Zu Günter Heisterkamps "Das Konzept des Widerstandes in der Individualpsychologie"


Referat (Ausarbeitung), 2001

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) „Widerstand“ als Inbegriff

3) „Widerstand“ unter dem Gestaltaspekt

4) „Widerstand“ unter dialektischem Aspekt

5) „Widerstand unter interaktionellem Aspekt

6) Zusammenfassung

1) Einleitung

Unter den vielen Aspekten und Theorien in der Psychologie die umstritten sind, ist auch das Konzept des „Widerstandes“ in der Individualpsychologie nicht ohne Anhänger und Gegner geblieben. Der Diplompsychologe, Psychoanalytiker und Professor für Psychologie an der Universität GHS Essen Günter Heisterkamp vermeidet bei der Vorstellung dieses Konzeptes dennoch die Bewertung und ermöglicht dem Leser dieses Textes die neutrale Betrachtung dieses Bereiches in der Psychologie. Aufgebaut ist sein Text in fünf umfassende Teile die sich auf verschiedene Gebiete bzw. auf die Betrachtung des Begriffes „Widerstand“ unter verschiedenen Aspekten beziehen. Grundlegend für diesen Text ist ein umfassendes Literaturverzeichnis. Teil 1 dieses Schriftstückes definiert den Begriff „Widerstand“ als prägnant und feststehend für das Feld der Individualpsychologie und im speziellen in der Psychotherapie. Der zweite Teil betrachtet den Begriff „Widerstand“ unter den Aspekten der Gestaltpsychologie, wobei die Bedeutung dieses Phänomens für den Patienten hervorgehoben wird. Im dritten Teil werden dialektische Bezüge hergestellt, d.h. These, Antithese und Synthese dieses Systems werden gesondert dargestellt und analysiert. Teil 4 betrachtet die Auswirkungen und Folgen des „Widerstandes“ besonders unter dem interaktionellem Aspekt der Situation Therapeut versus Patient. Zu guter Letzt fasst Heisterkamp im fünften Teil noch mal alle gemachten Feststellungen und Beobachtungen zusammen. Abschließend sollte gesagt sein das Heisterkamp in seinem Text vor allem von der therapeutischen Situation ausgeht, also vor allem die praktische Seite hervorhebt.

2) „Widerstand“ als Inbegriff

Der Begriff des Widerstandes wurde von Sigmund Freud entwickelt und bezog sich im allgemeinen auf Störungen des Therapieablaufs. So sagte Freud: „Was immer die Fortsetzung der Arbeit stört, ist ein Widerstand.“1Diese Störungen des Therapieablaufs sind unter anderem dann ganz deutlich wahrzunehmen, wenn der zu behandelnde Patient z.B. Termine vergisst, Sitzungen absagt oder sich verspätet, wenn er sich gegen die offene Darlegung seines

Problems wehrt oder darüber hinweg redet, wenn er durch die Steigerung seiner Symptome versucht die gegenwärtige Situation zu verfestigen, wichtige Zugangsquellen wie Einfälle, Träume oder Erinnerungen versperrt oder er versucht den aktuellen Forderungen seiner Lebenssituation auszuweichen. Diese Liste von Störungen ließe sich beliebig fortsetzen, da immerhin sein ganzes Verhalten dem Sinn des Widerstandes folgt. Der Sinn des Widerstandes liegt darin den therapeutischen Prozess der Wandlung zu behindern bzw. zu erschweren, da dies eine Wandlung der seelischen Verfassung voraussetzen würde. „Widerstand“ muss

zunächst als Sammelbegriff für eine Reihe von Phänomenen gelten, über die sich Therapeuten verständigen. Er dient dazu eine gewisse Einteilung vorzunehmen ohne jedoch eine Erklärung zu versuchen. Also soll der Begriff des „Widerstandes“ zunächst als faktische Definition dienen um eine Verständigungsbasis herzustellen. Im weiteren wird dann auf die Frage eingegangen wie sich solche Vorgänge auf die individualpsychologische Struktur des Seelischen beziehen, wie sich psychologisch funktionieren und wie sie in der Therapie gemeistert werden können.

