraphen unter Absatz 3 werden die zukünftigen Sonderschuleinrichtungen aufgeführt. Die Schulen für Körperbehinderte sind unter Punkt e wie folgt definiert: Sonderschule „für Schulpflichtige mit sonstigen, vorstehend nicht genannten physischen Mängeln, z.B. Körperbehinderte, Insassen von Heilstätten (z.B. Knochen-, Drüsen-, Lungentuberkulose)“ (Verordnung über die Beschulung und...1951 in: Müller 1956, S.123). Diese relativ unspezifizierte Einstufung der Körperbehinderten findet auch in den weiteren Ausführungen der Verordnung keine konkretere Festlegung.

Unter § 2 Absatz 2 wird darauf hingewiesen, daß die pädagogische Betreuung von Kindern in Kranken- und Heilanstalten von den Volksbildungsministerien der Länder zu gewährleisten sei (Verordnung über die Beschulung und...1951 in: Müller 1956, S.124). In den folgenden Jahren wurde in über hundert Einrichtungen des Gesundheitswesens der Unterricht eingeführt.

Im gleichen Jahre, 1951, wurde am Institut für Sonderschulwesen der Humboldt-Uni- versität zu Berlin eine eigene Abteilung für die Körperbehindertenpädagogik unter der Leitung von Dr. P. Voigt gegründet. Im Wintersemester 1951/52 wurden erstmalig auch Kindergärtnerinnen an dem Institut Sonderschulwesen der HU immatrikuliert, in der Absicht, die Vorschulerziehung für Kinder mit Behinderungen zu verbessern. 1952 erfolgte die „Anordnung über den organisatorischen Aufbau des Sonderschul- wesens“. Mit dieser Anordnung wurde die Struktur des Schulwesens organisatorisch sowie inhaltlich bestimmt. Die Schularten wurden neu bezeichnet und so entstanden die folgenden neun Sonderschulen: Blindenschule, Gehörlosenschule, Taubstummen- blindenschule, Sehschwachenschule, Schwerhörigenschule, Sprachheilschule, Hilfs- schule sowie die Sonderschuleinrichtungen für Körperbehinderte (Einrichtung der Volksbildung in Stätten des Gesundheitswesens, welche behinderten und chronisch kranken Kindern in Krankenhäusern und Heilstätten eine Schulbildung bot) und die Sonderschule für Körperbehinderte (Schule der Volksbildung, welche als Tages- oder Internatsschule Kinder mit körperlichen Behinderungen, die als internatsfähig galten, aufnahm) (Hübner 2000, S.74 f.). Auf die spezifischen Unterschiede dieser beiden letztgenannten Schulen und ihres Schülerbestandes gehe ich unter Punkt 2 noch genauer ein.

Im Mai 1954 wurde die „Meldung von Körperbehinderungen, geistigen Störungen, Schädigungen des Seh- und Hörvermögens“ angeordnet. Dieser Beschluß verpflich- tete Eltern, Pädagogen und Mediziner, alle Kinder und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren mit einer entsprechenden Behinderung bei den Abteilungen des Gesund- heitswesens zu melden. Durch diese Meldepflicht erfolgte eine Früherfassung mit dem Ziel der früheren Förderung. Nach der Meldung wurde eine staatliche gesundheitliche Betreuung mit den erforderlichen Heilmaßnahmen eingeleitet. In diesem Zusammen- hang übernahmen die staatlichen Institutionen die entsprechenden Entscheidungen für die jeweiligen Kinder. Dies hatte zur Folge, das jedem Kind mit seinem gleichen Recht auf Bildung nachgekommen werden konnte, aber auch, daß die Mitsprache der Eltern als Erziehungsberechtigte nicht berücksichtigt werden mußte (Hübner 2000, S.77 f.). Zur Erhebung von Statistiken bot diese Früherfassung durch Meldepflicht eine gute Basis, zugleich bedeutete es auch den Verlust von Datenschutz.

Im September 1954 erging die „Vierte Durchführungsbestimmung zur Verordnung zur Verbesserung der Arbeit der allgemeinbildenden Schulen vom 4. März 1954 - Bestim- mungen über das Sonderschulwesen“. In dieser Anordnung wurde festgelegt, daß an den Sonderschulen die gleichen Stundentafeln wie an den anderen allgemeinbildenden Schulen zu erfüllen sind, daß nur fachlich und staatspolitisch qualifizierte Lehrer einzusetzen sein (§ 2), und daß in jedem Bezirk der DDR wenigstens eine Sonder- schule für Körperbehinderte mit angegliedertem Internat einzurichten ist (§ 12).

1956 erschien das erste Mal eine für das Sonderschulwesen eigene Fachzeitschrift mit dem Namen „Die Sonderschule“. Sie sollte den Erfahrungsaustausch unter den Sonderpädagogen und den Wissenschaftlern anregen. Diese Diskussionsplattform wurde bereits Ende 1959 mit dem „Gesetz zur sozialistischen Entwicklung des Schulwesens der DDR“ wieder zerschlagen und war danach nur noch ein Forum für einheitliche und pro-ideologische Meinungsäußerungen (Hübner 2000, S.80).

Dieses „Gesetz zur sozialistischen Entwicklung des Schulwesens der DDR“ vom Dezember 1959 ersetzte die Verordnung zur Demokratisierung der Schule von 1946 und das „Schulpflichtgesetz“ von 1950. Es schrieb die Einführung der zehnklassigen polytechnischen Oberschule (POS) vor, was ebenfalls für die Sonderschulen galt. So entstand u.a. die allgemeinbildende polytechnische Oberschule für Körperbehinderte als Bestandteil des allgemeinen Schulwesens.

Für den Bereich der Körperbehindertenpädagogik erfolgt diese Entwicklung schritt- weise durch die Erweiterung der bestehenden Körperbehindertenschulen in den Bezirksstätten und in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitswesens mit größerer Bettenkapazität. Dies verbesserte die Unterrichtsbedingungen gerade für langfristig hospitalisierte Kinder, die an Einrichtungen mit schulorganisatorischen Bedingungen überwiesen wurden. Diese Anordnung stieß aber auch auf Widerstand, da an einigen Einrichtungen adäquate Unterrichtsformen fehlten, Einzel- und Mehrstufenunterricht dominierte und auch die materiellen und personellen Voraussetzungen der durch die Einführung des Zehnklassensystems entstehenden Anforderungen nicht genügten.

Um die Voraussetzungen zu verbessern, mußten neue Lehrpläne entwickelt werden. Nachdem 1957 der Entwurf „Lehrplanrichtlinien für Sonderschuleinrichtungen für Körperbehinderte“ erschien, lag 1959/60 für das gesamte Schulwesen das erste ge- schlossene Lehrplanwerk vor, an dem sich auch die Sonderschulen orientieren sollten.

Im Jahr 1959 gab es etwa 80 Sonderschuleinrichtungen und Sonderschulen für Körperbehinderte. Hinzu kamen Vorschulteile und die außerschulische Betreuung durch teilweise sonderpädagogisch ausgebildete Erzieher. Jedoch wurde immer noch ein Großteil der sonderschulbedürftigen Kinder mit Körperbehinderungen überhaupt nicht, unzureichend in Normalschulen oder durch Hausunterricht beschult. Ende der 50er Jahre nahmen die Liegezeiten der Schüler in Sonderschuleinrichtungen des Gesundheitswesens aufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung allmählich ab, was der Bildungsarbeit zu Gute kam.

1.3 3. Etappe: 1963-1970

Im Jahre 1963 wurde die „Staatliche Kommission zur Gestaltung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“ gegründet, welche im Februar 1965 das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ mit allen wesentlichen Belangen des Schulwesens der DDR bis 1990 vorstellte. Ziel dieser Verordnung war eine allseitige und hohe Bildung des gesamten Volkes. In diesem Zusammenhang wurde die Entwicklung von sozialistischen Persönlichkeiten zum primären Bildungsziel erklärt und daraus eine Bildung, die das Lernen mit produktiver Arbeit verbindet, abgeleitet (Becker 1984, S.79). Es wurde zudem eine Schulgeld- und Lehrmittelfreiheit gesetzlich festgelegt.

Das Sonderschulwesen wurde im § 19 dieses Gesetzes als ein integraler Bestandteil des gesamten Volksbildungswesens hervorgehoben. Im gleichen Paragraphen wurden die verschiedenen Kategorien von Behinderungen zu betreuender Menschen aufgeführt. Dabei wurde die Gruppe der Körperbehinderten in dauernd Körperbehinderte und in für längere Zeit erkrankte bzw. stationär behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche unterteilt.

Der Aufgabenbereich der Sonderschulen wurde auch auf Erwachsene mit Behinderungen in Form der beruflichen Rehabilitation ausgedehnt, es wurde eine engere Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Sonderpädagogen gefordert, die Arbeitsgebiete des Körperbehindertenpädagogen wurden auf die Sonderschuleinrichtungen, die Sonderschulen und den Hausunterricht festgelegt.

In der „Fünften Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ (5.DB) von 1968 werden die Änderungen für das Sonderschulwesen, wie etwa die Schaffung von günstigeren institutionellen Einricht- ungen für Körperbehinderte und die Festlegung, daß Kinder mit schweren Körperbe- hinderungen, die zwar keiner Heilbehandlung bedürfen, aber dennoch spezielle Maß-nahmen zu ihrer Versorgung benötigen, in Einrichtungen des Gesundheitswesens betreut werden, weiter ausgeführt. In dieser Durchführungsbestimmung wird das Sonderschulwesen der DDR als ein differenziertes, aufeinander abgestimmtes System beschrieben, welches sich nach den Kategorien der „Geschädigten“ gliedert und die Gültigkeit des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems für das Sonderschulwesen betont (Becker 1984, S. 81f.).

