Die Vertreibung der Juden aus Spanien 1492


Seminararbeit, 2001

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. SITUATION DER EUROPÄISCHEN JUDEN IM MITTELALTER
2.1. Entwicklung des europäischen Judentums
2.2. Das Getto
2.3. Vorurteile der Christen

3. JUDENTUM UN DER GESCHICHTE SPANIENS
3.1. Das maurische Spanien
3.2. Das Spanien der Reconquista

4. DIE POLITIK DER KATHOLISCHEN KÖNIGE
4.1. Juden - Politik bis 1478
4.2. Die Wende- Judenpolitik nach 1478

5. DIE VERTREIBUNG
5.1. Das Dekret
5.2. Die Auswanderung
5.3. Die Folgen

6. SCHLUSS

1. EINLEITUNG

Seit der Zerstörung ihres Tempels in Jerusalem hatten die Juden kein Land mehr, dass sie als Ihres bezeichnen könnten. Sie breiteten sich in ganz Europa aus, aber kein Land war ihr Heimatland; Sie wurden überall -im besten Fall- als Gäste empfunden. In Spanien sollen sie sich schon seit der Tempel-Zerstörung eingefunden haben1 und hier fanden sie wohl vorerst die beste Heimat, die man sich als Gast wünschen konnte, denn man wurde toleriert und stand unter königlichem Schutz. Spanien war auch im Hochmittelalter ein blühendes multikulturelles Land. Drei Kulturen lebten die meiste Zeit friedlich nebeneinander. Die Juden bekamen Schutz der Herrscher, also die Gewissheit hier in Frieden leben zu können, und hatten Möglichkeiten, sich intellektuell zu bilden, an Reichtum zu gelangen und in mächtigere Kreise aufzusteigen und von diesem profitierten dann auch wieder die christlichen und maurischen Herrscher. Sie lebten sozusagen in einer Art Symbiose.2 Wie lässt sich nun die Vertreibung der Juden im Jahr 1492 aus Spanien erklären? In dieser Abhandlung soll erläutert werden, wie es dazu kam, dass sich die ehemaligen Schützer und Nutznießer der jüdischen und christlichen Gemeinschaft zu dessen Austreibung entschieden und es soll die Rolle Roms, also der katholischen Kirche, vor und während der Vertreibung geklärt werden.

2. SITUATION DER EUROPÄISCHEN JUDEN IM MITTELALTER

Um die Besonderheit der Situation der Juden in Spanien besser darzustellen, scheint es sinnvoll erst einmal einen Blick auf die allgemeine Situation der jüdischen Gemeinden in Europa zu werfen.

2.1. Entwicklung des europäischen Judentums

Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, zerstreuten sich die aus ihrem Heimatland vertriebenen Juden in ganz Europa. Im deutschen Kaiserreich ihre Anwesenheit schon ab dem 9. und in England und Polen auch schon ab dem 11. Jahrhundert schriftlich bezeugt.3 Zunächst gab es wohl kaum berufliche Unterschiede: Juden hatten sich ja auch in ihrem Heimatland landwirtschaftlich betätigt und waren auch in ihrer neuen Heimat Landwirte wie jeder andere. Auf die Dauer ergab sich allerdings ein Problem für die jüdischen Bauern. In der Diaspora auf dem Land war es fast unmöglich, seine Religion in dem Maße auszuführen, wie sie es gewohnt waren4 und daraus erklärt sich zum Teil auch die Reduzierung der jüdischen Landbevölkerung. In der Stadt hatten die Juden nicht nur die Möglichkeit eine eigene Gemeinde aufzubauen, sie hatten auch die Chance gesellschaftlich aufzusteigen und akzeptiert zu werden. Hierfür eignete sich am Besten der Handel. Die jüdischen Händler spielten eine wichtige wirtschaftliche Rolle in jeder mittelalterlichen Stadt. Um das zu erhalten war die Stellung der Juden „im Rahmen der mittelalterlichen Rechts- und Sozialstruktur von einem hohen Maße an freier wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeit gekennzeichnet.“5 Im Hochmittelalter veränderte sich dieses: Es gab in den einzelnen Rechtsbezirken ein Sonderrecht für Juden, was aber im Grunde kein Recht war, sondern eine „Rechtsbeschneidung“.8 Sie standen zwar weiterhin unter königlichem Schutz,9 aber sie wurden von der Ausübung des politischen Rechts ausgeschlossen10 und führten aufgrund zunehmender Propaganda gegen ihresgleichen ein Leben in existentieller Unsicherheit. Zusätzlich wurden Juden nach und nach immer mehr Berufe verboten, sodass sie schließlich auf das Zinsgeschäft abgedrängt wurden11 und gerade diese Tätigkeit machte die Juden bei der christlichen Bevölkerung Europas sehr unbeliebt.

