Viktor Kaplan und seine Turbine


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

33 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vom Wasserrad zu den ersten Turbinen

3. Francis und Pelton
3.1. Aller guten Dinge sind Drei
3. 2. Die Francisturbine
3.3 Vom Goldsucher zum Techniker

4. Viktor Kaplan, ein Leben für die Wasserkraft
4.1. Stand der Wasserkraft-Technik zu Beginn des 20. Jahrhunderts
4. 2 Viktor Kaplan, eine kurze Biographie
4.3 Die erste Kaplanturbine im Einsatz
4.4 Rückschläge und dann endgültiger Durchbruch
4.5 Die beiden Ausführungsarten von großen Fluss-Kraftwerken

5. Ehrungen und Ruhestand

6. Erinnerungen und Anekdoten

7. Schluss

1. Einleitung

Längst bevor das Wasser als Energiequelle genutzt wurde, spielte es in den religiösen Vorstellungen und in der Mythologie vieler Völker eine wichtige Rolle. Geister, Naturgottheiten oder Dämonen verkörperten die Gewalt und Kraft des Wassers und hatten im Wasser auch ihre Wohnung. Die Hethiter kannten beispielsweise Ea, den Gott der Weisheit und der Wassertiefe. Die Griechen und auch die Römer verehrten ihre Flüsse als männliche Gottheiten, weil diese die Fruchtbarkeit des Landes erhöhten.

In der Volksphantasie gab es unzählige Wassergeister, Sirenen und Nixen. Mit diesen Wassergeistern mussten sich die Techniker der Antike beim Bau von Maschinen zur Ausnutzung der Wasserkraft zwangsläufig anlegen. Kein Wunder, dass sogar die römischen Wassermüller als Zauberer galten und die Mühlen zu unheimlichen Orten wurden, immer bedroht von der schrecklichen Rache des missbrauchten Elements.[1]

In der Eingangshalle des Salzburger Hauptbahnhofes befindet sich die hier abgebildete allegorische Darstellung: Der Entwurf stammt vom oberösterreichischen Architekten Wilhelm aus Frankenmarkt und zeigt einen Flussgott sinnend am Ufer des Flusses ruhend.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 1: Architekt N. Wilhelm, Frankenmarkt, Allegorie: Wassergott mit Turbine.

Hauptbahnhof Salzburg 1950. Foto Gruber, Salzburg 1992.

Zusammen mit dem Laufrad einer Turbine und der Inschrift „ Aurum ex Aquis“, also „Gold aus den Gewässern“, sollte offensichtlich das wirtschaftliche Handeln des Menschen im Einklang mit der Natur, welche durch die personifizierte Aura des Flusses dargestellt wird, symbolisiert werden.

Hier, am Ort des Bahnhofes, wird allegorisch auf den Sinn und den Wert der Umwandlung der Energie des Wassers in elektrische Energie im Dienste der Menschen, für den Betrieb der Eisenbahn verwiesen.

Von der Atmosphäre, die strömendes Wasser und dessen innige Verbindung mit der Landschaft ausstrahlt, wurde ein Mann namens Viktor Kaplan ganz besonders fasziniert.

Er, der immer betonte, wie wichtig es sei, mit der Natur und nie gegen die Natur zu arbeiten, hatte mit seinen Erfindungen jenen Fortschritt ermöglicht, der es erlaubte, besonders die Gewässer mit niedrigen Gefällen und großen Wassermengen, also die Flüsse, dem Menschen durch umweltfreundliche und wirtschaftliche Erzeugung elektrischer Energie nutzbar zu machen.

Die Nutzung der Wasserkraft hat eine mehrtausendjährige Geschichte. Schon vor etwa 5000 Jahren gaben die Erfordernisse der Landwirtschaft den Anstoß für die Wasserkraftnutzung. Wasserschöpfräder nahmen dem Menschen in dieser Frühzeit die Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen ab. Wasserräder sind die ältesten und einfachsten Wasserkraftmaschinen, die sich in vereinzelten praktischen Anwendungen bis heute erhalten haben. Allerdings haben Wasserräder für die wirtschaftliche Nutzung einen zu schlechten Wirkungsgrad und für moderne Anwendungen zu niedrige Leistungen und Drehzahlen.

Zuerst soll in dieser Abhandlung überblicksartig die Entwicklung der Wasserkraft-Nutzung in der Neuzeit bis zu den ersten Turbinen im 19. Jahrhundert dargestellt werden, sowie die weiteren Entwicklungsschritte bis zu jenen drei Haupt-Turbinenarten, Francis-, Pelton - und Kaplanturbine, die heute die Wasserkraftnutzung in allen Gefälls - und Wassermengen-Bereichen ermöglichen.