Nach einer Übersicht des fünften Beiheftes der Zeitschrift „Die Sonderschule“ gab es 1967 nur noch ca. 40 Schulen und Schuleinrichtungen für Körperbehinderte, also nur noch die Hälfte von 1959. Dies kann mit eingeleiteten Zentralisierungsmaßnahmen erklärt werden. Nur neun der 40 Einrichtungen waren Sonderschulen für Körper- behinderte, nur eine davon hatte ein angegliedertes Internat, obwohl bereits 1954 festgelegt wurde, daß für jeden Bezirk der DDR eine solche Schule einzurichten sei. Die geringe Anzahl der Sonderschulen für Körperbehinderte war bedenklich, da die Tagesschulen nur Schüler aufnehmen konnten, für die der tägliche Schulweg zumutbar war. Für Schüler von ländlichen Gebieten standen immer noch nur Regelschulen oder Sonderschuleinrichtungen zur Verfügung. Die Beschulung an einer regulären POS bedeutete für einen körperbehinderten Schüler jedoch oftmals eine Überforderung. Mißerfolgserlebnisse und der Zwang, mit gesunden Schülern Schritt halten zu können, führte zu psychischen Belastungen.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß zum Ende der 60er Jahre noch viele Probleme bestanden, mit denen die Körperbehindertenpädagogik bereits in den 50er Jahren konfrontiert war:

- Die Körperbehindertentagesschulen waren für Schüler aus ländlichen Gebieten häufig nicht erreichbar und in ihrer Kapazität unzureichend.
- Die Sonderschuleinrichtungen für Körperbehinderte besaßen ebenfalls keine hinreichende Kapazität und vor allem nicht die nötigen Voraussetzungen, um die Erziehung zur Selbständigkeit zu gewährleisten und umfassendes Erfahrungs- und Umweltwissen zu vermitteln.
- Der Hausunterricht war objektiv nicht dazu in der Lage, einen vollwertigen Schul- unterricht zu ersetzen.
- Der Unterricht an Normalschulen konnte den Anforderungen der Körperbehinderten nicht genügen, da dort die Klassenfrequenzen zu hoch waren, den Pädagogen die nötige Spezialausbildung fehlte und die Gefahr der Überforderung der Schüler un- vermeidbar erschien (Aue; Tietz: Wildtner 1988, S.56).

1.4 4. Etappe: Entwicklungen nach 1970

Die vierte Phase der Entwicklung der Körperbehindertenpädagogik in der DDR ist weniger durch Neuentwicklungen, sondern vor allem durch den Ausbau des bestehenden Systems gekennzeichnet. Geschaffene Gesetze und Strukturen behielten bis zum Ende der DDR ihre volle Gültigkeit.

Mit dem 8. Parteitag der SED 1971 wurde ein weiterer Ausbau des Bildungssystems festgelegt. Dabei ging es insbesondere um neue Erziehungs- und Bildungspläne im Vorschulbereich. In der Körperbehindertenpädagogik waren die Maßnahmen darauf gerichtet, das Netz von Internatsschulen für Körperbehinderte auszubauen und Bemühungen anzustellen, die Arbeitsbedingungen für Schüler und Lehrer zu verbessern. Das Schülerkollektiv erhöhte sich zahlenmäßig, dennoch sollte die Klassenstärke von 12 Schülern an einer Schule für Körperbehinderte beibehalten werden, d.h. auch, daß sich die Lehrerschaft vergrößern mußte.

Auf dem 9. Parteitag 1976 wurde die Direktive für den nächsten 5-Jahresplan fest- gelegt. Danach sollten bis 1980 Investitionen in den Bereich des Sonderschulwesens fließen, welche die Neuschaffung von Unterrichtsräumen und Internatsplätzen möglich machen würden. So entstanden nach 1976 12 neue Schulen für Körperbehinderte. Zudem wurde nach 1976 weiterentwickelte Lehrpläne und Bücher neu eingeführt (Aue; Tietz: Wildtner 1988, S.19).

Eine Schulordnung von 1979 ersetzte die von 1969 und hatte die Absicht, die planmäßige Gestaltung der Erziehung zu sichern.

Im Februar 1984 wurde die „Fünfte Durchführungsbestimmung“ von 1968 erweitert. Bei dieser Erweiterung orientierte man sich an den Bedingungen der neuen Internats- schulen. Die Beratungsfunktionen an den Schulen sollten erweitert werden, Ärzte und Spezialisten sollten vermehrt an der Betreuung der Kinder und Jugendlichen an den neuen Internatsschulen teilhaben. Die Schulen wurden mit neuen Hilfsmitteln ausgestattet und modifizierte Lehrpläne für körperbehinderte Schüler wurden einge- führt. In den Internaten rückte die lebenspraktische Befähigung in den Mittelpunkt (Aue; Tietz: Wildtner 1988, S.86).

Die Population der Schüler hatte sich seit der Nachkriegszeit gravierend verändert, was auch pädagogische Veränderungen nach sich ziehen mußte. Während zu Beginn der Körperbehindertenpädagogik, Ende der 40er Jahre, noch Krankheiten und Verlet- zungen, die durch die Kriegszeit geprägt waren, vorherrschten, waren es in den 80er Jahren die Cerebralparetiker, Schüler mit inneren Erkrankungen, Querschnittsgelähmte und Schüler mit Muskeldystrophien, die das Bild der Körperbehindertenpädagogik beherrschten.

2 Bildungseinrichtungen für Körperbehinderte in der DDR

2.1 Der Schülerbestand

Bevor man eine Festlegung treffen kann, die das Klientel einer Körperbehinderten- schule beschreibt und nach der sich Aufnahmeverfahren von Schulen für Körper- behinderte richten sollen, muß der Begriff „körperbehindert“ prinzipiell definiert werden. Fachsprachlich enthält diese Begrifflichkeit Unterschiede. So wird „Körperbehinderung“ im medizinischen Sprachgebrauch anders verstanden als im pädagogischen. Medizinisch gesehen, gehören zu der Gruppe der Menschen mit körperlichen Behin- derungen alle Personen mit angeborenen oder erworbenen Beeinträchtigungen körper- licher Funktionen. Dazu zählen Krankheiten, die das Bewegungssystem betreffen, an- geborene oder erworbene Mißbildungen im Haltungs- und Bewegungsapparat, Fehlen oder Mißbildungen von Gliedmaßen und durch eine Krankheit oder Mißbildung betrof- fene Knochen, Gelenke, Muskeln und Nerven.

In der Pädagogik der DDR galt jede „durch einen biologischen Mangel bedingte wesentliche Beeinträchtigung altersentsprechender und milieugerechter Bewegungsleistungen“ (Berndt 1986, S.22) als eine Körperbehinderung.

Nicht jede im medizinischen Sinne körperliche Behinderung stört das Leistungs- vermögen und die Persönlichkeitsentwicklung so wesentlich, daß sonderpädago- gische Maßnahmen in der Bildung und Erziehung notwendig sind. Dies bedeutet, daß leichte Bewegungseinschränkungen im pädagogischen Sinne keine Körperbehin- derung darstellen, solange sie nicht das altersgerechte Verhalten des Kindes beein- trächtigen. Auf der anderen Seite sind jedoch chronische Leiden und Krankheiten, wie z.B. starkes Asthma oder Krebs, die im medizinischen Verständnis keine Körperbehin- derung darstellen, aus der pädagogischen Sicht im Begriff Körperbehinderung mit ein- geschlossen.

Es gab also keinen wechselseitigen Zusammenhang zwischen der Sonder- schulbedürftigkeit und der Art bzw. dem Grad der medizinischen Körperbehinderung. Dies bedeutete auch, daß eine Einschulung in eine Schule für Körperbehinderte unabhängig von der Art oder dem Grad der Bewegungseinschränkung war. Eine Umschulung wurde dann in Erwägung gezogen, wenn bei einem Kind die Behinderung als Grund für einen nachlassenden oder schlechten Leistungsstand bzw. für nachteilige Auswirkungen auf sein soziales Verhalten gesehen werden konnte und eine örtliche Schule nicht fähig war, diese Beeinträchtigungen durch die vorhandenen Schulbedingungen zu kompensieren. Es wurde auch dann eine Aufnahme an eine Bildungseinrichtung für Körperbehinderte als erforderlich betrachtet, wenn ein Kind aufgrund seiner Bewegungseinschränkung die Arbeit an einer regulären Oberschule behinderte und die Ergebnisse der dort lernenden Schüler beeinträchtigt wurden. Weitere Punkte mußten bei der Entscheidung über eine Umschulung eines Kindes in Betracht gezogen werden. Dies betraf zum einem körperliche Beeinträchtigungen, die eine altersgerechte Bildung einer örtlichen Schule mit entsprechenden physischen Ansprüchen dauernd oder langfristig einschränkten, und zum anderen eine mögliche Verschlimmerung des Zustandes bzw. die Entwicklung zusätzlicher Beeinträchtig- ungen, z.B. psychischer Art, die durch unzureichende Förderung an einer regulären POS eintreten konnten ( Berndt; Weber 1982, S.158 f.).

Diese Auswirkungen konnten auch Kinder betreffen, bei denen die Bewegungseinschränkung nur ein Begleitzustand medizinischer Behandlungsmaßnahmen war, z.B. langfristige Bettlägrigkeit oder besondere Gipsverbände. Daraus resultierende andauernde Behandlungen und Einschränkungen veränderten innere und äußere Handlungsbedingungen für das Kind, was sich auf die Bildung und Persönlichkeitsentwicklung auswirkte ( Berndt; Weber 1982, S.155).

Konnte das Kind seine körperliche Beeinträchtigung soweit kompensieren, daß eine altersgerechte Selbständigkeit in der Schule und im Alltag erreicht und es den Anforderungen der örtlichen Schule gerecht wurde, konnte von einer Umschulung abgesehen werden. Ähnlich wurde verfahren, wenn sich die Auswirkungen einer körperlichen Beeinträchtigung auf den Sportunterricht begrenzten. Das Kind wurde in einem solchen Fall lediglich vom Sportunterricht befreit bzw. es nahm eingeschränkt teil.

Wesentlich für die Entscheidung, ob ein Kind oder Jugendlicher in einer Sonderschule für Körperbehinderte unterrichtet werden sollte, war also die Ausprägung seiner Fähigkeit, sich auf die körperliche Beeinträchtigung einzustellen und die Art, wie es psychisch auf die Auswirkungen seiner Behinderung reagierte.

