Kunst und Kultur


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

4 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Kunst und Kultur

Welche Aufgaben sollen sie erfü llen?

Wo liegen ihre Grenzen?

Welche Rolle spielen sie in ihrem Leben?

Ich wäre gerne dabei gewesen. Da ist ein Mensch vermutlich auf dem Boden gekauert und hat mit einfachem Werkzeug einen rohen Stein bearbeitet. Ob ,,Sie" von einem Mann oder einer Frau hergestellt wurde, weiß man genauso wenig, wie man weiß, ob dieses einzigartige Meisterwerk ausschließlich religiösen oder vielleicht auch schon materiellen Nutzen hatte und dem/der Künstler/in Ansehen brachte. Mit Sicherheit kann man davon ausgehen, dass damals niemand über die Aufgaben von Kunst und deren Grenzen nachdachte, als ,,Sie" entstand: die Venus von Willendorf. Da Kunst bekanntlicherweise mehrdeutig ist, stellt sich die Frage, ob die Venus von Willendorf überhaupt unter dem Aspekt der Kunst entstanden ist. Zweifelsfrei ist die Venus von Willendorf ein Spiegel der damaligen Kultur. Man kann an den Formen erkennen, dass sie als Symbol der Fruchtbarkeit galt und dass damals erstmalig überzeichnete Ideale angefertigt wurden.

Dennoch ist mir der Begriff ,,Kultur" für die Problemerörterung zu weitgehend, da Kultur ganz einfach alles beschreibt, was eine Gesellschaft ausmacht. Dass die Schweizer öfter als wir über Gesetze entscheiden, ist Teil ihrer Kultur. Dass US-Amerikaner von McDonalds- Fast-Food leben, ist Teil ihrer Kultur. Dass Chinesen als Morgensport Taj-Chi ausüben, ist Teil ihrer Kultur. Seitenlang darüber zu schreiben, würde definitiv den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Kunst jedoch lässt sich enger fassen und Kunst wird auch viel kontroversieller diskutiert. Und Kunst nimmt die unglaublichsten Ausprägungen an. Oder hätten Sie gedacht, dass hinter den Texten der Hardcore-Metal-Band ,,Nine Inch Nails" Interpretationen von Friedrich Nietzsche stecken?

Geht man die anerkannten Kunstgegenstände der letzten 10.000 Jahre durch, so entdeckt man prächtige Skulpturen und Gemälde, die uns ein Bild der damaligen Zeit vermitteln. Im Mittelalter wurde Kunst massiv von der Kirche unterdrückt. Diese Unterdrückung setzte sich bei der Eroberung der neuen Welt auf erschreckende Weise fort, als unschätzbare Kunstgegenstände von den Spaniern und Portugiesen unter dem Deckmantel der Kirche vernichtet wurden. Diese Kunstwerke, die uns jetzt noch zeigen könnten, wie die südamerikanischen Hochkulturen gelebt haben, sind unwiederbringlich verloren. Der Spiegel dieser Epoche ist zerbrochen.

Vielen Kulturen erging es ähnlich, einige blieben verschont und das reiche Erbe stellt einen unglaublich wertvollen Spiegel der damaligen Gesellschaft dar. Und Kunst tut dies auch heute noch. Obwohl wir in einer globalisierten Welt leben, lässt sich am Umgang mit der Kunst und den daraus hervorkommenden Kunstwerken erkennen, um welche Gesellschaft es sich handelt. Europa hat einen sehr konservativen Zugang zu neuerer Kunst, da es - zu recht - sehr stolz auf die Kunstwerke der Vergangenheit ist und somit verständlicherweise Probleme hat, Nicht-Michelangelos als Künstler anzuerkennen. US-Amerikaner haben hier einen unverkrampfteren Zugang, da ihre Kultur nicht so alt ist und sich Kunstwerke nicht-indigener Herkunft klarerweise nur sehr spärlich finden. Die Verknüpfung traditioneller und moderner Kunst wird vor allem von bis vor kurzem noch mehr oder weniger ignorierten Kulturen in beeindruckender Manier gezeigt. Als Beispiele lassen sich sowohl Musikprojekte der Indianer als auch Gemälde afrikanischer Künstler und Tanzprojekt der Aborigines nennen. Ich denke, auch hier lässt sich veranschaulichen, dass Kunst ein Bild der gesellschaftlichen und politischen Situation projizieren kann - und darf, ja sogar muss. Kunst trägt zur Bildung bei und was vor wenigen Jahren noch als Schwachsinn abgetan wurde, ist mittlerweile anerkannt. Durch diesen Bildungsanspruch hat Kunst natürlich eine große Verantwortung.

