Das Jugendalter. Theorien und empirische Befunde zur Identitätsentwicklung


Hausarbeit, 2002

27 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Lebensphase Jugend
2.1. Zum Begriff „Jugend“
2.2. Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

3. Theorien zur Identitätsentwicklung
3.1. Zum Begriff „Identität“
3.2. Aufbau der Ich-Identität nach Erikson
3.3. Differentielle Wege der Identitätsentwicklung: die vier Identitätszustände nach Marcia
3.4. Zum Problem der Identitätsentwicklung im Jugendalter

4. Identität im Kontext: Einflüsse auf die Identitätsentwicklung
4.1. Familie als Umwelt
4.2. Die Lebensregion Peergruppe

5. Schlußbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Jeder Mensch macht im Laufe seines Lebens eine Phase durch, in der er nicht genau weiß, was er will, in der er sich gegen seine Eltern auflehnt, in der er Anschluß an Cliquen sucht, in der er sich auffällig kleidet und insgesamt ein Verhalten zeigt, das von anderen nicht verstanden oder akzeptiert wird. Es ist vom Jugendalter die Rede. Welche Bedeutung hat aber dieses Verhalten? Jugendliche befinden sich in einer Zeit des Umbruchs. Sie müssen sich von der beschützten und friedlichen Kindheit verabschieden und auf den Weg in die selbstverantwortliche Welt der Erwachsenen machen. Dabei steht eine Frage im Mittelpunkt, die das Kernproblem der Adoleszenz beschreibt: Wer bin ich?

Jugendliche sind also auf der Suche – auf der Suche nach der eigenen Identität. Sie malen sich aus, was sie beruflich werden wollen, wofür sie sich einsetzen wollen, ob sie eine Familie gründen wollen und vieles mehr. Dabei befinden sie sich jedoch in einer Zwangslage: zum einen wollen sie die Privilegien der Erwachsenen innehaben, zum anderen müssen sie sich aber auch mit den starren Regeln und den Verantwortlichkeiten, die das Erwachsenenalter mit sich bringt, auseinandersetzen. Es gilt also, eine Balance herzustellen zwischen den eigenen Träumen, Vorstellungen und Zielen und den ihnen entgegengebrachten Normen und Erwartungen, damit sie als Erwachsene akzeptiert werden. Wie aber können Jugendliche in einer Situation, in der ihnen zum einen alle Wege offen stehen, in der sie zum anderen aber auch eingeschränkt werden, ihre Identität aufbauen?

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll dieser Frage nachgegangen werden. Es geht um die Identitätsentwicklung, die im Jugendalter eine zentrale Entwicklungsaufgabe darstellt. Dabei wird sich zunächst mit dem Begriff der Jugend auseinandergesetzt, um anschließend auf die individuellen Bedürfnisse und gesellschaftlichen Anforderungen, die das Jugendalter kennzeichnen, einzugehen. In einem weiteren Schritt werden Theorien zur Identitätsentwicklung vorgestellt, um daraufhin zu untersuchen, ob Jugendliche die Identitätsentwicklung als ein Problem wahrnehmen. Da Identitätsentwicklung aber immer auch in einem Kontext stattfindet, wird abschließend der Einfluß von Familie und Peergruppe auf die Identitätsentwicklung untersucht.

2. Die Lebensphase Jugend

Um der Frage nach der Identitätsentwicklung im Jugendalter nachgehen zu können, bedarf es zunächst der Klärung des Begriffs „Jugend“. Im Anschluß daran werden die spezifischen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters vorgestellt, da diese einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung dieser Lebensphase leisten. Zudem deuten sie bereits an, warum Jugend und Identitätsentwicklung in einem engen Zusammenhang stehen.

2.1. Zum Begriff „Jugend“

Alltagssprachlich wird „Jugend“ mit dem Erwachsenwerden gleichgesetzt und somit als eine Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter verstanden. Wann beginnt jedoch Jugend und wann endet sie?

