Nadolny, Sten - Entdeckung der Langsamkeit - Literarische Erörterung


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

9 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Klasse 11

Schriftliche Hausarbeit im Fach Deutsch

Thema: Literarische Erörterung - Sten Nadolny "Die Entdeckung der Langsamkeit" Abgabetermin: 20.05.1999, 3. Stunde

Verfasser: Clemens Löffler

Die letzten Lebensstationen John Franklins werden durch den Misserfolg in der Politik und durch die Katastrophe seiner letzten Expedition überschattet. So bleibt der literarische John Franklin trotz seiner Leistungen und Erfolge auch am Ende des Romans ein an seinen großen Zielen gescheiterter, den Anforderungen seiner Zeit nicht gewachsener Außenseiter.

Diskutiere diese These anhand des zweiten und dritten Teils des Romans!

In einer Serie der Wochenzeitung "Die Zeit" vom 19.09.1997 schrieb Heike Leitschuh-Fecht:

"Die Schnellen fressen die Langsamen - und weil niemand gefressen werden will, drücken die Unternehmen aufs Tempo: schneller denken, entscheiden, entwickeln, produzieren - der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus. In schwindelerregendem Tempo werden Konzerne umgekrempelt; die einen fusionieren, die anderen stoßen ganze Bereiche ab oder zerlegen andere Unternehmen in Einzelteile." Doch es gibt auch Gegenbewegungen, die die Langsamkeit entdecken. Beim FüllerherstellerMontblanc Internationalin Hamburg hat man aus den schlimmen Folgen der Schnelligkeit, viel Ausschuss, genervte Mitarbeiter und Manager, gelernt. Heike Leitschuh-Fecht schrieb dazu in der "Zeit": "Die Mitarbeiterinnen der Federschleiferei dürfen - innerhalb ihrer festen Arbeitszeit - so oft und so lange Pause machen wie sie wollen. Die Arbeit an den wertvollen Füllfederhaltern erfordert so viel Konzentration und Feingefühl, dass dem Unternehmen Fehlleistungen viel teurer kommen als Pausen. So gewinnen wir Zeit, indem wir Zeit vergeuden." Die Veröffentlichungen zum Thema "Neue Langsamkeit" in den Medien sind unüberschaubar geworden und drücken ein tiefes Unbehagen über unsere überhitzte Kultur aus. Dass Sten Nadolnys Roman einen Zeitnerv getroffen hat, ist auch an der Beliebtheit der von ihm geprägten Metapher: "Entdeckung der Langsamkeit" abzulesen, deren Prinzip sich in der Person des Romanhelden und Außenseiters John Franklin kristallisiert. So stellt sich die Frage, entwickelt sich dieser John Franklin im Laufe seines Lebens zu einem erfolgreichen Helden oder scheitert er an den Anforderungen seiner Zeit und bleibt ein Außenseiter?

John Franklin, dessen Leben und Karriere Sten Nadolny in seinem Roman beschreibt, gelingt es, sich von einem in der Kindheit verachteten Außenseiter zu einer berühmten und geschätzten Persönlichkeit zu entwickeln. Dies verwundert den Leser zunächst, da sein Erwachsenenleben hauptsächlich von Krisen und Misserfolgen gekennzeichnet ist. Sein erster Einsatz als "alleiniger Befehlshaber einer Expedition" (S. 211) endet in einer Katastrophe. Die Expedition startet 1819 und dauert bis 1822. Ihr Ziel ist die Erreichung der Repulse Bay (S. 213) im Nordwesten der Hudson Bay. Dabei muss der gesamte Norden Kanadas durchquert werden. "Gelang das Unternehmen, dann war die Nordwestpassage gefunden, nach der Europa seit über zwei Jahrhunderten suchte" (S. 213). Franklin und seine Männer gelangen bis zum Melville-Sund. Dort werden sie durch den einbrechenden Winter und ihre zunehmende Entkräftung zur Umkehr gezwungen. Nach unendlichen Strapazen und Hungerqualen werden die Reste der Expedition von Back und den Indianern gerettet. "Elf Männer waren tot" (S. 265). Nur vier Briten überleben die Expedition. Franklin schätzt seinen Misserfolg richtig ein. "Er hielt für möglich, dass man ihm nie wieder ein arktisches oder überhaupt ein Kommando geben könnte. Weder war die Nordwestpassage gefunden, noch Parrys Schiff auf dem Land erreicht worden. Sie hatten nicht einmal Verbindungen mit den Eskimos aufnehmen können" (S. 265). Franklin hatte sich als Versager erwiesen und er nimmt die Schuld dafür auf sich. "Ich bin es, der die Fehler gemacht hat" (S. 265). "Die Admirale werden jeden Erfolg vermissen. Sie werden glauben, ich sei der falsche Mann. Es stimmt auch" (S. 266).

