Organisierter Heiratshandel


Hausarbeit, 2001

19 Seiten


Leseprobe


1. EINLEITUNG

"Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten1."

Dass im ausgehenden 20. Jahrhundert im Herzen Europa Menschen versklavt werden, gehört zu den empörenden Wirklichkeiten unserer Zeit. Die Rede ist von Menschenhandel2, der mo- dernen Form von Sklaverei, dem hauptsächlich Frauen zum Opfer fallen. Mehr als tausend Opfer von Menschenhandel werden pro Jahr allein in Deutschland ermittelt - die Dunkelziffer liegt beträchtlich höher.

Durch organisierten internationalen Menschenhandel aber auch durch quasi "privaten" Heiratshandel ist der Frauenhandel in Deutschland zu einem ernsten Problem geworden. Der Handel mit Menschen, vor allem mit Frauen, nimmt in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu. Auf der ganzen Welt blüht der Handel mit Frauen in die Prostitution, in die Ehe und in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse.

Menschenhandel bezeichnet den Zwang zu sexuellen Handlungen unter Ausnutzung der aus- landsspezifischen Hilflosigkeit und/oder den Zwang zur Prostitution. Waren hiervon bis vor wenigen Jahren vorwiegend Frauen aus Afrika, Asien und Lateinamerika betroffen, so nimmt die Ausbeutung von Frauen aus dem osteuropäischen Raum (Polen, Rumänien, Russland, Tschechien u.a.) deutlich zu; In den so genannten Industrieländern gesellt sich die Nachfrage nach bestimmten Migrantinnen, die die Migration erst ermöglichen. Hierzu gehört beispiels- weise die in allen europäischen Zielländern herrschende Nachfrage nach billigen, "unterwür- figen" weiblichen Arbeitskräften im Dienstleistungssektor, nach "exotischen" Frauen im Un- terhaltungssektor, sei dies in der Prostitution, in der Animation oder im Striptease, sowie nach "gefügigen", "duldsamen" und "exotischen" Ehefrauen.

Die Menschenhändler und Zuhälter erzielen hohe Gewinne, die Opfer hingegen leben meist unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es ist ihnen kaum möglich, in ihrer Situation Unterstützung zu finden und sich aus ihr zu befreien. Ausländische Frauen werden in die Prostitution, aber auch in die Ehe und in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gezwungen. Oft müssen sie unter Bedingungen leben und arbeiten, die nur noch als Sklaverei zu bezeichnen sind. Es ist nicht bekannt, wie viele Frauen in Deutschland davon betroffen sind, denn die Dunkelziffer im Bereich Frauenhandel ist sehr hoch. Die Tendenz ist jedoch steigend.

Die Armut und Ausweglosigkeit der Frauen wird von den Anwerbern und Schleppern ausge- nutzt. Sie versprechen Arbeit, Ehe oder auch die Tätigkeit als Prostituierte, aber sie ver- schweigen die menschenunwürdigen Umstände, die Brutalität und die Rechtlosigkeit, in die die Frauen gezwungen werden. Drohungen, Mißhandlungen und Vergewaltigungen sind dabei an der Tagesordnung. Die Angst der Frauen vor den Zuhältern und ihr zumeist illegaler oder unsicherer Aufenthaltsstatus hindern die Frauen daran, sich Hilfe bei der Polizei oder anderen Behörden zu suchen. Die Täter haben kaum etwas zu befürchten - ein gewinnträchtiges und risikoarmes Geschäft. Kommt es dennoch zum Prozeß, sind die Opfer die einzigen Zeuginnen - doch sie sind oft entweder schon abgeschoben, oder sie schweigen aus Angst um sich und ihre Familie. Ermöglicht wird dieses lukrative Geschäft durch die große Nachfrage der hiesigen Freier und Heiratsinteressenten. Um das Verbrechen Frauenhandel wirksam zu bekämpfen, darf man diesen Aspekt nicht vernachlässigen.

In meiner Hausarbeit versuche ich ein Bild darzustellen, was diese Frauen dazu bewegt, bzw. was die Gründe sind für ihre Entscheidungen und ihr Handeln, was sie alles durchstehen müs- sen, um ein „besseres“ Leben zu haben und welchen Problemen sie in Deutschland gegenüber stehen.

2. HINTERGRÜNDE UND MOTIVE DER MIGRATION

Eine Möglichkeit, schlechten Lebensbedingungen zu entkommen, ist die Migration. Die Gründe mögen vielfältig sein, die Folgen sind es nicht: Diskriminierung, Rechtlosigkeit, Aus- grenzung und alltäglicher Rassismus sind die häufigsten Erfahrungen von Frauen, deren ab- hängige Lage durch das geltende Recht noch verschärft wird. Ich habe hier versucht, die am häufigsten vorkommenden Motive und Gründe darzustellen und zu erklären. Man muß hier deutlich sagen, daß alle Gründe zusammen eine Rolle spielen um die Entscheidung zu treffen.

2.1 Schlechte Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt

Migration ist nicht nur ein Begriff, unter dem sich Millionen von Menschen finden, er be- nennt auch einen ökonomischen Faktor. In vielen Ländern des Südens und Ostens werden die Subsistenzgrundlagen und folglich die Arbeits- und Lebensstrukturen zunehmen zerstört. Frauen sind besonders davon betroffen. In zwei Dritteln der Haushalte des Südens und Ostens sind Frauen die Hauptverantwortlichen. Das heißt, sie sind neben Reproduktions- und Erzie- hungsarbeit auch für den finanziellen Unterhalt der Familie zuständig. Das in diesen Ländern3 die schlechten Bedingungen für die Frauen auf dem Arbeitsmarkt herrschen, bekommen die Frauen kein ausreichendes Einkommen. Dies trifft nicht nur Frauen ohne Qualifizierung, sondern auch Frauen, die beruflich gut qualifiziert sind. Die Erwerbsarbeit ist vorwiegend ungeschützt und geprägt von beruflicher Minderbewertung, fehlenden Aufstiegschancen und schlechter Entlohnung. In der immer prekärer werdenden Situation ist Migration eine mögliche Überlebensstrategie, die mit vielen Risiken und Gefahren verbunden ist.