Aus strafrechtlicher Sicht werden bezüglich Beginn und Ende der Jugendphase klare Grenzen gezogen. Wer zum Tatzeitpunkt noch nicht 14 Jahre alt ist, gilt als Kind und kann strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Phase zwischen 14 und 18 Jahren wird als Jugendalter klassifiziert, daran schließt sich die Bezeichnung „Heranwachsender“ für 18-21jährige an. Wer über 21 Jahre alt ist, gilt als Erwachsener. Läßt sich das Jugendalter aber anhand von Altersmarken eingrenzen?

Nicht nur aus entwicklungspsychologischer Sicht, sondern allgemein, wird als ein wichtiges Merkmal für den Übergang vom Kindes- zum Jugendalter das Eintreten der Geschlechtsreife, die Pubertät, gesehen. Diese setzt im allgemeinen zwischen 12 und 14 Jahren ein und ist im Alter von etwa 17 bis 18 Jahren vollendet. Jugendliche erleben – ausgelöst durch den Eintritt der Pubertät - eine Reihe von Veränderungen auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene. Sie müssen die körperlichen Veränderungen akzeptieren und ins eigene Körperbild integrieren oder wie Fend (2000) es ausdrückt, „den eigenen Körper bewohnen lernen“ (S.225). In Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtlichkeit gilt es, die Geschlechtsrolle als Mann oder als Frau zu akzeptieren. Damit einher gehen Veränderungen auf sozialer Ebene. Die Gesellschaft reagiert auf die Veränderungen des Individuums und stellt den Jugendlichen vor neue Herausforderungen und Anforderungen. Während neue Anforderungen in der Kindheit noch durch Imitation und Identifikation mit den Eltern bewältigt werden, kann sich der Jugendliche aufgrund seiner kognitiven Entwicklung nun selbständig mit den an ihn gestellten Anforderungen auseinandersetzen. Eingeleitet durch den Beginn der Pubertät, beginnt sich das Individuum so allmählich vom Elternhaus loszulösen, entwickelt ein Bild vom eigenen Selbst und ein Ich – Gefühl, das die Abgrenzung von anderen Personen ermöglicht (vgl. Baake 1994). Die vielfältigen eigenen Erfahrungen, die nun gemacht werden, sind Grundlage der Hauptaufgabe der menschlichen Entwicklung, der Entwicklung einer stabilen Identität.

Der Übergang vom Jugendalter zum Erwachsenenalter wird darin gesehen, wenn die Loslösung vom Elternhaus weitgehend abgeschlossen, die Partnerwahl getroffen und der Eintritt ins Berufsleben vollzogen ist. Allerdings stellt Schweer (2001) hierzu fest: „Wenngleich seit jeher eine klare Grenzziehung zwischen den Altersklassen von Jugend und Erwachsensein problematisch gewesen ist, so scheint die bestehende Trennschärfe vor dem Hintergrund eines immer rascher sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesses noch stärker verloren zu gehen“ (S.283).

Deutlich geworden ist also, daß eine altersspezifische Abgrenzung zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter allgemeingültig nicht getroffen werden kann. Oerter/Montada (1995, S. 312) schlagen demgemäß für den Entwicklungsabschnitt der Lebensphase Jugend die Zeitspanne zwischen vollendetem 10. und 21. Lebensjahr vor und wählen hierfür den Begriff der Adoleszenz, der in der Psychologie heute allgemein Eingang gefunden hat. Dieser drückt aus, daß mit dem Ende der Pubertät zwar die Geschlechtsreifung vollendet ist, die psychischen und sozialen Folgen aber noch nachwirken. „Jugend“ und „Adoleszenz“ sollen im folgenden synonym verwendet werden.