Jedoch war es schon immer im Sonderschulwesen schwer, Kinder mit Behinderungen eindeutig zu klassifizieren. Zum einem, da Kinder mit ähnlichen Beeinträchtigungen über teilweise sehr verschiedene Fähigkeiten verfügen (heutzutage ist dies auch immer eine starke finanzielle Frage) und sie durch verschiedene Reaktionen und Unterstützungen von den Eltern einem unterschiedlichen Entwicklungsgrad entspre- chen. Zum anderen, da ihre Krankheiten und Behinderungen nicht eindeutig gruppiert werden können, sondern oft Grenzfälle sind, dies betrifft besonders Kinder mit Mehr- fachbehinderungen.

Verursacht bei diesen Kindern nur eine der vorhandenen Behinderungen pädagogisch negative Auswirkungen, wurde das Kind der entsprechenden Sonderschule für diese wesentliche Beeinträchtigung zugewiesen, z.B. bei einer starken Sehschwäche und einer nur leichten Körperbehinderung einer sogenannten Sehschwachenschule. Bei mehreren wesentlichen Behinderungen erfolgte die Bildung an der Schule, die der Beeinträchtigung entsprach, deren Auswirkungen den Lernprozeß besonders stark einschränkten (Berndt; Weber 1982, S.160). So wurden z.B. wesentlich sehschwache Kinder mit schwerer Körperbehinderung in eine Sonderschule für Körperbehinderte eingewiesen und wesentlich körperlich behinderte Kinder, die erblindet waren, in einer Blindenschule unterrichtet (Berndt 1986, S.29).

Ausnahmen waren Kinder, die neben einer körperlichen Behinderung auch von einer geistigen Behinderung oder einer Verhaltensstörung betroffen waren. Da es Körperbehindertenschulen mit einem Hilfsschulteil gab, wurden die Kinder, die zusätzlich eine wesentliche geistige Behinderung hatten, diesen Schulen zugewiesen. Da zur Arbeit der Körperbehindertenschulen nur die Berücksichtigung von Verhaltens- besonderheiten, die als Reaktion auf eine körperliche Behinderung auftreten, gehörte, wurden Kinder, die unabhängig von ihrer körperlichen Behinderung eine Verhaltens- störung aufwiesen, in Sonderklassen in Institutionen der „Verhaltensgeschädigten- pädagogik“ betreut (Berndt 1986, S.29).

Zusätzlich möchte ich noch auf die Unterschiede zwischen dem Personenkreis einer Sonderschule für Körperbehinderte (Institution der Volksbildung) und dem Schüler- bestand einer Sonderschuleinrichtung für Körperbehinderte (an Institutionen des Ge- sundheitswesens) eingehen. An den Körperbehindertenschulen der Volksbildung wurden Kinder unterrichtet, die im pädagogischen Sinne von einer Körperbehinderung betroffen waren, ohne stationär behandlungs- oder pflegebedürftig zu sein (Becker 1984, S.304). Diese Unabhängigkeit von stationärer medizinischer Betreuung und ständiger fremder Hilfe wurde Internatsfähigkeit genannt (Berndt 1986, S.28).

Die Schulen des Gesundheitswesens erfaßten erstens langfristig stationär behandlungsbedürftige Kinder und teilweise langfristige Tagespatienten während ihrer Behandlungszeit. Dabei wurde ein Zeitraum von mindestens drei Monaten als langfristig definiert. Zweitens handelt es sich bei diesem Schülerbestand um pflegebedürftige Körperbehinderte, auch wenn diese keine akute klinische Heilbehandlung benötigten. Der Begriff „pflegebedürftig“ bezeichnete die Notwendigkeit von langfristigen oder ständigen therapeutischen und betreuenden Maßnahmen (unabhängig von den Bildungserfordernissen) in einem Umfang, wie er in einer Einrichtung der Volksbildung nicht zu gewährleisten ist (Berndt 1986, S.33)

2.2 Die Bildungseinrichtungen

In der DDR standen die Bildungseinrichtungen des Sonderschulwesens generell im Zuständigkeitsbereich der Volksbildung. Körperbehinderte wurden in Institutionen sowohl der Volksbildung als auch des Gesundheitswesens beschult. Die berufliche Ausbildung wurde wiederum sowohl von einigen Schulen für Körperbehinderte als auch von Einrichtungen des Gesundheitswesens angeboten. Für eine Fachschul- oder Hochschulausbildung gab es für Jugendliche mit körperlichen Behinderungen keine gesonderten Institutionen, jedoch aber gesetzliche Bestimmungen, die an diesen Bildungseinrichtungen den Jugendlichen individuelle Sonderregelungen gewähr- leisteten.

2.2.1 Einrichtungen der Volksbildung

Die Sonderschule für Körperbehinderte war eine zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule, in Form einer Tages- oder Internatseinrichtung. Ihr konnten Schulhorte, Vorschulteile, Hilfsschulklassen, Berufsschulteile und eine EOS (Abiturstufe) angegliedert sein.

Die Sonderschule für Körperbehinderte richtete sich mit einigen Ausnahmen nach den Lehrplänen der regulären POS. Die Hilfsschulklassen dieser Schulen wurden nach Lehrplänen der achtklassigen polytechnischen Hilfsschule unterrichtet. In der Unter- stufe existierten für schwer körperbehinderte Kinder sogenannte Sonderklassen, die unter Berücksichtigung der Spezifik eines jeden Schülers die Lehrinhalte der ersten beiden Klassenstufen innerhalb von drei Jahren vermittelte. Kinder, die diese Klassen besuchten, arbeiteten nach dem dritten Schuljahr nach einem speziellen Lehrplan. Zusätzlich gab es sogenannte Sonderstunden als Gruppen- oder Einzelförderung in allen Klassenstufen. Diese Stunden waren nicht als Nachhilfestunden konzipiert, da sie nicht den Unterrichtsstoff wiederholten, sondern für die Kinder eine Hilfe zur Überwindung individueller behinderungsabhängiger Schwierigkeiten beim Lernen sein sollte, d.h., man versuchte in diesen Stunden Leistungsvoraussetzungen zu bilden. Um eine Überforderung zu vermeiden lag das Maximum bei drei Stunden dieser Art in der Woche (Berndt 1986, S.31).

Da die POS für Körperbehinderte eine systematische Oberschulbildung in allen Unter-richtsfächern auf dem Anforderungsniveau einer regulären polytechnischen Oberschule gewährleistete, führte auch sie zum Oberschulabschluß.

An diesen Schulen waren Fachärzte, Physiotherapeuten, Schwestern und Pfleger beschäftigt. Da die Sonderschule für Körperbehinderte aber in erster Linie eine pädagogische Einrichtung war, mußte die Arbeitsorganisation der medizinischen Kräfte auf die pädagogische Arbeit abgestimmt werden.

Nach zentraler Planung waren diese Schulen Einzugsgebieten zugeordnet, die aber über den örtlichen Erfassungsbereich hinausgingen (Berndt 1986 , S. 28).

2.2.2 Einrichtungen des Gesundheitswesens

Die Sonderschuleinrichtungen an Institutionen des Gesundheitswesens mußten vom Ministerium für Volksbildung bestätigt werden und arbeiteten unter pädagogischer Leitung. Da auch sie, genau wie die Sonderschulen für Körperbehinderte, ausschließ- lich den Volksbildungsbehörden unterstanden, sollte auch ihre Arbeit hauptsächlich pädagogisch orientiert sein. Da an diesen Einrichtungen aber den ärztlichen Anwei- sungen dringend Folge geleistet werden mußte, war dieser Anspruch nicht unbedingt realisierbar.

Diese Körperbehindertenschulen waren an Krankenhäusern mit den verschiedensten fachmedizinischen Bereichen, wie z.B. Pädiatrie, Innere Medizin oder Orthopädie, angegliedert. Die Sonderschulen an den Fachkrankenhäusern für Neurologie und Psychiatrie waren keine Körperbehindertenschulen, sondern gehörten zu dem Arbeitsbereich der Verhaltensgestörtenpädagogik.

Auch die Einrichtungen des Gesundheitswesens waren zehnstufige polytechnische Oberschulen, auch wenn nicht in allen Einrichtungen zehn Klassen geführt wurden. In einem solchen Falle wurden die Schüler für die jeweilig nicht vorhandenen Klassen- stufen umgeschult.

Genau wie an den Einrichtungen der Volksbildung konnten Vorschul- und Hilfsschulteile angegliedert sein. Es wurde nach den Lehrplänen der regulären zehnstufigen POS und in den Hilfsschulklassen nach Lehrplänen der achtklassigen polytechnischen Hilfsschule unterrichtet.

Generell wurde Klassenunterricht oder zumindestens Gruppenarbeit angestrebt. Einzelunterricht war nur in Sonderfällen möglich. In solchen und anderen Ausnahme- fällen waren auf Grundlage der gültigen Lehrpläne individuelle Bildungsprogramme möglich, die auf die „langfristige Perspektive der Entwicklung des Gesundheits-zustandes und der Leistungsfähigkeit“ abgestimmt wurden (Berndt 1986, S. 33).

Nach den Bestrebungen dieser Einrichtungen wurde so unterrichtet, daß ein Kind nach seiner Entlassung aus der Gesundheitseinrichtung an einer regulären POS oder einer Sonderschule für Körperbehinderte eingegliedert werden konnte, ohne daß Lernschwierigkeiten entstanden.

Zeugnisse, Versetzungen und Abschlußprüfungen waren genauso organisiert wie an den regulären Schulen, mit der Ausnahme, daß in den Prüfungen nur Fächer einbezogen wurden, die nach dem Lehrplan der Sonderschule für Körperbehinderte und mit einer entsprechenden Stundenzahl, d.h. nicht nach einem individuellen Programm unterrichtet wurden.

Nach einer Anweisung des Ministeriums für Volksbildung von 1984 konnten Kinder, welche an Gesundheitseinrichtungen ohne angegliederte Sonderschule behandelt wurden, von Lehrern der örtlichen Oberschule in ausgewählten Fächern unterrichtet werden.

2.3 Bildung und Erziehung

Da durch die Bewegungseinschränkungen von Kindern mit einer körperlichen Behinderung der Erfahrungsbereich und somit die Leistungsfähigkeit vermindert sein können, ergeben sich für ihre Bildung und Erziehung pädagogische Besonderheiten. Diese Besonderheiten erfordern zusätzliche, jedoch nicht grundsätzlich andere Bildungs- und Erziehungsbedingungen gegenüber denen einer regulären Oberschule (Berndt; Weber 1982, S. 165).