Die wirtschaftliche Not der Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und nun auch noch aus Osteuropa wird weiter schamlos ausgenutzt und eine ganze Reihe von anderen Problemen kommen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung hinzu (z.B. Frauenhandel, Heiratshandel, illegale Arbeitsvermittlung und Zwangsprostitution von minderjährigen Frauen)

2.2 Verantwortungsloses männliches Rollenverhalten

Viele Frauen sind in eine finanzielle Zwangssituation geraten, weil der Vater gemeinsamer Kinder keine materielle Unterstützung gibt und der Mutter die alleinige Verantwortung für die Kinder überläßt. Dazu kommt noch eine Last - der Staat. In Ländern wie Thailand steht den alleinerziehenden Müttern keine staatliche Unterstützung zu. Diese Tatsache zusammen mit dem Einkommen, das sowieso am unteren Existenzminimum liegt, drückt die Frauen in ernste materielle Schwierigkeiten4. Das heißt, alles liegt auf den Schultern der Frauen.

2.3 Gute Zukunftsperspektive für die Kinder

Den Wunsch, ihren Kinder eine gute Zukunftsperspektive zu ermöglichen, trägt fast jede Frau in sich. Die meisten möchten ihren Kinder ein besseres Leben ermöglichen, als sie es selbst haben und hatten. Das eigene Wohlergehen ist für die Frauen direkt mit dem Wohlergehen ihrer Kinder verknüpft. "Je erfolgreicher mein Kind ist, desto erfolgreicher und glücklicher" bin auch ich sagen Frauen, die in dem Moment auch das Gefühl des Stolzes haben. Damit sind auch, für viele von ihnen, die Probleme vergessen, die sie noch immer haben.

2.4 Verantwortung der Frau für das materielle Überleben der Familie

Die Migrantinnen, die Kinder in Herkunftsländern haben, schicken das Geld zu deren Versor- gung nach Hause5. Die große Mehrheit der Migrantinnen kommt zudem finanziellen Anforde- rungen gegenüber anderen Angehörigen in der Heimat nach. Die Eltern und Geschwister wer- den auch regelmäßig unterstützt6. Die materielle Unterstützung der Herkunftsfamilie hängt auch von deren wirklichem finanziellen Bedarf ab. So kann man behaupten, daß die Frauen, die keine finanzielle Unterstützung leisten, meist dem Mittelstand angehören, so daß materielle Hilfe nicht unbedingt notwendig ist7.

Die finanzielle Unterstützung beweist einerseits den Erfolg der Migration und anderseits wertet die erfolgreiche Migration die Betreffenden im Verwandtschafts- und Freundeskreis auf.8

2.5 Sexistische gesellschaftliche Ausgrenzungen

Die Frauen mit abweichendem Sexualverhalten werden schnell marginalisiert. Damit sind hier stigmatisierte Frauen gemeint, denen geringere Chance auf eine "seriöse" Partnerschaft gege- ben sind, weil sie ihre Jungfräulichkeit verloren haben9. Hier herrscht eine gesellschaftliche Doppelmoral. Auf der einen Seite werden die "unmoralischen" Frauen ausgegrenzt aber auf der anderen Seite steht eine hohe Nachfrage nach Prostituierten (z.B. in Thailand). Für diese "unmoralischen" Frauen läßt sich die geltende Norm des Zusammenlebens in der Ehegemeinschaft nicht mehr realisieren. Sie erfahren gesellschaftliche Ächtung, weil ihr der Zugang zur Institution Ehe und der damit verbundenen Aufwertung verwehrt bleibt. Die Mög- lichkeit ihre Existenz durch eine Ehe abzusichern, besteht nicht. Sie können dem Heiratsdruck mit einem ausländischen Ehemann nachgeben und ihre materiellen Interessen in einer eheli- chen Wirtschaftsgemeinschaft zu verwirklichen suchen.

2.6 Die Anziehungskraft des Terminus "Ausland"

Der Terminus "Ausland" stand und steht noch immer für viele Frauen (aber nicht nur für sie) als Symbol für Wohlstand und Reichtum. Neben den Informationen, die Leute über Fernsehen und andere Medien bekommen, hören sie über den zunehmenden Wohlstand und, daß Migration Reichtum bedeutet, oder zumindest bedeuten kann, von Migrantinnenfamilien. Die Leute verbinden mit dem "Ausland" Geld, eine bessere Lebenshaltung, Fortschritt und mehr Bequemlichkeit. Migrationsfördernd wirken auch die ausländische Touristenströme, die die Gegensätze zwischen Armut und Wohlstand sehr plastisch demonstrieren. Aber die Wahrheit kommt schnell aufs Licht und damit auch die Enttäuschung.

3. WEGE UND FORMEN DER AUSREISE

Aus Mittel- und Osteuropa, aus Asien, Lateinamerika sowie Afrika werden jährlich mehr als eine Million Frauen in reiche Industrieländer einreisen. Zu den "Spitzenabnehmern" gehört Deutschland.

Die Frauen nutzen verschiedene Vermittlungsformen und Einreisewege. Das es kaum eine legale, selbst zu organisierende Möglichkeit gibt, sind die Migrantinnen oft von den verschie- denen Personen und Gruppen abhängig. Dadurch wird Migration gelenkt oder auch nur unter- stützt von:

a) den organisierten Vermittlern, Schleppern und Heiratshändlern
b) den (zukünftigen) Ehemännern
c) den Verwandten und Freunden, die bereits in Ausland leben