2.2. Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

Mit dem Abschluß der Kindheit eröffnen sich den Jugendlichen viele neue Wege und Chancen. Gleichzeitig werden an sie aber auch gesellschaftliche Anforderungen gestellt. Die Kompetenzen für die Bewältigung von neuen Anforderungen und für die Verfolgung individueller Ziele und Werte werden bereits in der Kindheit erworben und beruhen auf den biologischen und psychischen Veränderungen des Individuums. In diesem Kontext wird in der Psychologie von „Entwicklungsaufgaben“ gesprochen. Diese erstrecken sich mit altersphasenspezifischen Anforderungen, die es zu bewältigen gilt, über die gesamte Lebensspanne. Die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben eines Lebensabschnitts wirkt sich positiv auf nachfolgende Entwicklungsaufgaben aus. Dabei unterliegt das Individuum zum einen dem gesellschaftlichen Druck, sich durch die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben anzupassen. Zum anderen kann es durch die Verfolgung eigener Ziele und Werte aktiv die eigene Entwicklung gestalten. Demzufolge läßt sich unter einer Entwicklungsaufgabe „ein Bindeglied (.) im Spannungsverhältnis zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen“ (Oerter/Montada 1995, S. 326) verstehen.

Das Konzept der Entwicklungsaufgaben findet seinen Ursprung in Havighurst (1982, zit. nach Oerter/Montada ebd.). Dieser hielt eine Reihe von jugendphasenspezifischen Entwicklungsaufgaben fest, deren Inhalt jedoch „vor dem Hintergrund kultureller Relativität und des historischen Wandels zu betrachten“ (ebd., S.329) ist. Aus diesem Grund arbeiteten Dreher/Dreher (1985a) – zwar auf der Grundlage der von Havighurst entwickelten Aufgaben - in Zusammenarbeit mit Jugendlichen eine Liste von Entwicklungsaufgaben des Jugendalters aus, die der gesellschaftlichen Realität als auch den jugendtypischen Bedürfnissen und Vorstellungen entsprechen:

- Aufbau eines Freundeskreises: Zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts werden neue, tiefere Beziehungen hergestellt.
- Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung: Veränderungen des Körpers und sein eigenes Aussehen annehmen.
- Sich das Verhalten aneignen, das man in der Gesellschaft von einem Mann bzw. von einer Frau erwartet.
- Aufnahme intimer Beziehungen zum Partner (Freund/Freundin).
- Von den Eltern unabhängig werden bzw. sich vom Elternhaus loslösen.
- Wissen, was man werden will und was man dafür können muß (lernen muß).
- Vorstellungen entwickeln, wie der Ehepartner und die zukünftige Familie sein sollen.
- Über sich selbst im Bild sein: Wissen wer man ist, was man will.
- Entwicklung einer eigenen Weltanschauung: Sich darüber klar werden, welche Werte man hochhält und als Richtschnur für eigenes Verhalten akzeptiert.
- Entwicklung einer Zukunftsperspektive: Sein Leben planen und Ziele ansteuern, von denen man glaubt, daß man sie erreichen kann.

(Dreher/Dreher 1985a, S. 36)

Diese Entwicklungsaufgaben hängen insofern mit der Entwicklung der Identität zusammen, als daß durch die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben das Grundgerüst für die Identität geschaffen wird. So ist es nicht verwunderlich, wenn Fend (2000) in bezug auf den Identitätsbegriff von der „Kernaufgabe der Adoleszenz“ spricht (S.312).

3. Theorien zur Identitätsentwicklung

Im folgenden werden zwei Theorien zur Identitätsentwicklung vorgestellt. Es handelt sich dabei zum einen um die Theorie der psychosozialen Entwicklung von Erikson, die auch heute noch den bekanntesten Ansatz im Bereich der Identitätsentwicklung darstellt. Zum anderen wird auf das Konzept der Identitätszustände von Marcia eingegangen. Dieses baut zwar auf Eriksons Ansatz auf, enthält allerdings auch zentrale Änderungen. Abschließend wird untersucht, inwiefern Jugendliche die Identitätsentwicklung als problematisch erleben. Zunächst wird jedoch der Begriff der Identität näher betrachtet.

