Die Blomberg-Fritsch-Krise und ihre Auswirkungen auf das innere Gefüge der Wehrmacht


Ausarbeitung, 2000

15 Seiten, Note: eins


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Entwicklungen zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft

2.1 Verhältnis Hitler zur Wehrmacht

2.1.1 Zwei-Säulen-Theorie

2.2 Der Loyalitätswettlauf

2.3 Entwicklungen bis 1937

3 Hitlers Griff nach der Wehrmacht 1937

3.1 Die Besprechung vom 5. November 1937

3.1.1 Reaktionen der Teilnehmer

4 Die Blomberg-Fritsch-Krise

4.1 Blombergs Sturz

4.2 Die Intrige gegen Fritsch

4.3 Das Revirement der Wehrmachtspitze

5 Die Auswirkungen auf das innere Gefüge der Wehrmacht

5.1 Direkte Folgen

5.2 Genese des deutschen Widerstands im Militär

6 Zusammenfassung

1 Einleitung

Wie konnte es zum 20. Juli 1944 kommen? Dieses Attentat auf Hitler konnte den Schatten, den das 3. Reich auf Deutschland geworfen hatte, etwas aufhellen.

Die Gruppen, die sich für den deutschen Widerstand verantwortlich zeigten, sind unterschiedlicher Herkunft, hatten unterschiedliche Überzeugungen und politische Ziele. Auf den folgenden Seiten soll deutlich gemacht werden, welches Verhältnis Hitler zur Wehrmacht hatte, wie dieses Verhältnis unter einer ständigen Spannung stand und welchen entscheidenden Auslöser es für die Bildung der Widerstandsbewegung im Militär gegeben hatte.

2 Entwicklungen zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft

2.1 Verhältnis Hitler zur Wehrmacht

In seiner Regierungserklärung vom 30. Januar sprach er [Hitler] von seiner ,,Liebe zum Heer als Träger unserer Waffen und Symbol unsrer großen Vergangenheit"1. Hitler suchte in der Anfangsphase seiner Regierungszeit den Dialog mit den Generalen der Reichswehr. Einer Zusammenkunft mit den Befehlshabern am Abend des 3.Februar in der Bendlerstraße 14 hatte er nicht ohne Sorge entgegengesehen, aufgrund ihres Rufes von hochmütiger Abgeschlossenheit2. Hitler brauchte die Armee im Prozess der inneren Machtergreifung, aber auch für die späteren Expansionspläne.

Die jüngeren Offiziere hegten zwar Sympathien für Hitler, diese waren jedoch in den meisten Fällen unklar. Sie hofften auf eine Revision des Versailler Vertrages, den Wiedergewinn des Prestiges der Armee, sowie sozialen Veränderungen und Aufstiegsmöglichkeiten. Die älteren Offiziere, die sich nie an eine Identität in der Weimarer Republik gewöhnt hatten, erhofften sich gleich den jüngeren von dem neuen autoritären Staat eine Rückgewinnung ihres alten Einflusses. Hier brachte Hitler seine Zwei-Säulen-Theorie ins Spiel.

2.1.1 Zwei-Säulen-Theorie

Die Zwei-Säulen-Theorie sollte eine Gleichberechtigung zwischen Wehrmacht und Partei darstellen. Das Ziel Hitlers war die Beruhigung der militärischen Führung. Er wusste, dass er gegen die Streitkräfte nie die Macht im Staat werde erlangen können3. Diese trugen die Sorge in sich, gleich dem italienischen Vorbild, mit den Kampfverbänden der Partei verschmolzen zu werden.