In der Pädagogik der DDR wurde der Aufgabenbereich für die Bildung und Erziehung körperbehinderter Kinder und Jugendlicher im wesentlichen in den folgenden zwei Punkten definiert:

- Durch eine entsprechende Bildung und Erziehung sollte ein Kind mit einer Körperbehinderung sich potentiell, in einem subjektiv möglichen Umfang, allseitig entwickeln können. Dabei wurde das Schwergewicht auf die Sicherung einer möglichst altersgerechten schulischen und lebenspraktischen Allgemeinbildung gelegt.
- Soweit pädagogische Mittel dies beeinflussen konnten, sollte die Expansion einer Beeinträchtigung verhütet und eine nachteilige Auswirkung einer Behinderung auf die Bildung und Persönlichkeitsentwicklung vermindert bzw. abgewendet werden.

Die ausdauernde Betonung einer Befähigung zu einer altersgerechten Selbständigkeit, kann den Rückschluß erlauben, daß die pädagogischen Ziele der DDR auf die soziale Seite des Menschen gerichtet waren.

Zur Erfüllung dieser Zielsetzung mußte der Widerspruch zwischen den inhaltlichen Anforderungen von altersgerechten Alltagsleistungen sowie den üblichen Bedin- gungen im Erziehungs- und Lernprozeß einerseits und der motorischen Behinderung mit daraus resultierenden eingeschränkten Voraussetzungen Körperbehinderter andererseits überwunden werden. Dazu werden in der Literatur der DDR zwei mögliche Wege angegeben:

- Körperliche Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen werden auf ein gefordertes Leistungsniveau hin entwickelt, welches sich aus Lehrplänen sowie aus Art und Umfang von altersüblichen Alltagsleistungen nicht behinderter Kinder ableitet. Bei diesem Konzept wirken medizinische und sonderpädagogische Bemühungen zusammen.
- Mit einer ähnlichen Absicht werden dem Kind Lernhandlungen spezifisch, d.h. mit speziellen oder zusätzlichen pädagogischen Schritten, Arbeitsmitteln und tech- nischen Hilfen ermöglicht (Berndt; Weber 1982, S.165 f.).

Das Ziel beider Wege ist die Erreichung von Leistungsergebnissen, die denen einer regulären Oberschule entsprechen. Dies bedeutet, daß sich Bildungsziele der Körperbehindertenpädagogik der DDR an Kindern ohne Behinderung und nur die Methodik des Lehrens und Befähigens an den Möglichkeiten und Fähigkeiten körperbehinderter Kinder orientierten. Aus dieser Sicht können die Erziehungsziele also als sehr leistungsorientiert verstanden werden. In den verschiedenen Literaturen der ehemaligen DDR werden sie als rehabilitativ beschrieben.

Der Begriff der Rehabilitation prägt generell die Behindertenpädagogik der DDR, nicht zuletzt, weil Anfang 1969 an der Humboldt-Universität zu Berlin die Institute für Sonderschulwesen und für Phonetik-Sprachwissenschaft in die Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft unter Leitung von Prof. Dr. K.-P. Becker, umgewandelt wurden. Dieses in der DDR wichtige pädagogische Element der Erziehung und Bildung Behinderter wurde wie folgt definiert:

„Rehabilitation ist die zweckgerichtete Tätigkeit eines Kollektives in medizinischer, pädagogischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht zur Erhaltung, Wiederherstellung und Pflege der Fähigkeiten des geschädigten Menschen, aktiv am gesellschaftlichen Geschehen teilzunehmen“ (Becker 1984, S.234).

Aus dieser Definition und aus den Aufgaben der Bildung körperbehinderter Kinder ergab sich die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Medizinern und Pädagogen. Die medizinischen Kräfte sollten durch das pädagogische Wissen über Schwierigkeiten der Schüler bei der physischen Bewältigung von Anforderungen beim Lernen profitie-ren. Sie sollten zudem von den Pädagogen erfahren, welche Einstellung ein Kind zu seiner Behinderung hat, wie es sich sprachlich und intellektuell entwickelt und inwie- weit es von seinen Eltern unterstützt wird. Der Pädagoge sollte medizinische Informati- onen über den Gesundheitszustand und über die physische Entwicklung eines Schü- lers nutzen, um entsprechende Maßnahmen zur Förderung einsetzen zu können, ohne den Schüler zu überlasten oder zu unterfordern. Für diese Informationen galt auch für den Pädagogen die dienstliche Schweigepflicht. (Berndt; Weber 1982, S.166 f.)

Eigentlich sollte die Arbeit an den Körperbehindertenschulen von pädagogischen Entscheidungen und Maßnahmen, unter Berücksichtigung medizinischer Notwendigkeiten, geprägt sein. An den Einrichtungen des Gesundheitswesens verschob sich diese Orientierung jedoch, da bei klinisch behandlungsbedürftigen Kindern medizinische Maßnahmen den Vorrang hatten und pädagogische Bemühungen therapeutische Absichten unterstützen mußten. Dennoch wurde angestrebt, daß auch in diesen Einrichtungen die Pädagogik eigenständige Ziele verfolgte und nicht nur Hilfsmittel einer medizinischen Therapie waren.

Wie bereits erwähnt, orientierten sich die Lernziele und Lehrpläne an denen der regulären Oberschulen mit einigen Ausnahmen. Die Lehrpläne konnten in ihrer ZeitInhalt-Relation verändert werden und für Unterrichtsfächer, die gewisse motorische Fähigkeiten voraussetzten, waren Modifizierungen inhaltlicher Art möglich (Becker 1984, S.305). Die spezifischen Lehrpläne beinhalteten in Abhängigkeit von den vorhandenen materiellen Bedingungen folgendes:

- Im Sport wurden die unterschiedlichen Bewegungseinschränkungen berücksichtigt. Es gab besondere Disziplinen, wie z.B. Sitzball.
- Da Schwimmen große Möglichkeiten für die Bewegungsentwicklung bietet, wurde es in allen zehn Klassenstufen mit einer zusätzlichen Wochenstunde unterrichtet.
- Für Fächer mit besonderen Anforderungen an die manuelle Leistungsfähigkeit, wie z.B. Werkunterricht, Schulgartenunterricht, Technisches Zeichnen und Chemie, lagen je nach Spezifik der Behinderung verschiedene Varianten der allgemeinen Lehrpläne vor.
- Um manuelle und lebenspraktische Fähigkeiten zu entwickeln, war die Nadelarbeit in der vierten und fünften Klasse für alle Schüler Pflicht.
- Für schulwichtige manuelle Tätigkeiten, wie z.B. dem Schreiben, wurden Kindern mit entsprechenden Schwierigkeiten technische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt.
- Kindern mit schweren Behinderungen, die nicht den Arbeitsbedingungen in
Betrieben entsprechen konnten, wurden im PA-Unterricht (Produktive Arbeit) grundlegende technische und ökonomische Kenntnisse vermittelt.
- Zusätzlich gab es Lehrplananforderungen, welche die Schüler befähigen sollte, auch Aufgaben außerunterrichtlicher Natur zu bewältigen.
- Für körperbehinderte Kinder mit einer zusätzlichen Sprachstörung gab es entsprechende logopädische Übungsstunden.
- Zur Förderung und Aneignung motorischer Leistungen geben medizinische Kräfte, insbesondere Physiotherapeuten, sogenannte rehabilitative Funktionsschulungen (Berndt 1986, S.31).

Durch die vielen spezifischen pädagogischen und medizinischen Maßnahmen bedurfte es einer besonderen Tageseinteilung. Daher konnte eine optimale Förderung mit diesen Elementen nur an einer Ganztags- oder Internatsschule gewährleistet werden (Berndt; Weber 1982, S. 169). Zudem wurden speziell eingerichtete und ausgestattete Schulen benötigt, die den physischen Leistungsvoraussetzungen der Schüler baulich entsprachen. Zu der Ausstattung zählten technische Hilfsmittel sowie spezifische Lehr- und Lernmittel, die von den Pädagogen ausgewählt und teilweise auch eigenständig angefertigt werden mußten.

3 Beispiel: Sonderschuleinrichtung für Körperbehinderte Berlin-Buch

Um die Konzepte sowie die Entwicklung der Körperbehindertenpädagogik der DDR konkret an der Realität prüfen zu können, wählte ich die Körperbehindertenschule des Klinikums Buch in Berlin als Beispiel.

Zur Darstellung der Geschichte und Besonderheiten dieser Schule konnte ich mich nur auf ungeordnetes Material beziehen. Einige Informationen erhielt ich aus einem persönlichen Gespräch mit dem derzeitigen Schulleiter Herrn Lothar Borch. Darüber hinaus hatte ich Zugang zu einer Schulkonzeption aus dem Jahre 1993 (mit einem historischen Rückblick, verfaßt von Herrn Borch), zu einer Bestandsaufnahme des Hausteils 117 von 1988 (mit einem Rückbezug auf einen ähnlichen Bericht aus dem Jahr 1981, verfaßt von der Schulteilleiterin Frau Thiel für den Rat des Bezirkes) sowie zu diversen Reden aus dem Jahre 1988, die anläßlich des 40. Geburtstages der Schule gehalten wurden. Die Autoren dieser Reden sind teilweise unbekannt. So ist eine Rede mit dem Namen Ruth Bock unterzeichnet, die anderen Reden tragen keine Unterschrift. Darüber hinaus gehende Quellen standen mir trotz intensiver Suche nicht zur Verfügung.

Alle Informationen aus der Zeit vor 1990 haben offensichtlich den geforderten Berichtsstatus, sind stark ideologisch geprägt und orientieren sich in ihrer Argumen- tation an den Zielen der sozialistischen Bildung. Sie erschienen mir teilweise nicht als eine objektive Situationsdarstellung. Ich habe versucht, die wesentlichen Fakten dieser Schriftstücke mit dem Wissen des derzeitigen Schulleiters zu vergleichen, um eine möglichst realistische Darstellung zu ermöglichen. Dennoch möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, das die meisten Informationen, die ich verwende, aus subjektiven, teilweise sehr unkritischen Quellen stammen, die zudem auch sich widersprechende Informationen enthalten.

