Übersetzung und vergleichende Gedichtinterpretation von R. W. Emerson "The Snow-Storm" und W. Stevens "The Snow Man"


Hausarbeit, 2001

5 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Übersetzung:

Ralph Waldo Emerson (1803-1882) Der Schneesturm

Angekündigt von allen Trompeten des Himmels, trifft der Schnee ein, und, über die Felder treibend, scheint er sich nirgendwo niederzulassen: die weißgefärbte Luft verhüllt Hügel und Wälder, den Fluss und den Himmel und verschleiert das Bauernhaus am Ende des Gartens.

Der Schlitten und der Reisende werden aufgehalten, die Füße des Boten verspäten sich, alle Freunde sind ausgesperrt. Die Hausbewohner sitzen um den wärmespendenden Kamin, eingeschlossen in eine lärmende Ungestörtheit des Sturms.

Komm und sieh die Maurerarbeit des Nordwinds.

Aus einem unsichtbaren Steinbruch ohne Unterlass mit Ziegeln ausgestattet wölbt der grimmige Handwerker seine weißen Bollwerke mit vorstehendem Dach um jeden windwärts gerichteten Pfahl oder Baum oder jede Tür. Eilends verrichtet der Vielhändige sein wildes Werk, so phantasiereich, so ungezähmt, und kümmert sich weder um Anzahl noch um Proportion. Spöttisch hängt er marmorne Kränze an Hühnerkörbe und Hundezwinger; eine schwanengleiche Form umhüllt den versteckten Dornstrauch; Füllt trotz der Seufzer des Bauern dessen Weg von Mauer zu Mauer; und, am Tor krönt ein spitzes Türmchen seine Arbeit.

Und wenn seine Stunden gezählt sind und die Welt ganz ihm gehört, zieht er sich zurück als gebe es ihn nicht;

Sobald die Sonne erscheint, lässt er erstaunte Kunst zurück, die in langsamen

Strukturen, Stein um Stein, in einem Menschenalter erbaut, die nächtliche Arbeit des verrückten Windes nachahmt, die ausgelassene Baukunst des Schnees. Wallace Stevens (1879-1955)

Der Schneemann

Man muss einen Sinn für den Winter haben, um den Frost und die mit Schnee überzogenen Äste der Kiefer zu betrachten.

Und muss schon lange Zeit kalt gewesen sein, um die vom Eis gezackten Wacholder und die rauhen Fichten im fernen Glanz der Januarsonne zu sehen; Und nicht an ein Elend zu denken im Klang des Windes, im Klang einiger weniger Blätter, welcher der Klang des Landes ist, voll von demselben Wind, der an derselben kahlen Stelle für den Zuhörer weht, der im Schnee zuhört, und, selbst ein Nichts, nichts erblickt, das nicht da ist, und das Nichts, das da ist.

Interpretation:

Das Gedicht "The Snow-Storm" von Ralph Waldo Emerson besteht aus einer ersten kürzeren und einer etwas längeren zweiten Strophe. Es ist in einer freien dichterischen Form verfasst. Es reimen sich weder die Zeilenenden, noch enthält das Gedicht ein regelmäßiges Metrum, auch der Rhythmus ist unregelmäßig. Die Sätze sind lang und verschachtelt und erstrecken sich meist über mehrere Zeilen hinweg. Auffällig ist der häufige Gebrauch von Adjektiven, die zu einer sehr bildhaften Beschreibung des Inhalts beitragen.

In Zeile (Z.) 1 spricht der Erzähler von den „trumpets of the sky“. Diese Metapher stellt den Donner dar, der den Schneesturm ankündigt. Als der Sturm dann da ist, beschreibt der Betrachter, dass sie scheint, als ließe sich der Sturm nirgendwo nieder, da der Sturm den Schnee scheinbar immer weiter bläst. Doch der Schnee verdeckt dem Betrachter die Sicht (Z.5: „veils the farmhouse at the garden’s end“) und bedeckt die Natur (Z.4: „hides hills and woods, the river, and the heaven“).

Ab Z.6 wird auf die Auswirkungen des Sturms auf die Menschen eingegangen. Die Menschen, die sich draußen in der Natur befinden, werden aufgehalten, verspäten sich oder sind ausgesperrt (Z.6f: „stopped“, „delayed“, „shut out“). Diejenigen, die sich im Inneren eines Hauses aufhalten, sitzen um einen wärmenden Kamin, nur der Sturm lärmt außerhalb des Hauses. Daher das Bild „tumultuous privacy“ in Z.9.