Auch auf seiner "zweiten Landreise 1825 bis 1827" (S. 283) wird die Nordwestpassage nicht gefunden und John übernimmt eine völlig andere Aufgabe: er wird Gouverneur in Tasmanien. Diesen Posten bekleidet er von 1837 bis 1843.

Für diese Position als Gouverneur in Tasmanien hat sich John Franklin viel vorgenommen, "John hatte nicht vor, seine regulären sechs Jahre dort als besserer Gefängnisaufseher abzusitzen" (S. 295). Er versucht das Franklinsche System, das bisher eine für die Seefahrt entwickelte "Methode des Lebens und Entdeckens" war, wie er auf Seite 308 schreibt, auch auf die Politik und das Gouverneursamt auszuweiten. Seine Ideen von Vernunft und Gerechtigkeit sowie sein Bemühen um Vertrauen und Respekt bringen ihm nur Feindschaft ein. Der Gouverneur scheitert an seinen zwei Gegenspielern, seinem Privatsekretär Maconochie und dem Kolonialsekretär John Montagu, die ihn mit Hilfe der Presse und einer Intrige (S. 316) zum Sturz bringen. Sang- und klanglos wird er schließlich 1843 vom Kolonialminister von seinem Posten abberufen. John scheitert zum zweiten Mal und er erkennt, dass sein System in der Welt der Politiker und Opportunisten keine Chance hat. In der Zeitung "Van Diemen's Land Chronicle" wird er als "unfähig" und "wankelmütig", als "Pantoffelheld" und "imbezil" bezeichnet (S. 319). Und wieder nimmt Franklin als gescheiterter die Schuld auf sich: "Ich selbst habe etwas falsch gemacht" (S. 320).

Trotz seines Scheiterns als Gouverneur gelingt es Franklin noch einmal die Erlaubnis für eine weitere Suche nach der Nordwestpassage zu bekommen. Am 19. Mai 1845 bricht er mit den beiden Schiffen "Erebus" und "Terror" zu seiner letzten Expedition auf und auch diese sollte in zweifacher Weise kläglich scheitern. Eine Gruppe von Offizieren und Matrosen der "Erebus" dringt zwar "bis zur Mündung des großen Eisflusses" (S. 350) vor. "Die Nordwestpassage war gefunden, und sie war in der tat wegen des Eises vollkommen nutzlos, wie jedermann bereits geahnt hatte" (S. 350). Alles war vergebens. Die Expeditionen waren sinnlos, sein Leben war vertan. Franklin lässt trotzdem ein Fest feiern.

Was sein Scheitern aber vollkommen macht, ist sein Tod am 11. Juni 1847. Und nicht nur er muss mit seinem Leben bezahlen. Seine Schiffe stecken im Eis fest und alle Teilnehmer der Expedition verhungern. John Franklin und seine Ideen waren endgültig gescheitert.

Auch in den Augen seiner Mitmenschen ist John Franklin nicht gerade ein Held. Midshipman Back sagt einmal: "Ein langsamer Kapitän, so etwas geht gar nicht" (S. 186). Und Back verpasst Franklin auch den Spitznamen "Käpt'n Handicap" (S. 186). Leutnant Fowler bezeichnet ihn gegenüber Kapitän Dance als "Lahmarsch" und "Napfschnecke" (S. 102). Bei den Verhandlungen im Fort Chipewyan mit den Repräsentanten der Pelzgesellschaft um Vorräte wird er verspottet und Back merkt wie über Franklin gelacht wird (S. 221). Das Bild, das Franklin bei den Leuten abgibt, scheint also nicht das beste zu sein. Schließlich muss er in Tasmanien sogar in der Zeitung lesen, dass er "geistesschwach, blödsinnig, närrisch" sei (S. 319). Der Eindruck den Franklins Umgebung von ihm hat, scheint also durch seine Misserfolge bestätigt zu werden.

Aber wir erleben John Franklin in Nadolnys Roman auch von einer anderen Seite. Nadolny zeigt uns Franklin als einen Menschen, der es zu etwas gebracht hat, das ihm keiner zugetraut hätte.