Ich denke, dass es wichtig ist, über den Sinn und natürlich auch Unsinn von Kunst zu diskutieren und disputieren. Es hat lange gedauert, bis Künstler wie Joan Miró und Christian Ludwig Attersee akzeptiert wurden. Ihr Stil, der fernab von DaVinci oder Botticelli angesiedelt ist, polarisiert durch ihre Reduktion auf Ursprüngliches. Ich meine damit, dass derartige ,,Schmierereien" die Grundlage jeglichen kindlichen Bemühens darstellen. Alle Kinder werden zum Malen und Zeichnen ermutigt, um ihre Kreativität zu fördern. Die Entwicklung ist üblicherweise folgendermaßen: aus Gekritzel werden runde Formen, die allmählich die Form von Sonnen und später von Gesichtern annehmen. Danach kommen Körper dazu, die Proportionen gewinnen an Bedeutung und die Dreidimensionalität wird berücksichtigt. Im Alter von 15 - 20 Jahren jedoch - nach der Grund- bzw. Mittelschule - reißt zumeist das Interesse ab, da man mit dem Ergebnis nicht mehr zufrieden ist: das Bild gleicht dem Vorbild nicht ausreichend. Moderene Malerei setzt genau dort an: die Phantasie, das Kind in uns, soll geweckt werden. Dass solche Ansätze polarisieren, ist naheliegend. Festgefahrene Ansichten werden angegriffen und in Frage gestellt. Wodurch die Urfrage aufgeworfen wird: Was ist Kunst und wo endet sie? KUNST ist eigentlich alles was KÜNSTlich geschaffen wurde. KUNSTstoff wäre also auch Kunst; gut, der erfüllt einen Zweck. Und was ist dann mit den klassischen Gemälden wie Rembrandts ,,Nachtwache" oder Klimts ,,Kuss"? Na gut, diese Gemälde erfreuen das Auge. Tun das auch Picassos, Warhols, Kandinskys und Schieles? Kunst hat sich gerade in den letzten hundert Jahren unglaublich gewandelt. Egal ob man von Literaten wie Kafka und Beckett oder von Musikern wie Bruckner oder Einem spricht. Diese Künstler haben eines gemeinsam: sie brachen anerkannte Tabus und erweiterten die Grenzen der Kunst. Hermann Nitsch ist wohl einer der angefeindedsten Künstler unserer Zeit, weil er sich Stilmittel bedient, die unglaublich schockieren. Oft besteht die Notwendigkeit zu krassen Schritten. Wie könnte jemand, der wie ich Vegetarier ist, anschaulicher gegen die Ausbeutung lebender Geschöpfe appellieren als durch schockierende Blutopfer. Einerseits verlangt die Gesellschaft billige Delikatessen und lässt sich hormongespritzte ,,Turbo"-Kälber aus Massentierhaltung schmecken. Andererseits fordern Teile dieser Gesellschaft die gerichtliche Unterbindung von Nitsch-Aktionen.

Zu behaupten, dass Kunst gar keine Grenzen haben darf, wäre etwas übertrieben. Die FPÖ forderte die Zensur des Buches ,,Babyficker", was auf den ersten Eindruck natürlich Zustimmung findet. Ein Jahr nach Veröffentlichung des Buches wurde aber der Fall Dutroux in Belgien bekannt. Die Verbrechen, die dort begangen wurden, sprengen alles, was im Buch ,,Babyficker" erfunden wurde. Dies kann natürlich kein absoluter Freibrief für Kunst sein. Otto Mühl übertrat ohne Frage jegliche Grenze. Vielleicht sollte Kunst soweit gehen dürfen, wie die bestehenden Gesetze zulassen. Keinesfalls jedoch dürfen Gesetze mit dem Ziel geschaffen werden, Kunst einzuschränken. Der Schritt zur Buchverbrennung a la 3. Reich wäre dann nicht mehr weit. Kunst muss die Freiheit haben, Tabus zu brechen. Wenn man in zweihundert Jahren zurückblickt, soll Kunst ein Spiegel unserer Gesellschaft sein und die Botschaft sollte lauten: diese Gesellschaft war aufgeschlossen und tolerant.

Der Staat hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe, Kunst zu fördern, um eben dieses tolerante Bild unserer jetzigen Gesellschaft zu ermöglichen. Wie er das tun soll, ist nur schwer festzulegen. Keinesfalls darf Zensur die Freiheit der Kunst einschränken. Ob Subventionen ein adäquates Mittel sind, ist fraglich, da allein die Nichtsubventionierung einer Zensur gleichkommen kann. Die ,,Auslieferung" der Kunst an den freien Markt würde jedoch einen Rückschritt bedeuten, da sich bloß allgemein anerkannte Kunst durchsetzen würde und so unser Verständnis für Kunst nicht erweitern würde. Am Beispiel der Buchpreisbindung lässt sich dies sehr gut verdeutlichen: Stephen King wäre billiger und Dario Fo teurer... Mir persönlich ist diese Entwicklung zuwider, da Kunst einen nicht unwesentlichen Stellenwert in meinem Leben einnimmt. Und dies nicht zuletzt aufgrund des politischen Aspekts, den ich Kunst zugestehe.

Im Sinne einer besseren Gesellschaft wünsche ich mir, dass Kunst seinen Toleranz-Bildungs- Auftrag wahrnimmt und weiterhin anerkannte Tabus bricht.

Peter Turrini wurde als junger Künstler für sein Stück ,,Rozznjogd" ,,zerrissen"; heute wird dieses Werk in Mittelschulen unterrichtet. Turrini selbst meinte letztes Jahr im Zuge einer Staatspreisverleihung an ihn: ,,Wenn man ein junger Künstler ist, wird man zerrissen. Später werden immer mehr Kritiker zu Schulterklopfern. Und wenn man irgendwann einmal Preise umgehängt bekommt, weiß man, dass man bald stirbt." Ich hoffe, dass Turrini vorher noch ein bisschen zu meiner Vision der ,,Edlen, Schönen und Guten" Gesellschaft beiträgt.

B. Schaufler

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Kunst und Kultur
Hochschule
Real Centro Universitario Maria Cristina
Veranstaltung
Reifeprüfung
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
4
Katalognummer
V100123
ISBN (eBook)
9783638985529
Dateigröße
385 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kunst, Kultur, Reifeprüfung
Arbeit zitieren
Bernhard Schaufler (Autor:in), 2000, Kunst und Kultur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100123

Kommentare

  • Gast am 8.12.2003

    danke für den wirklich interessanten Text. schön,dass es noch menschen gibt, die gefallen an kunst und toleranz zeigen.

  • Gast am 20.11.2001

    Pech gehabt!.

    Die Arbeit ist sehr gut. Leider hatte ich Pech. Mein Deutschlehrer kannte die Website ebenfalls!

Blick ins Buch
Titel: Kunst und Kultur



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden