Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Abend der 7 Waisen


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

4 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Der Abend des Professors (S.44-60)

Der 1892 erschienene, von Theodor Fontane verfasste Roman ,,Frau Jenny Treibel" befasst sich mit dem Bürgertum jener Jahre und der Schilderung des Lebens, sowie der Atmosphäre dieser Zeit, worin die kritische Sicht der Autors im Bezug auf die damalige gesellschaftliche Wirklichkeit deutlich wird.

Der Roman beginnt mit Szenen, die zwar für den Handlungsstrang keine große Bedeutung haben, dem Leser jedoch dabei helfen, sich in die Situation der Gesellschaft des 19. Jh. hineinzudenken. Diese Gesellschaft wird durch typische Vertreter bestimmter Charaktere repräsentiert. Auch die von mir im folgenden zu behandelnde Textstelle, dem Abend bei Professor Willibald Schmidt, ist jedoch keine Vorkenntnis über den Roman erforderlich.

Professor Willibald Schmidt gehört dem Bildungsbürgertum Berlins an. Er kann zwar ein gewisses Kapital aufweisen, legt jedoch keinen Wert auf Besitz und Ansehen in der Öffentlichkeit, sondern belächelt vielmehr die luxusorientierte Bourgeoisie, worauf ich später noch im Näheren eingehen werde. Schmidt gehört dem Kreis der ,,Sieben Waisen Griechenlands" an, welcher aus Gymnasiallehrern besteht, die sich selbstironisch diesen Titel gaben und sich nun seit Jahren einmal wöchentlich zu gemeinsamem Abendessen und Gesprächen Treffen. Ort des Geschehens ist in Kapitel 6 des 16 Kapitel umfassenden Romans das Anwesen des Professors. Hier sollen sich die Sieben Waisen, sobald sie vollständig sind, ,,um einen runden Tisch und eine mit roten Schleier versehene Morderateurlampe" (S.44, Z.27 ff.) versammeln, die der Atmosphäre wohl einen gewissen mysterisch-esoterischen Anstrich verleihen soll. Der hier noch neutrale und außenstehende Erzähler berichtet vorerst am Anfang des sechsten Kapitels über die Zusammensetzung des Kränzchens aus Schmidt, den drei Gymnasiallehrern Rindfleisch, Hannibal Kuh und Immanuel Schultze, Dieselkamp, Friedeberg und Dr. Charles Etienne. Weiter berichtet der Erzähler über die Vergangenheit dieses Kreises. So wird angeführt, dass man versucht hatte, Friedeberg aufgrund seiner ,,wissenschaftlichen Nichtzugehörigkeit" (S.45, Z.7 f.), die dafür verantwortlich war, dass er ,,für nicht ganz voll angesehen" (S.45, Z.2 f.) wurde, aus dem Kreis ,,herauszugraulen" (S.45, Z.5).

Die nach außen hin durch Beruf und Verwandtschaft einig erscheinende Gemeinschaft wird vertritt jedoch die gegensätzlichsten Einstellungen (S. 45, Z.40 ff.)

Etienne ist bereits vor allen anderen da, da er ,,so gut wie zur Familie" (S.47, Z.6 f.) gehört. Distelkamp trifft verspätet ein. Die Abwesenheit von Kuh und Immanuel entschuldigen sie sich dadurch, dass diese nur ,,ihres Schwagers und Schwiegervaters Klientel" (S.47, Z. 9) sind. Hiermit ist Rindfleisch gemeint, der sich aber zuvor abgemeldet hatte. Somit ist das Fehlen dieser drei entschuldigt.

Nur nach außen hin beschwören die Herren die große Priorität dieses Abends, innerlich jedoch sucht jeder nach einer Ausrede und nimmt jegliche Gelegenheit, sei es auch nur eine Skatrunde, wahr, um diesem Abend aus dem Weg zu gehen. (S.46, Z.25 ff.)

Distelkamp und Schmidt begeben sich also vorerst alleine ins Nebenzimmer, wo ein kontroverses Gespräch über die Problematik der Autorität eines Lehrers zwischen den beiden entfacht. Der ,,emeritierte Gymnasialdirektor, Senior des Kreises" (S.44, Z.31 f.) Distelkamp sehnt sich nach alten Zeiten (,,Ja Schmidt, das waren Zeiten, da verlohnte sich's, ein Lehrer und ein Direktor zu sein" S.49, Z.10 ff.), zu denen die Schüler noch in Angst und Ehrfurcht vor dem Lehrer erstarrten. Im Gegensatz hierzu vertritt Schmidt einen ganz anderen Standpunkt. Er widerspricht Distelkamp vehement, ,,Nur die reelle Macht des wirklichen Wissens und Könnens" (S.50, Z.33 f.) dürfe Autorität beanspruchen, ja er macht sich sogar über die Perückengelehrsamkeit lustig und führt sogar an, die stupende Wichtigkeit, mit der diese sich gebe, könne sie nur noch erheitern (S.49, Z.34 f.).

Letztlich hält Schmidt ein wahres Plädoyer auf die neue Zeit (S.51, Z.7 ff.).