Im gesamten Gedicht wird der Schneesturm personifiziert, z.B. in Z.3: „seems nowhere to alight“, Z.13: „curves his white bastions“, Z.20: „fills up the farmer’s lane“, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. In Z.10 „north wind’s masonry“, spricht der Erzähler vom Mauerwerk, das der Wind baut. Der in Z.12 als „fierce artificer“ bezeichnete Sturm, baut ohne Rücksicht seine Festungen.

Mit dem Bild „out of an unseen quarry evermore furnished with tile“ wird das nicht enden wollende, unaufhörliche des Schneesturms zum Ausdruck gebracht. Der Leser bekommt das Gefühl, ein Schneesturm sei eine nahezu unendliche Sache. Mit „myriad-handed“ in Z.15 wird beschrieben, dass der Sturm überall gleichzeitig zu Werke geht. In Z.15f zeigen die Adjektive „wild“, „fanciful“ und „savage“ auf, wie der Sturm arbeitet.

Ab Z.16 wird auch der Charakter des Sturms beschrieben. „Nought cares he for number or proportion“ (Z.16) und „fills up the farmer’s lane from wall to wall, maugre the farmer’s sighs“ (Z.20f) zeigen die Gleichgültigkeit des Sturms gegenüber den betroffenen Menschen. In Z.17 („mockingly“) wird er darüber hinaus noch als spöttisch beschrieben.

Dass ein Schneesturm doch etwas Endliches ist, zeigt sich gegen Ende des Gedichts in Z.23 („and when his hours are numbered“) und Z.24 („retiring as he were not“) in denen der Rückzug und das Verschwinden des Winters im Zusammenhang mit der auftauchenden Sonne (Z.25: „when the sun appears“) beschrieben wird.

Zum Schluss bleiben Kunst und ausgelassene Architektur („leaves, when the sun appears, astonished Art“, Z.25). Diese Kunst ahmt das nach, was langsam, Stein um Stein gebaut wurde („stone by stone“, Z.26 und „built in an age“, Z.27). Der Schneesturm dagegen hat sein Werk in einer Nacht geschaffen.

„The Snow Man“ von Wallace Stevens besteht aus fünf Strophen mit je drei Zeilen. Es besitzt kein regelmäßiges Metrum und auch kein Reimschema. Die Sätze erstrecken sich über mehrere Zeilen und teilweise auch über Strophenenden hinweg. Der Sprachfluss ist relativ regelmäßig.

Die ersten beiden Strophen des Gedichts beinhalten hauptsächlich das Beobachten der winterlichen Natur (Z.2: „to regard“, Z.5: „to behold“). Der Winter wird als statisch und passiv beschrieben, „frost and the boughs of the pine-trees crusted with snow“ (Z.2f). Der Satz „and have been cold a long time“ in Z.4 meint die Gefühlskälte, die der Schneemann an den Tag legt, um den „sound of the wind“ zu hören oder „the junipers shagged with ice“ zu sehen und dabei nicht an das Elend zu denken („and not to think of any misery“, Z.7).

Der Parallelismus der Zeilen 8 und 9 „in the sound of the wind“, „in the sound of a few leaves“ verstärkt den ruhigen Eindruck, den man bis dahin von Stevensons Winter gewonnen hat, da der Klang des Windes nicht aus dem Klang aller Blätter, sondern nur aus dem einiger weniger Blätter besteht. Dieser Klang des Windes wird nun in Z.10 als „sound of the land“ bezeichnet. Und dieses Land ist auch voll vom Klang des Elends („full of the same wind that is blowing in the same bare place“, Z.11f).

Zum Abschluss des Gedichts wird in der letzten Strophe nochmals auf den Betrachter bzw. Hörer eingegangen, der vom Erzähler in Form eines Schneemanns dargestellt wird. Und dieser Zuhörer im Schnee ist selbst ein Nichts („nothing himself“, Z.14), also gefühlskalt. Diese Person sieht nun alle Dinge, die real existieren (Z.14: „beholds nothing that is not there“), da dieser eben genannte Satz eine doppelte Verneinung, „nothing“ und „not“, beinhaltet und daher das Gegenteil meint, nämlich dass etwas vorhanden ist. Aber die Person sieht auch die Leere, die ebenfalls da ist („and the nothing that is“, Z.15).

Vergleicht man die beiden Gedichte, fällt auf, dass Emersons Gedicht fast doppelt so viele Zeilen aufweist wie Stevensons Gedicht. Des weiteren hat „The Snow-Storm“ zwei unterschiedlich lange Strophen und ist in einer freien Form geschrieben, wohingegen „The Snow Man“ in einer regelmäßigen Form mit fünf Strophen zu je drei Zeilen geschrieben wurde.