2.2. Das Getto

„Bis ins 12. Jahrhundert hinein waren Gettos als erzwungene Wohnungszuweisungen für die Juden unbekannt“.12 Später aber gab es dann die verschiedensten Erlasse einzelner Herrscher ein jüdisches Wohnviertel einzurichten. Richtig durchgesetzt wurde die Gettoisierung aber erst im 15. Jahrhundert.13 Dieses hatte für die Juden Vor- wie auch Nachteile: Zum einen wurde das Gefühl der Zusammengehörigkeit gesteigert, zum anderen aber auch die Absonderung von der christlichen Umwelt. Die jüdischen Gemeinden im Getto waren ein richtiger „Mikrokosmos“14 mit eigenen Gesetzen und eigenen Obersten. Nur außerhalb des Gettos galt -im besten Falle- das Judenrecht, zu dem seit dem Konzilbeschluss von 1215 auch die Kleiderordnung zugehört.15 Sie wurde am Anfang nicht streng durchgeführt: Männer sollten einen gelben Ring und Frauen einen blaugestreiften Schleier als Erkennungsmerkmal tragen.16 Später wurde dies noch strenger, da die Juden sich dann ganz abheben mussten vom Rest, indem sie nur noch schwarze Kleidung trugen.17

2.3.Vorurteile der Christen

Der Jude unterschied sich also schon allein durch seine Kleidung von der christlichen Welt. Die Angst vor dem Fremden muss wohl schon im Mittelalter tief im Unterbewusstsein der breiten Massen vertreten gewesen sein, denn sonst lässt sich die Existenz der Vorurteile, die sich das ganze Mittelalter bis in die Neuzeit hinein hartnäckig gehalten haben, nicht erklären. In ganz Europa kannte man die Legenden der Hostienschändung, des Ritualmordes und der Brunnenvergiftung, die jetzt im Einzelnen kurz erläutert werden sollen. In der Hostienschändung ging es darum, dass Juden Hostien stehlen würden, „um den Leib Christi zum Bluten zu bringen.“18 Das erinnert stark an den christlichen Vorwurf, dass die Juden die Schuld am Tode Christi hätten -also den Vorwurf des Gottesmordes. Außerdem unterstellte man den Juden, sie würden kleine Kinder ermorden, um die Leichen für rituelle Praktiken zu gebrauchen.19 Der Vorwurf, mit dem man alle Arten von Seuchen und Krankheiten den Juden andichten konnte, war der der Brunnenvergiftung. Sie würden Leprakranke dazu anstiften, in Brunnen zu baden, „um die Verbreitung von Krankheiten unter der christlichen Bevölkerung zu fördern.“20

3. JUDENTUM UN DER GESCHICHTE SPANIENS

3.1.Das maurische Spanien

711 siegte der Islam über das westgotische Reich und für die Juden bedeutete das in erster Hinsicht eine Befreiung.21 Denn die Mauren befreiten die spanischen Juden von der gotischen antijüdischen Gesetzgebung, die der Westgotenkönig Rekared 586, als er zum Katholizismus übergetreten ist, eingeführt hat.22 Sein Nachfolger verabschiedete sogar ein Dekret, „das die Juden zwang, sich zum Christentum zu bekehren.“23 Im islamischen Staat genossen die Juden nun den Stand des dhimmis, der ihnen Schutz und religiöse Freiheit versprach.24 Nun erfolgte auch wieder eine starke jüdische Einwanderung aus Nordafrika und unter der maurischen Kultur entwickelte sich die jüdische so gut, dass die spanischen Juden sich selber eine eigene Identität gaben, nämlich die Sephardim (von Spanien = Sefarad)25. Die Sephardim genossen hohes Ansehen, da viele von ihnen auch am Hof des Königs beschäftigt waren, zum Beispiel „als Ärzte, Diplomaten und Gelehrte.“26 Czermak sagt, dass die maurischen Herrscher "mitunter auch recht grausam“27 sein konnten, aber dass sie ansonsten sehr gerecht und menschlich waren, denn eigenen Gesetzen und von eigenen Beamten regiert.“28 Weiter sagt er, dass das maurische Spanien das „im zehnten Jahrhundert das zivilisierteste Land Europas“29 gewesen sei.