Schon auf der ersten Forschungsreise zur Terra australis, erweist sich, dass John den meisten aufgrund seiner bedächtigen und genauen Art der Wahrnehmung und des Handelns überlegen ist. So deutet er das Verhalten der Eingeborenen als Einziger richtig (S. 92). Sein Freund Sherard charakterisiert ihn darauf so: "John ist klug. Ich kenne ihn schon zehn Jahre" (S.92). Ein anderes Mal verhindert er durch seine Besonnenheit ein völlig unsinniges Seegefecht mit dem französischen Forschungsschiff "Le Géographe", wobei er auf eigene Faust handelt

(S. 99 ff.), und die weiße Flagge hisst. Auch in einer dritten Begebenheit zeigen sich Johns besondere Fähigkeiten. Die auf einer Sandbank schiffsbrüchige Mannschaft verdankt seiner Langsamkeit und Weitsicht das Leben (S. 102). Wieviel Respekt man ihm entgegenbringt zeigt sich in den Worten von Dr. Brown, als John ihn wieder trifft, nachdem er die Kriegsmarine verlassen hat: "Unser Mann aus dem Sandbankrat! … Was sind Sie für ein Riese geworden! Ein Mann, den keiner aufhalten kann, habe ich recht" (S. 161)?

Dies ist eine Prophezeiung, mit der Dr. Brown recht hat, denn John Franklin wird Kapitän und Entdecker. Mit den Schiffen "Dorothea" und "Brent" macht sich Kapitän Franklin 1818 auf zum Nordpol. Zunächst noch unter dem Oberkommando Buchans. Auch hier erweist sich der anfangs belächelte Franklin als Führungspersönlichkeit. Wieder rettet seine Weitsicht und Entschlossenheit einem Teil seiner Mannschaft, die sich auf einer riesigen Eisscholle verirrt hat, das Leben (S. 198 f.). John findet jetzt auch Anerkennung in den Augen seines Gegenspielers Back: "Sie haben ein Schweineglück, Sir! bemerkte Back erleichtert und frech, aber von Geringschätzung war nichts zu spüren, im Gegenteil" (S. 200). Dies umso mehr als die zwei Schiffe in einen Sturm geraten und John alle rettet indem er die Schiffe ins Packeis steuert (S. 203). Die Expedition erreicht zwar nicht den Nordpol, aber John gewinnt durch seine Erfolge immer mehr an Sicherheit, sodass ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. Er ist ein Kapitän, der an sich glaubt und aus der Situation heraus rational, pragmatisch und letztendlich erfolgreich handelt.

Der Erfolg stellt sich auch bald ein. John wird Entdecker. Seine erste Expedition als alleiniger Befehlshaber ist die Landexpedition zur Repulse Bay. Auch hier verbucht John viele Erfolge. Seine Ausdauer und seine Geduld bei den Verhandlungen um die Vorräte erstaunen alle. Franklin verhandelt trotz aller Widrigkeiten weiter, bis er sein Ziel erreicht hat. Gegenüber Back verteidigt er sich so: " Ich habe gelernt, immer so lange dumm auszusehen, bis ich klug bin. Oder bis die anderen noch dümmer aussehen als ich. Glauben Sie mir das!" (S. 221) Dies zeigt, dass er als Außenseiter gelernt hat, sich unabhängig vom Urteil anderer seine eigene Meinung zu bilden. Diese Fähigkeit zur eigenen Urteilsbildung verleihen ihm eine Würde und Ausstrahlung, die auch von den Indianern und Eskimos erkannt wird (S. 226, 240 f.). Auch sein Verhandlungsgeschick mit den Indianern sei hier erwähnt, das letztendlich den Erfolg der Expedition garantieren soll. John sieht es so: "Er nahm ihn als Beweis dafür, dass Frieden überall dort entstand, wo man nicht schnell, sondern langsam aufeinander zuging. Das war etwas für das Franklinsche System und für die Ehre der Menschheit" (S. 226). Auch nach dem Scheitern der Expedition als seine Männer in völlig aussichtsloser Situation vor Hunger und Kälte fast wahnsinnig sind, gibt John die Hoffnung auf Rettung nicht auf (S. 249 ff.). Und als die Indianer zur Rettung eintreffen, die Hütte aber nicht betreten wollen, wegen der unbestatteten Toten, ist es Franklin, der das Problem begreift und die Toten mit letzter Kraft begräbt (S. 264). Trotz dieses Misserfolgs verfolgt John Franklin weiter die Suche nach der Nordwestpassage und auch hier ist ihm durch seine Ausdauer Erfolg beschieden. Er wird Leiter einer weiteren Expedition und macht seinen Lebenstraum wahr. Die Nordwestpassage wird von ihm entdeckt (S. 350). Seine Forscherreisen bringen ihm auch Ruhm und Ehrungen, Ansehen und Titel. In Paris erhält er "die Goldmedaille der Geographischen Gesellschaft" (S. 289). John speist mit Baron Rothschild und Louis Philippe von Orleans (S. 289). "In Oxford machte man ihn zum Ehrendoktor der Rechte, in London schlug ihn der König zum Ritter und fügte seinem Namen einen Henkel an: »Sir« John Franklin" (S. 290). John ist also ein echter Held geworden.