In seiner Rede vom 30. Januar 1933 sprach dann Hitler schon von einer ,,herzlichen Verbundenheit im Dienste des Volkes [...] zwischen der NS-Partei [...] einerseits und den Offizieren und Soldaten des deutschen Reichsheeres andererseits"4. Bei dem schon oben angesprochenen Treffen zwischen Hitler und der Generalität äußerte sich der kühl empfangene Reichskanzler zu den Zielen seiner Politik in Bezug zur Wehrmacht: Erste Priorität im Staat dem Aufbau der Wehrmacht, keine Verschmelzung mit der SA, und schließlich die Vision des auf den gleichberechtigten ,,zwei Säulen", auf Wehrmacht und Partei ruhenden Staates5. Die Zustimmung zu diesen Äußerungen war kühl, Hitler hatte das Gefühl, ,,die ganze Zeit wie gegen eine Wand gesprochen" zu haben6. Daher war die Sorge der Generalität doch noch erkennbar, in der braunen Flut unterzugehen. Röhms Einstellung, dem geistigen Vater der SA, zur bewaffneten Macht im Staat war schon früh zu erkennen, diese gipfelte im Herbst 1933 in der Aussage ,,Der graue Fels muss in der braunen Flut untergehen"7.

2.2 Der Loyalitätswettlauf

Die Reaktion darauf war ein Loyalitätswettlauf zwischen Reichswehr und SA. Die Reichswehr hatte das Ziel einer neuen Standortbestimmung im NS-Staat. Das Waffenträgermonopol sowie der alleinige Einsatz nach außen sollte der Reichswehr erhalten bleiben.

So kam es zu einer Anbiederung an Hitler: Auf der einen Seite die SA mit ihrem Führer Röhm, der sich Hitler als unentbehrlicher und loyaler Helfer bei der weiteren Verfolgung der nationalsozialistischen Politik anbot8, auf der anderen Seite die Reichswehr, mit ihren Führen Blomberg und Reichenau, die sich als ,,bessere" und ,,zuverlässigere" Alternative darzustellen versuchte9. Hier war die Sorge zu erkennen, bei den schon festinstallierten Machtverhältnissen im Reich zu kurz kommen zu können. Eine Anpassung war laut Reichenau erforderlich10 . So kam es zur stärker vorangetriebenen Indoktrinierung der Reichswehr im Sinne einer Anpassung der nationalsozialistischen an die Reichswehrideologie11 durch Blomberg. Dieser Machtkampf verschärfte sich, trotz eines Abkommens zwischen Blomberg und Röhm, im Verlaufe der Jahre 1933/34. Aus machtpolitischen Gründen innerhalb der NSDAP kam es dann zum ,,Röhmputsch" (Röhm hatte das Ziel einer sozialistischen Revolution in der nationalen Revolution), dem die Reichswehr wohlwollend gegenüberstand, konnte sie doch so ihren Machtanspruch leichter und einfacher behaupten. So unterstützte sie die Mordaktionen durch die SS mit Waffen und Fahrzeugen.

Den schon vorhandenen oppositionellen Meinungen fehlte allerdings eine Grundlage, da die Machenschaften Hitlers von dem Mann toleriert wurden, dem das absolute Vertrauen, der Respekt und Gehorsam der Soldaten galt: Feldmarschall Paul von Hindenburg12 .

2.3 Entwicklungen bis 1937

Mit dem Ableben des greisen Reichspräsidenten Hindenburg kam es zunächst zu einem neuen Eid der Reichswehr auf Hitler am 2. August 1934. Dieser Eid wurde nicht durch die NSDAP, sondern im Zuge der Machtbeteiligung von Blomberg initiiert Der erste Schritt war getan, die Reichswehr ganz in die Hand Hitlers zu geben13 . Immer mehr kam es zur Übertragung von nationalsozialistischen Prinzipien auf die bislang autonome Domäne der Personalführung. Ebenfalls entwickelte sich seit Herbst 1934 ein Spannungszustand zwischen Reichswehr und Organisation der NS-Bewegung. Der Höhepunkt dieser Krisen entwickelte sich spätestens bis zur Blomberg-Fritsch-Krise. Im Jahre 1938 notierte Fritsch rückblickend: ,,Im Herbst 1934 setzte dann eine verstärkte Hetze der Partei gegen meine Person ein"14 . Eine gegenseitige Missachtung trat deutlich hervor: Es kam zu Zwischenfällen zwischen Armee und NS- Gruppen, aber auch zwischen Offizieren in Zivil und Funktionären der Partei. Doch von Machtkämpfen innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung profitierte die Reichswehr: So wurde sie der einzige tatsächliche Machtfaktor neben der Partei15 .