3.1 Organisierte Vermittler, Schlepper und Heiratshändler

Der Handel mit den Frauen geschieht sowohl durch Prostitutionstouristen als auch durch in- ternationale Ehevermittlung und illegale Arbeitsanwerbung. Die Frauen werden wie Ware angeboten. Dieses Geschäft, das „hohe Gewinne bei niedrigem Risiko" verspricht, gilt man- chen Beobachtern längst als kaum getarnter Menschenhandel: Die ausländischen Frauen wer- den hier einseitig an Männer vermittelt, nicht umgekehrt. Hier sucht der Mann aus und be- zahlt für die Frau. Der Akt des Bezahlens scheint dabei wichtig zu sein, er macht den Mann zum "Besitzer" der Frau. Die Frauen bleiben bei diesem Handel weitgehend passiv. In den meisten Fällen kennen sie den zukünftigen Partner nicht einmal vom Bild her, sie haben so gut wie keine Auswahlchancen. Oftmals werden sie direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland an die sich interessierenden Kunden weitergegeben. Eine "Umtausch-Garantie" ermöglicht es dem Kunden, die Frau "zurückzugeben", wenn sie ihm, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder (nach dem "Ausprobieren") nicht mehr zusagt. Umgekehrt werden Bedenken der Frauen den Männern gegenüber von seiten des Heiratsvermittlers in der Regel erst nach zähen Verhandlungen und Boykotten der Frauen nachgegeben. Hinzu kommen noch die Hilflosig- keit und die Verständigungsschwierigkeiten der ausländischen Frauen, die auch in Bezug auf Gesetze und eigene Entscheidungsspielräume nicht oder ungenügend aufgeklärt wurden. Eine weitere Rolle spielt die Isolation und die Abhängigkeit der Frauen, erst vom Heiratshändler, dem sie die Einreisekosten schulden und der deshalb die Pässe und Rückflugtickets einbehält, und später vom Ehemann. Sie fühlen sich zu freundlichem Entgegenkommen verpflichtet und akzeptieren teilweise die Männer als ihr Schicksal. Die Frauen stehen unter einem enormen Druck, denn sie reisen als Touristinnen ein (jetzt auch mit Sichtvermerk) und müssen inner- halb der drei Monate Aufenthaltsdauer einen Partner finden.

Die betroffenen Frauen werden vielfach unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (z.B. Ver- mittlung als Tänzerin, Dolmetscherin, Haushaltshilfe o.ä.) in ihren Heimatländern angewor- ben und illegal oder quasi-legal (Touristenvisa) nach Deutschland verbracht, wo sie, oft unter Anwendung von Einschüchterung, finanziellem Druck oder brutaler Gewalt, zur Prostitution gezwungen werden; Schlepper und Zuhälter vermitteln die Betroffenen zumeist in Bordelle im ländlichen Raum (geringes Entdeckungsrisiko) und/oder reichen sie von Bar zu Bar weiter. Ohne Paß und Geld, mit nur mangelnden Sprachkenntnissen und dem finanziellen Druck der Bordellbesitzer ausgesetzt, leben die Frauen in völliger Abhängigkeit und Isolation; ein Aus- weg aus der Prostitution ist kaum je zu erkennen. Wie hoch der Preis ist, den sie zahlen, wird den Frauen oft erst später bewußt.

In der Bundesrepublik gibt es schätzungsweise ca. 60 Heiratsvermittlungsinstitute mit insge- samt 200 Adressen, Niederlassungen oder Lizenznehmern, die sich auf die Vermittlung "aus- ländisch-exotischer" Frauen spezialisiert haben10. Aufgrund der politischen Veränderungen sind in den letzten Jahren zunehmend Osteuropäerinnen zu Opfern der Menschenhändler ge- worden. Nach wie vor sind aber auch Frauen aus Thailand, den Philippinen11 und anderen Ländern betroffen. Seltener vermittelten Institute auch Thailänderinnen oder hatten sich gar ganz darauf spezialisiert. Dies ist auf eine gewisse Nachfrage und unterschiedliche Klischee- bildung zurückzuführen. Philippinas wurden bislang als Quasi-Europäerinnen, unter Bezug- nahme auf die spanische Kolonialzeit, betrachtet. Thailänderinnen wurden dagegen als "exo- tisch-erotische Orchideengeschöpfe" für das Sexgeschäft vorgestellt. Diese strikte Trennung scheint im Bewußtsein der Männer jetzt immer weiter aufzuweichen. Diese Entwicklung ist auch als eine Reaktion der Händler auf die Visumspflicht und auf verschärfte Kontrollen an- zusehen. Neben den asiatischen Frauen werden nun auch verstärkt Brasilianerinnen und Po- linnen vermittelt. Daneben finden sich immer wieder Anzeigen zu Mexikanerinnen, Indone- sierinnen, Ungarinnen und seltener auch zu Ghanesinnen. Der Visumzwang für die asiati- schen Länder hat scheinbar auch bei den Heiratshändlern zu einem breiteren "Angebot" ge- führt.

3.2 Die Ehemänner als Migrationshelfer

Die zukünftigen Ehemänner und deren Vermittlung haben eine zentrale Funktion bei der for- malen Regelung der Einreise und des Aufenthaltes. Aufgrund der ausländerrechtlichen Be- stimmungen in Deutschland ist die Heirat mit einem deutschen Mann nahezu die einzige Möglichkeit, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erreichen. Diese Möglichkeit nutzen viele Frauen. In der Regel besorgen die Migrantinnen die notwendigen Papiere, d.h. den Reisepaß und die Ledigkeitsbescheinigung, im Herkunftsland selbst. Alle anderen Dokumente12 und Genehmigungen werden von dem Eheman (oder auch von Vermittlern) organisiert.

Standen noch vor wenigen Jahren "anschmiegsame, unterwürfige Asiatinnen" bei bestimmten deutschen Männern hoch im Kurs, ist derzeit die "nichtemanzipierte, häusliche Osteuropäe- rin" gefragt.

3.3 Verwandte und Freunde

Auch in Deutschland lebende Verwandte und Freunde spielen eine große Rolle bei der Migra- tion der ausreisewilligen, da sie oft die Einreise organisieren und einen dauerhaften Aufent- halt ermöglichen. Soweit sie finanziell dazu in der Lage sind, unterstützen die in Deutschland lebenden Frauen die Migration ihrer Verwandten und ermutigen sie zur Einreise in die BRD. Die Vermittlung über die Verwandte zeigt ein solidarisches und nicht profitorientiertes Inte- resse. Hier werden eher emotionale oder materielle Gegenleistungen erwartet13. Hauptsächlich „erfolgreiche“ Frauen, die sich eine Zukunft in Ausland aufbauen, übernehmen die Rolle der Migrationshelferin. Andere bereits in BRD lebende Frauen, die unter anderem in Sexgewerbe arbeiten, möchte ihre Familienangehörigen nicht nachholen. Sie wollen ihren Familienange- hörigen nicht zumuten, in ähnlich schlechte Lebensbedingungen zu geraten14.