3.1 Geschichtsabriß

Im Jahre 1948 erhielt die Lehrerin Frau Güldenstein vom Magistrat Berlin den Auftrag, in den Krankenanstalten Berlin Buch die Zahl der langfristig kranken Kinder im schul- pflichtigen Alter auf den einzelnen Stationen festzustellen. Diese Aufgabe war sehr aufwendig, da die Kinder nicht gesondert auf Kinderstationen, sondern auch zusammen mit Erwachsenen z.B. in der Orthopädie lagen. Die ermittelte Anzahl der Schulpflichtigen war hoch; ganz besonders stark waren Kinder mit Amputationen aufgrund von Kriegsverletzungen, Kinder mit verschiedenen Tuberkulose- erkrankungen, besonders Lungen-, Knochen- und Drüsen-Tbc, sowie Kinder mit einer spinalen Kinderlähmung (Poliomyelitis) vertreten. Todesfälle unter den jungen Patienten als Folge einer mangelnden Ernährung sowie einer unzureichenden medikamentösen Betreuung gehörten damals zum Krankenhausalltag.

Zur pädagogischen Betreuung dieser schulpflichtigen Patienten entwickelten sich noch im gleichen Jahr (1948) in den Bucher Krankenanstalten mehrere Schulstationen. Die ersten drei Schulstandorte existieren auch heute noch. Es handelte sich dabei um das Städtische Krankenhaus 117, dem Waldhaus, in welchem die Orthopädie unterge- bracht war, und das Hufeland-Krankenhaus, indem vorwiegend Patienten mit Lungen- oder Drüsen-Tbc behandelt wurden. Diese drei Standorte waren damals selbständige Schulen mit zwei leitenden Lehrern und dem ersten Schuldirektor Dr. Klein. Im Herbst 1948 begannen die drei hauptamtlichen Lehrer Blech, Dr. Berndt und Dr. Klein (in einer anderen Quelle wird von einer größeren Anzahl von Pädagogen gesprochen) unter bescheidenen materiellen Bedingungen von Bett zu Bett zu ziehen, um jedes Kind täglich ein bis zwei Stunden zu unterrichten. Aus einer Rede von 1988 geht hervor, daß es sich dabei um 60 ausschließlich im Waldhaus untergebrachte Kinder handelte.

1950 wurden die drei Schulstationen zu einer einheitlichen Sonderschuleinrichtung im Verantwortungsbereich der Volksbildung an einer Institution des Gesundheitswesens zusammengeführt. In einer anderen Quelle werden sie bis zum Zusammenschluß der Bucher Krankenanstalten zum Klinikum Buch im Jahre 1957 noch als eigenständige Einrichtungen aufgeführt.

Die Lehrerzahl stieg ab 1951. Es kamen nun auch Mitarbeiter zum Einsatz, die selbst an Tbc erkrankt waren. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Arbeitszeit der Pädagogen 48 Stunden pro Woche. Der Unterricht fand von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr statt, pro Kind waren das höchstens zwei Unterrichtsstunden am Tag. Am Sonnabend gab es keinen Unterricht, wie es eigentlich in der DDR üblich war. Dieser Tag wurde von den Lehrern zur Weiterbildung im Rahmen eines heilpädago- gischen Kurses genutzt.

An der Humboldt-Universität zu Berlin wurde 1951 der Lehrstuhlbereich für Körper- behindertenpädagogik gegründet. Im Wintersemester 1951/52 begannen vier Studenten das Studium, zwei von ihnen waren Mitarbeiter der Schule Buch. In den folgenden Jahren nahmen weitere Mitarbeiter der Sonderschuleinrichtung Buch das Zusatzstudium an der HU Berlin auf und promovierten zum Teil. Einige Mitarbeiter blieben nach dem Studium an der Universität und so entwickelte sich eine ausgeprägte Zusammenarbeit zwischen der HU Berlin und der Sonderschuleinrichtung für Körperbehinderte im Klinikum Buch.

Weitere Angaben zur Geschichte der Schule wurden in allen Quellen zeitlich sehr ungenau gemacht.

In den 60er Jahren verschwanden nach und nach die kriegstypischen Erkrankungs- bilder aus der Schülerpopulation. Es rückten drei andere Erkrankungen bzw. Behinde- rungen in den Mittelpunkt des Aufgabenbereiches der Schule: die Cerebralparese, progressive muskuläre Erkrankungen (Muskeldystrophie) und komplizierte Formen der Querschnittslähmung im oberen Wirbelsäulenbereich. Durch eine Zentralisierung wurde die Beschulung der Kinder in kleinen Klassenverbänden möglich, deren Schülerzahl sich nach der Größe des jeweilig zur Verfügung stehenden Raumes richtete. Buch entwickelte sich zu einem überregionalen Behandlungszentrum mit Internatsunterbringung. Zudem entstand ein Kindergarten und ein Berufsschulteil für Körperbehinderte und langfristig Erkrankte. Die Berufsschule trennte sich 1968 von der Sonderschuleinrichtung ab und wurde eine eigene Einrichtung des Gesundheits- wesens. An dieser Schule wurden Jugendliche hauptsächlich zu Schreibberufen ausgebildet, lernten leichte Montierfähigkeiten oder konnten auch einen Teilfach- arbeiterabschluß machen. Es wird jedoch auch davon berichtet, daß einige Schüler der Sonderschuleinrichtung Buch studierten und promovierten.

In den 70er Jahren war die Schule in den folgenden Klinikumsteilen mit eigenständigen Schulbereichen, die für den Unterricht und die Erziehung verantwortlich waren, vertre- ten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Jahre 1978 wurde ein Projekt vorgestellt, welches zum Neubau des Hauses 412 führte. Acht Jahre später wurde der Neubau fertiggestellt und 1987 zog die Schule vom Klinikumsbereich II (Hufeland-Krankenhaus und das Haus 211) in das neue Waldhaus Haus 412 um. Da das neue Haus ein Plattenbau war, gab es am Anfang enorme Vorbehalte und auch Schwierigkeiten, da diese Bauart den Ansprüchen der dort zu betreuenden Schüler nicht ganz entsprach. Auf der anderen Seite bot das Haus jedoch viel Platz und zusätzliche Möglichkeiten, wie einen Werkraum, ein Spielzimmer, einen Schreibmaschinenraum und ein eigenes Zimmer für den Logopädieunterricht. Die Geräumigkeit in den Zimmern der Schüler war nur von kurzer Dauer, da durch die Erhöhung der Bettenkapazität mehr Schüler aufgenommen wurden.

In den vorliegenden Reden wird zusätzlich angeführt, daß sich in den 80er Jahren die technische Ausstattung der Schule zwar verbessert hat, aber noch nicht ausreichte. Generell wäre es noch wichtig zu erwähnen, daß das Einzugsgebiet der Schule die gesamte DDR war.

3.2 Organisatorischer Ablauf

Die Sonderschuleinrichtung Buch bestand, wie bereits erwähnt, aus verschiedenen Schulbereichen, die den Krankenhausteilen zugeordnet waren. Die Organisation der verschiedenen Schulteile variierte nach dem Schülerbestand. Da mir eine sehr ausführliche Bestandsaufnahme von 1988 vorliegt, in der die Schulteileiterin des Hauses 117, Frau Thiel, auch auf die Organisation dieses Schulteils eingeht, entschied ich mich, anhand dieses Berichtes und der Aussagen des derzeitigen Schulleiters Herrn Borch, die Organisation des Schulalltags dieser Bildungsstätte an dem Beispiel Schulbereich Haus 117 der Sonderschuleinrichtung Buch zu erläutern.

Zur pädagogischen Betreuung der Schüler waren sogenannte Stamm- und Wander- lehrer, Stamm- und Wandererzieher sowie Kindergärtnerinnen zuständig. Stammlehrer waren die Lehrer, die organisatorisch fest dem jeweiligen Schulteil, n diesem Falle Haus 117, zugeteilt waren. Demzufolge waren Wanderlehrer in anderen Schulteilen gebunden und erschienen außerhalb ihres eigenen Schulteils nur stundenweise zum Fachunterricht. Sie wechselten täglich zwei- bis dreimal den Schulteil. Erzieher waren im Hort eines Schulteils tätig und betreuten die Kinder zu festgelegten Zeiten. Sie unterstützten die Kinder bei den Anfertigungen der Hausaufgaben und bei Freizeit- beschäftigungen wie z.B. dem Malen oder Lesen. Die Kindergärtnerinnen waren im Vorschulteil tätig und erfüllten eine ähnliche Aufgabe wie die Erzieher. Während in den Anfangsjahren der Vorschulbereich noch ein integrativer Teil der Schule war, entwickelte er sich in den 80er Jahren zu einer von der Schule abgegrenzten selbständigen Einrichtung.

Einmal die Woche trafen sich alle Mitarbeiter des Stammpersonals zu einem Koordinierungsgespräch, indem man sich über Probleme und Schülerbeobachtungen austauschte und nächstliegende Aufgaben plante. Zudem kursierten Informationshefte unter den Kollegen, mit deren Hilfe die Lehrer untereinander kommunizierten und wichtige Mitteilungen machen konnten. Der Schulteilleiter gehörte zu den Stamm- lehrern und unterrichtete auch. In ihrem Bericht an den Rat des Bezirkes beschwerte sich Frau Thiel über ungenau definierte Leitungsaufgaben, so war nicht vorgegeben, inwieweit sie ihre Stellung zur Konfliktlösung nutzen konnte. Als Schulteilleiterin hatte sie einen Verantwortungsbereich, dem sie nicht nachkommen konnte, da sie bestimmte Mitarbeiter weder anweisen noch kontrollieren durfte.

Im Schulbereich Haus 117 standen zwei feste Unterrichtsräume und ein Hortraum zur Verfügung. Bei Raummangel wurde auch im Lehrerzimmer bzw. auf den Stations- räumen unterrichtet. Bettlägerige Kinder oder Jugendliche in Isolierzimmern wurden nach Möglichkeit am Krankenbett pädagogisch betreut. Die festen Unterrichtsräume waren mit entsprechendem Mobilar und einer Tafel ausgestattet. Bei Unterricht in den Stationsräumen und Krankenzimmern mußte der Lehrer benötigtes Material mit- bringen. Wegen der räumlichen Bedingungen und auch wegen der unregelmäßigen Schülerpopulation wurde vorwiegend Mehrstufenunterricht durchgeführt. Es erwies sich als günstig, Kinder nach ihrer Klassenstufe den Betten zuzuteilen, da im Falle eines Krankenzimmerunterrichts gleich mehrere Kinder zusammen unterrichtet werden Konnten und auf andere Patienten weniger Rücksicht genommen werden mußte.