3) „Widerstand“ unter dem Gestaltaspekt

Nun wird „Widerstand“ unter dem Gestaltaspekt betrachtet, da dieser Gedanke grundlegend für die Individualpsychologie ist. Adler sagt, die Persönlichkeit ist eine „immanent zielgerichtete Einheit“.2„Das individuelle Bildungsprinzip, das als vereinheitlichende Gestalt alle Verhaltens- und Erlebensweisen des Individuums durchzieht,“ wird von Adler als Lebensstil bezeichnet.3Alle Ausdrucksformen des Seelischen werden urbildlich von diesem Lebensstil durchzogen. Abzuleiten sind feststellbare Widerstände in der Therapie aus der Vormachstellung des Ganzen gegenüber seinen Gliedzügen. Alles was ein Individuum hervorbringt ist im System des speziellen Lebensstils organisiert. In diesem Sinne z.B. handeln wir, denken wir und fühlen wir. Also behalten oder vergessen wir, verstehen oder missverstehen wir, usw..

Als Verdeutlichung des Gestaltaspektes lassen sich viele anschauliche Beispiele finden, so

z.B. das bekannte Vexierbild von W.E. Hill. Wir sehen entweder die junge hübsche Frau mit ihrem Hut und stimmigen Accessoires oder sehen eine alte Hexe mit einer fürchterlichen Hakennase. Betrachten wir nun jenes Bild, entdecken wir eine uns vertraute Struktur und verdrängen die andere Möglichkeit unbewusst bzw. ungewusst in den Erlebnishintergrund. Es ist insofern ein Widerstand zu erkennen, das wir die junge Frau lieber sehen als die alte Hexe und so das Bild der Hexe in den Hintergrund rücken. Gleichermaßen gibt es in der Denk- und

Gedächtnispsychologie Beispiele die Widerstände verdeutlichen. Hier sein nur einmal auf die Neun-Punkte-Aufgabe4verwiesen, bei der neun Punkte die im Quadrat angeordnet sind mit vier geraden Strichen in einem Linienzug durchfahren werden müssen. Der in dieser Aufgabe enthaltene strukturelle Zwang, den Rahmen des virtuellen Quadrates nicht zu überschreiten, beschreibt einen Widerstand. Allerdings wäre es nötig diesen Rahmen zu durchbrechen, wollte man diese Aufgabe lösen. „Daraus resultieren „Widerstände“ , die prägnante, aber inadäquate Lösungsgestalt zugunsten einer differenzierteren, aber adäquaten aufzugeben. Das

quasi-neurotische Verhalten besteht in der Fixierung an ein Handlungsmuster, das – um in

dem gewählten Beispiel zu bleiben – nur Versuche innerhalb eines als quadratisch antizipierten Lösungsschemas erlaubt.“5Ebenso gibt es Probleme beim schöpferischen Problemlösen, die dadurch hervorgerufen werden, wenn wir an die funktionale Gebundenheit von Gegenständen erinnert werden. Auch beim Aufbau von Erinnerungen, also beim Gebrauch unseres Gedächtnisses gibt es funktionale Prinzipien, die gemäß der Funktion ihre eigenen Widerstände bzw. ihre eigene Zensur hervorbringen.

„Wenn die am Beispiel aktueller Handlungsverfassungen gewonnenen Einsichten auf überdauernde Charakterverfassungen bezogen werden, lassen sich „Widerstände“ als Ausdrucksformen für deren Entwicklungschancen und Entwicklungsgrenzen verstehen.“6Das bedeutet also das „Widerstände“ kennzeichnend dafür sind wie weit sich ein Individuum entwickeln bzw. selbst einschränken kann. Gleichzeitig sind in „Widerständen“ die

Systemschranken eines individuellen Lebensstils zu erkennen. Vor allem neurotische Lebenspläne geben prototypisch Beispiele für dieses System. Der allumfassende Rahmen dieses Systems strebt allem entgegen, was nicht durch die neurotische „Schablone“ passt. Charakteristische Attribute eines neurotischen Lebensstils sind z.B. „starrsinnig“ oder