Die Verwandten versuchen manchmal potentielle Ehemänner für die Einreisewilligen zu fin- den, bevor das 3-monatige Touristenvisum ausläuft. Neben der Vermittlung im Bekannten- und Freunddeskreis ist die Partnerschaftsanzeige ein oft benutzter Weg. Jedoch steht fest, selbst die Vermittlung über den privaten Verwandtenkreis bietet keine wirkliche Sicherheit für eine gute Zukunft.

4. LEBENSBEDINGUNGEN IN DER MIGRATION

4.1 Die Heiratsmigrantinnen

Hier stellt sich die Frage, nach welchen inneren Muster die Migrantinnen ihr Leben bestimmen und organisieren und was die Handlungsmotive der Heiratsmigration sind. Man redet hier von drei Typen der Handlungsmotivarionen:

a) die Versorgungsmotivation→ materielle Sicherheit für sich und die Kinder ist das Kriterium für die Auswahl des Ehepartners, die anderen Probleme werden als unbedeutend eingestuft15. Besonders die Frauen, die schlechte persönliche Erfahrungen mit Männern in Herkunftsland hatten und wegen des Wunsches nach Versorgung migrierten, bewerten des Verhalten deutscher Männer positiv. Bei den Familienangehörigen der Frau findet diese Ehe die Akzeptanz. Solche Familien leben am meisten am Existenzminimum.
b) die Partnerschaftsorientierung→ die Frauen gehen eine emotional motivierte Liebesheirat ein. Sie nehmen keine explizit negative Haltung gegenüber Männern im Herkunftsland und andererseits haben sie keine Überbewertung des deutschen Mannes. Bei diesen Frauen steht die emotionale Bindung und nicht finanzielle Vorteile in Zentrum der Ehe. Diese Eheschließung wird von den Familienangehö- rigen der Frau nicht akzeptiert, insbesondere wenn sie keine finanzielle Vorteile mit sich bringt.
c) die Individualisierungswünsche→ diese Frauen streben einen individuellen Frei- raum an und die persönlichen Bedürfnisse werden vor die Gemeinschaftsinteressen gestellt. Sie wollen sich von traditionellen familiären Verflechtungen und Sozialstrukturen im Herkunftsland befreien16 und auch eine materielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit erreichen.

Daß die meisten Frauen, die aus einem nicht-europäischen oder nicht EU Herkunftsland kommen, einen ungesicherten Aufenthaltsstatus oder gar kein legales Aufenthaltsrecht haben, versuchen sie einen in Deutschland durch die Heirat eines deutschen Mannes oder Mannes, der einen gesicherten Aufenthaltsstatus hat, zu bekommen. Das geht nicht immer so leicht und problemlos.

4.2 Verschiedenen Konfliktmerkmale

Die Frauen, die so eine Ehe einsgehen, leben in einer bi-kulturellen Beziehung. Oft hört sich das sehr schön und exotisch an, aber in Wirklichkeit tauchen in vielen Fällen verschiedene Probleme auf.

4.2.1 Altersunterschied

Zwischen den Partnern besteht häufig ein großer Altersunterschied. Die meisten Männer haben den Wunsch nach einer jüngeren Partnerin. Diese Möglichkeit bietet ihnen der Katalog17. In diesen Fällen, wo man sich über Heiratsvermittlung kennenlernt, ist der Altersunterschied sehr hoch. Die Männer profitieren von ihrer Staatszugehörigkeit, weil sie dadurch den Frauen wirtschaftliche Besserstellung und Aufenthaltsrechte signalisieren und versprechen. Für Frauen sind das die Sachen, wodurch sie den Altersunterschied kompensieren18.

4.2.2 Kennenlernenphase

Ausländerrechtliche Regelungen haben einen entscheidenden Einfluß auf die Lebensbedin- gungen der Frauen, insbesondere auf ihre eheliche Beziehung19. Sie bestimmen unter anderen auch die Kennenlernzeiten der Paare. Die Partner haben wenig Zeit, sich vor der Eheschlie- ßung wirklich kennenzulernen. Dieser Zeitraum geht schon von ein paar wenigen Wochen bis zu drei Monaten. Wieso gerade drei Monate? Ganz einfach. Wenn die Frau nach Deutschland kommt, hat sie das Visum nur für drei Monate und nur so lange kann sie sich hier aufhalten. Innerhalb dieser Zeit muß die Eheschließung beantragt werden bzw. die Ehe geschlossen werden. Der gleiche Zeitraum gilt für ein Visum zur Eheschließung, für dessen Erhalt bereits die Voraussetzungen zur Eheschließung vorliegen müssen20. Es ist auch festzustellen, daß sich viele Frauen erst in der Bundesrepublik einen Ehemann suchen und zur Eheschließung entscheiden. Es handelt sich wahrscheinlich um die Frauen, die sich von Freunden und Ver- wandten vermitteln lassen21. Aber seit der Novellierung des Ausländergesetzes22 ist es nicht mehr möglich, auf der Basis eines Touristenvisums zu heiraten und danach eine Aufenthalts- erlaubnis zu erhalten.

Die Frauen müssen sich schon vor Einreise zur Eheschließung entscheiden und ein entspre- chendes Visum beantragen. Dadurch haben sie wenig Zeit um ihren zukünftigen Ehemann richtig kennenzulernen.

4.2.3 Kulturelle und sprachliche Differenzen

Diese Differenzen sind eines von vielen Beziehungsproblemen, die sich im Alltag festmachen. Bei vielen binationalen Ehen ist er durch sprachliche und kulturelle Hürde erschwert. Über die kulturellen Verschiedenheiten wird meistens nicht gesprochen. Das bedeutet die Unkenntnis oder Ablehnung der Kultur der oder des anderen. Wegen sprachlicher Barrieren und kultureller Mißverständnissen sind die Kommunikation und der Austausch kaum möglich. Und diese zwei Sachen sind in der Ehe, besonders wo die Partner aus Ländern mit unterschiedlicher Kultur und Sprache kommen, sehr wichtig um den anderen zu verstehen und so akzeptieren, wie er oder sie ist. Die Männer sind hier wenig tolerant und offen und wenn sie sich interessieren, dann ist dies am meisten nur oberflächlich.