Diese Erfolge und Ehrungen verdankt John aber nicht nur seinen Expeditionsreisen, sondern sie resultieren letztendlich aus seiner Karriere als Schriftsteller, denn seine Bücher über seine ersten beiden Expeditionen werden Erfolge auf der ganzen Linie. Er kommt zu Reichtum, er wird in die Royal Society aufgenommen und Peter Mark Roget "teilte Franklin mit, er sei gar nicht langsam. Er sei nie langsam gewesen, sondern ein ganz normaler Mensch! … Plötzlich war er normal und zugleich der Größte und der Beste" (S. 275). Für die Allgemeinheit ist er nun kein Außenseiter mehr und zu noch höherem berufen.

John Franklin wird schließlich 1837 Gouverneur in Tasmanien und auch hier hat er meiner Meinung nach Erfolge. Einen sehe ich in der Formulierung seines Ziels: "Aufbau einer jungen Gesellschaft, in der Geschäftigkeit noch eine Chance hat" (S. 292), und "John hatte nicht vor seine regulären sechs Jahre dort als besserer Gefängnisaufseher abzusitzen" (S. 295). Er will etwas verändern und allein das ist positiv. Schließlich glaubt er, dass das Franklinsche System auch in der Politik etwas Positives bewirken kann. Trotz aller Intrigen hinterlässt er dauerhafte Spuren: "Die gesamte Küste der Insel wurde neu kartographiert … Die Walfänger und ortsansässigen Handelsreeder wurden von allen Hafengebühren befreit. Die Zahl der Schiffe wuchs daraufhin rapide …" (S. 327). Er benennt die Insel in Tasmanien um und versucht ihr den Charakter einer Strafkolonie zu nehmen. Dass John Erfolg hatte mit seinem System zeigt sich schließlich am Tag seiner Abreise. "Strand und Hafen waren überfüllt wie sonst nur bei der großen Regatta. … Mr. Neat vom »True Colonist« … erklärte: »Wenn dieses Land jemals den Weg zu Würde und guter Nachbarschaft findet, dann auf den Spuren, die der noble und geduldige Geist Eurer Exzellenz hier hinterlassen hat!" (S. 332) Besser kann man Johns Erfolg nicht ausdrücken.

Noch ein weiterer Grund ist anzuführen, der Franklin als einen Helden ausweist. Er ist der Begründer des Franklinschen Systems, ohne das er wahrscheinlich mit seinen Voraussetzungen im England seiner Zeit ins soziale Elend abgestiegen wäre. So aber schafft er es mit seinem System "des Lebens und Entdeckens" (S. 308) Kraft aus seiner Langsamkeit zu ziehen (vgl. S. 208). "Kraft kann auch etwas anderes sein als nur Schnelligkeit", sagt John auf Seite 220. Die Grundvoraussetzungen für sein System sind Geduld, Selbstdisziplin und dass jeder seine eigenen Schwächen akzeptiert. Die grundlegenden Leitideen seines Systems sind Respekt vor anderen Menschen, den er Freund wie Feind erwies, Gerechtigkeit gegenüber jedem und absolute Aufrichtigkeit. So gelingt es ihm in allen extremen Situationen Ruhe zu bewahren und trotz seiner Langsamkeit die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sein System baut er sogar weiter aus, dass es auch für die Politik tauglich ist (S. 308 f.) und in Tasmanien positive Veränderungen bringt. Gleichzeitig muss er aber selbstkritisch erkennen, dass es gegen politische Intrigen nicht funktionieren kann (S. 314).

Ein anderer positiver Charakterzug Franklins ist die Beharrlichkeit, mit der er sein Ziel verfolgt. So sucht er lebenslang nach der Nordwestpassage bis er sie schließlich gefunden hat. Der Schluss des Romans hält auch das ein, was der Anfang schon verspricht. Dort heißt es über den kleinen John, der sieht, dass Schnelligkeit für ihn unerreichbar ist: "Jetzt wollte er nicht mehr schnell werden. Im Gegenteil, er wollte sich zu Tode verlangsamen" (S. 26 f.). Dieses Ziel erreicht er als die Schiffe "im Schraubeis endgültig eingeschlossen" werden (S. 348). Auch Sherard Lound hat Johns Ziel erreicht. Auf Seite 325 denkt John von Sherard: "Ein Uferstein, nicht mehr zu erschüttern. Er hat mein Ziel erreicht". Deshalb wird auch Franklins Tod als Siegesfeier für das Prinzip Langsamkeit zelebriert (S. 350) (vgl.: Kohpeiß, Interpret. S. 68).