Zur Organisation des Lehrens und Erziehens gab es Lehrpläne, Rahmenpläne und Stundenpläne. Es wurde versucht, sich nach den Lehrplänen der polytechnischen Oberschule zu richten. Bei einigen Schülern wurde anhand des Lehrplans der Hilfsschule unterrichtet. Um gesetzte sozialistische Bildungsziele zu erreichen, wurden auch Individualpläne erstellt und genutzt. Ursprünglich wurden Kinder der ersten bis achten Klasse unterrichtet, wenn abzusehen war, daß sie mindestens vier Wochen im Krankenhaus stationär zu betreuen waren. Später wurde festgelegt, daß die Beschulung generell in der zweiten Woche des Krankenhausaufenthaltes einsetzte und die Klassen eins bis zehn unterrichtet werden sollten. Bei Kindern mit chronischen Erkrankungen und Schülern der ersten Klasse erfolgte die pädagogische Betreuung sofort. Waren Schüler betroffen, die keine langfristige Behinderung hatten, sondern eine Erkrankung mit eventuellen Heilerfolgen, versuchte man sich mit den Heimat- schulen im Lehrstoff abzusprechen, um eine spätere Wiedereingliederung in die Heimatschule möglich zu machen. Fehlte dieser Kontakt, unterrichteten die Fachlehrer nach eigenem Ermessen. Im Schulbereich Haus 117 wurde nur Mathematik, Deutsch und Russisch auf regulärer Basis unterrichtet. Frau Thiel beklagte sich, das gerade die Schüler der oberen Klassen aufgrund der nicht gewährleisteten naturwissenschaft- lichen Fächer im Falle einer Wiedereingliederung in die Heimatschule scheitern mußten.

Der Rahmenplan wurde für jeden Schulbereich für das jeweilige Schuljahr unter Berücksichtigung des Arbeitsplanes der gesamten Schule erstellt. Er legte · die politisch-ideologische Zielstellung

- Erziehungsziele unter rehabilitativer Sicht
- die Förderung der Lernarbeit
- Zusammenarbeit mit den Eltern
- Kontaktaufnahme mit der Heimatschule
- Zusammenarbeit mit den Medizinern
- inhaltliche Aufgaben der Pionierarbeit fest.

Gültige Stundenpläne galten als Richtlinie. Sie regelten den täglichen, möglichen Unterrichtsablauf. Da sie aber nicht starr festgelegt waren, mußte sich das Lehrpersonal täglich abstimmen.

Im Interesse der Schüler und ihrer pädagogischen Betreuung war es Bestandteil des Bildungskonzeptes für Körperbehinderte der DDR, eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern, der Heimatschule und vor allem der Medizin anzustreben. Da das Einzugs- gebiet der Sonderschuleinrichtung für Körperbehinderte Buch die gesamte DDR war, gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Elternhaus manchmal schwierig. Im Haus 117 bot sich diesbezüglich eine leichtere Situation, da die Schülerpopulation zum Zeitraum der Bestandsaufnahme zum größten Teil aus Kindern aus Berlin und dem Umland bestand. Montags sowie freitags waren die Pädagogen in einer Elternsprech- stunde erreichbar. Darüber hinaus konnte über das Telefon kommuniziert werden, bei Kindern der unteren Stufe nutzte man auch oft ein sogenanntes Pendelheft zum Austausch. Dennoch wurde die Zusammenarbeit mit den Eltern von Frau Thiel als zu sehr von „Zufälligkeiten abhängig“ bewertet.

Ähnlich problematisch gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der Heimatschule der Kinder. Es wurde versucht, die Kinder parallel zu dem in der Heimatschule erteilten Lehrstoff zu unterrichten. Dafür wurde die Heimatschule gebeten, die Pädagogen der Schule Buch über die gegenwärtigen und zukünftigen Unterrichtsthemen zu informieren. Es kam auch vor, daß die Eltern den Kontakt zwischen den Schulen herstellten und aufrecht erhielten. Nach Ablauf des Krankenhausaufenthaltes kam der Heimatschule ein Bericht zu, dem die wöchentlich erteilte Stundenzahl, Fachzensuren sowie eine verbale Beurteilung zu entnehmen war. Zur Zeugnisvergabe kam es im Schultteil Haus 117 nach Angaben von Frau Thiel selten.

Die anfangs wohl problematischste Zusammenarbeit bestand zwischen den Pädagogen und den Medizinern. Es gab für dieses Verhältnis keine festgelegten Abkommen, welche die Kooperation bestimmten, was eine nicht fundierte, ungeregelte Zusammenarbeit nach sich zog. Frau Thiel sprach von einem „gewohnheitsrechtlichen“ Zusammenwirken, um die Situation zu beschreiben. Es wurde 1980 ein Informations- gespräch beantragt, in welchem die Pädagogen von den Medizinern über den körperlichen Zustand der Schüler benachrichtigt werden sollten. Der Oberarzt erklärte sich zunächst dazu bereit, jedoch fanden diese Gespräche nie statt. Erst nach einigen Jahren kam es im Haus 117 zu regelmäßigen Arbeitskontakten zwischen der Schule und dem medizinischen Bereich. In Form eines Koordinierungsgespräches mit der Psychologin, welches zu Beginn eines jeden Monats stattfand, konnten die Pädagogen Wissen über medizinische und psychologische Begebenheiten der Schüler beziehen. Später kamen noch tägliche Absprachen über Behandlungen zwischen dem Stationspersonal und den Lehrern hinzu. Das Verhältnis besserte sich zusehends und so sprach Frau Thiel in ihrem Bericht von 1988 von einer gegenseitigen „Wert- schätzung“.

Für außerunterrichtliche Aktivitäten profitierten die Schüler der Sonderschuleinrichtung von den Patenschaften der Schule zu der BVB und dem Warenhaus Leipzig. So konnten gerade über die BVB Exkursionen und Busfahrten organisiert werden. Das Haus 117 verfügte über eine zusätzliche Patenschaft zu der Gärtnerei des Klinikums. Durch diese Patenschaft wurde auch ein Teil der Pionierarbeit abgedeckt, da die Paten gemeinsam mit den Kindern z.B. Blumenbeete anlegten. Generell gestaltete sich die Pionierarbeit im Haus 117 jedoch eher schwierig, da gerade die schwer erkrankten Kinder an den Nachmittagen häufig Besuch von der Familie bekamen und so keine regelmäßige Teilnahme an den Pioniernachmittagen bestand. Daher wurde die Pionierarbeit im Haus 117 als qualitativ unbefriedigend bezeichnet. Dennoch gab es starke Bemühungen seitens der Lehrer, und so wurden Appelle und Feierstunden veranstaltet und mit den Kindern eine Wandzeitung erstellt und regelmäßig aufgearbeitet.

Größere Probleme des Schulbereiches Haus 117 standen im engen Zusammenhang mit dem Schülerbestand. So erschwerten enorme Schülerzahlschwankungen oft die planmäßige Arbeit. Allein im Schuljahr 1986/87 schwankte die Gesamtschülerzahl um 80 Kinder und gerade bei einem Schülerandrang ließen sich die verschiedenen Klassenstufen schlecht koordinieren. Auf den Stationen 117A und 117C waren die Schülerzahlschwankungen besonders extrem. Auf diesen Stationen wurden z.B. Kinder mit Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und rheumatischen Erscheinungen behandelt. Der Krankenhausaufenthalt der Kinder dauerte in der Regel zwischen vier und sechs Wochen, manchmal auch bedeutend länger. Häufig jedoch wurden die Kinder bereits nach zwei Wochen entlassen, da sich die Diagnosen nicht bestätigten. Die Schülerzahlen schwankten so unberechenbar, daß es oft unmöglich erschien, den Stundenplan mit dem Schülerandrang und der Schülerflaute in Einklang zu bringen. Nach dem Bericht von Frau Thiel waren diese beiden Stationen das Zentrum der Diskrepanzen zwischen den Medizinern und den Pädagogen, was wahrscheinlich mit den kurzen Aufenthaltsdauern der Kinder zu tun hatte.

Ein weitere Schwierigkeit war der Umgang mit den verschiedenen Erkrankungen der Kinder. Auf Station 117D z.B. waren die meisten Kinder an Leukämie erkrankt und wurden nur in einem sehr schweren Erkrankungsstadium stationär betreut. Dies stellte insofern ein pädagogisches Problem dar, da die Kinder durch ihren Zustand und starke Behandlungsmethoden kaum schulisch belastbar waren.

Im Haus 127 waren langfristig und schwer erkrankte Kinder untergebracht. Diese Kinder wurden als sogenannte „Aufstehkinder“ bei einem entsprechenden Zustand dem Unterricht des Hauses 117 unterstellt. Frau Thiel bemerkte in ihrem Bericht, daß diesen Kindern zum einem aus organisatorischen Gründen des Hauses 117 und zum anderen wegen der langfristigen Schulausfälle, die bis zur Zuteilung zum Haus 117 entstanden sind, mit dem Unterricht nie adäquat entsprochen werden konnte.

3.3 Resümee

Es ist zu erkennen, daß sich die Schule bemüht hat, den festgelegten Erziehungszielen der DDR zu entsprechen. Bei der Umsetzung der Theorie in die Praxis traten jedoch auch einige Probleme auf.

Das rehabilitative Bildungsziel der Körperbehindertenpädagogik der DDR, den Schülern eine altersgerechte Allgemeinbildung zu bieten und ihnen allseitig zu einer altersentsprechenden Entwicklung zu verhelfen, konnte an der Sonderschuleinrichtung Berlin-Buch nur teilweise entsprochen werden. Durch Anwendung der gültigen Lehrpläne einer polytechnischen Oberschule und dementsprechendem Unterricht wurde zwar eine altersgerechte Allgemeinbildung gewährleistet, diese war jedoch gerade auf Stationen mit schwankenden Schülerzahlen und ungenügend vorhandenen Lehrern eingeschränkt. Dem Anspruch, eine Entwicklung zur altersgerechten Selbstän- digkeit zu unterstützen, war schon aus den Begebenheiten, die sich aus der medizinisch orientierten Betreuung ergaben, schwierig. So hatten, trotz des Anspruches auf eine pädagogische Zielstellung an einer solchen Einrichtung, natürlich die medizinischen Maßnahmen immer den Vorrang. Dies beeinträchtigte die pädagogische Arbeit in ihrem Umfang, in ihrer Organisation und damit in ihrer Wirk- samkeit. Auch die räumlichen Umstände machten eine gezielte Arbeit, wie sie an den Sonderschulen für Körperbehinderte üblich war, unmöglich.