„Deutsche Sprache, schwere Sprache“ - diesen Spruch kann die Mehrheit der Heiratsmigran- tinnen bestätigen. Sie haben Probleme mit der Sprache und die Verständigungsprobleme sind zu Beginn der Beziehung besonders groß. In der Regel ist die gemeinsame Sprache die Spra- che des Mannes mit Hilfe einer dritten Sprache (am Anfang, wenn die Frauen noch nicht so gut Deutsch sprechen). Einige von denen lernen nie richtig Deutsch. Warum, fragen sich viele Bürger Deutschlands? Es liegt nicht nur daran, daß man nicht genug begabt ist, um die Spra- che zu lernen. Sonder sie haben vielmehr Angst „verdeutscht“ zu werden und betrachten den Aufenthalts in der BRD als Übergangslösung. Ein Problem, das auch die Sprache betrifft, ist die Verständigung mit den eigenen deutschsprachigen Kindern. Es entstehen massive Kom- munikationsprobleme mit den eigene Kindern, die in Deutschland geboren und ausschließlich mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind.

4.2.4 Erziehungsvorstellungen

Viele Heiratsmigrantinnen haben Kinder. Sie leben entweder in Deutschland oder im Herkunftsland. Großer Teil der Frauen versucht die Kinder nach Deutschland zu holen und ihre Zukunftsperspektive zu verbessern aber auch die Trennung von ihrer Familie teilweise zu überwinden23. Die Kinder haben eine große Bedeutung für die Migration.

Die unterschiedliche Erziehungsvorstellungen in der binationalen Ehen sind oft die Grundlage für ernstzunehmende Konflikte. Die Frauen möchten an ihre Kinder die Werte der eigenen Kultur weitergeben - Respekt vor dem Alter, zusammen mit materieller Hilfe und der finan- ziellen Versorgung und höfliche Umgangsformen24. Sie möchten aber auch nicht, daß sich ihre Kinder deutsche Wertvorstellungen unkritisch zu eigen machen. Darunter wird Bildung, Wissen, Ausbildung und verantwortungsvolle Verhalten als sehr positiv gesehen. Ein weiteres Problem, welches ich schon oben erklärt habe, ist die Verständigungsprobleme mit den eigenen Kindern. Die manche Frauen sind streng und mit frühzeitigen Verpflichtun- gen erzogen worden und so möchten sie auch ihre Kinder erziehen. Ihre deutschen Männer sind eher auf eine liberale Erziehungsmethode orientiert. Aus diesen zwei Tatsachen entste- hen dann die Probleme.

4.2.5 Kontrolle über das Geld und seine Verwendung

In den Ländern wie Thailand und Philippinen hat die Frau die Oberhoheit über gemeinsam erwirtschaftete Gelder der Familie25. In der westlichen Gesellschaft, wie in Deutschland, liegt die Verwaltungsbefugnis für das Geld meistens bei dem Mann. Manche Frauen haben keinen Zugriff auf das Bankkonto, besonders die Frauen, die nicht berufstätig sind. Die berufstätigen Frauen haben entweder Zugang oder die Ehepartner lassen ihre Einkommen getrennt auf ei- genen Konten laufen.

Manche von den Frauen gewöhnen sich an die monetäre Vorherrschaft des Mannes. Sie pas- sen sich an, solange sie sich auch mit eigenen Wünschen nach dem Verwendungszweck der Gelder durchsetzen können. Sie akzeptieren die Kontrolle der Männer über die Geldvertei- lung. Aber das akzeptieren nicht alle Frauen. Viele haben Probleme damit und möchten ihr eigenes Geld haben. Das ist sehr wichtig für sie. Dabei muß es sich nicht zwangsläufig um selbstverdientes Geld handeln, sondern es kann auch eine vom Mann überlassene feste Sum- me sein. Damit wollen sie sich vor unvorhersehbaren Ereignissen schützen, insbesondere für den Fall der negativen Entwicklung der Beziehung zum Ehemann. Die monatliche Überwei- sungen an Familienangehörige in der Heimat können zu großen Konflikten in der Ehe führen. Manche Ehemänner akzeptieren meistens die Zahlungen an die Eltern, bei den Geschwistern hört diese Akzeptanz auf.

4.2.6. Verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen

Die Einbindung in ein vertrauensvolles, solides und emotional ansprechendes soziales Umfeld ist für die Integrität und Stabilität eines jeden Individuums von großer Bedeutung. Das ist manchmal nicht so leicht. Die Frauen haben oft Schwierigkeiten in ihrem sozialen Kontext, vor allem mit Bekannten, Freunden und Verwandten. Sie sind teilweise sozial isoliert. Die Beziehung zur deutschen Familie des Ehemannes ist auch oft belastet. Die Integration in den Verwandtenkreis des deutschen Mannes fällt den Frauen schwer, weil sie häufig Ableh- nung durch deutsche Familienangehörige erfahren. Häufig wird die Verteilung und die Verfü- gung über Geld zum Thema der Auseinandersetzung. Manchmal wird der Frau die Ausnut- zung „des Sohnes oder Bruders“ vorgeworfen, damit sie ihre Verwandten materiell unterstüt- zen kann. Es kommt nicht selten vor, daß die Angehörigen der Familie des Mannes Vorurteile gegenüber der ausländischen Schwägerin oder Schwiegertochter haben. Mit der Zeit bauen sich jedoch manche Vorbehalte ab und eine Integration kann doch noch stattfinden. Für viele Frauen lassen sich verwandtschaftliche Berührungsängste mit freundschaftlichen Beziehungen zu Landsfrauen ausgleichen. Sie haben eine wichtige stabilisierende Funktion und der Kontakt ist sehr wichtig, vor allem dann wenn die Distanz zu deutschen Verwandten vorkommt. Auf der anderen Seite wird die Solidarität der Landsfrauen von materiellen Er- folgsdruck beeinflußt.

Manchmal beeinflussen die Männer die freundschaftliche Beziehungen ihrer Frauen. Diese massiven Einschränkungen gehen von sozialen Kontakten bis zur sozialen Isolation. Insbe- sondere die Männer, deren Frauen sich partnerschaftlich und individualistisch orientieren, setzen deutliche Grenzen im sozialen Umgang mit Landsleuten. Die Ehefrauen werden eher wie pubertierende Mädchen behandelt, anstatt wie verantwortungsbewußte Erwachsene. Aber nicht jede Einschränkung ist gegen den Willen der Frau. Zum Teil ziehen sich die Frauen selbst zurück.