3.2. Das Spanien der Reconquista

Die von den Christen wiedereroberten Gebiete in Spanien werden Reconquista genannt. Im 12. Jahrhundert wanderten viele Juden aufgrund der maurischen Almohaden- Dynastie, unter der „die Toleranz gegenüber der jüdischen Minderheit ihr Ende gefunden hatte“30, in die Reconquista ab. Die antijüdischen Gesetze aus der Westgotenzeit waren schon seit 1066 von Ferdinand I. von Kastilien aufgehoben und somit konnten Juden auch unter einem christlichen Herrscher einigermaßen sicher leben.31 Auch hier kamen sie bald zu großem Ansehen und arbeiteten bald in hohen Positionen am Hof der Herrscher. Es herrschte in Spanien alles in allem „ein friedliches religiöses Nebeneinander“32. „Christliche Könige dieser Zeit nannten sich sogar „König der drei Religionen“.“33 1199 wurde vom Papst zwar den Juden Minimalrechte eingeräumt, die aber von Pietschmann so interpretiert wurden, dass „die Schutzbereitschaft der christlichen Kirche abhing von der Erwartung, dass zumindest das Gros der Juden sich doch noch zum christlichen Glauben bekehren würde“34. Seit dem vierten Lateralkonzil von 1215 wurde dann aber ganz klar, was das Bestreben der katholischen Kirche war. Hier forderte sie nämlich die räumliche Trennung der Juden von den Christen und das Tragen von Abzeichen, um die Juden erkennbar zu machen.35 Die antijüdischen Aktionen gingen im12. und 13. Jahrhundert letztendlich nicht von den katholischen Königen in Spanien aus -diese wehrten sich sogar gegen jene Konzilsbeschlüsse36 - sondern von Rom, die das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen sowie man es derzeit in Spanien noch vorfinden konnte, hinnehmen wollten. Das, was sie wollten, war, dass die Herrscher in Spanien eine missionarische Politik anstrebten, um ein religiös-homogenes Land zu erreichen. Die katholischen Herrscher Spaniens wurden mehr und mehr unter Druck gesetzt, sodass sich auch ihre Politik früher oder später ändern musste.

4. DIE POLITIK DER KATHOLISCHEN KÖNIGE

4.1.Juden - Politik bis 1478

In Europa verschlechterte sich die Situation der Juden im Allgemeinen. „Aufgrund des verschärften kirchlichen Drucks“37 kam es Ende des 13. Jahrhunderts zu ersten Ausweisungen der Juden aus Nordfrankreich und England.38 Somit wurde Spanien eines der letzten Zufluchtsorte für Juden in Europa, denn die katholischen Könige zeigen sich hier noch recht tolerant. „Der ausgeprägte Traditionalismus der Herrscher ließ sie die innere Autonomie der Gemeinden respektieren.“39 Dennoch gibt es auch in Spanien zwei Meinungsströmungen; Auf der einen Seite finden wir diejenigen, die die langjährige Verknüpfung zwischen Juden und Christen -es gibt ja sogar verwandtschaftliche Beziehungen in Adelshäusern- als positiv ansehen und auf der anderen Seite sind die Gegner der Juden.40 Pietschmann gibt die Schuld für das Aufstreben der antijüdischen Stimmen der „neuen Religiosität, sowie sie die Bettelorden verfochten“41 In ihren Predigen greifen sie die Juden an uns bilden damit einen ganz neuen Missionseifer, dem die Kirche bald zustimmt. Statuten zur Reinerhaltung des Blutes werden der Gesetzgebung vorgeschlagen, diskutiert, übernommen, wieder annulliert und schließlich doch angewendet.42 Hinzu kommt noch die Problematik der conversos, der zum christlichen Glauben übergetretenen Juden, in Spanien. Diese wurden laut Recht als Christen behandelt, behielten aber zum Teil ihren alten Glauben bei, wenn sie zum Beispiel gewaltsam bekehrt worden sind.43 Indem sie jetzt aber heimlich weiter jüdisch lebten, begingen sie damit ein Verbrechen, Häresie, die bekanntermaßen ja in christlichen Ländern aufs Schärfste verfolgt wurde. Hier weicht die kirchliche Verhaltensnorm ab: Die Bekehrung zum Christentum muss also nicht mehr freiwillig geschehen, sondern auch unter Zwang getaufte Juden sind Christen.44 Somit wand sich die Kirche inoffiziell gegen das tolerante System Spaniens, das die Herrscher verfochten. Und im Jahre 1313 wurde es dann offiziell: „Die kastilische Synode von Zamora drängte daher auf Beendigung der Toleranz gegenüber dem Judentum und die Anwendung der päpstlichen und konziliaren Anordnungen des 13.Jahrhunderts.“45 Auch die Vertreter der Städte machten mehr und mehr antijüdische Forderungen auf ihren Versammlungen.46 So blieb dem Judentum nur die Hoffnung auf ein starkes Königtum, das sich nicht unter Druck setzen lässt.

4.2. Die Wende- Judenpolitik nach 1478

Vincent versucht den plötzlichen Umschwung der Politik der Könige gegenüber den Juden mit dem Aufenthalt in Sevilla zu erklären. Er meint, die Könige wären in Sevilla während der Clan- Kämpfe in der Stadt zu der Überzeugung gekommen, dass die conversos nur nach Reichtum und Macht streben.47 Ob es jetzt wirklich an diesem einen Schlüsselerlebnis der Könige oder eher an einem Königtum, dass sich von Kirche, Adel und Städte unter Druck gesetzt fühlt liegt (oder an Beidem), soll hier nicht näher erläutert werden. Entscheidend ist, dass sich im Jahre 1478 eine deutliche Wende verzeichnet: Im Jahre 1480 wurden Gettos errichtet, deren Strenge eine Neuheit in der Politik darstellte48, 1483 folgte dann die Vertreibung der Juden aus Andalusien und 1487 aus Malaga.49 Die Herrscher ließen sich also „zwischen 1478 und 1485 durch die Argumente der den Juden radikal feindlichen Strömung überzeugen.“50 Pietschmann merkt hierzu an, dass, wenn das Königtum dazu übergehen würde, die religiöse Homogenität in Spanien durchzusetzen, nichts Anderes als Vertreibung oder Zwangsbekehrung übrig bleiben würde.51 Nach Errichtung der Inquisition , die 1480 in Sevilla ihre Arbeit aufnahm und dann mit aller Schärfe gegen die conversos vorging, „musste damit offenkundig werden, dass die Könige in ihrer Religionspolitik mit allem Nachdruck vorzugehen gewillt waren.“52 Jetzt waren fünf neue Punkte ausschlaggebend für die weitere Politik der Könige: „1. Die Errichtung der staatlich kontrollierten Inquisition; 2. Die Reform des Welt- und Ordensklerus; 3. Die Vertreibung der Juden; 4. Die Zwangsbekehrung der Mauren und schließlich 5. Die Durchsetzung des Staatskirchentums“.53 1492 wurde schließlich auch Granada besiegt54 und damit war die letzte maurische Festung gefallen: Die besten Vorraussetzungen, um ein religiös einheitliches Land zu erreichen.

