Aggression in der Schule


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

9 Seiten


Leseprobe


Aggression in der Schule

Bei Umfragen im Bekanntenkreis zum Thema Koedukation wurde mir klar, dass dieses Thema im Moment nicht topaktuell ist. Stellungnahmen bleiben im seichten Pro - Kontra - Bereich stecken. Auch unter meinen Lehrerkollegen in der Volksschule ist kaum differenzierte Meinungsbildung vorhanden. Aggressive Aktionen der Buben werden dem individuellen Psychogramm der betreffenden Buben zugeordnet, wirklich kritische Sicht der Situation ist selten.

Im Standard vom 10./11. Jänner 98 äußert sich der Erziehungsexperte HANS GROTHE des Magazins „Eltern“ unter dem Titel „Rückkehr der Durchgreifer“ auch zur Frage der zunehmenden Aggressivität von Kindern und Jugendlichen.

Er ortet einen Mangel an elterlicher Zuwendung (bedingt durch Berufstätigkeit beider Eltern), fehlende Freiräume, defizitäres Selbstwertgefühl und exzessiven TV- Konsum in Form gewaltverherrlichender Filme. (Dazu fällt mir Neil POSTMAN ein, der in seinem Buch „Das Verschwinden der Kindheit“ meint, dass vor allem die Darstellung der Realität in den von ihm so genannten NACHRICHTENSHOWS den Glauben des Kindes an die Rationalität der Erwachsenen, damit den Glauben an eine vernünftige Weltordnung untergräbt. Damit aber scheint auch das Vertrauen des Kindes in die eigene Fähigkeit, gewaltsame Regungen bei sich selbst in Zukunft zu beherrschen, abzunehmen. Josh MEYROWITZ meint, das Fernsehen gestatte einen Blick hinter die Kulissen des Erwachsenenlebens. Und die Erwachsenenwelt ist voll von Dummheit, Aggression, Streit und Kummer, Chaos und Zerstörung) Auch die zunehmende Scheidungsrate spielt nach Meinung GROTHE‘S eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Man beachte: Auch hier ist die Diction nicht geschlechtsdifferenzierend. Der Passus „Aggression bei Kindern und Jugendlichen“ impliziert eine geschlechtsneutrale Verteilung des Aggressionspotentials.

Interessant ist im Vergleich dazu die Studie von Ingrid KROMER: Abschied von der Kindheit?

Die Lebenswelt der 11- bis 14- jährigen Kids Dieses Pilotprojekt des BM für Jugend und Familie soll Einblick geben in die Lebenswelten 11- bis 14- jähriger Mädchen und Burschen (4,8% der Gesamtbevölkerung oder 380.000).

Kromer ortet eine leichte Wende in Richtung antiautoritärer Erziehungsstile. Mehr als ein Viertel der Heranwachsenden muß jedoch immer tun, was Mutter oder Vater will und ein Drittel erlebt die Eltern in subjektiver Einschätzung als sehr streng. Beinahe jedes zehnte Kind hat Angst vor den Eltern.

In der Rangordnung bevorzugter Freizeitaktivitäten steht Sport für die Burschen an 3.Stelle, für die Mädchen an 8. Stelle. Themen wie Leistung, Stärke, Erfolg, Konkurrenz und Körper finden damit in der Auseindandersetzung der Buben mit ihrer Geschlechtsrollenidentität Ausdruck.

Gemeinsam ist allen das Bestreben um den „coolen Look“. Die Daten zeigen aber, dass „Coolness“ vor allem für Jungen eine große Bedeutung hat.

Was die Lebenswelt FAMILIE betrifft, so sind Väter die strengere Instanz, glänzen aber meist durch Abwesenheit.

Mädchen dieser Altersgruppe haben ein differenzierteres Verhältnis zum Vater. Mütter übertreffen bei den Mädchen die Väter an Vorbildfunktion signifikant, die Vorbildfunktion der Väter für Jungen ist bei weitem nicht so ausgeprägt.

Der Lebensbereich Schule ist für die Kinder nach Kromer in erster Linie ein Ort der Begegnung, ein sozialer Treffpunkt mit Gleichaltrigen. Was in den Pausen und in der unterrichtsfreien Zeit passiert, macht die positive Qualität von Schule aus.

Der Bereich Koedukation/Aggression in der Schule wurde in dieser Studie sichtlich ausgeklammert. Individuelles und sozioökonomisches Harmoniestreben stehen nach dieser Umfrage im Vordergrund des kindlich-jugendlichen Strebens.