Und was ist mit dem Kontakt zu den deutschen Frauen? In den meisten Fällen ist das auf oberflächliche „Begrüßungsverhältnisse“ reduziert. Der geringe Kontakt ist sicherlich eine Konsequenz von sprachlichen Verständigungsproblemen aber auch von Vorbehalten, Abwer- tungen und Ausgrenzung deutscher Bevölkerungsgruppen gegenüber ausländischen Mitbürge- rinnen.

5. ERWERBSARBEIT

Ein großer Teil der Migrantinnen, ob verheiratet oder nicht, ist in der Bundesrepublik erwerbstätig. Die Erwerbsarbeit der Frauen läßt sich in 3 Kategorien einordnen:

a) legale
b) illegale
c) Prostitution (legal/illegal)

Verheiratete Frauen können legal arbeiten und sind damit die Privilegiertesten. Das ist leider aber nur Augenschein. Die meisten Frauen arbeiten in Arbeitsbereichen, die schlecht und unterbezahlt sind und denen kein großer gesellschaftlicher Wert26 beigemessen wird. Eine große Anzahl steht in keinem festen Arbeitsverhältnis, sondern arbeitet auf Stundenlohnbasis oder Aushilfe in ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Ein weiteres Problem ist, daß Migration berufliche Qualifikation abwertet, wenn Zertifikate und Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden. Das heißt, die Migrantinnen mit einer Berufsausbildung können diese meist nicht für ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland nutzen27.

Die Zahl der Migrantinnen, die ohne Aufenthalts- und Arbeitsrechte in Deutschland leben und arbeiten kann man nur schätzen. Die Situation der illegal erwerbstätigen Frauen ist von Ar- beitsverhältnissen gekennzeichnet, die auf der Grundlage von Ausbeutung funktionieren. Sie sind in Bereichen tätig, die die geringste gesellschaftliche Anerkennung erfahren und schlecht oder gar nicht bezahlt werden. In der Regel arbeiten sie als Putzfrau; Haushaltshilfe, Kinder- mädchen, Köchin der Familie und verdienen besonders wenig. Manchmal werden sie entwür- digt und sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Hier sind vertrauensvolle Landsfrauennetze sehr wichtig, besonders dann wenn die Frau soziale oder materielle Unterstützung benötigt. Häufig werden dadurch die Arbeitsplätze vermittelt.

Um zu überleben, verhält sich die Frau „unauffällig“ und dadurch ist sie für die Gesellschaft unsichtbar. Aus Sicherheitsgründen werden sie schon von den Verwandten, Freunden und Schleppern darauf aufmerksam gemacht. Die Gesellschaft registriert diese Frauen nur latent, solange sie funktionieren und nicht öffentlich auffallen, denn sie leisten kostengünstige Arbeit und tragen damit zum Wohlstand in Deutschland bei28.

Wegen ihres illegalen Aufenthaltsstatus stehen den Frauen keine Rechtsmittel zur Verfügung, um sich gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu wehren. Sie leben in ständiger Angst, aufgegriffen und abgeschoben zu werden.

Migrantinnen in der Prostitution können legal und illegal tätig sein. Auch hier entscheidet das Bestehen der Ehe über den Aufenthalt, ohne den sie leichter ausbeutbar sind. Meist reisen die Frauen über Menschenhandels- und Vermittlernetze in Deutschland ein. Dabei verschulden sie sich sehr stark. Um das abzuzahlen, ohne legalen Aufenthalt, müssen sie als Prostituierte arbeiten. Häufig werden den Frauen falsche Versprechungen gemacht. Sie wußten nicht, daß sie als Prostituierte arbeiten sollen, sondern waren auf einen Job als Folkloretänzerin oder Bedienung vorbereitet. In meisten Fällen werden Pässe entwendet, mit der Polizei und Aus- länderbehörde gedroht, Gelder nicht zugestanden, die Unkenntnis der Sprache zum Nachteil der Frau genutzt und vieles mehr. Den Frauen bleiben kaum Möglichkeiten sich zu wehren.

6. RECHTSLAGE DER MIGRANTINNEN

6.1. Aufenthaltsrecht der ausländischen Ehefrau in Deutschland

Die Gesetze verfestigen diese Abhängigkeit von Männern, denn den Frauen kommt mit der Eheschließung kein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Nach dem neuen Ausländergesetz von 1991 muß eine Ausländerin mindestens vier Jahre mit ihrem deutschen Ehepartner zu- sammengelebt haben, um im Scheidungsfall einen eigenständigen Aufenthaltsstatus zuge- sprochen zu bekommen. In Härtefällen genügen drei Ehejahre. Eine Trennung bedeutet für die ausländischen Ehefrauen von deutschen Männern zugleich die Rückkehr in ihre Heimat Durch die Ausstellung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis hat die Ausländerbehörde Kon- takt zu den Aufenthaltssuchenden und kann dabei feststellen, ob die Ehe noch existiert. Von einer Trennung würde sie andernfalls nur durch Zufall erfahren. Wird die Ehe durch den Tod des deutschen Partners oder durch eine Trennung bzw. eine Scheidung nach Ablauf dieser Drei- bzw. Vierjahresfrist aufgelöst, so wird die Aufenthaltserlaubnis der Ausländerin um ein Jahr verlängert, eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe steht dem nicht im Wege..

Das ehe abhängige Aufenthaltsrecht schafft eine Ungleichheit in den binationalen Beziehun- gen. Dies äußert sich darin, daß die Ehemänner wissentlich ihre Machtposition ausnutzen. Das bedeutet, daß die Frauen zumindest 3 Jahre „durchhalten“ müssen, um eventuell einen eigen- ständigen Aufenthalt zu erreichen. Die Folge dieser ausländerrechtlichen Regelung ist die verstärkte Abhängigkeit von ihrem Ehemann. Oft wird diese Zwangssituation ausgenützt und Frauen müssen physische, sexuelle und psychische Gewalt ertragen, um nicht in die Illegali- sierung gedrängt zu werden. Die Frau hat nicht die Möglichkeit, aus einer schwierigen oder von Gewalt geprägten Ehe auszubrechen, ohne gleichzeitig den Entscheid über die Rückkehr ins Heimatland fällen zu müssen.