3.1. Zum Begriff „Identität“

Zum Begriff der Identität gibt es keine klare und einheitlich verwendete Definition. Ein wissenschaftlicher Konsens besteht jedoch darin, unter Identität „die Definition einer Person als einmalig und unverwechselbar durch die soziale Umwelt wie durch das Individuum selbst“ (vgl. Oerter/Montada 1995, S.346) zu verstehen. Das Individuum erkennt sich also als eine Person, die sich auf eine bestimmte Art und Weise von allen anderen unterscheidet, und auch die soziale Umwelt erkennt diese Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit der Person.

Im Zusammenhang mit dem Begriff der Identität wird häufig auch vom Selbstkonzept gesprochen. Das Selbstkonzept enthält eine kognitive Komponente, das Wissen über die Person, also wie man sich selbst, insbesondere seine Fähigkeiten, Kenntnisse, Interessen, Gefühle, Verhaltensweisen und auch den eigenen Körper wahrnimmt. Der affektive Aspekt des Selbstkonzepts enthält das Selbstvertrauen und die Selbstbewertung. Flammer (2000) stellt in diesem Zusammenhang fest, „dass alle Selbstwahrnehmungen auch Selbstbewertungen sind“ (S.143).

Ein anderer Begriff, der sich kaum von dem der Identität trennen läßt, ist der Begriff des Selbst. Dieser wurde von William James (1890/1950, zit. nach Oerter/Montada 1995, S. 347) eingeführt, der zwischen einer „I“ – Komponente und einer „me“ – Komponente unterscheidet. Während das „I“ als der Erkennende, der Wissende, zu verstehen ist, bezeichnet die „Me“ – Komponente (der Erkannte), wie die Person von außen, also der sozialen Umwelt, erkannt wird. Diese Unterscheidung zwischen „I“ und „me“ hat vor allem G.H. Mead (1934/1973, zit. nach Haeberlin/Niklaus 1978, S.18ff.) weiter ausgeführt. Als Vertreter des symbolischen Interaktionismus stellen für Mead die zwischenmenschlichen Interaktionen das bestimmende Element zur Entstehung des Selbst bzw. der Identität dar. Die Identität eines Menschen kann demzufolge also nur innerhalb einer sozialen Bezugsgruppe entstehen (vgl. Haeberlin/Niklaus 1978, S.16). Das „me“ als Teilkomponente des Selbst (bzw. der Identität) ist das an die gesellschaftlichen Normen angepaßte Wesen und sichert somit die Existenz der Person in der Gesellschaft. Es ist „ein von Konventionen und Gewohnheiten gelenktes Wesen. Es ist immer vorhanden. Es muß jene Gewohnheiten, jene Reaktionen in sich haben, über die auch alle anderen verfügen; der Einzelne könnte sonst nicht Mitglied dieser Gesellschaft sein“ (Mead 1973, S.241, zit. nach Haeberlin/Niklaus ebd., S.25). Demgegenüber steht das „I“ als Reaktion auf das „me“, um Individualität zu bewahren. Das Charakteristikum des „I“ ist das Vermögen der Person, über sich selbst nachdenken zu können, um sich so der eigenen Identität bewußt zu werden. Demzufolge bezeichnet das „I“ „die Person als Wesen, das als Einzelner und in einer relativ individuellen, einmaligen Form auf soziale Reaktionen reagieren kann“ (Haeberlin/Niklaus 1978, S.25). „I“ und „me“ bestimmen also zusammen die Identität, indem sie sich wechselseitig beeinflussen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Das Jugendalter. Theorien und empirische Befunde zur Identitätsentwicklung
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Institit für Erziehungswissenschaft)
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V10150
ISBN (eBook)
9783638166676
ISBN (Buch)
9783638717083
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Diplomprüfung.
Schlagworte
Jugend, Jugendphase, Identität, Identitätsentwicklung, Ich-Identität, Erikson, Identitätszustände, Marcia
Arbeit zitieren
Andrea Triphaus (Autor:in), 2002, Das Jugendalter. Theorien und empirische Befunde zur Identitätsentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10150

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