Nach Abwägen aller Argumente muss man feststellen, dass John Franklin ein echter positiver Held ist, da er sich im Laufe des Entwicklungsromans aus einer recht negativen Kindheit, die geprägt war von Angst, Verunsicherung und Anderssein, herausfand zur Selbstakzeptanz und Identitätsfindung, zu Zufriedenheit, innerer Sicherheit und schließlich Weisheit und Würde. Die Langsamkeit John Franklins erweist sich der Schnelligkeit seiner Zeitgenossen als überlegen. Johns Langsamkeit schafft Vertrauen und Frieden (S. 99). Das Gegenbild dazu ist der Offizier Back (S. 220: "…ein Riese an Ehrgeiz, aber in allem was sich hinzieht ein Zeitzwerg."). Mit seinem vorschnellen Wesen schafft er überall Streit und Feindschaft. Seine Kraft und Schnelligkeit wird als Keim für Streit und Krieg gesehen. Doch unter Franklins Einfluss verändert sich Back, er übernimmt seine Grundsätze und orientiert sich an dem positiven Helden John Franklin.

Auch in der Politik in seiner Gouverneurszeit in Tasmanien hat er "dauerhafte Spuren hinterlassen" (S. 327). Auch hier wird er schließlich anerkannt. " Man begann einzusehen, dass es nicht Schwäche, sondern Souveränität war, wenn der Gouverneur sich die Ratgeber wählte, die er für geeignet hielt" (S. 327). Seine Erfolge führen John sogar bis zum Premierminister Robert Peel, der von ihm sagt: … es muss einer sein, der einen guten Ruf und Integrität besitzt. … All das trifft auf Sie zu, Mr. Franklin" (S. 339).

Johns England ist gekennzeichnet von Fortschritt und dieser Fortschritt basiert auf der Geschwindigkeit. Dr. Orme schreibt von der "fatalen Beschleunigung des Zeitalters" (S. 208). Gegen diese Hektik des technischen Fortschritts setzt Nadolny seinen Helden. Er steht für Gründlichkeit und Bedächtigkeit und ist damit seinen Zeitgenossen überlegen. Hier setzt Nadolnys Zivilisationskritik ein: Franklins Besonnenheit und Geduld schaffen Frieden und wecken Humanität. Seine schnellen Zeitgenossen erscheinen als Gefahr für die Zivilisation. Wenn Beschleunigung das Schicksal des Menschen sein sollte, dann wird die Langsamkeit des Helden hier als rettende Behinderung vorgeführt. Schließlich gewinnt John die Erkenntnis der Einheit des Lebens beim Anhören der Sonate "Opus 111" von Beethoven. Sie erlöst ihn von den quälenden Widersprüchen. Es gibt für ihn keine Gegensätze mehr: "Sieg oder Niederlage gab es gar nicht …" (S. 341). Die Summe seines Lebens könnte auch lauten: Wer

sich selber treu bleibt, siegt auch im Scheitern.

Abschließend kann man sagen, dass John Franklin ein besonderer Mensch, Entdecker und Forscher ist. Er bestätigt, dass es oft die Querdenker sind, die letztendlich etwas bewegen. Es sind Menschen, die sich gegen den Zeitgeist stellen, die unbequeme Wege gehen, um schließlich zu neuen Zielen zu gelangen. Das sind die echten Helden unserer Zeit.

Literaturverzeichnis:

Kohpeiß, Ralf, Oldenbourg Interpretationen (Nr. 77 Sten Nadolny, die Entdeckung der Langsamkeit), München 1995 (Abk. Kohpeiß, Interpret.)

Nadolny, Sten, Die Entdeckung der Langsamkeit, München April 1999, 31. Auflage "Die Zeit" vom 19.09.1997

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Nadolny, Sten - Entdeckung der Langsamkeit - Literarische Erörterung
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V101347
ISBN (eBook)
9783638997645
Dateigröße
349 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nadolny, Sten, Entdeckung, Langsamkeit, Literarische, Erörterung
Arbeit zitieren
Clemens Löffler (Autor:in), 2001, Nadolny, Sten - Entdeckung der Langsamkeit - Literarische Erörterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101347

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