Im Jahr 1935 versuchte Hitler das Vertrauen der militärischen Führung wiederzugewinnen. Diese Rede vom 3. Januar 1935 wirkte auf die Generalität in hohem Maße. Unterschiede in der Bewertung waren aber zu erkennen: Blomberg leugnete schlichtweg alle reichswehrfeindlichen Tendenzen [...], während Fritsch dunkel davon sprach, dass die Reichswehr viele versteckte Feind habe16 . Hitlers größter Erfolg jedoch war, den Anschein der Sonderstellung der Armee gewahrt zu haben.

Die Konflikte zwischen der Wehrmacht (terminologische Änderung Sommer 1935) und NS- Organisation brachen weiterhin auf. Es kam zu Bespitzelungen und Denunziationen der Wehrmacht. Der neue Gegner der Armee war die SS. Diese besaß jetzt ähnliche Expansionsbestrebungen wie die SA, sie war nur ein weitaus gefährlicherer Gegner.

3 Hitlers Griff nach der Wehrmacht 1937

Die geostrategische Lage der Wehrmacht verbesserte sich bis 1937, doch befand sie sich in einer Gefahrenzone, die einen schweren Interessenkonflikte nach sich zog. Auf der einen Seite stand die Remilitarisierung des Rheinlandes, sowie das Voranschreiten der Heeresvermehrung, auf der anderen Seite die Lähmung der militärischen Einsatzfähigkeit durch die Neuaufstellung von Divisionen. Deutschland war 1936/37 unter gar keinen Umständen in der Lage, auch nur einen kürzeren Krieg zu führen17 . Dieser Gedanke war allen führenden Köpfen von Militär und Staat deutlich. Die Meinungen der Verantwortlichen zum Überwinden dieser Krise waren nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die außenpolitische Lage des Deutschen Reichs entwickelte sich weitaus positiver und schneller als erwartet. Somit hatte Hitler das vorrangige Ziel, das deutsche Militär den Gegebenheiten anzupassen.

Somit erwuchs die Ansprache Hitlers vom 5. November 1937 aus der Beobachtung der politischen Entwicklung im Inneren und Äußeren18 . Das Ziel war es, einen eingeweihten Kreis über das weitere Vorgehen zu informieren und auf eine Linie auszurichten.

3.1 Die Besprechung vom 5. November 1937

An der Besprechung nahmen Hitler, der Reichskriegsminister Blomberg, die Oberbefehlshaber der Teilstreitkräfte, der Reichsminister des Auswärtigen Neurath, sowie der Wehrmachtsadjutant des ,,Führers und Reichskanzlers" Oberst Hoßbach teil. Hitler hielt sich in dieser Besprechung nicht an den Wunsch Blombergs, in den Mittelpunkt seiner Erörterungen Rohstoff- und Rüstungsfragen zu stellen, sondern entwarf er vielmehr ein außenpolitisches Handlungsprogramm.

Infolgedessen leitete er seine Ausführung mit den folgenden Sätzen ein: ,,Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handelt es sich um das Problem des Raumes."19 . Hitler stellte somit dem Zuhörerkreis eine aggressive Außenpolitik vor. In seinen Augen benötige das deutsche Volk Raum, um weiterhin autark bleiben zu können. Diese Lebensraumpolitik sei nur ,,durch Brechen von Widerstand und unter Risiko" möglich20 . In den Augen Hitlers war also der Krieg unabwendbar, somit stellte er nur die Fragen ,,wann" und ,,wie"21 . In den folgenden Phasen seiner Ausführungen sprach er von 3 möglichen Fällen zur Expansion: Zum einen für ein Vorgehen in den Jahren 1943 - 45 , hier erwarte er ein Abnehmen der eigenen Leistungsfähigkeit, sowie der relativen Stärke im Vergleich zu anderen Staaten. Im zweiten Fall hoffe er auf ein Anwachsen der innenpolitischen Spannungen in Frankreich, damit die Armee für einen Krieg gegen Deutschland ausgeschaltet würde, im Falle des Handelns gegen die Tschechei. Der letzte Fall war der aktuellste: In der Hoffnung Frankreich in einem Krieg im Mittelmeerraum verwickelt zu sehen, sollte es für Deutschland möglich sein, ,,blitzartig" gegen die Tschechei und Österreich vorzugehen. Polen wäre durch den schnellen Erfolg abgehalten gegen Deutschland zu intervenieren.