Die Schwangerschaft stellt keinen Aufenthaltsgrund dar, auch wenn die Vaterschaft eines Deutschen nachgewiesen wird, bevor eine Eheschließung stattgefunden hat. Die Frauen müssen ausreisen. Die Einforderung der Unterhaltszahlung nach Ausweisung ist meistens erfolglos. Neu ist, seit 01.07.1993., daß die Kinder nichtverheirateter ausländischer Frauen mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn die Vaterschaft eines Deutschen feststeht - damit wird auch den Müttern ein Aufenthaltsrecht zuerkannt29.

Der Sozialhilfebezug wird auch als Grund zur Ausweisung angegeben. Diese Regelung ist auch gültig, wenn Sozialhilfe nur erforderlich wurde, weil der deutsche Eheteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist.

6.2. Die befristete und unbefristete Aufenthaltsgenehmigung

Die Aufenthaltsgenehmigung wird nach der Eheschließung in der Regel für 1 Jahr erteilt. Danach wird sie bei Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft je nach Vorliegen der Voraussetzungen, befristet oder unbefristet verlängert.

Ein Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besteht unter folgenden Voraus- setzungen:

- Nach 5 Jahren Aufenthalt in Deutschland, wenn die eheliche Gemeinschaft fortbesteht
- Einfache mündliche Deutschkenntnisse
- Es darf kein Ausweisungsgrund vorliegen

Vorteile sind:

- Sie kann nachträglich nicht mehr befristet werden
- Das Aufenthaltsrecht wird zu einem eigenständigen von der Ehe unabhängigen Recht

6.3. Von Frauenhandel betroffene Frau als Zeugin in Strafverfahren

Die Lebenssituation von Frauenhandel betroffenen, die im Rahmen eines Strafverfahrens auch Zeuginnen sind, wird durch verschiedene Faktoren sehr belastet. Dabei spielen die gesetzli- chen Rahmenbedingungen, von denen diese Frauen betroffen sind, eine große Rolle. Hinzu kommt die mögliche Gefährdung durch eine Zeuginaussage aufgrund der Bedrohung durch die Täter. Frauen, die in die Sexindustrie gehandelt wurden und sich in der Lage sehen, gegen Schlepper und/oder Händler auszusagen, werden - sofern die Staatsanwaltschaft ihre Aussage als wichtig erachtet- folgende Rechte gewährt:

- sie können sich in der Regel in dem jeweiligen Bundesland aufhalten, solange sie als Zeugin benötigt werden. Sie erhalten für diese Zeit eine Duldung, welche in der Regel auf Bitten der Staatsanwaltschaft von der Ausländerbehörde erteilt wird
- sie können, wenn sie dies wünschen, in einer Zufluchtswohnung aufgenommen werden
- in dieser Zeit eingeschränkte Sozialhilfe beantragen, um ihren Lebensunterhalt ab- zusichern
- sie haben Anspruch auf einen Rechtsbeistand, also eine Nebenklagevertretung. Dies gilt allerdings nur für Anklagen bei schwerem Menschenhandel. Die Anwaltskosten werden in der Regel vom Staat übernommen.

Folgende Rechte werden ihnen verwehrt:

- sie dürfen keine Arbeit aufnehmen
- sie dürfen keine Ausbildung machen
- sie dürfen, falls sie Kinder und/oder enge Beziehungspartner im Herkunftsland ha- ben, diese nicht - bspw. im Rahmen der Familienzusammenführung- nach Deutschland holen
- sie dürfen das Bundesland, in dem der Prozeß stattfindet, nicht verlassen, da die ihnen erteilte Duldung ihre Bewegungsfreiheit auf dieses Gebiet beschränkt

All dies trifft für den Zeitraum vor und während des Prozesses zu. Nach der Beendigung des Prozesses müssen die Frauen die BRD verlassen. Zahlreiche Zeuginnen kehren nicht mehr in ihren Heimatort zurück, weil sie Angst vor Verfolgung von Seiten der Schlepper/ Händler haben.

Von der ersten Aussage der Frau bis zur Urteilsverkündung können mehrere Jahre vergehen. Während dieses Zeitraums können die Frauen, weder ihre Kinder noch andere Angehörige aus ihrem Herkunftsland sehen. Auch die Tatsache, daß die Frauen in dieser Zeit nicht arbeiten bzw. keine Ausbildung machen dürfen, ist für Zeuginnen sehr belastend. Zum einen bedeutet dies, daß sie zur Untätigkeit gezwungen werden. Zum anderen, daß sie in dieser Zeit kein Geld verdienen können. Der finanzielle Druck, unter dem die Frauen stehen, ist deshalb auch in dieser Situation enorm. Die Länge der Wartezeit auf den Prozeß bedeutet außerdem, daß sie wichtige Zeit verlieren, die sie dringend benötigen, um ihre Zukunftsperspektive auszuar- beiten. Anspruch auf psychologischen Beistand haben die Frauen in dieser Zeit nicht.

Um die Aussagebereitschaft von Zeuginnen in Menschenhandelsverfahren zu erhöhen und somit eine höhere Verurteilungsquote der Täter zu erreichen, wäre eine "Bedenkzeit" sinnvoll. Denn nach der ersten Vernehmung von Seiten der Kripo wird in der Regel entschieden, ob diese Frau als Zeugin in Frage kommt oder nicht. Häufig stehen die Frauen unter Schock und sind noch nicht in der Lage einzuschätzen, ob sie aussagen wollen oder überhaupt können, da sie sie gerade aus einer sehr traumatischen Situation entkommen sind. Dies zu begreifen, braucht Zeit. Daher ist eine sehr wichtige Forderung30 - Frauen, die potentiell Betroffene von Menschenhandel sein könnten, eine automatische Duldung zu erteilen, damit sie zur Ruhe kommen und eine Beratungsstelle aufsuchen können, um Zeit zum Überlegen zu haben, ob sie Anzeige erstatten wollen oder nicht.