Aus dieser angeregten Diskussion lassen sich die unterschiedlichen Stellungen der beiden innerhalb des Kreises der Sieben Waisen ablesen. Distelkamp verkörpert die alte Zeit und damit eine in meinen Augen falsche Autorität. Schmidt tritt als Vertreter der neuen Zeit als Distelkamps Gegenpol auf, der seiner wahre Autorität während der Diskussion sehr vernünftig und realistisch darstellen und untermauern kann. Im Gegensatz zu Distelkamp geht Schmidt sogar auf seinen Diskussionspartner ein, und sucht nach Gründen, die diesen wohl zu einer solchen Einstellung haben leiten können: ,,Weil du von den alten Anschauungen nicht los willst. Du kannst dir nicht vorstellen, dass jemand, der Tüten geklebt und Rosinen verkauft hat, den alten Priamus ausbuddelt, und kommt er nun gar ins Agamemnonsche hinein und sucht nach dem Schädelriss, aegisthschen Angedenkens, so gerätst du in helle Empörung." (S.51, Z. 22ff.)

Doch auch wenn Schmidt sich in Distelkamps Gedankengänge hineinversetzt, kann er diesen nicht zustimmen: ,,Aber ich kann mir nicht helfen, du hast Unrecht. Freilich, man muss was leisten, hic Rhodus, hic salta; aber wer springen kann, der springt, gleichviel ob er's aus der Georgia Augusta oder aus der Klippschule hat" (S.51, Z.27 ff.). Hier wird gleichzeitig Schmidts Leistungsprinzip deutlich.

Zu einer Einigung der beiden kommt es verständlicherweise nicht.

Mit dem 7. Kapitel beginnt der gesellige Teil des Abends.

Mit einer scheinheiligen Ausrede trifft der überaus verspätete Friedeberg ein.

Während die vier verbliebenen ,,Waisen" auf das Abendessen warten, gibt Schmidt eine Geschichtsphilosophie zum Besten, in der er die tiefere Bedeutung des Nebensächlichen mit seinem poetischen Realismus darlegt: ,,Das Nebensächliche, so viel ist richtig, gilt nichts, wenn es bloß nebensächlich ist, wenn nichts drinsteckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache, denn es gibt einem dann immer das eigentlich Menschliche." (S.56, Z.28 ff.)

Schließlich tritt Schmidts Tochter Corinna mit ihrem Cousin Marcell ein, die soeben vom Diner Jenny Treibels, Schmidts Jugendfreundin, wiederkehren.

Diese aufeinander folgenden Abendessen stellen Gegensätze dar. Während Schmidts ,,Kränzchen" der politischen Diskussion dient und die Bildung präsentiert, verkörpert das ,,Diner" Jenny Treibels den Luxus und der Präsentation höflicher Umgangsformen, die scheinheilig das Ansehen steigern sollen.

Während Corinna sich zurückzieht, gesellt sich Marcell zur Gesellschaft.

Gegen Ende des Krebsessens wird deutlich, dass sehr wohl auch Schmidt auf sein Ansehen achtet. Er möchte jedoch nicht aufgrund von Reichtum, wie es bei Jenny Treibel der Fall ist, sondern aufgrund von Charakter angesehen werden. So hat Schmidt auch genügend Selbstbewusstsein, eine positive Eigencharakteristik von sich zu geben (S.59, Z.13 ff.).

Auch das Selbstbewusstsein der anderen ,,Waisen" scheint aufgrund ihrer Zustimmung gut zu sein. Sie stellen sich hiermit eindeutig über das reiche Besitzbürgertum (S.59, Z.10 ff.).

Dieses Verhalten halte ich jedoch absolut für gerechtfertig, vielmehr sogar für sehr klug. Die Sieben Waisen waren mit dieser Einstellung sicherlich ihrer Zeit voraus und Personen wie Jenny Treibel überlegen.

Bereits im zweiten Kapitel befragte Jenny den Spiegel, ,,ob sie sich neben ihrer Hamburger Schwiegertochter auch werde behaupten können" (S.12, Z.10 ff.).

Genauso wie dort, kann ich auch hier gewissen Parallelen zum Märchen ,,Schneewittchen" erkennen. So wie Jenny zuvor die Rolle der bösen Schwiegermutter , befindet sich der Kreis der ,,Sieben Waisen Griechenlands" nun im Vergleich zu den sieben Zwergen. Auch diese sind mit den sie symbolisierenden Märchenfiguren sehr gut zu vergleichen, da auch sie in ihrer eigenen Welt, abgeschottet vom Rest der Welt leben, genau wie die sieben Zwerge hinter den sieben Berge.

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Abend der 7 Waisen
Veranstaltung
Leistungskurs
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
4
Katalognummer
V100658
ISBN (eBook)
9783638990837
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fontane, Theodor, Frau, Jenny, Treibel, Abend, Waisen, Leistungskurs
Arbeit zitieren
Tatjana Bendig (Autor:in), 2001, Fontane, Theodor - Frau Jenny Treibel - Abend der 7 Waisen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100658

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