Hitlers Ausführungen waren weder prinzipiell noch in den einzelnen Punkten neu22 . Was Hitler hier vortrug, war zunächst nichts anderes als das Konzept, das er in ,,Mein Kampf" entwickelt hatte und seither Fixpunkt seiner Politik gewesen war23 . Diese Ideen hatten jetzt im Verlaufe der Entwicklungen im deutschen Reich einen realen Charakter bekommen. Hitler hatte jetzt klar und deutlich gemacht, worauf es ihm in den folgenden Monaten ankommt. Er ließ bei den Zuhörern keinen Zweifel daran, wohin der Weg Deutschlands führen werde. Der Krieg war näher, als erwartet. Der 5. November bedeutete den endgültigen Durchbruch zur Aggressionsvorbereitung24 .

3.1.1 Reaktionen der Teilnehmer

Hitlers Darlegungen riefen bei einem Teil der Versammelten offen Bestürzung hervor, und die anschließende Diskussion nahm [...] ,,teilweise scharfe Formen an"25 . Eine Zustimmung zu seinen Plänen erhielt Hitler nur von Göring. Blomberg erhob eine Reihe von fachlichen Einwendungen, ohne das Gesamtkonzept Hitlers in Frage zu stellen, Neurath und Fritsch hingegen gaben deutlich zu verstehen, dass sie die Grundannahmen Hitlers und die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen bezweifelten26 .

Eine Ablehnung der Ausführungen Hitlers gab es durch Fritsch und Neurath, mit Einschränkungen auch Blomberg. Sie warnten nachdrücklich vor einem so unverhohlen Kriegskurs27 .

Hitler selber war enttäuscht über die Generalität, er fühlte sich in seinem verächtlichen Urteil bestärkt. Die Debatte nach seinen Ausführungen hatte in gereizt, sodass er den künftigen Zusammentreffen mit der militärischen Führung, als Befehlsausgaben gestaltete. Er zog somit seine Schlüsse aus den Erfahrungen dieses Tages: Er konnte Fritsch, als Vertreter der traditionellen Generalität, nicht als Unterstützung seiner risikobehafteten Expansionspolitik nutzen.

In diesem Treffen gab es noch einen weiteren Aspekt: Es hatte auch eine Desillusionierung auf Seiten der Militärs stattgefunden. Sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und sahen sich aus allen Partnerschafts- und Führungsträumen gerissen. Die ,,Zwei-Säulen-Theorie" entblößte ihr Haupt.

4 Die Blomberg-Fritsch-Krise

Die Blomberg-Fritsch-Krise von Anfang 1938 war nach der Röhm-Affäre [...] die zweite schwere Krise zwischen Armee und NS-Regime28 .

Die beiden Intrigen sind unterschiedlich zu bewerten. Zum einen richtete sich die Intrige gegen Blomberg allem gegen dessen Person, diejenige gegen Fritsch auf die gesamte Institution Wehrmacht. Das Ziel der Intrige gegen Fritsch war vor allem die Vernichtung von Organisationen und deren Führungsspitzen, weil diese [...] der politischen Zielsetzung Hitlers nicht oder nicht ausreichend entsprachen29 . Laut Oberst Hoßbach handelte es ,,sich um einen niederträchtigen Streich gegen den Kopf des Heeres"30

Ebenso vorsichtig muss hier die Theorie betrachtet werden, dass die beiden Affären Folgen der Besprechung vom 5.November 1937 waren.

4.1 Blombergs Sturz

Der Oberbefehlshaber der Wehrmacht hatte am 12. Januar 1938 eine Frau ,,zweifelhafter Vergangenheit"31 geheiratet. Somit war Blomberg aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse mit schuldig an seiner Entmachtung.