Interessant wäre auch eine Trennung in Hauptschüler und AHS - Schüler gewesen, um schichtspezifische Aspekte zu sondieren und zu profilieren.

Aber auch in Österreich ist, weitgehend unbemerkt, das Bestreben da, sich mit der Koedukation auseinanderzusetzen.

1994/95 wurde beispielsweise an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen das Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern“ eingeführt. Es gibt Erhebungen des BmfUK zur Werkerziehung sowie ein Monitoring des IFES - Instituts zu geschlechtsspezifischen Fragestellungen. Dabei scheint es nicht um Wiedereinführung der Geschlechtersegregation zu gehen, sondern um bewußte Auseinandersetzung mit Geschlechterdifferenzen und deren Berücksichtigung und Thematisierung im Unterricht, sowie um Offenlegung und Bearbeitung der Bedingungen geschlechtsspezifischer Sozialisation in der Schule. „Mädchenbeauftragte“ und „Bubenbeauftragte“ an Schulen, Vertrauenslehrer für Mädchen und Buben sind ein Anfang. Man gibt aber auch von offizieller Seite zu, daß vor allem die geschlechtsspezifische Arbeit mit Buben noch unbekanntes Terrain darstellt.

Und dies führt uns nun zum eigentlichen Thema meines Referates, zum Aufsatz von Claudia BARZ: „Körperliche Gewalt gegen Mädchen in der Schule“, entnommen dem Buch FRAUENSACHE SCHULE, herausgegeben von Uta Enders - Dragässer/ Claudia Fuchs.

Der atavistisch fundierten These vom aggressiven Buben, der das vom harten Überlebenskampf bestimmte agggressive Potential seiner neolithischen Vorväter auslebt, geht es nunmehr an den Kragen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang der Sozialpsychologe Erich FROMM, der in seinem Buch „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ sehr überzeugend nachweist, daß Aggressivität nichts Angeborenes ist (im Gegensatz zur Meinung von Konrad LORENZ). Besonders matrilineare Gesellschaften zeichnen sich gegenüber patriarchalischen Gesellschaften durch ein wesentlich niedrigeres Aggressionspotential überhaupt und höhere Emanzipation der Frauen aus.

Die Entpolitisierung von vorwiegend männlicher Gewalt durch aus feministischer Sicht dubiose Theorien zeigt die

Ignoranz männlicher Wissenschaft bezüglich der Lebenssitutation von Mädchen und Frauen auf. Auch in der Erziehungswissenschaft war die Frage nach den Ursachen der Gewalt gegen Mädchen und Frauen bislang kein Thema. Zweifelhafte biologistische Ansätze verhindern ernsthafte Analysen des Problems, versperren den Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge.

Die Datenbasis der Untersuchung ist eine Studie an sieben Haupt - und Realschulklassen des sechsten Schuljahres (in_Deutschland). Es wurden keine expliziten Fragen nach körperlicher Gewalt gestellt, um die Aussagen nicht in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Das Ausmaß der zutage gekommenen Gewalt gegen Mädchen ist allemal erschreckend. Das Spektrum reicht von Schlägen mit der flachen Hand oder mit dem Lineal auf das Gesäß der Mädchen, aber auch auf andere Körperteile mit einer Intensität, die blaue Flecken zur Folge hat. Da gibt es Nötigung (Du bist jetzt meine Freundin) und sogar sexuelle Nötigung, wenn Mädchen ins Bubenklo gezerrt und betastet werden.

Gewalt gibt es aber auch im verbalen Bereich (Geärgert werden durch dumme Bemerkungen, abfällige Aussagen etc.).

26% der Mädchen beschwerten sich über Buben - Aggression gegenüber 9% der Buben, die sich über aggressive Mädchen beschwerten.

Aggression von Mädchen gegenüber Buben gibt es im Vergleich viel seltener.

50% der Aussagen der Mädchen, aber nur knapp 10% der Buben klagen über gegengeschlechtliche Gewalt.

Betrachtet man das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen, so zieht sich männliche Gewalt wie ein roter Faden von der Kindheit herauf bis in den Frauenalltag.

Monika Barz verweist in diesem Zusammenhang auf eine These von Judith OFFENBACH, wonach Frauen durch das Patriarchat zur Heterosexualität gezwungen würden (Parthenogenese beim Menschen?).