Die Kaplanturbine, aus der einige Sonderbauarten (z.B.: Kaplan-Rohrturbine) für spezielle Aufgaben entwickelt wurden, erlaubte erstmals die Nutzung des Wassers der Flüsse im großen Maßstab, weil sie für geringe Gefälle bei großen Wassermengen geeignet ist und die nötige hohe Drehzahl für den Antrieb von elektrischen Generatoren ohne Zwischenschaltung von Übersetzungsgetrieben erreicht.

Anschließend soll die Biographie Kaplans nachgezeichnet werden, verflochten mit seinen Bemühungen, zuerst die Francisturbinen schneller zu machen. Die Krönung seines Lebenswerkes, die Erfindung der Propellerturbine mit drehbaren Schaufeln, der Kaplanturbine, und ihre Verbreitung über die ganze Erde, bildet den Kern der Abhandlung.

Damit soll die Frage beantwortet werden, welcher Anteil an der Entwicklung der Ausnutzung der Wasserkräfte der Erde dem Erfinder Kaplan von der Fachwelt zugemessen wird.

Ein Besuch im technischen Museum Wien im November 2002 mit Recherchen im dortigen Archiv, sowie die Sichtung einschlägiger Literatur bilden die Grundlage für diese Seminararbeit.

2. Vom Wasserrad zu den ersten Turbinen

Über viele Jahrhunderte seit der Antike dominierte das Wasserrad in seinen verschiedensten Ausführungen zum Antrieb von Mühlen, Bewässerungen, Bewetterungen in Bergwerken, Sägewerken, Hämmern, Fördereinrichtungen, Walk- und Stampfwerken u.a. Die vielen kleinen Wasserrad-Anlagen waren der Hauptlieferant mechanischer Energie für die gewerbliche Wirtschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Besonders mit Georgius Agricola (1494-1555) hatte sich im 16. Jahrhundert in Verbindung mit dem Bergbau eine neue Entwicklung des Einsatzes von Wasserädern angebahnt

Wenn die Dampfkraft meist als die Mutter der Industrialisierung bezeichnet wird, darf man nicht übersehen, dass auch die Wasserkraft eine entscheidende Rolle bei der Entstehung z.B. der Textilfabriken gespielt hat. So ließ Richard Arkwright seine Spinnmaschine von 1769 über Riemen von einem Wasserrad antreiben, weshalb das von ihr erzeugte Garn auch angeblich auch als „ Wassergarn“ bezeichnet wurde.

Im 18. Jahrhundert befassten sich noch viele Techniker damit, die Leistungsfähigkeit und die Wirkungsgrade von Wasserrädern zu verbessern.

Der englische Techniker John Smeaton (1724 –1792) stellte 1759 fest, dass man mit einem unterschlächtigen Wasserrad nur einen maximalen Wirkungsgrad von 22 % erreichen könne, mit oberschlächtigen Wasserrädern jedoch etwa 60 % , das heißt, dass nur 22 % bzw. 60 % der im Wasser steckenden Energie ausgenützt werden können.

Der Schweizer Physiker und Mathematiker Daniel Bernoulli schrieb 1787 sein Hauptwerk

“ Hydrodynamica“, in der er die Grundlagen der Erforschung der hydraulischen Strömung behandelte. Der mit ihm befreundete und berühmte Schweizer Mathematiker Leonhard Euler (1707-1783) entwickelte wichtige Gleichungen zur Berechnung von Wasserkraftmaschinen.

1795 erkannte der Begründer der Technischen Hochschule in Prag, der Österreicher Franz Josef Gerstner (1756-1832) nach vielen Versuchen, dass man mit unterschlächtigen Wasserrädern keinen höheren Wirkungsgrad als 30 % erreichen könne.

William Fairbairn gründete in Manchester um 1818 eine Fabrik, die führend in der Herstellung von eisernen Wasserrädern wurde. Er belieferte auch Firmen in Frankreich und der Schweiz.[2]

Der Höhepunkt in der Entwicklung des Wasserradbaues wurde in Frankreich erreicht, als Jean Victor Poncelet (1788-1867) gekrümmte Schaufeln verwendete und damit Wirkungsgrade von bis zu 65 % erreichte.

