Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

4 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn

“(...) Um halb acht schlossen auch wir die Tür hinter uns. Die einzige, von der ich Abschied nehmen musste, war Moortje, meine kleine Katze, die ein gutes Heim bei den Nachbarn bekommen sollte, wie auf einem Briefchen an Herrn Goldschmidt stand.

Die aufgedeckten Betten, das Frühstückszeug auf dem Tisch, ein Pfund Fleisch für die Katze in der Küche, das alles erweckte den Eindruck, als wären wir Hals über Kopf weggegangen. Eindrücke konnten uns egal sein. Weg wollten wir, nur weg und sicher ankommen, sonst nichts. Morgen mehr. Deine Anne

Donnerstag, 9. Juli 1941

Liebe Kitty,

So gingen wir dann im strömenden Regen, Vater, Mutter und ich, jeder mit einer Schul- und Einkaufstasche, bis obenhin vollgestopft mit den unterschiedlichsten Sachen. Die Arbeiter, die früh zu ihrer Arbeit gingen, schauten uns mitleidig nach. In ihren Gedanken war deutlich das Bedauern zu lesen, dass sie uns keinerlei Fahrzeug anbieten konnten.

Der auffallende gelbe Stern sprach für sich.(...)“

Aus: Anne Frank Tagebuch

Aufgabe: Beschreibe „Aktion 3“ und „M-Aktion“. Mache dabei die Mechanismen deutlich, die staatliche Organe und „die deutschen Nachbarn“ gegen ihre jüdischen Mitbürger benutzt haben.

Hintergrund: Vom 29.10.1998-10.1.1999 fand im Stadtmuseum Düsseldorf eine Ausstellung mit dem Namen <Betrifft: Aktion 3 - Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn> statt, zu der ein Begleitbuch mit gleichem Titel im Aufbau-Verlag erschien, das als Quelle für dieses Referat diente. Ausstellung und Buch befassen sich mit Ersteigerungen von jüdischem Eigentum durch „Reichsbürger“, die Dokumente zur Arisierung wurden ausgewählt und kommentiert von Wolfgang Dreßen.

Gliederung:

- Einleitung und Anfänge der „Entjudung“
- Aktion 3
- M-Aktion
- Schluss-Resümee

Ständig sehen wir grausame Bilder, die an die Konzentrationslager, an abgemagerte Gestalten, an Vernichtungsanlagen, etc. erinnern. Bücher, Filme und andere Medien informieren, Ausstellungen mit diesen Themen erleben Besucherrekorde. Auch Gedenkstätten, Gedenktage, Jahrestage werden organisiert und überall finden sich „Betroffene“ zusammen, die der Opfer gedenken. Andererseits wurden bis heute Archivbestände vernichtet oder gesperrt, die ein ganz anderes Bild der „betroffenen“ Deutschen vermitteln, sie konfrontieren mit den Tätern. Beliebt ist es, die Täter als barbarisch darzustellen, als Fremde, die mit uns nichts zu tun oder gemeinsam haben. Diese Darstellungen bestätigen das Bestreben der Gegenwart, eines „Rechtsstaates“, der das staatliche Gewaltmonopol sichern will.

Doch in den gesperrten Akten tauchen Täter auf, die nicht gegen das Gewaltmonopol verstoßen haben, sie verstießen gegen kein Gesetz und handelten somit rechtmäßig. Auch handelte es sich keinesfalls nur um Barbaren und fremde Einzeltäter sondern um „brave“ Familienväter und Beamte.

Die „Entjudung“ fing bereits mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler an (30.1.1933). Schritt für Schritt wurden Juden aus dem politischen und gesellschaftlichen Bereichen des Lebens ausgeschlossen, zu allererst aus den Behörden und aus der Politik, damit sie nicht gegen die antijüdischen Gesetze stimmen konnten und damit die Aufstiegschancen „arischer“ Beamter erhöht wurden. Immer mehr Rechte wurden den Juden genommen und alles wurde gesetzlich abgesichert und legalisiert. (z.B. das Zugriffs- und Bereicherungsrecht vom 26.05.1933, das gegen „besondere Reichsfeinde“ eingesetzt wurde, zu denen bald auch Juden gehören sollten - erst galten nur Kommunisten als „bes. Reichsfeinde“.)

Die Auswanderung war erwünscht, doch um eine Kapitalflucht zu verhindern, griffen die Finanzbehörden auf ein bekanntes Mittel aus der Weimarer Republik zurück: die Reichsfluchtsteuer. Sie bildete bis zum Auswanderungsverbot 1941 eine der wichtigsten Einnahmequellen des deutschen Staates. Eine weitere Einnahmequelle war die Massenversteigerung von jüdischem Eigentum, die Besitzer waren meist schon geflüchtet (Anne Frank) oder deportiert, konnten zumindest keine Besitzansprüche mehr stellen. Informiert durch die lokale Presse hatte die Bevölkerung fast täglich die Möglichkeit z.B. in den Messehallen Köln, am Hamburger Hafen, auf dem Schlachthof in Düsseldorf oder in anderen Großstädten Mobiliar zu ersteigern. Solche Veranstaltungen liefen unter dem Tarnnamen Aktion 3, obwohl Tarnnamen in diesem Falle völlig sinnlos waren, da die Reichsbürger keine Probleme mit der Schäppchenjagd auf Kosten der Juden hatte und die „Entjudung“ offen bekannt wurde - auf den Rechnungsbelegen wurde selbstverständlich die jüdische Herkunft der Gegenstände vermerkt, auch wenn auf fast allen das Wort „geheim“ zu finden war. Jeder Suppenlöffel und Füllfederhalter, jede Zahnbürste und Jacke, jeder Papierkorb bis hin zum Wohnzimmerschrank wurde erfasst und z.T. vor Ort zur Versteigerung angeboten. Auch jeder Nutznießer wurde registriert.