„eigensinnig“. Aufgrund der Tatsache das die neurotische Logik sich mit der allgemeinen Logik der Menschheit bricht, fehlt laut Piaget der bewegliche Ausgleich zwischen Assimilation und Akkomodation. Nun ist der neurotische Lebensstil ein „kunstvoll arrangiertes Vermeidungssystem“, das sich durch Starrheit kennzeichnet, die gegen alles gerichtet ist was dieses System stören könnte. Vermeidungssystem in der Hinsicht, dass der Neurotiker immer versucht ist u.a. Sachen, Empfindungen und Gedanken auszuschließen bzw. zu vermeiden die sein System belasten könnten. Der neurotische Lebensstil ist ständig in seiner Einheit gefährdet. Die Angst des Neurotiker seine Identität zu verlieren, führt zu dem Hauptirrtum einer neurotischen Lebensweise. Das nämlich die eigene Identität nur aufrecht gehalten werden kann, wenn er sich an ein Schema bindet, es sozusagen fixiert. Diese Aufgabe, also die Unmöglichkeit sich gegen die lebensnotwendige Wandlungen des Seelischen zu stellen, erfordert vom Betroffenen allerhand „Kunstgriffe“,

„Hilfskonstruktionen“ oder „Arrangements“. Um die eigene Gestalt nicht verändern zu müssen, wird z.B. zu Tricks, Finten, Leugnungen, Verkehrungen, Vermeidungen, Umwertungen und Verschiebungen gegriffen. Diese unzähligen Verhaltensweisen des Neurotiker dürfen nicht als Widersprüche zum gesamten System gesehen werden, sondern sollten vielmehr als dessen Belege gelten. Als Versuch der Absicherung bringen solche Symptome erheblich belastende Folgen mit sich. Adler spricht davon, das der Patient genau die Symptome vorgibt, die er benötigt um seine fiktiven Ziele zu erreichen. Gerade hier muss

sich der Therapeut die Frage stellen, welchen Sinn oder welche Ziele sein Patient mit diesen Symptomen versucht zu verwirklichen. Denn im System des Patienten wird das Unsinnige sinnig, das Unzweckmäßige zweckmäßig usw.. Der Patient reproduziert ständig das Grundmuster der eigenen Erlebnis- und Verhaltenswelt, das als Zentrum die Erhöhung des Selbstwert- und Persönlichkeitsgefühls inne hat. „So sind Widerstände nach individualpsychologischer Auffassung Sicherungen und Arrangements, die der Selbsterhaltung des neurotischen Lebensplanes dienen.“7

[...]


1 Greenson, R.R., Technik und Praxis der Psychoanalyse, Band 1, S. 85, Klett, Stuttgart 1973

2 Wexberg, E., Individualpsychologie, 1931, Hirzel, Stuttgart 1974.

3 Heisterkamp, G., Das Konzept des Widerstandes in der Individualpsychologie, Ratingen 1981, in Petzold und Hilarion (Hrsg.), Widerstand – ein strittiges Konzept in der Psychotherapie, Reihe Vergleichende Psychotherapie, Band 3, Innfermann, Paderborn 1981

4 Krech, D.; Crutchfield, R., Grundlagen der Psychologie I, Beltz, Weinheim 1968.

5 Nach Heisterkamp 1981, Heisterkamp, G., Das Konzept des Widerstandes in der Individualpsychologie, Ratingen 1981, in Petzold und Hilarion (Hrsg.), Widerstand – ein strittiges Konzept in der Psychotherapie, Reihe Vergleichende Psychotherapie, Band 3, Innfermann, Paderborn 1981, S.122.

6 ebenda, S. 123

7 ebenda, S. 124 und Künkel, F., Vitale Dialektik, Hirzel, Leipzig 1929.

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Details

Titel
Zu Günter Heisterkamps "Das Konzept des Widerstandes in der Individualpsychologie"
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V100416
ISBN (eBook)
9783638988421
Dateigröße
378 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Günter, Heisterkamp, Konzept, Widerstandes, Individualpsychologie
Arbeit zitieren
Andreas Verweyen (Autor:in), 2001, Zu Günter Heisterkamps "Das Konzept des Widerstandes in der Individualpsychologie", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100416

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