Poncelet wurde auch zum Begründer der neueren Technischen Mechanik und führte auch wichtige Untersuchungen zur Hydrodynamik und Festigkeitslehre durch.

In Hof bei Salzburg ist noch eine Rarität in Betrieb: Das Sägewerk des Florian Schöndorfer aus dem Jahre 1717. Der Antrieb der Säge erfolgt noch immer, wie zur Zeit der Errichtung, über ein mittelschlächtiges Wasserrad. Dieses hat sechs Meter Durchmesser, 1.3 m Schaufelbreite und macht 17 Umdrehungen/Minute. Die Betriebs- Wassermenge aus der Fuschler-Ache beträgt 500 - 600 Liter je Sekunde. Das Wasserrad erbringt eine Leistung von ca. 15 KW. Nach dem Einbau eines neuen Gatters im Jahre 1960, beträgt die Schnittkapazität des Sägewerkes rund 800 Kubikmeter/Jahr.

Die Wasserräder konnten jedoch den steigenden Anforderungen nicht mehr genügen: Ihre Leistungen und ihre Drehzahlen waren zu gering. Ein übliches oberschlächtiges Mühlen-Wasserrad mit etwa 4 m Durchmesser und 50 cm Schaufelbreite brachte kaum mehr als sechs bis acht KW auf die Welle. Auch die effektiveren Wasserräder mit löffelförmigen Schaufeln und mit vertikaler Welle, die bevorzugt in Frankreich und Skandinavien in Verwendung waren, konnten den erforderlichen Leistungsbedarf nicht befriedigen.

Der Druck auf die Techniker, leistungsstärkere Maschinen zur Ausnutzung von Wasserkräften zu entwickeln, erhöhte sich.

Schon früh gab es Versuche, die Wasserräder durch effektiver arbeitende Maschinen zu verdrängen. Die ersten Versuche der Entwicklung einer echten Turbine machte zwar schon der in Pressburg geborenen Arzt und Physiker Johann Andreas von Segner (1704 –1777), doch blieb seiner Konstruktion, die das Rückstoßprinzip zur Drehung ausnützte, der praktische Erfolg versagt.

Allerdings lebt die Segner`sche Idee bis heute im umlaufenden Rasensprenger weiter.[3]

Vielleicht hing der plötzliche Ehrgeiz, die Wasserkraftnutzung voranzutreiben, mit der Dampfmaschine zusammen, die nach dem Tode von James Watt 1819 ihren Siegeszug um die Welt begann. Vielleicht waren aber auch ganz einfach die Zeit und die Technik für die Verwirklichung neuer Ideen reif.

Jedenfalls hatte die „ Societe d`Encouragement pour l`Industrie Nationale“ in Paris einen Preis von 6000 Franc für die Entwicklung leistungsfähiger „Turbinen“ ausgesetzt.

Der Begriff Turbine (vom lat. Wort für „Kreisel“ abgeleitet) geht auf den Franzosen Claude Burdin zurück, der 1822 in einer Denkschrift an die franz. Akademie der Wissenschaften erstmals diesen Ausdruck verwendete. Er baute eine Turbine, die sich jedoch nicht bewährte.

Den ausgeschriebenen Preis holte sich ein anderer französischer Erfinder. Sein Name war Benolt Fourneyron (1802- 1867). Er war ein Schüler von Burdin und ein hervorragender Mathematiker und Techniker.

Fourneyron war nach vielen Versuchen, Irrtümern, Veränderungen an Material und Konstruktionsdetails auf ein Turbinenprinzip gekommen, das in gleicher Weise bzw. abgewandelter Form später von anderen Konstrukteuren übernommen wurde.

Seine Maschine war durch zwei konzentrische Räder gekennzeichnet. Das innenliegende Leitrad stand fest, das außenliegende Laufrad wurde von dem radial nach außen strömenden Wasser in Bewegung gesetzt. Dabei hatte er die Idee von der Zweckmäßigkeit eines Leitrades von Euler übernommen.

Diese Maschine stellte etwas völlig Neues dar, und zwar wegen ihres hohen Nutzeffektes, der im Vergleich zu bisherigen Konstruktionen hohen Drehzahl und der kleinen Abmessungen.