7. FAZIT

Es ist eine bekannte Tatsache, daß Frauen auf dem Heirats- und Frauenmarkt angeboten wer- den und "austauschbar" sind. Der Heiratshandel manifestiert sich dabei als eine legalisierte Form des Frauenhandels, die einerseits durch die Ausnutzung der schwierigen Lebenslage der Frauen und andererseits durch eine ausgeprägt sexistische und rassistische Ausbeutung ge- kennzeichnet ist. Frauenhandel und erzwungene Prostitution sind Menschenrechtsverletzun- gen. Eine unübersehbare Zahl von Konventionen verpflichten die nationalen Staaten, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. In der Realität aber wird Frauen aus den Armuts- gebieten dieser Welt das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Selbstbestim- mung über ihren Körper, das Recht auf ein Leben ohne Gewalt und Zwang verweigert. Frau- en, die sich zusätzlich verantwortlich fühlen für ihre Kinder oder ihre Eltern in den Herkunfts- ländern, sind doppelt verletzbar. Viele sind bereit, alles zu tun, wenn nur ihre Familien nicht erfahren, womit sie ihr Geld verdienen, das sie nach Hause schicken.

Diese Situation macht sie erpressbar. Die rechtliche Situation arbeitet ungewollt den Zuhältern und international agierenden Menschenhändlerringen in die Hände. Denn ausländische Frauen, die als Prostituierte aufgegriffen werden, gelten als Kriminelle. Nur wenn sie gerichtsverwertbare Aussagen zu machen haben, erhalten sie ein Minimum an Schutz. Die anderen Frauen werden ausgewiesen.

Auch internationale Kooperation zwischen Regierungseinrichtungen und zwischen Nicht- Regierungsorganisationen ist unbedingt notwendig, um sicherzustellen, daß am grenzüber- schreitenden Frauenhandel beteiligte BeschafferInnen, AgentInnen und BordellbesitzerInnen verhaftet und verurteilt werden und daß gehandelten Frauen Unterstützung zuteil wird31. Das bittere Fazit lautet also: So lange sich die wirtschaftliche Situation in Osteuropa und Asien nicht bessert, so lange es dort für die Frauen keine Chancen gibt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wird sich am Verbrechen Frauenhandel nicht grundsätzlich etwas ändern. Ohne großzügige Zeugenschutzprogramme, ohne Rückkehrhilfen für die Frauen in ihre Herkunfts- länder wird es bei der deprimierenden Zustandsbeschreibung bleiben: Verweigerter Opfer- schutz ist Täterschutz. Die Frauen leben in Angst, die Zuhälterringe in relativer Sicherheit.

8. LITERATURVERZEICHNIS:

1. Elvira Niesner, Estrella Anonuevo, Marta Aparicio, Petchara Sonsiengchai-Fenzl: Ein Traum vom besseren Leben. Migrantinnenerfahrung, soziale Unterstützung und neue Strategien gegen Frauenhandel. Opladen 1997
2. Dagmar Heine-Wiedemann / Lea Ackermann: Umfeld und Ausmaß des Menschenhandels mit ausländischen Mädchen und Frauen. Schriftenriehe des Bundesministers für Frauen und Jugend. Band 8; Kapitel 1 und 3. Stuttgart 1992.
3. Elvira Niesner: Mythos und Wirklichkeit auf einem bikulturellen Heiratsmarkt. In: Ellen Frieben-Blum u.a. (Hg): Wer ist fremd? Opladen 2000
4. www.frauenhandel.de

[...]


1 Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

2 Darunter fällt auch die Heirats- und Frauenhandel

3 Thailand, Philippinen oder Latein-Amerika

4 Niesner 1997: 36

5 Die Kinder sind meistens bei der Großmutter bzw. Großeltern, selten bei Geschwistern oder anderen Familienangehörigen.

6 Die manchen Frauen (z.B. aus Thailand) fühlen sie sich verpflichtet.

7 Niesner 1997: 37

8 Der materielle Aufstieg der Familien ist in meisten Fällen auch äußerlich sichtbar.

9 Die Idealisierung von Jungfräulichkeit ist mit der Tabuisierung von weiblicher Sexualität verknüpft (besonderes im Land wie Thailand)

10 Dr. Lea Ackermann: Prostitutionstourismus und organisierter Frauenhandel mit Frauen aus Ländern der dritten Welt: Ausmaß und Hintergründe, 1992

11 In den letzten Jahren wurden Philippinas als treue, familienorientierte und streng katholische Ehefrauen "an- geboten".

12 darunter fallen die Erlaubnis für die Einreise, das Flugticket und die Genehmigung für den späteren Aufenthalt in der BRD

13 nicht nur das Geld, sonder Babysitter, Haushaltshilfe oder ähnliches

14 Niesner 1997: 74

15 Vgl. Heine-Wiedenmann/Ackermann 1992: 135ff

16 Das gilt besonders für die Frauen aus Thailand und Philippinen

17 Die Heiratsagenturen haben einen Katalog, wo man sich die Frauen anschauen und „bestellen“ kann. Im Katalog sind „die wichtigsten“ Informationen über Frauen vorhanden.

18 Vgl. Niesner 2000: 169ff

19 Niesner 1997: 96

20 Hier muß das Aufgebot zur Eheschließung schon bestellt sein. Grundlage für die Erteilung sind die §§ 7 und 84 des AuslG. Nach denen ist abzusichern, daß die Einreisewillige dem deutschen Staat finanziell nicht zur Last fallen wird.

21 Niesner 1997: 98

22 Im Januar 1991

23 Niesner 1997: 110

24 Niesner 1997: 110ff - besonders die thailändische Frauen

25 Niesner 1997: 113

26 Hier ist eine qualifizierte Berufsarbeit gemeint

27 Niesner 1997: 137

28 Niesner 1997: 147

29 Bisher besteht noch keine Vollzugsvorschrift und der Aufenthalt der Frauen ist noch immer bis zum Abschluß des Vatershaftsfeststellungsverfahrens ungesichert (Deutscher Bundestag, Ausschuß für Frauen und Jugend 01.12.1993: 110f)

30 wie in Belgien praktiziert

31 „NEWSLETTER“ - Zeitschrift für internationale Kommunikation, Nr.27, Hannover Juli 1996. 18

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Organisierter Heiratshandel
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Binationalle Familie
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V101013
ISBN (eBook)
9783638994354
Dateigröße
385 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Organisierter, Heiratshandel, Binationalle, Familie
Arbeit zitieren
Tanja Weitz (Autor:in), 2001, Organisierter Heiratshandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101013

Kommentare

  • Gast am 23.11.2005

    Organisierte Polemik.

    einseitig und polemisch

  • Gast am 26.8.2001

    organisierter Heiratshandel.

    kein universitätsniveau

Blick ins Buch
Titel: Organisierter Heiratshandel



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