1944 wurden so viele Möbel angeboten, dass die Vermutung, die Möbel kämen nur aus Deutschland, ausgeschlossen werden konnte. Doch wo kamen sie noch her?

Die United Restitution Organization hat 1958 eine Quellensammlung zusammengestellt, in der von der M- Aktion (Möbel-Aktion) berichtet wird. Kurt von Behr (Leiter des Sonderstabs Bildende Kunst) organisierte zusammen mit Alfred Rosenberg (Minister für die Zivilverwaltung der Ostgebiete und Reichsleiter für Weltanschauung) diese Aktion, bei der geraubtes jüdisches Eigentum aus dem besetzten Ausland (Belgien, Niederlande, Frankreich, u.a.) beschlagnahmt und nach Deutschland transportiert wurde bzw. als Büroinventar diente. In der Zeit von 1942 bis 1944 erreichten 674 Züge mit ca. 26.000 Waggons Deutschland, die ebenfalls aus dem besetzten Europa kamen und ausschließlich jüdisches Eigentum transportierten. Darunter waren Kunstgegenstände von hohem Wert, Hausrat und Möbel (die der Aktion schließlich ihren Namen gaben). Profitieren konnten von dieser Aktion Rosenberg, die Spediteure, die Käufer, die die Möbel unter ihrem Wert ersteigerten, die Lagerhaltungen, die Reichswehr und natürlich die Regierung, da alle Erlöse gleich weiter an die Finanzbehörden geleitet wurden. Besonders lukrativ waren die Transporte aus Antwerpen. Dort hatten Juden, die aus Deutschland geflüchtet waren, nach Zahlung ihrer Reichsfluchtsteuer ihre Wohnungseinrichtung untergestellt, die aber sofort wieder nach Deutschland transportiert wurde. So verdiente die Regierung doppelt, da die Juden 100% des Anschaffungswertes des Möbelstücks im Falle einer legalen Auswanderung zu zahlen hatten und die Regierung diese Möbel dann - wenn auch unter Wert - wieder versteigerte (Die Transportkosten fielen dabei kaum ins Gewicht). Doch Rosenberg geriet unter Druck, denn die deutsche Bevölkerung wurde immer wählerischer und achtete stark auf Qualität, er wurde jedoch beruhigt, da der Möbelbedarf groß war und die „ausgebombten“ Familien sich auch mit minderwertigen Möbeln zufrieden geben würden. Zu betonen ist bei diesem System, dass alles akribisch durch die Behörden aufgezeichnet wurde und nichts der Willkür oder privater Gewalt Einzelner überlassen werden sollte.

Viele versuchen dieses Verhalten der nichtjüdischen Menschen gegenüber ihrer jüdischen Mitbürger zu rechtfertigen, Worte wie „Überlebenskampf“, „Armut“ oder „moralische Indifferenz“ tauchen immer wieder auf, doch diese Ausstellung zeigt die andere Seite der „Reichsbürger“, denn selbst die Finanzbehörden beschwerten sich öfters, dass ihr Geschäftsbetrieb wegen der vielen „Kaufliebhaber“ gestört wurde, sie wurden regelrecht überschüttet von Briefen braver Familienväter, die Gründe aufwarfen, warum ausgerechnet sie in das große Haus, das ehemals einer reichen jüd. Familie gehörte, ziehen müssten, dass doch gerade frei geworden wäre und eben nicht der Ritterkreuzträger.

Der Verleugnungsformel der Deutschen nach 1945 „Wir haben von nichts gewusst“ werden wieder einmal

Dokumente entgegengehalten, die belegen, wie eifrig Hitlers Vollstrecker, ganz normale BürgerInnen, mitgemacht haben, als Ersteigerer, Versteigerer, Spediteure, als pflichtbewusste „arisch“-deutsche Beamten. Der ebenfalls beliebte Ausspruch „Wir haben nichts Unrechtes getan“ hingegen stimmt leider auf damalige Gesetze bezogen und unterstreicht den Schrecken des „legalen“ Handelns.

Anbei noch eine Skizze, die die staatlich abgesicherte Enteignung etwas verdeutlichen soll:

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2001
Seiten
4
Katalognummer
V101029
ISBN (eBook)
9783638994514
Dateigröße
331 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Nachbarn
Arbeit zitieren
Anne Schroth (Autor:in), 2001, Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101029

Kommentare

  • Gast am 3.11.2001

    Anfrage von Shoa.de.

    Hallo Frau Schroth,

    ich habe gerade ihre Arbeit auf Hausarbeiten.de gesehen und wollte Sie fragen, ob Sie nicht auch Lust hätten, bei uns mitzuarbeiten.

    Unser Arbeitskreis betreibt das derzeit größte Portal zum Thema 3. Reich, Zweiter Weltkrieg und Holocaust und ist unter anderem unter www.shoa.de oder www.wk-2.de zu erreichen.

    Wir suchen noch engagierte Mitarbeiter, die Lust haben bereits vorhandene Arbeiten bei uns zu veröffentlichen, oder sogar neue Artikel zu schreiben.

    Wir würden uns sehr freuen, vielleicht auch Sie dazu gewinnen zu können.

    viele Grüße

    Stefan Mannes

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Titel: Deutsche verwerten ihre jüdischen Nachbarn



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