Erstmals konnte sich Fourneyron die Erfindung seines Landsmannes Gaspard Baron de Prony (1755-1839), den Pronyschen Zaum zur Bestimmung des Drehmomentes nutzbar machen. Diese Methode der Drehmomentbestimmung war noch bis in die Mitte des

20. Jahrhunderts in Verwendung.

Fourneyron erhielt 1834 ein Patent auf die erste wirklich brauchbare Wasserturbine. Vermutlich im Jahre 1835 (die Angaben in der Literatur variieren) baute er in St. Blasien im Schwarzwald eine Turbine für eine Höhendifferenz von 108 Metern ein. Sie leistete fast

30 KW bei 2300 Umdrehungen/ Minute. Das Echo der Fachwelt war gewaltig.

St. Blasien wurde ein „ Wallfahrtsort“ der Techniker und Fourneyron ein berühmter Mann.

1838 war er mit seinem Betrieb nach Paris umgezogen, konstruierte und baute dort Hunderte von Turbinen. 1843 soll er bereits 129 Fabriken mit Wasserkraftanlagen ausgerüstet haben.[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 2: Aus Gööck, Roland, Erfindungen der Menschheit. S.112. Schema einer Fourneyron-Turbine. Eine der ersten Turbinen dieser Bauart befindet sich im Deutschen Museum in München.

Seit die erste Turbine das Laufen gelernt hatte, entfaltete sich in den nächsten Jahren eine ziemlich hektische Erfindertätigkeit rund um die Wasserkraft.

Unter den mehr als zwei Dutzend von Forschern, die an der Turbinenentwicklung arbeiteten, seien folgende Persönlichkeiten beispielhaft herausgegriffen:

Der Deutsche Lokomotivbauer Carl Anton Henschel (1780-1861), der eine axiale Turbine erstmals mit einem Saugrohr ausstattete und 1841 die erste Henschel-Turbine bei einer Steinschleiferei in Holzminden in Betrieb nahm. Bereits 1837 hatte er bei der Kurfürstlich Hessischen Regierung ein Patentgesuch eingereicht, das zunächst mit der kuriosen Feststellung abgewiesen wurde, dass ein Patentschutz der schnellen Ausbreitung einer technischen Neuentwicklung nur hinderlich sei.

Der Russische Deichmeister Ignati Safanow (1806-1857), der 1837 die erste Russische Wasserturbine baute.

Jacob Ferdinand Redtenbacher aus Steyr in Oberösterreich (1809-1863). Er wurde Professor für Maschinenbau am Polytechnikum Karlsruhe. Seine bedeutende Arbeit

„ Bau der hydraulischen Kraftmaschinen“ erschien 1841.

Julius Ludwig Weisbach, aus Annaberg im Erzgebirge stammend, der als Lehrer für Mathematik und Bergmaschinenlehre an der Bergakademie Freiberg, Apparaturen für Strömungsversuche entwickelte und aus den Versuchsergebnissen Formeln für Druckverluste an Wasserkraftwerks-Bauteilen (Krümmer, Rohrleitungen, Ventilen, Klappen, Kniestücken u.a.) ableitete.

Die grundlegenden Werke von Redtenbacher und Weisbach wurden bald nach ihrem Erscheinen ins Englische übersetzt und fanden damit auch den Weg in die Vereinigten Staaten von Amerika.

In Deutschland wurden trotz aller Erfindungsleistungen die Wasserturbinen zunächst äußerst misstrauisch betrachtet. Beispielsweise hielt auch die Regierung des Herzogtumes Braunschweig einen Patentschutz nicht für notwendig, weil sie für Wasserturbinen ohnehin keine Zukunftschancen sah.[5]

[...]


[1] Gööck, Roland: Erfindungen der Menschheit. Wind, Wasser, Sonne, Kohle, Öl. Blaufelden 2000. S.78.

[2] Gööck, Roland: Erfindungen der Menschheit. S.102-103.

[3] Gööck, Roland, Erfindungen der Menschheit. S.103 -104, 106

[4] Gööck, Roland: Erfindungen der Menschheit: S.113. Vergl.: König, Felix von: Bau von Wasserkraftanlagen. Karlsruhe 1985.S.21-22. Vergl.: Palffy, Sandor u.a.: Wasserkraftanlagen. S.13.

[5] Gööck, Roland: Erfindungen der Menschheit. S.116-119.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Viktor Kaplan und seine Turbine
Hochschule
Universität Salzburg  (Geschichte)
Veranstaltung
Seminar: Erfinder und Erfindungen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
33
Katalognummer
V10137
ISBN (eBook)
9783638166621
Dateigröße
2124 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Viktor Kaplan
Arbeit zitieren
Martin Gschwandtner (Autor:in), 2003, Viktor Kaplan und seine Turbine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10137

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