Die vom Bildungswesen als wichtiges und wirksames Konzept propagierte Zusammen- arbeit zwischen den Pädagogen und Medizinern erwies sich an dieser Einrichtung nicht als Selbstverständlichkeit. So herrschte gerade von medizinischer Seite ein starker Vorbehalt gegen diese Idee, dem man von pädagogischer Seite nicht entgegen treten konnte, da rechtliche Grundlagen, die eine solche Kooperation in ihrem Ablauf festlegte, fehlten. Dies erwies sich für die Lehrer als bedauerlich, da ihnen anfangs viele Informationen fehlten und sie viel Zeit und Geduld investieren mußten, um diesen vom Bildungswesen als allgemeingültig betrachteten Entwurf durchzusetzen.

Pionierarbeit konnte zu DDR-Zeiten durchaus eine kreative Freizeitgestaltung sein. Daher kann man die Bemühungen zu solchen Pioniernachmittagen verstehen. Schwierig wird es jedoch, wenn die Freizeitgestaltung zur auferlegten Pflicht gehört.

Zur sozialistischen Bildung gehörte die Pionierarbeit wegen ihres ideologisch prägenden Charakters zum Muß. Daß eine solche Arbeit an dieser Einrichtung nicht voll den ursprünglichen Zielen entsprechen kann, bedingen schon die Umstände, die ein Krankenhaus mit sich führt. Durch geringe Lehrerzahlen und teilweise schweren Krankheiten konnte schon den benötigten Stundenzahlen des Unterrichts nicht Genüge getan werden. Aus diesem Grund hätte man die Pionierarbeit als eine Möglichkeit betrachten sollen, die Kinder von ihrem gedanklichen Umfeld an eine Erkrankung oder Behinderung abzulenken, anstatt sie als eine zwanghafte Tätigkeit zu empfinden, die nur als gut bewertet werden kann, wenn sie politisch qualitativ ist. Das ist aus dem Grund schade, da die Lehrer wertvolle Zeit und Energie darauf verwenden mußten, zu erklären, warum dem sozialistischen Anspruch der Pioniernachmittage nicht ent- prochen werden konnte. Außerdem entstand nach solchen Situationen krampfhafte ideologische Arbeit, anstatt den Kindern in ihren Interessen entgegen zu kommen, was ein wunderbarer Motivationsfaktor hätte sein können. So wurden wenigsten durch die Patenschaften dementsprechend sinnvolle Möglichkeiten gegeben.

Generell kann man jedoch an der Geschichte der Sonderschuleinrichtung Berlin Buch die Entwicklung der Körperbehindertenpädagogik in der DDR mit ihren Ideen und Konzepten gut nachvollziehen. Dabei lebte der Schulablauf dieser Einrichtung aber sicherlich fast mehr von dem Engagement und der Motivation des Lehrkörpers als von gesetzlichen Festlegungen.

4 Integration

In den Literaturen aus der Zeit der DDR wurde die Integrationsdiskussion nicht geführt. Ursachen für diese Tatsache werden sehr unterschiedlich interpretiert. In der Behindertenpädagogik der DDR wurde die Integration nicht gesondert aufge- führt, weil sie zu den oft definierten rehabilitativen Zielen gehörte, sie sollte integrativer Bestandteil der pädagogischen Förderung sein. Nach der Definition von Rehabilitation (siehe Seite 18), war die Einführung in das gesellschaftliche Leben das Endziel aller Förderungsbemühungen. Zudem wurden Kinder mit Behinderungen mit derselben Lei- stungsorientiertheit und den gleichen sozialistischen Zielen gebildet, wie es bei Kindern ohne Behinderungen der Fall war, unabhängig davon, ob man dies als gut oder schlecht bewerten möchte. In diversen Gesetzen der DDR wurde wiederholt die Gleichheit der Rechte aller Menschen, insbesondere auch aller Schüler betont, so daß es nicht als notwendig und gewiß auch als unnütz erschien, durch eine Integrations- diskussion plötzlich Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen zu erörtern.

Sicherlich sind viele der angeführten Punkte aus heutiger Sicht vielschichtiger zu betrachten. Besonders die angesprochene Leistungsorientiertheit in der Behinderten- pädagogik war vielleicht nicht in jeder Hinsicht ein wertvoller Beitrag zur Integration. Es herrschen jedoch auch Meinungen vor, daß die DDR-Literatur diese Frage nicht diskutiert hat, da es eine Integration überhaupt nicht gab. Pehnke spricht sogar von einem Ausgliederungsprozeß. Gerade wegen der Leistungsorientiertheit des Bildungs- wesens mußten Kinder mit körperlichen und auch anderen Behinderung gesondert beschult werden, um die Leistungshöhe an einer regulären Oberschule nicht negativ zu beeinträchtigen (Pehnke 1996, S.226). Diese Unterbindung von gemeinschaftlichem Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen geschah unter dem „Mantel der Fürsorglichkeit“ (Gries 1995, S. 261). Die Kinder wurden den Sonderschulen mit der Begründung zugeführt, daß nur eine gesonderte Bildung sie optimal fördern kann und sie so von Mißerfolgen an den Regelschulen bewahrt werden können. Gries geht in ihrer Argumentation sogar soweit, daß sie von einer Isolierung der behinderten Schüler spricht. Die Kinder sollten den „Blicken der Öffentlichkeit entzogen“ werden, indem man sie in Spezialeinrichtungen betreute. Diese Betreuung war aber auch nicht in jedem Fall pädagogisch, so Gries, da viele behinderte Kinder nicht in Schulinternaten, sondern in Pflegeheimen „verwahrt“ wurden (Gries 1995, S. 235f.). Pehnke sieht zusätzlich in der Fachterminologie der DDR ein Problem, da das starre Festhalten an längst sozial diffamierten Begriffen, wie z.B. schwachsinnig oder geschädigt, eine gewisse Isolation der behinderten Menschen in den Köpfen der Gesellschaft nach sich zog und oft auch Vorurteile bildete (Pehnke 1996, S. 231).

Jedoch sind spätestens im Erwachsenenalter die integrativen Bemühungen der damaligen DDR erkennbar. Es bestand für jeden Bürger, so gerade auch für Menschen mit Behinderung, eine Arbeitsplatzgarantie oder „Berufspflicht“, wie es Gries kritisch formuliert (Gries 1995, S. 255), was in der DDR-Ära jedoch auch real funktionierte (Pehnke 1996, S.233).

Schlußbetrachtung

Die Körperbehindertenpädagogik der DDR gibt in der Tat viel Anlaß zu Kontroversen. Aus den auslegungsfähigen Formulierungen bildungstheoretischer Konzepte der DDR resultieren sehr unterschiedliche Interpretationen, welche stark auseinandergehende Meinungen bedingen.

Am auffälligsten erscheint beim Lesen von DDR-Literatur die teilweise sehr unglückliche gewählte Fachterminologie. Mit der Einführung eines neuen Bildungssystems auf dem Gebiet der SBZ wurde anfangs zwar fortschrittliche Terminologie praktiziert, indem der aus der Weimarer Republik bestehende Begriff „Krüppel” durch den Begriff „Geschädigter” ersetzt wurde. Da das Bildungswesen trotz zahlreich geäußerter Bedenken starr an einmal gewählten Begriffen festhielt, waren dies jedoch die letzten zeitgemäßen Bemühungen um angemessene Terminologie.

Was beim Lesen bildungstheoretischer Konzepte der DDR auf dem Gebiet der Körper- behindertenpädagogik zusätzlich ins Auge fällt, ist die starke Leistungsorientiertheit. Auf der einen Seite mag dies nur fair erscheinen, da die Ziele für Kinder mit Körperbehinderungen die gleichen waren, wie die für Kinder ohne Behinderungen. Dies bedeutete, daß Kindern mit körperlichen Behinderungen gleiche Chancen und Möglichkeiten gegeben wurden wie gesunden oder nicht behinderten Kindern. Auf der anderen Seite muß man die Besonderheiten solcher Kinder aber auch respektieren. Dazu muß die Behinderung in das Bildungskonzept integriert und darf nicht ignoriert werden. In der Sonderpädagogik generell sollte dem Kind zwar die Möglichkeit gegeben werden, sich auch nach regulären Standards zu entwickeln und dement- sprechende Ziele zu erreichen, jedoch nur wenn dies dem Kind auch möglich ist. Oftmals sind kleine Schritte schon große Fortschritte. Es ist daher wichtig, nicht nur Methoden, sondern auch Ziele an den Bedürfnissen und Möglichkeiten behinderter Kinder und Jugendlicher zu orientieren. Meiner Ansicht nach legte die Behinderten- pädagogik der DDR zu sehr Gewicht auf das Ziel, als auf den Weg zum Ziel.

Die lückenlose Erfassung durch Meldepflicht war ein Schritt, um sozialistische Bildungsziele zu erreichen. Für eine weitgreifende Frühförderung war sie sicherlich sehr nützlich. Außerdem konnten Kinder durch diese Meldepflicht eine entsprechende Bildung erhalten, die ihnen nach ostdeutschem Recht in jedem Falle zustand. Dies bedeutete, daß Kinder gefördert wurden, auch wenn die Eltern einer Schulbildung widersprachen. Damit waren die Kinder nicht der Willkür der Eltern ausgesetzt, wohl aber der des Staates. Die staatlich vorgeschriebene Fürsorge konnte auch dann nicht eingestellt werden, wenn sie nicht den Vorstellungen des Kindes entsprachen. In der Schulbildung scheint dies nur legitim, da auch Kinder ohne Behinderung sich nicht aussuchen können, ob sie in die Schule gehen oder nicht. Jedoch wurde durch die nach der Meldung vorgenommenen Kategorisierungen oftmals eine Schulbildung fest- gelegt, die den Interessen und teilweise auch den Möglichkeiten der Kinder nicht immer entsprachen. Auch bei der Berufswahl war eine Selbstverwirklichung schwierig, da Entscheidungen oft nicht eigenständig gefällt wurden.