Die Drahtzieher dieser Intrige waren zum einen Göring, der sich selber gerne als Oberbefehlshaber der Wehrmacht gesehen hätte, mit Unterstützung Himmlers und auf der anderen Seite Hitler, der schon länger mit dem Gedanken gespielt hatte, sich dem Reichskriegsminister zu erledigen.

Göring hatte die Eheschließung gefördert, obwohl im schon vorher die Vorleben der Braut bekannt war. Im Hauptquartier der Gestapo und der SS lag das kompromittierende Material bereit. Nach der Eheschließung spielte er diese Akten Hitler zu. Hitler selbst, der nichts von dem Vorleben der Braut wusste, stimmte dem Heiratsgesuch Blombergs zu, stellte sich sogar als Trauzeuge, neben Göring, zur Verfügung. Nach der Eheschließung übergab Göring Hitler die Akten, der daraufhin den unwissenden Blomberg zu sich bestellte. Er erklärte dem verduzten Kriegsminister: ,,Ich konnte das nicht mehr aussitzen [...], wir müssen uns trennen."32 . Hitler forderte Besetzungsvorschläge des Amtes von ihm, infolgedessen Göring und Fritsch als mögliche Nachfolger ausfielen. Blomberg hatte nun die Gelegenheit, der Wehrmacht einen fatalen Dienst zu erweisen und seinem Gegenüber vorzuschlagen, selber das Amt zu übernehmen33 . Hitler hatte schon vorher mit diesem Gedanken gespielt: Seiner Meinung nach war nur eine Persönlichkeit in der Lage, den Erfordernissen des Regimes und seines Programms der totalen Gewaltausübung gerecht zu werden: Hitler selbst34 . Blomberg hielt seiner Frau die Treue, übte nie wieder eine offizielle militärische Funktion aus und starb am 14. März 1946 in einem Nürnberger Gefängnis an einem Schlaganfall.

4.2 Die Intrige gegen Fritsch

Görings Ziel in seinem Ämterhunger war die Besetzung des Posten des Kriegsministers, vor ihm stand, bei Ausfall Blombergs, noch der Oberbefehlshaber des Heeres Fritsch nach Rang, Erfahrung und Stellung. Somit musste er auch diesen General ausschalten. Fritsch hatte sich darüber hinaus als Negativfigur für manche Kräfte innerhalb des Nationalsozialismus entwickelt35 . Fritsch war als Bewahrer deutscher und preußischer Tugenden bekannt, besaß im Gegensatz zu Blomberg Rückendeckung im Offizierkorps. Somit war er eine ernstzunehmende Alternative zur NS-Bewegung. Hitler musste ihn, um ihn los zu werden, in seiner persönlichen Integrität erschüttern, wolle er nicht den Unwillen des gesamten Offizierkorps auf sich ziehen.

Die Intrige geschah erneut mit der Vorlage einer Polizeiakte bei Hitler, in der Fritsch der Homosexualität beschuldigt wurde. Mit den Beschuldigungen konfrontiert, reagierte Fritsch fassungslos. Hitler suspendierte den Oberbefehlshaber des Heeres, obwohl dieser sein Ehrenwort gegeben hatte. Fritsch resignierte, gab sich geschlagen und trat zurück, trotz der Aufforderung anderer Generäle, gegen die Intrige vorzugehen und andere Generäle zum Widerstand aufzufordern.

Trotz dessen Resignation arbeiteten viele Offiziere weiter an der Wiederherstellung der Ehre des Generalobersten. Führende Köpfe waren der Chef des Generalstabes Beck und Fritschs Nachfolger Brauchitsch. Diese traten mit Nachdruck für Fritsch ein.

Hitler rehabilitierte Fritsch schließlich mit dem Ziel, die deutschen Offiziere wieder näher um sich zu sammeln, da die Krise mit der Tschechoslowakei drohte.

Fritsch fiel am 22. September vor Warschau als Zielscheibe, wie er einem Vertrauten angab.