5. DIE VERTREIBUNG

5.1. Das Dekret

Ausgearbeitet von der Inquisition, wird das Ausweisungsdekret den Königen am 20. März 1492 präsentiert und am 31. März von denselbigen unterschrieben.55 Das Dekret stiftete unter Juden sowie Nichtjuden erst einmal Verwirrung, denn „nichts schien einen so radikalen Beschluss anzukündigen“56. Auch wenn man aus dem vorherigen Kapitel entnehmen kann, dass es schon Anhaltspunkte für einen radikalen Bruch der Könige mit der toleranten Judenpolitik gegeben hat, so war es den meisten Juden dennoch nicht klar, dass es so ernst um ihre Existenz stand. Vincent betont das Vertrauen, das die spanische Königin, Isabella, in jüdische Ärzte und Berater legte.57 Die spanischen Juden suchten nach Gründen. Der Text des Dekrets nannte Motive, die sich auf die schon oben genannte Problematik der conversos bezogen58: Die Christen würden den Argumenten der bekehrten Juden zuviel Glauben schenken. Die Warnung, zu der auch die Errichtung der Gettos und der Inquisition gezählt werden, hätte nicht gefruchtet und somit sei die Vertreibung letzte Konsequenz.59 Weiter nennt das Dekret noch einzelne Bestimmungen zu dem Ablauf der Vertreibung, also unter anderem: ein Aufschub bis zum 31. Juli sei möglich, Zuwiderhandelnde werden mit dem Tod bestraft und helfende Christen mit Verlust ihres Vermögens, es dürfte alles mitgenommen werden außer Gold, Silber, Waffen und Pferde und die Juden stehen im Zeitraum ihrer Ausreise unter besonderen königlichen Schutz.60 Interessant ist, dass mit keinem Wort erwähnt wird, dass die Möglichkeit zur Bekehrung zum Christentum als Alternative zum Auswandern für Juden bestand. Wahrscheinlich war das also für alle klar gewesen. Laut Vincent waren die Könige sogar „angeblich überrascht von der geringen Zahl der Bekehrungen zum Christentum.“61 Die Adelsfamilien, die mit den Juden in engeren Kontakt standen und wohl auch von ihnen profitierten, versuchten vergeblich die Rücknahme des Dekrets zu erreichen.62 So begann also der Exodus der Juden aus Spanien Anfang April und zog sich dann bis Ende Juli hin.

5.2. Die Auswanderung

Die Aufgaben der Juden, bevor sie mit ihrer Auswanderung begannen, bestanden darin, die Güter, die man nicht mitnehmen konnte zu verkaufen und Rechnungen mit Schuldherren zu begleichen.63 Dies erwies sich aber bald als ein Problem, denn „ungeachtet der königlichen Schutzbestimmungen für die Auswandernden verloren diese doch erhebliche Teile ihres Vermögens an Spekulanten, die sich die Notlage der Vertriebenen zunutze machten.“64 Man muss denjenigen, dem man Geld schuldet ja nur solange warten lassen, bis er das Geld nicht mehr einfordern kann, weil er in einem anderen Land lebt. Aber nicht nur kleine Spekulanten profitierten von der Not der Anderen, auch mehrere Leute in hohen Positionen65: Es gab Verantwortliche für Transport und reibungslosem Verlauf der Auswanderung, die Juden erpressten oder ihr Vertrauen missbrauchten67. Zum Teil wurden die Juden von Richtern gehindert, ihre Güter zu verkaufen oder auf dem Weg zu den Grenzen Spaniens wurde illegaler Wegzoll von ihnen verlangt.68 Das Geld für die Auswanderung kam auch nicht aus der Staatskasse, sondern musste von den Auswandernden selber bezahlt werden. Vincent beschreibt dies anhand eines Beispiels einer jüdischen Gemeinde.69 Dennoch gab es wohl Leute in Spanien, die aufrichtig das Leid der Juden berührte und Mitleid mit ihnen empfanden.69 Pietschmann betont noch einmal, dass es sich hierbei nicht um eine simple Auswanderung, sonder um einen Exodus mit enormer persönlicher Tragik für die Betroffenen, handelt.70 Diese wanderten in Länder wie Portugal, das aber nur kurzer Durchgangsort für die meisten war (einige Tausend konnten gegen Geld bleiben)71, Italien, zum Teil von einigen Städten aufgenommen, zum Teil nicht (je nach wirtschaftlicher Lage der Stadt)72 oder das ottomanische Reich, wo sie die größte Sicherheit fanden, da sie hier wie früher im maurischen Spanien wieder den Stand des dhimmi inne hatten und somit religiöse Freiheit besaßen.73

5.3. Die Folgen

Vincent deutet den Verlust der jüdischen Intelligenz für die christlichen Länder an.74 Das moslemische Reich verschließt sich nicht der multikulturellen Vorteile. „Das Spanien der drei Kulturen war tot.“75 Das ottomanische Reich hingegen blühte in Wissenschaft und Kunst auf. Die Sepharden fanden hier eine neue Heimat, auch wenn das traumatische Erlebnis des Exodus sich sicherlich noch auf Generationen ausgewirkt hat. Schließlich riss die Vertreibung ganze Familien auseinander.76 In Spanien selber blieben nur die bekehrten Juden, also die conversos zurück, denen auch in den nächsten Jahrhunderten die Angriffe ihrer Mitbürger nicht erspart blieben. Die Inquisition mischte weiter in Spanien mit und jeder, der nur einen Tropfen jüdischen Blutes oder verwandtschaftlich oder soziale Bindungen zu conservos hatte, musste Angst vor ihr haben.77 Die Statuten der Reinerhaltung des Blutes setzten sich weiterhin durch. Abkömmlingen von Juden wurde der Zugang zu öffentlichen Ämtern verweigert.78