Die Internate, die einer gezielten Schulbildung dienten, werden im nachhinein oft mit einer Isolierung gleichgesetzt. Durch kategorisierte Behinderungseinstufungen und dementsprechende Bildungseinrichtungen waren diese Kinder größtenteils abgegrenzt von Gleichaltrigen. Jedoch muß man auch bedenken, daß viele Eltern in der DDR berufstätig waren und Internate für Kinder solcher Eltern eine gute Lösung darstellten. Zudem konnten die Kinder ihre Freizeit mit ähnlich eingeschränkten Kindern verbringen, was das Spielvergnügen vermutlich steigerte, da die Kinder untereinander Rücksicht nehmen konnten, nur Spiele gespielt wurden, die den Möglichkeiten der Kinder entsprachen und sie sich so nicht ausgegrenzt vorkamen.

Diese Punkte enthalten alle schon die Problematik der Integration. Sicherlich sind integrative Bemühungen in der DDR während des Schulalters kaum zu erkennen. Dennoch bezweifele ich, daß dies ausschließlich eine Form der Abschottung zum Schutz der nicht behinderten Kinder war. Der Argumentation, daß behinderte Kinder in eigenen Schulen unterrichtet wurden, um die Leistung in Klassen an regulären Schulen nicht zu beeinträchtigen, kann ich gut folgen. Dennoch bin ich der Meinung, daß beispielsweise die behinderungsentsprechenden Förderung oder die unzureichenden baulichen Bedingungen an einer regulären Oberschule spezielle Einrichtungen für Körperbehinderte erforderte. Es wäre trotz allem nicht falsch gewesen, sich um ein wenigstens zeitweiliges Miteinander zwischen Kindern mit und ohne Behinderungen zu bemühen. Was man der DDR jedoch zweifellos zusprechen kann, ist die berufliche Integration Körperbehinderter, die durch ein entsprechendes Gesetz in jedem Fall geschützt wurde. Eine solche Maßnahme findet sich selbst in der heutigen Zeit nicht, in der viel Wert auf Integration gelegt wird.

Der Körperbehindertenpädagogik der DDR kann ich also nicht uneingeschränkt zustimmen aber auch nicht pauschal widersprechen. Es finden sich sowohl Konzepte, die sehr zweifelhaft erscheinen, als auch solche, die bis heute noch beispielslos geblieben sind.

Literatur- und Quellenverzeichnis

- Aue, P.; Tietz, R.; Wildtner, S.: Zur Entwicklung spezieller Schulen für Körperbehinderte in der Deutschen Demokratischen Republik mit Beispielen aus den Schulen in Birkenwerder, Dresden, Erfurt und Halle. (Diplomarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin, Sektion Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaft) Berlin 1988.
- Becker, K.-P. und Autorenkollektiv: Rehabilitationspädagogik. 2. bearbeitete und erweiterte Aufl. Berlin 1984.
- Berndt, H. und Autorenkollektiv: Rehabilitationspädagogik für Körperbehinderte. Berlin 1986.
- Berndt, H.; Weber, G.: Das körperbehinderte Kind. In: Breitsprecher, A.(Hrsg.): Welches Kind muß sonderpädagogisch betreut werden?. Berlin 1982, S. 151-172.
- Glawe, H.: Das Sonderschulwesen der Deutschen Demokratischen Republik. Eine Übersicht. (5. Beiheft der Zeitschrift „Die Sonderschule“) Berlin 1967.
- Gries, S.: „Sie haben doch gesunde Kinder, da stört das behinderte nur.“ Vom wissenschaftlichen und staatlichen Umgang mit behinderten Kindern in der DDR. In: Mertens, L.; Voigt, D. (Hrsg.): Humanistischer Sozialismus? Der Umgang der SED mit der Bevölkerung, dargestellt an ausgewählten Gruppen. Münster 1995, S.235-282.
- Hettwer, H.: Das Bildungswesen in der DDR. Strukturelle und inhaltliche Entwicklung seit 1945. Köln 1976.
- Hübner, R.: Die Rehabilitationspädagogik in der DDR. Zur Entwicklung einer Profession. Frankfurt/Main, Berlin, Bern u.a. 2000.
- Pehnke, A.: Die schulische Betreuung behinderter Kinder in der ehemaligen DDR. In: Liedtke, M. (Hrsg.): Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte. Bad Heilbrunn 1996, S.223-235.
- Verordnung über die Beschulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen physischen und psychischen Mängeln vom 5. Oktober 1951 (Gesetzblatt Nr. 122/1951). In: Müller, H. (Hrsg.) Hygiene der Normal- und Sonderschulen im Hinblick auf Schüler mit körperlichen und geistigen Mängeln. Berlin 1956, S.123-128.
- Werner, B.: Sonderpädagogik im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Tradition. Zur Geschichte der Sonderpädagogik unter besonderer Rücksicht der Hilfsschulpädagogik in der SBZ und der DDR zwischen 1945 und 1952. Hamburg 1999.
- Zettelsammlung mit Informationen zur Sonderschuleinrichtung Berlin-Buch:
- Borch, Lothar: Entwurf einer Schulkonzeption. 1993.
- Festredensammlung zum 40. Geburtstag der Sonderschuleinrichtung Berlin- Buch. 1988.
- Gesprächsprotokoll vom 18.01.2001 mit Herrn Lothar Borch.
- Thiel: Bestandsaufnahme des Hauses 117 für den Rat des Bezirkes. 1988.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Die Körperbehindertenpädagogik der DDR
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
33
Katalognummer
V101556
ISBN (eBook)
9783638999724
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Körperbehindertenpädagogik
Arbeit zitieren
Nadine Ränke (Autor:in), 2001, Die Körperbehindertenpädagogik der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101556

Kommentare

  • Nadine Ränke am 8.3.2014

    Sehr geehrter Herr Dr. Beck,
    vielen Dank für Ihre Nachricht. Diese Hausarbeit ist schon einige Jahre alt - ich hatte schon völlig vergessen, dass sie auf dieser Seite ist.
    Als ich die Arbeit damals schrieb, besuchte ich die Schule im Klinikum Buch und sprach mit Herrn Borch, der zu diesem Zeitpunkt Schulleiter war. Es wäre natürlich sehr interessant und hilfreich für meine Arbeit gewesen auch mit ehemaligen Schülern der Schule zu sprechen; dazu kam ich aber leider damals nicht.
    Ich kenne Ihre Frustration über Anstellungsschwierigkeiten im ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen sehr gut aus meinem Arbeitsleben und von den Menschen mit denen ich arbeite. 'Inklusion' ist im Moment leider noch nur ein populärer Begriff als eine Realität.
    Mit freundlichen Grüßen zurück!
    Nadine Ränke.

  • Gast am 17.2.2014

    Sehr geehrte Frau Ränke, erst heute kam ich auf Ihre "Hausarbeit". Wenn man wie ich immer älter wird, dann kommt das Bedürfnis nach eigener "Geschichte".
    Ich habe von 1953 bis 1955 im Waldhaus Berlin-Buch wegen Kinderlähmung verbracht und bin dort mit einem Abschlusszeugnis aus der Grundschulpflicht entlassen worden , viele Fächer konnten damals nicht beschult werden, wie Chemie, Physik. Kaum Russisch .
    Damit bin ich 1955 auf die Kant-Oberschule in Berlin-Lichteberg eingetreten. Ich war der einzige, an zwei Krücken gehende Schüler in einer großen Schule (Wir hatten acht 12.Klassen im Abitur) .
    Der Direktor und das Schulamt wollten mich nicht haben und mich ins Oberlinhaus oder In die Heilstätte Birkenwerder abschieben. Meine Mutter hat gekämpft, wie eine Löwin, weil sie erkannt hatte, dass ich nach zwei Jahren der Isolation bei den damals strengen Regel in den Krankhäuser, jeden Kontakt zum normalen Leben verloren hatte und nicht mehr zurückgefunden hätte.
    Die späteren Einrichtungen der Rehabilitation, für die sich Prof. Presber so stark gemacht haben, waren damals überhaupt nicht denkbar.
    Ich war damals in der Oberschule auch dem Hänseln durch die Mitschüler ausgestzt, heute nennt man das Mobing, aber das hat mich auch stark gemacht. Als junger Krückenläufer bleibst du immer ein Blickpunkt für die Gesellschaft.
    Fazit: Die 1. Sonderschule für Körperbehinderte Berlin-Pankow im Waldhaus Buch hat es geschafft, dass ich keine Schuljahr versäumt habe, 1955 mein Abitur machen konnte und 1965 mein medizinisches Staatsexamen ablegen knonnte. Mit 25 Jahren war ich ein vollausgebildeter Arzt. Das schafft heute kein Bildungssystem in Deutschland.
    Letztlich und das ist eigentlich die schlimmste Erfahrung, die ich jetzt machen muss. Wir bilden die Körperbehinderten schulisch aus, nennen es Inklusion , aber keiner will sie dann im Erwerbsleben haben.
    Mit freundlichen Grüßen und viel Erfolg . Dr. Bernd Beck 15345 Eggersdorf, Bötzseestr. 55 Tel. 03341/475942

  • Gast am 3.2.2002

    Die Körperbehindertenpädagogik in der DDR.

    Hallo Nadine
    schön das endlich mal eine Hausarbeit zu einem pädaggogischen Thema aus der DDR hier vorzufinden ist. Ich beschäftige mich schon das ganze Studium mit der Pädagogik in der DDR und kann deshalb sagen, daß dir die Arbeit echt gelungen ist. Für meine jetzige Arbeit hast du mir auch geholfen, denn das Problem mit der Info-suche kenne ich auch. Die Geschichte hast du super gut und vorallem kurz dargestellt, so daß ich einen kurzen Überblick der Geschichte für meine Hausrbeit in Verbindung mit anderen Quellen herausarbeiten konnte.

    hoffentlich lesen noch viele andere deine Arbeit, denn sie ist gut.

Blick ins Buch
Titel: Die Körperbehindertenpädagogik der DDR



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