Emersons Winter ist als Schneesturm sehr aktiv und dynamisch. Der Sturm erschafft Dinge wie zum Beispiel in Z.19 „a swan-like form invest the hidden thorn“ oder in Z.18 „he hangs Parian wreaths“. Dieses Erschaffen wird in einer bildhaften Sprache sehr ausführlich beschrieben (Z.13ff: „curves his white bastions with projected roof around every windward stake, or tree, or door“, oder in den oben genannten Zeilen 18 und 19).

Stevensons Winter dagegen ist passiv und statisch. Der Winter erschafft nichts, sondern Stevenson beschreibt in knapper Sprache, wie der stille Schneemann das beobachtet, was bereits vom Winter erschaffen oder verändert wurde (Z.2f: „to regard the frost and the boughs of the pine-trees crusted with snow“; Z.5f: to behold the junipers shagged with ice, the spruces rough in the distant glitter of the January sun“)

Emersons Gedicht bezieht auch die Menschen mit ein und beschreibt die Auswirkungen des Winters auf sie (Z.6f: „the sled and traveller stopped, the courier’s feet delayed, all friends shut out“). Stevenson hingegen erwähnt die Menschen nicht direkt. Er überlässt es dem Leser des Gedichts, einen Zusammenhang zwischen Mensch und Winter herzustellen.

Die beiden Gedichte besitzen jedoch auch ein gemeinsames Motiv, nämlich die Verwandlung der Natur durch den Winter. Dieses wird allerdings von den beiden Dichtern unterschiedlich verarbeitet. Stevenson verbindet den Winter mit Elend (Z.8: „misery“). Außerdem benutzt er in seinen Bildern Adjektive, die weniger positive Gefühle wecken: „crusted with snow“ (Z.3), „shagged with ice“ (Z.5), „rough in the distant glitter“ (Z.6). Emerson sieht auch negative Auswirkungen des Winters, z.B. „fills up the farmer's lane from wall to wall, maugre the farmer’s sighs“ (Z.20f), aber nicht so pessimistisch wie Stevenson. Emerson beschreibt den Winter zwar mit Adjektiven wie „fierce“ (Z.12), „wild“ (Z.15), „savage“ (Z.16), „mockingly“ (Z.17), aber im Gegensatz dazu auch als „fanciful“ (Z.16). Ein weiteres Zeichen dafür, dass Emerson den Winter nicht nur negativ sieht ist, dass der Farmer zwar seufzt („the farmer’s sighs“, Z.21), aber die Menschen können sich doch vor dem Sturm schützen („the housemates sit around the radiant fireplace“ Z.7f).

Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Gedichten, auf den ich eingehen möchte, ist die Funktion, die die Sonne im jeweiligen Gedicht innehat. In „The Snow-Storm“ ist es die Sonne, welche die Menschen vom Winter befreit. Sie ist also stärker als der Winter („leaves, when the sun appears“, Z.25). Im Unterschied dazu bringt die „January sun“ (Z.7) in „The Snow Man“ nur einen fernen Glanz („distant glitter“, Z.6). Die Sonne ist hier nicht stärker als der Winter und bringt auch keine Erlösung vom Winter.

Abschließend kann man das Gedicht „The Snow-Storm“ als farbige, lebendige Beschreibung des Winters mit positiven sowie auch negativen Aspekten beschreiben. Er beeinträchtigt die Menschen zwar, aber sie können sich vor ihm schützen. Stevensons Gedicht dagegen beschreibt den Winter nüchterner und hinterlässt beim Leser eher negative Gefühle. Er erwähnt „misery“, ohne einen Ausweg zum Positiven aufzuzeigen.

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Übersetzung und vergleichende Gedichtinterpretation von R. W. Emerson "The Snow-Storm" und W. Stevens "The Snow Man"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
Einführung in Grundfragen der Literaturwissenschaft
Note
gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
5
Katalognummer
V100471
ISBN (eBook)
9783638988971
Dateigröße
336 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gedichtinterpretation, Emerson, Snow-Storm, Stevens, Snow, Einführung, Grundfragen, Literaturwissenschaft
Arbeit zitieren
Stefan Pfeiffer (Autor:in), 2001, Übersetzung und vergleichende Gedichtinterpretation von R. W. Emerson "The Snow-Storm" und W. Stevens "The Snow Man", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100471

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