6. SCHLUSS

Der Grund für die Vertreibung ist also nicht nur in der Religiosität zu finden, auch wenn die Kirche eine große Rolle gespielt hat, indem sie immer wieder versucht hat, die spanischen Könige zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Auch der Missionseifer der sogenannten Bettelorden ist nur ein Teil, der -zwar nicht unwesentlich- dazu beigetragen hat, dass das Dekret letztendlich unterschrieben worden ist. Vielmehr ist ein wichtiger Grund, der oft übersehen wird, wohl auch die politische und soziale Situation, denn auch der Adel und die Städtestände setzten die Herrscher in Spanien nicht unwesentlich unter Druck. Und jedes Jahr mehrten sich die Überfälle auf jüdische Gemeinde, was aber zum Teil auch mit den Hetzreden der Mönche zusammenhängt. Die Vertreibung ist also nicht allein auf religiöse Gründe zurückzuführen. Die Juden waren Konkurrenz: Sowohl für die Städte, was den Handel betraf als auch für den Adel, da sie ja unter Isabella einen großen Einfluss ausgeübt haben (und wohl auch schon vorher). Hier sind die ersten Ursprünge des modernen Rassismus zu finden. Das Gesetz zur Reinerhaltung des Blutes geht nicht gegen religiöse Feinde vor, sondern gegen Fremde, mit fremdem Blut, also einer anderen Rasse.

Literaturverzeichnis:

Bernecker, Walter L./ Pietschmann, Horst: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart, Berlin, Köln 1993.

Bernstein, Reiner: Das jüdische Volk in der Weltgeschichte. In: Informationen zur politischen Bildung 140. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. Wiesbaden 1970. Heft1.

Czermak, Gerhard: Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Frankfurt a.M. 1991.

Nave, Pnina: Kirche und Synagoge. In: Geschichte der Juden. Von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von Franz J. Bautz. München 1983.

Pietschmann, Horst: Die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahre 1492. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1992.

Vincent, Bernard: 1492. „Das Jahr der Wunder“. Spanien 1492.: Die Vertreibung der Juden und Mauren und die Einführung der Grammatik. Berlin 1992.

Westfälische Wilhelms- Universität Münster Institut für Soziologie

Seminar: Die Geschichte des Antisemitismus Dozentin: Prof. Dr. Karin Priester WS 2000/2001

Die Vertreibung der Juden1492 aus Spanien

Maren Löhring

Vor Pastors Busch 15 48683 Ahaus

3. Semester

[...]


1 Pietschmann, Horst: Die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahre 1492. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1992. S. 33, Sp.2, Z. 4-6. ( Künftig zitiert: Pietschmann).

2 Czermak, Gerhard: Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Frankfurt a.M. 1991. S.37. Z. 6,7. ( Künftig zitiert: Czermak).

3 Bernstein, Reiner: Das jüdische Volk in der Weltgeschichte. In: Informationen zur politischen Bildung 140. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. Wiesbaden 1970. Heft1. S.13. Sp.2, 3. (künftig zitiert: Bernstein).

4 Bernstein. S.13. Sp.3. Z.38-50.

5 Bernstein. S.14. Sp.2. Z.8-11.

8 Bernstein. S.15. Sp.1. Z.51, 52.

9 Aber das auch nur aus wirtschaftlichen Gründen.

10 Bernstein. S.15. Sp.2. Z.41, 42.

11 Bernstein. S.16. Sp.1. Z.62, 63.

12 Bernstein. S.17. Sp.1. Z.18-20.

13 Bernstein. S.17. Sp.1. Z.50, 51.

14 Bernstein. S.17. Sp.2. Z.1, 2.

15 Bernstein. S. 17. Sp.3. Z.34-36.

16 Bernstein. S.17. Sp.3.

17 Ebenda.

18 Nave, Pnina: Kirche und Synagoge. In: Geschichte der Juden. Von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von Franz J. Bautz. München 1983. S. 89. Z.6. (Künftig zitiert: Nave)