4.3 Das Revirement der Wehrmachtspitze

Am 4. Februar 1938 kam es, bevor überhaupt über Schuld und Unschuld entschieden worden war, zu grundlegenden Personalentscheidungen: Hitler selbst übernahm den Oberbefehl über die Wehrmacht, mit der Unterstützung Keitels als Chef des Stabes der Wehrmacht. Keitel war ihm von Blomberg als ,,Bürochef" genannt worden, Hitlers Erwiderung war: ,,Das ist genau die Art Mann, die ich brauche."36 . Neuer Oberbefehlshaber des Heers wurde Walther von Brauchitsch, der ,,Nur-Soldat" sei37 , somit als unpolitisch und loyal bekannt war. Göring wurde nur eine Dienstgraderhöhung zum Generalfeldmarschall zuteil. Hitler nutzte diese Lage zu einer umfassenderen Personalumbesetzung, höhere Truppenkommandeure wurden somit auch in den Ruhestand versetzt. Die Abschiedserlasse für Blomberg und Fritsch wurden der Öffentlichkeit als ,,mit gesundheitlichen Gründen" motiviert bekannt gegeben.

5 Die Auswirkungen auf das innere Gefüge der Wehrmacht

5.1 Direkte Folgen

Das Regime hatte über die reaktionären Offiziere triumphiert38 . Die Wehrmacht hatte nun keine in einer Institution verankerte und in einer Person sich darstellende oberste Repräsentanz gegenüber der politischen Führungsinstanz39 .Die Armee war gleichgeschaltet, sie hatte jegliche Eigenständigkeit im NS-Staat verloren. Die ,,Zwei-Säulen-Theorie", dem Anspruch der Militärelite auf Macht, Einfluss, Autonomie und Integrität war entlarvt. Der folgende Einmarsch in Österreich, der die Folgen der Krise teilweise überdeckte, war nicht durch den Generalstab geplant, sondern hier stützte sich Hitler auf Parteiinstanzen und die nach vorn drängende SS.

Das Offizierkorps verlor endgültig den eigenen politischen-sozialen Anspruch, es wurde zu einem Instrument des Regimes, die Aggressionspolitik umzusetzen. Es war gedemütigt durch die Organisationen der NS-Bewegung. Empörung, Entsetzen und Desorientierung, der Verlust der Identität als bewahrender Pol in der nationalsozialistischen Gesellschaft kennzeichnete die Militärs.

Hitler hatte seine ihm ergebenen Generäle in die Funktionen eingesetzt. Es war bei weitem nicht so fähige Führer, sie waren vielmehr Hitler´s Helfer ohne eigenen Willen. Eine Spaltung zeichnete sich in der Armee ab: Der eine Teil der Soldaten, die ihren Eid auf den Führer erfüllen wollten, der andere Teil, der das Gewissen über diesen Eid stellte. Innerhalb einzelner Generäle, wie zum Beispiel Halder, kam es zu einem inneren Konflikt. Er hasste Hitler, nannte ihn nach seiner Berufung zum Generalstabschef 1938, einen ,,Geisteskranken", versah jedoch weiterhin und unentwegt seine Pflicht.

5.2 Genese des deutschen Widerstands im Militär

Epochencharakter hatte die Fritsch-Krise aber auch im Rahmen eines anderen Entwicklungskomplexes: Sie bildete [...] den Markstein in der Vorgeschichte der späteren national-konservativen Opposition gegen Hitler40 . Diese oppositionellen Bestrebungen begannen an verschiedenen Orten und gingen von einzelnen Personen aus. Sie knüpften Verbindungen, sammelten Gleichdenkende und überwanden erstmals die engen, von Generationen alten europäischen Borniertheiten errichteten Grenzen, indem sie Unterstützung selbst im Ausland suchten41 . Sie sahen die Rohheit des Regimes, sie fürchteten um den Ruf Deutschlands. In den Jahren bis 1944 bildete sich immer mehr der Widerstand im Militär heraus. Für den deutschen Widerstand sind in der Anfangsphase vor allem drei Integrationsfaktoren zu nennen: 1. Der Kampf gegen die ,,Tscheka" bestehend aus SS und Gestapo; 2. Der Wunsch nach einer Rehabilitierung des Generalobersten Freiherrn von Fritsch; 3. Der Kampf gegen Hitlers Angriffsplan gegen die Tschechoslowakei42 . Diese Widerstandsbewegung formierte sich weniger nur aus militärischen Kreisen, als vielmehr durch eine Vermischung von zivilen mit militärischen Bereichen. Die zivilen Widerstandsgruppen suchen den Kontakt zur Armee, da sie der Meinung waren, dass nur noch das Heer als Träger einer aussichtsvollen Opposition oder gar eines Staatsstreiches in Frage kam43 .