Empirische Untersuchungen hinsichtlich der Schilderung von Gewalt in der Schule und tatsächlich erlittener Gewalt gibt es bis dato noch keine. Der Schulalltag bestätigt jedoch einen engen Zusammenhang.

Auch ein Seminarbericht von Studentinnen der Pädagogischen Hochschule Reutlingen, welche systematisch Beobachtungen auf Schulhöfen gemacht haben, weist in diese Richtung (Es gibt auch eine Beobachtungsreihe aus dem Schulhof der Volksschule Pöls in der Steiermark).

Während Mädchen fast nie berichteten, was dem Schlagen für eine Auseinandersetzung vorausgegangen war, erzählten Jungen ihre Mißhandlungserlebnisse nahezu immer im Kontext vorangegangener Auseinandersetzungen (..zuerst haben wir die Mädchen geärgert, dann sind sie uns nachgelaufen)

Dies läßt mehrere Interpretationen zu:

a. Mädchen nehmen die Situation verkürzt wahr, blenden ihre eigen Beteiligung am Konflikt aus, beklagen sich nur und berücksichtigen die Vorgeschichte nicht
b. Vor dem Hintergrund feministischer Forschungsansätze: Die Gewalt gegen Mädchen passiert in den meisten Fällen tatsächlich ohne Vorgeschichte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie hier und jetzt verprügelt oder anderweitig drangsaliert wurden.

Traditionelle Forschung ist mehr oder weniger latent parteilich (Orientierung an der Männerwelt) und gibt sich objektiv. Feministische Forschung macht kein Hehl aus ihrer Parteilichkeit für Frauen. Sie sieht die Ursachen für die männliche Aggression im Patriarchat

Häufig taucht im Zusammenhang männlicher Gewalt gegen Frauen der Begriff PROVOKATION auf. Männliches Fehlverhalten wird also von den Betroffenen, den Opfern provoziert (siehe Gerichtsverhandlungen in Vergewaltigungsfällen). Das mögliche Spektrum an Provokationen ist dabei unendlich breit. Jegliches Verhalten einer Frau, jegliche Art sich zu kleiden, jede Lebensäußerung generell kann von entsprechend disponierten Männern als Provokation gedeutet (mißdeutet) werden.

WARUM schlagen, unterdrücken und demütigen Jungen häufiger die Mädchen als umgekehrt und warum ist es unter erwachsenen Männern und Frauen ähnlich??

In diesem Zusammenhang können uns biologistische Erklärungen nicht zufriedenstellen. Im Bereich der Schule lassen sich Gewalttätigkeiten gegen Mädchen erklären. Hier gibt es zwei Begründungszusammenhänge:

1. Das In - Schutz - Nehmen der Mädchen (durch Erwachsene)
2. Der Überlegenheitsanspruch der Jungen (Sie sehen ihre Vormachtstellung in Gefahr, die Stärke der Mädchen kollidiert mit dem männlichen Überlegenheitsanspruch)

Zu 1)

Sprachlich modifizierte Bubenaussagen zu dieser Thematik:

- Mädchen werden generell bevorzugt
- Lehrer glauben immer den Mädchen und ergreifen deren Partei
- Alle glauben, dass Mädchen nicht anfangen zu schlagen und zu raufen · Da wir Mädchen nicht schlagen dürfen, fühlen die sich überlegen
- Mädchen können schlagen, ohne sanktioniert zu werden Folgendes Schema tritt dabei in Kraft:
- Buben schlagen und das ist verboten
- Mädchen schlagen auch, das wird toleriert bzw. ignoriert · Wut auf die Mädchen und die parteilichen Lehrer · Aus dieser Wut heraus werden Mädchen attackiert
- Der böse Junge wird sanktioniert, das Mädchen bleibt ungeschoren. Der Zirkel beginnt von vorne

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Aggression in der Schule
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V100734
ISBN (eBook)
9783638991575
Dateigröße
341 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aggression, Schule
Arbeit zitieren
Walter Bistricky (Autor:in), 2001, Aggression in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100734

Kommentare

  • Gast am 19.4.2001

    Titel.

    Inhalt ist flach, Autor stellt unbegründete Theorien auf, auch scheint der Autor FROMM entweder gar nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben.
    Gesamturteil: asl Facharbeit nicht zu bewerten

  • Gast am 6.4.2001

    Aggression in der Schule.

    Viel Information, jedoch verständlich verpackt und flüssig zu lesen.
    Leider fehlt ein Schlusskommentar...

Blick ins Buch
Titel: Aggression in der Schule



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