19 Pietschmann. S.36. Sp.2. Z.14.

20 Pietschmann. S.36. Sp.2. Z.17-19.

21 Czermak. S.37. Z.1,2.

22 Pietschmann. S.33. Sp.2. Z.17, 18.

23 Pietschmann. S.34. Sp.1. Z.3,4. „ihre Unterworfenen wurden vielfach nach

24 Vincent, Bernard: 1492. „Das Jahr der Wunder“. Spanien 1492.: Die Vertreibung der Juden und Mauren und die Einführung der Grammatik. Berlin 1992. S.32. Z.32-37. (Künftig zitiert: Vincent).

25 Pietschmann. S.34. Sp.1. Z.18-22.

26 Pietschmann. S.34. Sp.1. Z.26-28.

27 Czermak. S.37. Z.9.

28 Czermak. S.37. Z.11, 12.

29 Czermak. S.37. Z.14, 15.

30 Pietschmann. S.34. Sp.1. Z. 35, 36.

31 Pietschmann. S.34. Sp.1. Z.38-42.

32 Czermak. S.38. Z.6 ,7.

33 Czermak. S.38. Z.8, 9.

34 Pietschmann. S.34. Sp.2. Z.21-24.

35 Pietschmann. S.34. Sp.2. Z.27-33.

36 Pietschmann. S.34. Sp.2. Z.33-37.

37 Pietschmann. S.36. Sp.1. Z.28, 29.

38 Pietschmann. S.36. Sp.1. Z.29-35.

39 Vincent. S.35. Z.30-32.

40 Vincent. S.39.

41 Pietschmann. S. 35. Sp.2. Z.7, 8.

42 Vincent. S.40. Z.12-23.

43 Pietschmann. S.37. Sp.1. Z.6-10.

44 Pietschmann. S.37. Sp.1. Z.29-40.

45 Pietschmann. S.38. Sp.1. Z.23-28.

46 Pietschmann. S.37. Sp.2. Z.34-40.

47 Vincent. S.40. Z.35.- S.41. Z.2.

48 Vincent. S.42. Z.2-11.

49 Vincent. S.42. Z.29.- S.43. Z.11.

50 Vincent. S.43. Z.22-24.

51 Pietschmann. S.39.Sp.2. Z.51-S.40. Sp.1. Z.6.

52 Pietschmann. S.42. Sp.2. Z.12-14.

53 Bernecker, Walter L./ Pietschmann, Horst: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart, Berlin, Köln 1993. (künftig zitiert: Bernecker). S. 54. Z.26-30.

54 Pietschmann. S.43. Sp.1. Z.18-20.

55 Pietschmann. S.43. Sp.2. Z.27-30.

56 Vincent. S.31. Z.20, 21.

57 Vincent. S.31. Z.21-24.

58 Vincent. S.31. Z. 36. - S.32. Z.8.

59 ebenda.

60 Vincent. S.32. Z.9-17.

61 Vincent. S.45. Z.18, 19.

62 Pietschmann. S.43. Sp.2. Z.43-45.

63 Vincent. S.117. Z.5-8.

64 Pietschmann. S.44. Sp.1. Z.24-28.

65 Vincent. S.118. Z.14-32.

67 ebenda.

68 ebenda.

69 Vincent. S.117. Z.14-17.

69 Pietschmann. S.44. Sp.1. Z.40-44.

70 Pietschmann. S.44. Sp.1. Z.37-40.

71 Vincent. S. 120. Z.36.- S.121. Z.15.

72 Vincent. S.121. Z.15.- S.122. Z.23.

73 Vincent. S.123. Z.6-19.

74 Vincent. S.126. Z.3-7.

75 Vincent. S.126. Z.9.

76 Vincent. S.126. Z.24-27.

77 Bernecker. S.58.

78 Pietschmann. S.44. Sp.2. Z.34-38.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Vertreibung der Juden aus Spanien 1492
Hochschule
Universität Münster
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V100423
ISBN (eBook)
9783638988490
Dateigröße
358 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vertreibung, Juden, Spanien
Arbeit zitieren
Maren Löhring (Autor:in), 2001, Die Vertreibung der Juden aus Spanien 1492, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100423

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