Das erste Ziel der Rehabilitierung Fritschs erreicht, zog es Beck, als führender Kopf der Widerstandsbewegung, vor, ein gewaltsames Vorgehen gegen die Gestapo und SS zu unterlassen. Er wollte vielmehr durch eine Diskussion der Spitzengliederung der Wehrmacht den Einfluss auf Hitler wiedergewinnen.

Dies gelang ihm so nicht: Fritschs Schicksal war besiegelt, Himmler und Heydrich standen triumphierend da: die erste ,,Schlacht" endete mit einer Niederlage der Militäropposition44 .

6 Zusammenfassung

Hitlers Ziel der Gleichschaltung war gelungen. Die Armee war ihm jetzt direkt als Oberbefehlshaber unterstellt. Der Widerstand des Militärs gegen seine aggressive Politik war gebrochen, er konnte seine außenpolitische Ziele umsetzen, ohne auf fachliche Kritik zu stoßen. Die systemimmanenten Machtkämpfe hatten Hitler gestärkt hervor gehen lassen. Die Verschmelzung von Partei und Armee konnte beginnen.

Auf der anderen Seite war der Weg geebnet für die Entstehung und Entwicklung einer nationalkonservativen Opposition. Dieser Weg führte schließlich, je mehr Deutschland an den Abgrund trat, zum 20. Juli 1944, in dem sich die Opposition die Frage nach Verantwortung und Gewissen beantwortete.

[...]


1 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.47

2 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.42

3 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.49

4 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, M732, Auszug aus der Rede Hitlers vor dem Reichstag am 30. Januar 1933, S.320

5 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, S.327

6 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.44

7 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.48

8 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.44

9 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.44

10 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.45

11 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.46

12 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, S.327

13 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, S.329

14 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.79

15 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.81

16 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.81

17 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979,

VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.183

18 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.184

19 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, Q145,

Niederschrift des Oberst d.G. Hoßbach über eine Besprechung in der Reichskanzlei am 5. November 1937, vom 10. November 1937, S.316

20 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.186

21 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, Q145,

Niederschrift des Oberst d.G. Hoßbach über eine Besprechung in der Reichskanzlei am 5. November 1937, vom 10. November 1937, S.319

22 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.187

23 Bundeszentrale für politische Bildung: Informationen zur Politischen Bildung (Nationalsozialismus II), München 2000, S.39

24 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.188

25 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.62

26 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.188

27 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.62

28 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.89

29 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.194

30 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, M735b, Die Ausschaltung Blombergs und Fritschs. Oberst Hoßbach über seine Besprechung mit Hitler am 25. Januar 1938, S.326

31 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, S.332

32 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.63

33 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.63

34 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.194

35 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.90

36 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.66

37 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.205

38 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Grundzüge deutscher Militärgeschichte, Freiburg i.B. 1993, S.334

39 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.92

40 Klaus- Jürgen Müller: Armee und 3.Reich 1933 - 1939, Paderborn 1989, S.92f

41 Joachim Fest: Staatsstreich, Berlin 1997, S.70

42 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.220

43 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.220

44 Militärgeschichtliches Forschungsamt: Handbuch zu Militärgeschichte, München 1979, VII. Wehrmacht und Nationalsozialismus 1933 - 1939, S.222

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Blomberg-Fritsch-Krise und ihre Auswirkungen auf das innere Gefüge der Wehrmacht
Note
eins
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V100137
ISBN (eBook)
9783638985666
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blomberg-Fritsch-Krise, Auswirkungen, Gefüge, Wehrmacht
Arbeit zitieren
Nicolas Scheidtweiler (Autor:in), 2000, Die Blomberg-Fritsch-Krise und ihre Auswirkungen auf das innere Gefüge der Wehrmacht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100137

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